Die Corona-Krise in der nichtfinanziellen Berichterstattung

Implikationen für abgeschlossene und kommende Berichtssaisonen: Die sog „Corona-Krise“, welche die Welt gegenwärtig in Atem hält, birgt Herausforderungen für die ordnungsgemäße Rechnungslegung, welche die Krisenfolgen angemessen reflektiert. Dies gilt nicht nur für die traditionelle Finanzberichterstattung, sondern auch für die Nachhaltigkeits- bzw nichtfinanzielle Berichterstattung. Da Letzteres bisher vergleichsweise wenig Aufmerksamkeit erfahren hat, widmet sich der folgende Beitrag den wichtigsten Fragen, die hiermit verbunden sind. 1


1. Einleitung

Auch wenn die Anfänge der Corona-Krise bis ins Jahr 2019 zurückzuverfolgen sind – und schon zuvor der Ausbruch einer globalen Pandemie ein nicht unwahrscheinliches Szenario war, mit dem sich Gesundheitsbehörden weltweit befassten: In ihrer Geschwindigkeit und der Intensität kam sie dennoch für die (Welt-)Wirtschaft überraschend und traf diese damit weitgehend unvorbereitet. Entsprechend gravierend sind die ökonomischen Folgen, die sich bereits an den Prognosen von Institutionen wie dem IWF ablesen lassen und einen Vergleich zu den großen Wirtschaftskrisen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts nahelegen. Für viele Unternehmen wirft dies existenzielle Fragen auf; ganze Geschäftsmodelle haben in den vergangenen Monaten scheinbar ihre Grundlagen verloren und die Visibilität ist im Hinblick auf die weiteren Entwicklungen noch immer eingeschränkt.

Obschon in dieser neuen Ausgangslage viele Unternehmen zunächst andere Prioritäten hatten bzw haben – zuvorderst die Sicher­stellung ihrer Liquidität –, warfen die angesprochenen Entwicklungen ebenso grundsätzliche Fragen in puncto Rechnungslegung auf. Dies umso mehr, als der Krisenausbruch zumindest in der westlichen Welt für das Gros der Unternehmen mitten in die laufende Berichtssaison zum Geschäftsjahr 2019 fiel. Entsprechend schnell und zahlreich wurden umfangreiche Ausarbeitungen zur adäquaten Berücksichtigung der Krisenfolgen in der Finanzberichterstattung sowie im Rahmen der Abschluss­prüfung vorgelegt. Was bisher jedoch vergleichsweise stiefmütterlich behandelt wurde, das sind die Konsequenzen für die nichtfinanzielle Berichterstattung.

Dieser letztgenannte Befund überrascht insofern, als sich die Krisenfolgen besonders deutlich aus einer Nachhaltigkeitsgesichtsperspektive zeigen – und diskutierte Ansätze zur Krisenbewältigung in ihrem Lichte stehen (Stichwort: „Green Recovery“). Letztere fügen sich gleichsam gut in die laufenden Debatten zum Green New Deal und zu Sustainable Finance in der EU ein, die ebenso zu Handlungsbedarfen führen. Dies legt gerade eine besonders hohe (Entscheidungs-)Nützlichkeit für jene Informationen nahe, die Gegenstand der nichtfinanziellen Berichterstattung sind – bzw legt beträchtliches Risikopotenzial nahe, sollte eine ordnungsgemäße Rechnungslegung (auch) in diesem Punkt nicht gewährleistet werden können. 2

2. Corona-Krise und nichtfinanzielle Belange

Eine Berichts­pflicht entsteht im Rahmen der nichtfinanziellen Berichterstattung auf Grundlage der in § 243b Abs 2 UGB festgehaltenen Generalnorm. Diese lautet: „Die nichtfinanzielle Erklärung hat diejenigen Angaben zu enthalten, die für das Verständnis des Geschäftsverlaufs, des Geschäftsergebnisses, der Lage der Gesellschaft sowie der Auswirkungen ihrer Tätigkeit erforderlich sind und sich mindestens auf Umwelt-, Sozial- und Arbeitnehmerbelange, auf die Achtung der Menschen­rechte und auf die Bekämpfung von Korruption und Bestechung beziehen.“Die genaue Auslegung dieser Formulierung beschäftigt die Literatur seit langer Zeit; 3 dass allerdings die Folgen der Corona-Krise jedenfalls hierunter zu summieren sein werden, dazu besteht kein Zweifel. Die wirtschaftlichen Folgen, die für das Unternehmen selbst hieraus entstehen, sind ebenso groß wie die weiteren Konsequenzen, die sich für die genannten Belange aufgrund der Tätigkeit dieses Unternehmens ergeben.

