EU-Taxonomie: Die Konformitätsanalyse bringt neue Herausforderungen

Erweiterte Anforderungen im Vergleich zum ersten Berichtsjahr

Anders als für die Berichterstattung zum Geschäftsjahr 2021 ist für 2022 auch die Konformität im Rahmen der EU-Taxonomie darzustellen. Damit ist nun erstmalig die Beurteilung von „grünen“ und „nichtgrünen“ Unternehmenstätigkeiten notwendig. Diese Klassifizierung stellt einen maßgeblichen Schritt zur Förderung von Finanzströmen in ökologisch nachhaltige Tätigkeiten dar. Zeitgleich kann die notwendige Analyse Unternehmen vor einige Herausforderungen stellen.


1. Die EU-Taxonomie im Überblick

Um die Ziele des European Green Deals und des Pariser-Klima­abkommens zu erreichen und die Klimaziele der EU für 2030 zu erfüllen, muss die EU Investitionsströme in nachhaltigere Unternehmenstätigkeiten lenken. Dafür sind ein gemeinsames Rahmenwerk und eine einheitliche Definition von Nachhaltigkeit notwendig: die EU-Taxonomie. Damit soll die Transparenz im Bereich Nachhaltigkeit erhöht und Greenwashing vermieden werden.

Die zur EU-Taxonomie gehörigen Delegierten Verordnungen als Beiwerke regeln die zu erfüllenden technischen Kriterien. Bisher sind erst die Kriterien für die ersten beiden Ziele – Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel – der insgesamt sechs Umweltziele der EU-Taxonomie final veröffentlicht. Für die restlichen vier Umweltziele sollen Ende des Jahres 2022 bzw zu Beginn des Jahres 2023 die entsprechende delegierte Verordnung mit den technischen Bewertungskriterien verabschiedet werden. Aktuell liegt zu diesen vier Zielen nur ein Vorschlag des Expertengremiums Platform on Sustainable Finance vor – Unternehmen können diesen jedoch bereits nutzen, um abzuschätzen, welche Unternehmenstätigkeiten potenziell taxonomiefähig werden. Zusätzlich hat im Juli das Expertengremium einen Berichtsentwurf zur Sicher­stellung der Minimum Safeguard Standards veröffentlicht, welcher ebenfalls als Grundlage für die Erarbeitung einer Delegierten Verordnung der EU-Kommission dient.

2. Berichts­pflichten und Änderungen zum Vorjahr

Die EU-Taxonomie hat im letzten Jahr nicht nur sämtliche PIEs in Österreich und ihre Berichterstattung über nichtfinanzielle Informationen, sondern auch die Prüfungs­gesellschaften, welche mit der Prüfung der neuen Angaben beauftragt wurden, gefordert. Unternehmen, die von der EU-Taxonomie betroffen sind, mussten ihre Wirtschaftstätigkeiten entlang der Bewertungskriterien analysieren und darüber berichten. Für das Berichtsjahr 2021 galten weniger umfangreiche Berichts­pflichten als für 2022. Es waren lediglich die taxonomiefähigen Geschäftsaktivitäten zu benennen und deren Anteile an Umsatzerlösen, CapEx und OpEx anzu­geben.

Fällt eine Wirtschaftsaktivität in den Gegenstandsbereich der EU-Taxonomie, weil sie Bestandteil, der in der vorge­gebenen Klassifikation ist, dann wird diese Aktivität als taxonomiefähig (Taxonomie-Eligibility) bezeichnet. Für Taxonomie-Eligibility waren für das Berichtsjahr 2021 nur die ersten beiden Umweltziele „Klimaschutz“ und „Anpassung an den Klimawandel“ zuzuordnen. Die Abbildung zeigt die unterschiedlichen Berichts­pflichten für 2021 und 2022.

Für das Berichtsjahr 2022 gilt es, die Frage zu klären, ob die taxonomiefähige Aktivität nun taxonomiekonform (Taxonomie-Alignment) ist. Die Frage können betroffene Unternehmen anhand der delegierten Rechtsakte für die jeweiligen Umweltziele bewerten.

Wirtschaftstätigkeiten gelten dann als ökologisch nachhaltig (taxonomiekonform), wenn sie die technischen Bewertungskriterien (A und B) und die Minimum Safeguard Standards (C) erfüllen:

A) Sie leisten einen wesentlichen Beitrag zu mindestens einem der sechs Umweltziele gemäß den in der EU-Taxonomie festgelegten Kriterien.

