Entscheidungssicher durch die Krise
Gerade in schwierigen Zeiten besonders wichtig: Klarheit über die besten und schnellsten Entscheidungsprozesse in Organisationen zu haben. Mehr darüber wissen die Neuwaldegger BeraterInnen Anna Jantscher und Elisabeth Deutsch und teilen es mit Ihnen in ihrem neuen Blog-Beitrag.
Das erste Zusammentreffen nach dem Corona Shut Down hat auch das Neuwaldegger Team vor eine neue Situation gestellt: alle Präsenztermine und Workshops waren abgesagt. Im schnell einberufenen Teammeeting gab es für kurze Zeit (wirklich nur kurz ;-)) die Tendenz, die Verantwortung an die Geschäftsführung und die GesellschafterInnen zu delegieren. Nach 10 Minuten hatten wir uns wieder gesammelt und uns auf unsere Organisationsstruktur (Holacracy) und deren Entscheidungsprozesse besonnen. Wir blieben dabei, unsere verteilte Autorität und das Agieren aus den Rollen heraus auch bzw. gerade in diesen Zeiten ernst zu nehmen und danach zu handeln.
Verteilte Autorität vs. Alphatier
Das Thema der verteilten Entscheidungsmacht ist in diesen Zeiten nicht nur für selbstorganisierte Teams ein wichtiges. In unserer Begleitung von Führungskräften und Teams erleben wir derzeit häufig folgendes Phänomen: Entscheidungen, die früher durch MitarbeiterInnen selbst getroffen wurden, landen jetzt wieder auf dem „Chef“-Tisch. Viele Mitarbeitende schauen in Richtung Leitung, die jetzt auf einmal wieder, viel mehr als früher, entscheiden soll. Das prominenteste Beispiel dazu aus der aktuellen Medienberichterstattung – die Firma SAP, die auf Grund der Krise und den raschen Entscheidungen, die getroffen werden müssen (so steht es in der offiziellen Presseaussendung), wieder von der verteilten Autorität zu einer Ein-Mann-Spitze zurückgekehrt ist. Es scheint ganz generell, dass sich viele in Zeiten der Krise eine starke Alphakraft wünschen, die durch die Unsicherheit führt.
Die Krise als Chance
Das mag in manchen Situationen der richtige Weg sein. Gleichzeitig sind wir davon überzeugt, dass die Fähigkeit einer Organisation, Entscheidungen kontext- und inhaltsabhängig zu verteilen und daraus zu lernen, statt immer wieder die selben zentralen Entscheider heranzuziehen, in einem dynamischen Umfeld wettbewerbsentscheidend ist.
Es lohnt sich daher, sich folgende vier Fragen zu stellen:
- Wie gehen wir als Team mit Entscheidungen um?
- Welche Entscheidungsverfahren nutzen wir, wenn nicht immer nur die Führungskraft entscheidet?
- Welche Voraussetzungen braucht es, damit diese Verfahren funktionieren?
- Und wie kann das alles virtuell gelingen?
Wie also Entscheidungen treffen?
Im ersten Schritt ist es wichtig, über folgende Fragen Klarheit zu erlangen:
- Was soll weiterhin die Führungskraft entscheiden?
- Was soll durch einzelne Rollen entschieden werden?
- Was soll im Team entschieden werden?
Mit den Ergebnissen macht man sich dann im zweiten Schritt Gedanken darüber, welches Entscheidungsverfahren (z.B. Einzelentscheid, Konsent, IDM, Konsens, …) passend ist.
Hilfreiche Tipps aus unserer Erfahrung dafür sind:
- Einzelentscheide gelingen dann gut, wenn es auch klare Rollenprofile gibt. Diese beschreiben den Zweck der Rolle, die alleinige Autorität (was nur diese Rolle entscheiden darf – Achtung: auch eine Führungskraft dürfte das dann nicht überstimmen) und die generellen Verantwortlichkeiten.
- Teamentscheide können gut gelingen, wenn es einen Vorschlag gibt, den jemand aus einer Rolle heraus einbringt und danach mit dem Konsentverfahren, das nach schwerwiegenden Einwänden und nicht nach Zustimmung fragt, entschieden wird.
- Teamentscheidungen brauchen eine klare Moderation.
Safe enough to try?
Generell ist es hilfreich, an Teamentscheidungen mit der Haltung „Is it safe enough to try?“ heranzugehen. Hinter diesem Prinzip steht die Ausrichtung nicht bis in die Perfektion zu analysieren und zu diskutieren, sondern sich mit Blick auf den Vorschlag zu fragen: „Ist es sicher genug?“ diesen Vorschlag anzunehmen oder wirft er uns zurück? Wissend, dass wir ihn jederzeit wieder ändern können. Damit gewinnen Teams an Geschwindigkeit bei der Entscheidungsfindung und kommen schneller ins Ausprobieren, Lernen und Tun. Der Wunsch nach der perfekten Lösung ist oft hinderlich um einfach mal den nächsten Schritt zu gehen.
Virtuelle Herausforderungen
Im virtuellen Arbeiten ist die Transparenz über getroffene Entscheidungen besonders wichtig. Prinzipiell sollten vor allem Beschlüsse zu den gemeinsamen Spielregeln und vereinbarten Vorgehensweisen für alle zugänglich abgelegt sein. Gemeinsam als Team lassen sich diese Fragen klären:
- Gibt es eine eigene Rolle, die für die Dokumentation verantwortlich ist?
- Wie können wir volle Transparenz für alle sicherstellen?
- Wer moderiert unsere Meetings?
- Gibt es einen geteilten Ablageort, an dem Meetingprotokolle oder sogar Aufzeichnungen der Meetings abgelegt werden, so dass jene, die nicht dabei waren, nachvollziehen können, was entschieden wurde?
Long story short …
Klarheit darüber zu haben, wie Entscheidungen in der Organisation am besten und schnellsten getroffen werden können, ist besonders in Krisensituationen ein klarer Vorteil. Sich mit diesem Thema einmal genauer auseinanderzusetzen, ist die investierte Zeit wert!
Der Beitrag erschien zuerst auf www.neuwaldegg.at/publikationen/blog
Web-Tipp:
Mehr Hilfreiches für die Corona-Krise finden Sie auf www.neuwaldegg.at.
Online-Veranstaltungstipps:
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