Zentraler Bezugspunkt für alle Darstellungen sind die Auswirkungen, die mit der Corona-Krise einhergehen. Wobei es folglich allerdings nicht um die Auswirkungen auf das Unternehmen selbst geht (zB Umsatzeinbußen, Mehrkosten etc), sondern um Auswirkungen, welche die externen Stakeholder entlang der oa Belange erfahren, sofern sie mit der Unternehmensaktivität in Verbindung stehen. Zentral ist dabei der möglichst konkrete Bezug zur Krise selbst, dh den Berichtsadressaten zu vermitteln, wie diese Krise zu neuen (oder veränderten) relevanten Auswirkungen der Unternehmensaktivitäten führte.

Die nachfolgende Tabelle 1 fasst Beispiele für mögliche Einzelthemen zusammen, die für die mannigfaltigen Möglichkeiten stehen, die sich als Folge der Corona-Krise ergeben – und in Folge (bei einer Wesentlichkeit iSd Generalnorm) Gegenstände der nichtfinanziellen Berichterstattung sein können.

In welcher Form die Darstellung der Auswirkungen, die sich aus der Corona-Krise ergeben, behandelt wird, bleibt offen. Es ist möglich – und iSd Klarheit und Übersichtlichkeit der Berichterstattung ggf zu bevorzugen –, ihr ein eigenes Kapitel innerhalb der nichtfinanziellen Berichterstattung zu widmen. Ebenso möglich ist es aber, die Krisenfolgen auf mehrere Kapitel zu verteilen, welche die nichtfinanzielle Berichterstattung zB streng nach den gesetzlichen Mindestbelangen strukturieren. Wichtig erscheint es im Besonderen, dass die Berichtsadressaten einen Überblick über die abgrenzbaren Auswirkungen iVm der Corona-Krise erhalten – und auch beurteilen können, welche Entwicklungen in der nichtfinanziellen Unternehmens­leistung ohne diese Kriseneffekte festzustellen waren. Bzw wann Kriseneffekte verklungen sind und was für ein fortführbarer (neuer) Status quo an diesem Punkt erreicht wurde.

Tab 1: Mögliche Folgen der Corona-Krise auf Ebene der nichtfinanziellen (Mindest-)Belange 4

Tab 1: Mögliche Folgen der Corona-Krise auf Ebene der nichtfinanziellen (Mindest-)Belange 4

3. Mindestangaben zur Corona-Krise in der nichtfinanziellen Berichterstattung

Der Logik der nichtfinanziellen Berichterstattung folgend ist in einem ersten Schritt zu identifizieren, ob ein Einzelthema in den genannten Belangen gem § 243b Abs 2 UGB berichts­pflichtig ist. 5 Im Anschluss haben nun die Angaben, die zu tätigen sind, mindestens jenen zu entsprechen, die im (nicht abschließenden) Katalog in § 243b Abs 3 UGB angeführt werden. Dabei sind im Besonderen Grundsätze wie jener, umfassend und doch zugleich prägnant, konsistent, kohärent und zukunftsorientiert zu berichten, von Bedeutung; 6 den Berichtsadressaten ist in allen Punkten ein möglichst konkretes Bild von den mit der Corona-Krise verbundenen Auswirkungen zu geben.

243b Abs 3 Z 1 UGB verlangt Angaben zum Geschäftsmodell des berichts­pflichtigen Unternehmens – der Gesetzessystematik folgend wohl mit besonderem Augenmerk auf die berichts­pflichtigen nichtfinanziellen Belange. 7 Anlässlich der Corona-Krise sind hier Angaben naheliegend, die darstellen, wie sich diese Krise auf das bisherige Geschäftsmodell des Unternehmens ausgewirkt hat und welche Anpassungen hierbei erforderlich waren bzw noch sein werden. Neben den Risiko- bzw Schadensaspekten wird aber auch Chancenaspekten entsprechender Platz in den Darstellungen einzuräumen sein, die sich in vielen Branchen als weitere Krisenfolge gezeigt haben (etwa im Gesundheits- und Sanitärbereich).