B) Sie führen nicht zu einer erheblichen Beeinträchtigung eines oder mehrerer der anderen Umweltziele (sogenannte Do-no-significant-harm (DNSH)-Kriterien).

C) Sie erfüllen bestimmte soziale Mindestanforderungen (OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen, UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschen­rechte, einschließlich der Erklärung über die grundlegenden Prinzipien und Rechte bei der Arbeit der Internationalen Arbeits­organisation (IAO), der IAO-Kernarbeitsnormen und der Internationalen Charta für Menschen­rechte).

Die Kriterien für die Umweltziele „Klimaschutz“ und „Anpassung an den Klimawandel“ werden in den Annexen 1 und 2 zum delegierten Rechtsakt C (2021) 2800 festgelegt. Für die restlichen vier Umweltziele wäre eine Anwendung für die Berichterstattung zum Geschäftsjahr 2022 vorgesehen gewesen, jedoch ist es eher unwahrscheinlich, dass die dafür notwendigen delegierten Rechtsakte vor Ende 2022 vorliegen werden.

3. Wie können Unternehmen die Anforderungen umsetzen?

Für die Umsetzung der Taxonomie-Anforderungen empfehlen wir einen Ansatz, welcher in Abbildung 2 dargestellt ist und im Folgenden erläutert und anhand von Beispielen skizziert wird.

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Datei: images/cfoaktuell_2022_5_177.jpg

Abb 1: Änderungen in GJ 2022. (Die Berichts­pflicht für die vier zusätzlichen Umweltziele werden voraussichtlich um ein Jahr verschoben werden, da die entsprechenden delegierten Rechtsakte erst mit Ende 2022 erwartet werden.)

Schritt 1: Betroffenheitsanalyse

Um im ersten Schritt die Taxonomiefähigkeit der Geschäftstätigkeiten festzustellen, ist es notwendig, eine Betroffenheitsanalyse durchzuführen. Im Rahmen dieses ersten Screenings sollte identifiziert werden, welche Aktivitäten gemäß der EU-Taxonomie auf das eigene Unternehmen zutreffen.

Wichtig ist dabei, nicht nur das Kerngeschäft zu betrachten, sondern auch weitere Querschnittsaktivitäten innerhalb des Unternehmens, wie zB der Betrieb eines Fuhrparks oder die Renovierung von eigenen Gebäuden und damit verbundenen Investitionen oder Betriebs­kosten. Also sind bei der Analyse auch Tätigkeiten relevant, die keine direkten Umsätze generieren.

Schritt 2: Konformitäts­prüfung

In einer dreistufigen Prüfung müssen die taxonomiefähigen Tätigkeiten hinsichtlich ihrer Taxonomiekonformität bewertet werden. Zum einen muss die Überprüfung der Einhaltung der relevanten technischen Prüfkriterien für den substanziellen Beitrag zu einem Umweltziel erfolgen. Weiters sind die Aktivitäten dahingehend zu prüfen, ob keine wesentlichen Beeinträchtigungen anderer Ziele („Do No Significant Harm“-Regel, DNSH) vorherrscht.

Bei einem Logistik­unternehmen würde das beispielsweise für entsprechende Fahrzeuge im Fuhrpark bedeuten, strenge Grenz­werte beim spezifischen CO2-Ausstoß der Fahrzeuge einhalten und gewisse Anforderungen an Reifen erfüllen zu müssen, um als taxonomiekonform zu gelten. Unter anderem müssen Reifen Anforderungen an das externe Rollgeräusch für die höchsten Produkte enthaltende Klasse (Klasse A) und die Anforderungen an den Rollwiderstandskoeffizienten (der Einfluss auf die Energieeffizienz des Fahrzeugs hat) für die beiden höchsten Produkte enthaltenden Klassen (Klasse A oder B) erfüllen.

Es ist absehbar, dass die Prüfung der technischen Kriterien sowie der DNSH-Kriterien zum Teil sehr aufwändig und komplex sein werden und ggf Informationen von externen Dritten (beispielsweise Herstellern) einzuholen sind. Es ist daher sinnvoll, sich möglichst früh mit diesen Kriterien und Prüfschritten auseinanderzusetzen, denn viele Herausforderungen werden erst sichtbar, wenn man sich im Detail damit beschäftigt.

