Was bedeutet „Going Concern“?

Stellen Sie sich vor, die aktuelle Krise hat Ihrem Unternehmen stark zugesetzt und die Förderungen und Entlastungen reichen nicht aus, Sie sicher über das Jahr zu bringen. Vor allem die Unsicherheiten der Geschäftsentwicklung des 2. Halbjahres erlauben keine zuverlässige Prognose Ihrer finanziellen Situation. Sollte jedoch nicht von der erfolgreichen Weiterführung des Unternehmens ausgegangen werden können, treten einige rechtliche Konsequenzen in Kraft, die Sie als Geschäftsführer rasch auch in eine persönliche Haftung führen könnten.


Im Allgemeinen kann davon ausgegangen werden, dass jedes Unternehmen auch in Zukunft bestehen wird. Diese „Fortführungsannahme (Going Concern)“ ist Voraussetzung für die Zahlungsfähigkeit, aber auch Grundlage der Bewertung des Vermögens im Jahresabschluss.

1. Die Fortführungsprognose im Rahmen des Jahresabschlusses

Die Fortführungsannahme kann aus finanziellen (zB Zahlungsschwierigkeiten), rechtlichen (zB Auslaufen von Konzessionen) oder persönlichen (zB Aufgabe des Geschäfts) Gründen bezweifelt werden. Deshalb ist im Rahmen der Jahresabschluss­prüfung eine Fortführungsprognose zu erstellen. Für diese ist idR eine Unternehmensplanung ausreichend, solange sie aktuell, realistisch und widerspruchsfrei ist, das gesamte Unternehmen betrachtet und eine Zeitraum von mindestens einem Jahr umfasst.

Eine Fortführungsprognose fällt aus finanziellen Gründen va dann negativ aus, wenn

  • nachhaltig keine Gewinne erzielt werden können,
  • das Eigen­kapital negativ ist,
  • Gläubiger nicht bedient werden können und
  • ein negativer (operativer) Cashflow besteht, der nicht durch (zusätzliche) Zahlungsmittel abgedeckt werden kann.

Ist aus diesen Gründen die Unternehmensfortführung im Planungs­zeitraum in hohem Maße unwahrscheinlich, muss von der Fortführungsannahme abgegangen werden. Die Konsequenzen für den Jahresabschluss sind dramatisch: Die Nutzungsdauer der Vermögensgegenstände ist zu verkürzen und außerplanmäßige Abschreibungen sind vorzunehmen, eventuelle Verpflichtungen aus der Beendigung des Unternehmens (zB gegenüber Mitarbeitern) sind rückzustellen; im Anhang ist dies anzuführen und zu begründen. Das Eigen­kapital wird dadurch noch weiter reduziert und die unsichere Lage des Unternehmens transparent nach Außen dargestellt.

2. Die Fortbestehensprognose im Rahmen der Insolvenz­ordnung

Während die Fortführungsprognose im Rahmen des Jahresabschlusses durchgeführt wird und der richtigen Bewertung der Vermögensgegenstände des Unternehmens dient, ist die Fortbestehensprognose ein Instrument der Insolvenz­ordnung, um die Lebensfähigkeit des Unternehmens aktuell zu beurteilen.

Eine Fortbestehensprognose ist ein Teil der Überschuldungs­prüfung, die bei akuten Problemen festzustellen hat, mit welcher Wahrscheinlichkeit das Unternehmen in Zukunft zahlungsunfähig wird. Dabei ist ein Plan der Aufwände und Erträge zu erstellen und die Ursachen der Verluste ebenso zu bewerten, wie geplante Sanierungsmaßnahmen. Betrachtet wird dabei der Planungs­zeitraum des Unternehmens (idR ein bis drei Jahre), aber auch die darüber hinausgehende strategische Überlebensfähigkeit.

Die Notwendigkeit einen Insolvenz­antrag zu erstellen, entsteht aus zwei Gründen: Der Überschuldung und einer negativen Fortbestehensprognose. Fällt einer dieser beiden Prüfungen positiv aus, entfällt die Insolvenz­antragspflicht. Die Fortbestehensprognose hat damit hohe Bedeutung, da ein positives Ergebnis eine Bewertung der Liquidations­werte unnötig macht. Ist die Zahlungsunfähigkeit jedoch bereits eingetreten, muss ein Insolvenz­antrag gestellt werden, ohne dass eine Fortbestehensprognose daran etwas ändern kann.

Eine Fortbestehensprognose ist daher rechtzeitig zu erstellen. Durch sie kann die schuldhafte Verzögerung des Insolvenz­antrags vermieden werden und sie kann vor der Haftung einer Insolvenzverschleppung schützen. Im Unterschied zur Fortführungsprognose, die vom Wirtschaftsprüfer im Rahmen des Jahresabschlusses geprüft wird, ist die Fortbestehensprognose vom Geschäftsführer zu erstellen oder zu beauftragen, wenn er als sorgfältig handelnder Verantwortlicher erkennen muss, dass die Zahlungsfähigkeit des Unternehmens bedroht ist. Anzeichen dafür sind die gleichen, wie bei der Fortführungsprognose.

Eine Fortbestehensprognose fällt dann positiv aus, wenn das Überleben unter Berücksichtigung von detaillierten Sanierungsplänen zu mehr als 50 % wahrscheinlich ist.

Fortführungsprognose und Fortbestehensprognose unterscheiden sich dadurch, dass erstere nur im Rahmen des Jahresabschlusses und auf Basis der Unternehmensplanung durchgeführt wird. Zweitere wird veranlasst, sobald das Unternehmen in einer kritischen Phase ist und beinhaltet dann auch einen ausführlichen Sanierungsplan.

Beiden ist gemeinsam, dass sie erstellt werden, solange das Unternehmen noch in einem kontrollierbaren Zustand ist. Sollten sie jedoch negativ ausfallen, wird durch die Transparenz der Probleme gegenüber den Stakeholdern die Lage oft unkontrollierbar. In Konkurs geht man eben erst langsam und dann ganz schnell.


Das Interview ist in CFOaktuell (Heft 5/2020) erschienen. Mehr Infos unter: www.cfoaktuell.at

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