Gemäß § 243b Abs 3 Z 2 UGB sind danach die vom Unternehmen im Hinblick auf die nichtfinanziellen Belange verfolgten Konzepte anzu­geben – dh wie Themen gesteuert werden und welche Ziele dabei verfolgt werden. Zur Corona-Krise werden sich solche Darstellungen anbieten, die konkrete Reaktionen des Managements auf die Folgen der Corona-Krise betreffen – und damit zugleich mögliche Vorkehrungen für noch kommende Entwicklungen.

243b Abs 3 Z 3 UGB spricht von Angaben, welche die Ergebnisse der zuvor genannten Konzepte betreffen – meint damit allerdings vielmehr die Ergebnisse, die in den berichts­pflichtigen Belangen aufgrund der verfolgten (ebenso aber aufgrund nicht vorhandener) Konzepte erzielt wurden. 8 Dies entspricht sohin einer vergangenheitsorientierten Berichts­pflicht, die konkrete Angaben zu den (messbaren, kurz­fristigen) Folgen der Corona-Krise verlangt. Die Angaben können rein qualitativ sein, sind jedoch im Besonderen iVm den im Anschluss diskutierten berichts­pflichtigen nichtfinanziellen Leistungsindikatoren von Bedeutung. Erneut ist dabei zu betonen, dass nicht die Folgen für das berichts­pflichtige Unternehmen, sondern letztlich für die Stakeholder (die berichts­pflichtigen Belange) dargestellt werden müssen; Ersteres ist demgegenüber – va in monetarisierter Form – bereits Gegenstand der Lageberichterstattung gem § 243 UGB.

Die im Folgenden verlangten Angaben gem § 243b Abs 3 Z 4 UGB zu den eingerichteten Due-Diligence-Prozessen. Diese hängen eng mit den verfolgten Konzepten gem Z 2 zusammen und fordern Angaben zu konkreten Maßnahmen, die entweder mit präventiven Charakter gegenüber den eingetretenen Krisenfolgen bereits vor dieser implementiert waren – bzw zu Maßnahmen, die in Folge der Krise etabliert wurden, um deren Folgen zu mindern und zukünftigen negativen Entwicklungen vorzubeugen. Durchgeführte Audits sind ein Beispiel aus der Praxis für Maßnahmen, die häufig zur Erfüllung dieser Angabe­pflicht dargestellt werden – und im Besonderen auch zur Bewältigung der Folgen der Corona-Krise ihre Bedeutung haben werden.

Die nichtfinanzielle Risikoberichterstattung gem § 243b Abs 3 Z 5 UGB zählt zu den konzeptionellen „Herzstücken“ der nichtfinanziellen Berichterstattung. Darzustellen sind hierbei Risiken – aber auch Chancen – in Folge der Corona-Krise, wobei hier im Gegensatz zu den Ergebnissen gem Z 3 zukunftsbezogene Aspekte Gegenstand der Berichts­pflicht sind. Wieder dem Grundkonzept der nichtfinanziellen Berichterstattung folgend stehen dabei die Auswirkungen auf die Stakeholder (nichtfinanziellen Belange) als Referenzpunkte im Fokus. 9 Weit gefasst ist ua die gesamte Lieferkette in die Berichterstattung mit einzubeziehen, was im Lichte des beobachtbaren Zusammenbruchs internationaler Lieferketten mit teils dramatischen Folgen bei Zulieferbetrieben eine hohe Aufmerksamkeit erfahrende Angabe­pflicht darstellt. Erneut ist dabei auf die Abgrenzung zur (auf die Unternehmenslage ausgerichteten) Risikoberichterstattung im Lagebericht gem § 243 UGB zu achten.