Als dritten Schritt ist zu prüfen, ob die Einhaltung von sozialen Mindeststandards sichergestellt ist. Der delegierte Rechtsakt dazu ist noch ausständig, jedoch ist im Bericht der Platform on Sustainable Finance absehbar, welche Kriterien für die Einhaltung der sozialen Mindeststandards einzuhalten sein werden. In diesem Bericht ist festgehalten, dass Unternehmen Prozesse zur Sicher­stellung der Einhaltung von menschen­rechtlichen Sorgfalts­pflichten, Korruptionsbekämpfung und fairem Wettbewerb sowie zur Vermeidung von Steuer­hinterziehung und aggressiver Steuerplanung einzuhalten haben. Ein Fehlen solcher Prozesse oder Verurteilungen bzw eindeutige Hinweise zu Vorfällen in diesen Themenbereichen führen gegebenenfalls zur Einstufung als nicht-taxonomiekonform.

Erst wenn diese dreistufige Prüfung jeweils positiv ausfällt, kann eine Wirtschaftstätigkeit als taxonomiekonform und somit als „grün“ dargestellt werden.

Schritt 3: Daten­erhebung

Bei der Aggregation der finanziellen KPIs je taxonomiefähiger bzw -konformer Wirtschaftstätigkeit ist es nicht unwahrscheinlich, dass manche Kennzahl aktuell noch nicht in der benötigten Gliederung oder Granularität auf Knopfdruck abrufbar und daher eine manuelle Aufbereitung notwendig ist. In vielen Fällen wird es sogar notwendigSeite 178 sein, mittels Schlüssel oder Annahmen die Kennzahlen den verschiedenen Aktivitäten zuzurechnen sowie Prozesse zur Daten­erhebung neu zu denken.

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Abb 2: Ansatz für die Konformitätsanalyse.

Umso wichtiger ist es, in der Berichterstattung ergänzend offenzulegen, wie bei der Herleitung der Kennzahlen vorgegangenen wurde und ggf welche Schlüssel und Ermessens­entscheidungen angewendet wurden. Dabei ist es auch ratsam, derartige Überlegungen intern zu dokumentieren und in einem Accounting-Handbuch oder Verfahrensanweisung festzuhalten.

Schritt 4: Berichterstattung

Im letzten Schritt erfolgt die Erstellung des EU-Taxonomie-Berichtsentwurfs einschließlich der Erstellung der geforderten KPI-Tabellen gemäß EU-Taxonomie Verordnung Art 8, die eine Berichterstattung über jede Aktivität für jeden der drei KPIs fordern.

Im Fokus der Berichterstattung stehen drei Kennzahlen:

Umsatz,
CapEx (Investitionen) und
OpEx (Betriebs­kosten).

Die Berichterstattung ist zudem mit Hintergrundinformationen zu füttern, die für die Leser:innen relevant sind, um zu verstehen, wie die Aggregation der Daten erfolgte und wie bei der Betroffenheitsanalyse sowie bei der Konformitäts­prüfung vorgegangen wurde und die Ergebnisse daraus.


Auf den Punkt gebracht

Die EU-Taxonomie erfordert strukturierte und kontinuierliche Prozesse zur Ermittlung, Bewertung und Berichterstattung ihrer Wirtschaftstätigkeiten. Um adäquate Angaben zur EU-Taxonomie berichten zu können, kann es unter anderem notwendig sein, neue interne Prozesse aufzusetzen. Dies kann einige Zeit in Anspruch nehmen. Es ist daher unerlässlich, dass Unternehmen verstehen, inwieweit sie – bereits jetzt oder in naher Zukunft – direkt oder indirekt von der EU-Taxonomie und ihren Entwicklungen betroffen sind und sich entsprechend frühzeitig auf die Anforderungen vorbereiten. Die weiteren Umweltziele drei bis sechs inkl ihren technischen Bewertungskriterien sind nicht zu unterschätzen und werden den Mehraufwand weiter verstärken. Zusätzlich wird sich der Anwenderkreis mit der CSRD noch deutlich erhöhen.


Der Beitrag erschien zunächst in CFOaktuell (Heft 1/2022). Mehr Infos unter: www.cfoaktuell.at

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