Eine Angabe der wichtigsten nichtfinanziellen Leistungsindikatoren fordert § 243 Abs 3 Z 6 UGB. Hierunter sind Kennzahlen zu verstehen, welche den Status quo der Unternehmens­leistung im Hinblick auf die nichtfinanziellen Belange abbilden. Im Vergleich zu den zuvor geschilderten Angabe­pflichten gestalten sich jene in Z 6 besonders auslegungsbedürftig und bieten sohin Spielraum, wie konkret auf die Folgen der Corona-Krise eingegangen wird. Schlüssiger Weise zu fordern ist es jedoch, dass diese iVm den Angabe­pflichten gem Z 3 erfolgen und tiefergehende Darstellungen enthalten; Beispiele können Entwicklungen im Personalstand sein, CO 2-Emissions-Einsparungen aufgrund des Lockdowns etc.

Hinzuweisen ist schließlich noch auf die Forderung im letzten Satz des § 243b Abs 2 UGB, wonach „die nichtfinanziellen Leistungsindikatoren unter Bezugnahme auf die im Jahresabschluss ausgewiesenen Beträge und Angaben zu erläutern“ sind. Hier werden konkrete Aussagen zu den ökonomischen Konsequenzen der Corona-Krise zu tätigen sein. Beispielsweise können erforderliche Investitionen (zB zur Wahrung der gebotenen Hygienestandards) genannt bzw referenziert werden, Mehraufwendungen im Personalbereich, krisen­bedingte Umsatzrückgänge (oder auch Mehrerträge) etc. Zwar wird diese Angabe­pflicht in der bisherigen Praxis der nichtfinanziellen Berichterstattung idR nur unzureichend umgesetzt; die Auswirkungen der Corona-Krise betreffen allerdings ökonomische, ökologische und soziale Aspekte gemeinsam auf eine Weise, die hier ein Herstellen von Zusammenhängen leichter und durchaus plastischer als für viele andere berichts­pflichtige Einzelthemen ermöglichen – damit aber gleißermaßen mit umso größeren Nachdruck einfordern lassen – sollte.

4. Weitere Abwägungen zur gebotenen Berichterstattung

Eine sog „Schutz­klausel“ für die Berichterstattung sieht § 243b Abs 4 UGB vor. Hiernach können im Unternehmens­interesse Pflichtangaben weggelassen werden; jedoch sind dafür Voraussetzungen beachtlich, die sehr restriktiv zu interpretieren sind und dazu führen, dass (wie schon vom Gesetzestext festgehalten) nur in Ausnahmefällen von dem Wahlrecht Gebrauch gemacht werden kann. 10 Eine Möglichkeit scheint es etwa zu sein, Angaben zur Inanspruchnahme gewisser (staatlicher) Unterstützungsmaßnahmen oder aber zu den Auswirkungen von noch in Verhandlung befindlicher Restrukturierungsmaßnahmen zu unterlassen. Dies ist aber in allen Fällen durch den Aufsichtsrat kritisch zu überprüfen und die Zulässigkeit dieser Vorgehensweise va im Lichte der Generalnorm für die nichtfinanzielle Berichterstattung zu beurteilen.

Anders als für den Lagebericht gem § 243 UGB ist für die nichtfinanzielle Berichterstattung per se keine ausdrückliche Prognoseberichterstattung gefordert. Allerdings ist in diesem Zusammenhang erneut auf die bereits dargestellten Grundsätze für eine ordnungsgemäße (nichtfinanzielle) Berichterstattung hinzuweisen, welche die Zukunftsorientierung der Angaben betonen. Obschon solche Ausführungen also nicht notwendiger Weise als eigener Abschnitt der vorgelegten nichtfinanziellen Erklärung bzw des gesonderten nichtfinanziellen Berichtes erforderlich sind, wird bei den Angaben auf die laufende Berücksichtigung von Zielen, Erwartungen und beobachtbaren Entwicklungen Augenmerk zu legen sein. ZB kann genannt werden, wie zukünftig mit Home-Office-Regelungen umgegangen werden soll, wie sich gegenwärtig reduzierte Emissionsniveaus voraussichtlich weiterentwickeln etc. Bzw werden bestehende Unsicherheiten, die solche zukunftsberichteten Aussagen in Einzelfällen erschweren, ausdrücklich anzusprechen sein.

Schließlich ist im Besonderen auf die Konsistenz von nichtfinanzieller und finanzieller Berichterstattung zu achten. 11 Mit der Corona-Krise sind Auswirkungen sowohl auf die gem § 243b UGB berichts­pflichtigen nichtfinanziellen Belange verbunden, wie auch auf die wirtschaftliche Lage des berichts­pflichtigen Unternehmen selbst, die allerdings bereits Gegenstand der Lageberichterstattung gem § 243 UGB ist. Das Bild, dass hier gesamthaft vermittelt wird, hat ebenso Ansprüchen wie jenen der Wahrheit und Klarheit iS eines „möglichst getreuen Bildes“ zu entsprechen. Zu achten ist darauf, in welchen Bericht welche Inhalte dargelegt werden, um einerseits Redundanzen zu vermeiden (zur Vermeidung eines information overload), andererseits aber gleichermaßen eine jeweils vollständige Berichterstattung zu gewährleisten (im Hinblick auf das anderenfalls greifende Sanktionsregime). Faktisch wird hier in Ansätzen gesamthaft integriert zu berichten sein.

5. Überlegungen zum maßgeblichen Berichts­stichtag

Eine wichtige Frage, die bisher va im Rahmen der Finanzberichterstattung thematisiert wurde, aber gleichermaßen für die nichtfinanzielle Berichterstattung von Bedeutung ist, dreht sich um den Zeitpunkt, zu dem eine erstmalige Berichts­pflicht zur Corona-Krise ableitbar ist. Dies ist deswegen besonders kritisch, da der Krisenausbruch, wie eingangs im vorliegenden Beitrag bereits angemerkt, für viele Unternehmen mit der laufenden Berichtssaison zum Geschäftsjahr 2019 zusammengefallen ist.

Für die diesbezüglichen Beurteilungen maßgeblich ist zunächst die Unterscheidung, ob die Corona-Krise mit ihren Folgen im Hinblick auf bereits abgeschlossene Geschäftsjahre als werterhellendes oder wertbeeinflussendes Ereignis zu sehen ist. Die dafür erforderlichen Abwägungen kommen jenen gleich, die für den Kontext der Finanzberichterstattung entwickelt wurden. Es scheint sich nunmehr dazu die überwiegende Meinung in Literatur und Praxis entwickelt zu haben, dass gerade für österreichische Unternehmen im Regelfall erst für Berichts­stichtage ab dem 31. 3. 2020 von einer Berichts­pflicht auszugehen sein wird. Dies entbindet jedoch nicht von einer Analyse der genauen Umstände des Einzelfalles – als etwa Unternehmen, die internationale Geschäftsbeziehungen im wesentlichen Umfang aufrecht erhalten, durchaus schon früher zum Ergebnis einer Berichts­pflicht gelangen können (zB bei einer Präsenz in China mit Produktionsstandorten). Selbst die ersten zum 31. 3. 2020 vorgelegten nichtfinanziellen Berichterstattungen (zB von AT&S) zeigen allerdings deutlich, dass Unternehmen hinter den zuvor dargestellten Anforderungen noch teils weit zurückblieben.

Als Spezifikum der nichtfinanziellen Berichterstattung ist weiters zu berücksichtigen, dass gerade für den Prozess der Wesentlichkeitsanalyse andere Maßstäbe anzulegen sind. Die geforderten Analysen fokussieren schließlich auf die Risiken aus der Geschäftstätigkeit, denen ein Zukunfts­bezug innewohnt. Ohne dass also bereits konkrete Ergebnisse der Corona-Krise oder dgl vorwegzunehmen wären, sind schon für das vergangene Geschäftsjahr jene Erkenntnisse aus der Krise zu berücksichtigen, welche die Identifikation der relevanten Auswirkungen und damit der berichts­pflichtigen Einzelthemen betreffen. Darüber hinaus sind auch im Rahmen der damit in Verbindung stehenden zukunfts­gerichteten Aussagen (im Besonderen zB im Rahmen der nichtfinanziellen Risikoberichterstattung) möglichst konkrete Bezüge zu den im nächsten Geschäftsjahr eintretenden Ereignissen herzustellen. Eine Forderung, die freilich in der Praxis – soweit bereits überblickbar – weitgehend unbeachtet blieb. 12

6. Fazit

Die Corona-Krise stellt ein Ereignis dar, das im Hinblick auf die damit verbundenen Einschnitte von außergewöhnlicher Bedeutung ist. Dies gilt gleichermaßen für die Leben wohl fast aller Menschen auf diesem Planeten wie für die Weltwirtschaft und ihre Akteure. Kurzfristig stellen sich für viele von ihnen wohl Fragen des (wirtschaftlichen) Überlebens; mit Blick auf die gesetzlichen (Rechenschafts-)Pflichten kommen allerdings auch bald Fragen zur gebotenen Berücksichtigung der Krisenfolgen im Rahmen der Unternehmensberichterstattung in den Fokus.

Wie der vorliegende Beitrag aufzeigte, ist nicht nur die Finanzberichterstattung, sondern gleichermaßen die nichtfinanzielle Berichterstattung in wesentlichem Maße von den Folgen der Corona-Krise betroffen; diese sind unter die gesetzlichen Angabe­pflichten zu summieren und auf strukturierte, klare und übersichtliche Art und Weise den Berichtsadressaten zu vermitteln. Dies trägt dem Ziel der Rechenschafts­pflichten bei, relevante Entscheidungsgrundlagen zu schaffen – wovon nicht nur die (externen) Stakeholder eines Unternehmens profitieren, sondern auch das Management dieses Unternehmens im Hinblick auf dessen Steuerungsbedarfe. Damit kann die Rechnungslegung letztlich einen weiteren Beitrag dazu leisten, die negativen Folgen der Krise zu begrenzen bzw zu lindern und die damit ebenso einhergehenden Chancen herauszuarbeiten. Und die sog „nichtfinanzielle“ Berichterstattung zeigt schnell wieder auf, welche substanzielle ökonomische Relevanz mit ihr verbunden sein kann.


Quellen:

1 Für weiterführende Diskussionen der folgenden Inhalte siehe Baumüller, Folgen der Corona-Krise für die nichtfinanzielle Berichterstattung, IRZ 2020, 299.

2 ZB Baumüller, Unternehmensfinanzierung und nichtfinanzielle Berichterstattung, BÖ B 2/2020, 64.

3 ZB Baumüller/Scheid, Unterschiedliche Auslegungen zur (selben) Wesentlichkeit in der nichtfinanziellen Berichterstattung in Deutschland und Österreich? PiR 2020, 122.

4 Quelle: eigene Darstellung im Abgleich mit der Beispielsammlung von Milla/Sternisko, Auswirkungen von COVID-19 auf die nichtfinanzielle Berichterstattung, RWZ 2020, 132.

5 Zur Gesetzessystematik und den im Folgenden angesprochenen Angabe­pflichten siehe Baumüller, Nichtfinanzielle Berichterstattung (2020) 90 ff.

6 Dazu EU-Kommission, Leitlinien für die Berichterstattung über nichtfinanzielle Informationen (Methode zur Berichterstattung über nichtfinanzielle Informationen) (2017/C 215) 5 ff.

7 Vgl Baumüller/Nguyen, Umsetzung der CSR-Richtlinie im deutschen und im österreichischen Bilanz­recht, KoR 2017, 413 (415 f).

8 Vgl EU-Kommission, Leitlinien, 12.

9 Ebenso Haberl-Arkhurst/Rogl, Risikobetrachtung im Rahmen der Umsetzung der nichtfinanziellen Berichterstattung (Fokus NaDiVeG), RWZ 2019, 243 (243 f).

10 Ausführlich Kirsch, Weglassen nachteiliger Angaben in der nichtfinanziellen (Konzern-)Erklärung, DStZ 2018, 230.

11 Dazu schon AFRAC-Fachinformation: COVID-19 (April 2020), Tz 23.

12 Zu diesem Themenkomplex im Besonderen Baumüller, IRZ 2020, 302 f. Deutlich fällt dies etwa bei der diesbezüglich defizitären nichtfinanziellen Berichterstattung der AGRANA mit ihrem späten Berichts­stichtag zum 29. 2. 2020 auf.


Der Artikel ist in CFO aktuell (Heft 4/2020) erschienen. Mehr Infos unter: www.cfoaktuell.at

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