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Analyse der finanziellen Unternehmensberichterstattung in Österreich

Eine statistische Auswertung der ATX-Unternehmen.


Das Ziel der Berichterstattung ist es, den jeweiligen Adressaten und Stakeholdern des berichtenden Unternehmens diejenigen Informationen zur Verfügung zu stellen, die ihnen als Grundlage für ihre Entscheidungen nützlich sind. Für Unternehmen wird es aufgrund der stetig steigenden Informations- und Datenmengen jedoch zunehmend schwieriger, dieses Ziel zu erreichen. Aus diesem Grund hat das International Accounting Standards Board (IASB) im Rahmen der Projektserie „Better Communication in Financial Reporting“ mehrere Initiativen und Empfehlungen, darunter auch die Disclosure Initiative, veröffentlicht. Dieser Artikel analysiert die finanzielle Berichterstattung der 20 ATX-Unternehmen und geht dabei auch auf die Umsetzung der Empfehlungen des IASB ein. Die Darstellung der Ergebnisse aus der Analyse zur nichtfinanziellen Berichterstattung erfolgt in einem für die nächste Ausgabe von CFO aktuell geplanten Beitrag.

1. Relevanz der Berichterstattung

Im Rahmen der Disclosure Initiative hat das IASB drei wesentliche Bedenken hinsichtlich der Informationen in den Abschlüssen identifiziert: nicht genügend relevante Informationen, zu viele irrelevante Informationen und ineffektiv kommunizierte Informationen.

Bereits im Rahmen der 2013 – anlässlich des Disclosure Forums durch den IASB – veröffentlichten Umfrageergebnisse bestätigte sich die Komplexität dieses „Disclosure-Problems“. Viele berichtende Unternehmen haben die Problematik sowie die Notwendigkeit des Handlungsbedarfes erkannt und ihre Berichterstattung – vor allem die Angaben im Anhang zum Konzernabschluss – in Richtung relevanter und effizienterer Kommunikation überarbeitet.

Eine ineffektive Kommunikation von Finanzinformationen kann dazu führen, dass Stakeholder relevante Informationen übersehen und Zusammenhänge zwischen Informationen in verschiedenen Teilen des Jahresabschlusses nicht erkennen.

Dies kann dazu führen, dass die Adressaten ungewollte Entscheidungen auf Basis einer lückenhaften Informationsgrundlage treffen oder auf Grund bestehender Unsicherheiten eine höhere Risiko­prämie kalkulieren, was zu höheren Kapital­kosten für das Unternehmen führt. 1 Eine effektive Kommunikation von Informationen im Jahresabschluss kann dazu beitragen, diese Problematiken und Risiken im Vorhinein zu vermeiden.

2. Unter die Lupe genommen

In der Berichtsperiode 2018 umfasste der Konzernabschluss der 20 im ATX gelisteten Unternehmen im Durchschnitt 108 Seiten, wobei 25 % der ATX-Unternehmen einen Konzernabschluss mit mehr als 130 Seiten publizierten. 2 Der teilweise sehr umfangreiche Anhang zum Konzernabschluss stellt hierbei einen wesentlichen Teil des Konzernabschlusses dar. In diesem Zusammenhang sind im Anhang immer wieder Angaben zu Standards zu finden, welche für das Unternehmen nicht wesentlich oder nicht relevant sind. Beispielsweise findet man bei manchen Unternehmen Bilanzierungs- und Bewertungs­methoden zu Kategorien von Finanzinstrumenten, die bei ihnen gar nicht existieren oder Beschreibungen zu Hedge Accounting, obwohl kein Hedge Accounting betrieben wird.

Abb 1: Umfang finanzielles Reporting/Konzernabschluss.

Abb 1: Umfang finanzielles Reporting/Konzernabschluss.

Diese Problematik wurde bereits explizit vom IASB festgehalten 3 . Im Rahmen der vorliegenden Erhebung wird erkennbar, dass jene Unternehmen, welche ihren Konzernabschluss auf unter 80 Seiten reduzierten, bereits mehrheitlich diese Adaptionen im Sinne der Disclosure Initiative getätigt haben und ihren Anhang dadurch wesentlich gekürzt haben. Beispielsweise haben sie strukturierte Inhaltsverzeichnisse eingefügt, Anhangangaben zu verwandten Themen zusammengefasst und/oder die Bilanzierungs- und Bewertungs­methoden gemeinsam mit den entsprechenden Anhangangaben dargestellt.

3. Primary Statements: Bilanz oder Gewinn- und Verlust­rechnung?

Bei der Gliederung und Gestaltung der Primary Statements nutzen die ATX-Unternehmen die von den IFRS eingeräumten Freiheiten. So konzentrieren sich die Unternehmen sowohl bei der Reihenfolge als auch der Gliederung der Primary Statements auf eine unternehmensspezifische Darstellung. Damit wollen sie dem Abschlussleser die wichtigsten Punkte effizient kommunizieren. 60 % der Unternehmen beginnen ihre Primary Statements mit der Gewinn- und Verlust­rechnung und 40 % mit der Bilanz.

Abb 2: Gliederung der Primary Statements.

Abb 2: Gliederung der Primary Statements.

4. Kennzahlen in der Berichterstattung

Alle im ATX gelisteten Unternehmen zeigen zu Beginn des Geschäftsberichts eine Auflistung der für sie wichtigsten Kennzahlen, die für den Bilanzadressaten relevante Leistungsindikatoren umfassen. Bei 60 % der Unternehmen lassen sich die Kennzahlen zur Gänze direkt von den Zahlen der Bilanz und GuV überleiten. Bei jenen 35 % der Unternehmen, deren Kennzahlen überwiegend überleitbar sind, sind mehrheitlich nur jene Kennzahlen nicht direkt überleitbar, die branchenspezifisch, das heißt zum Beispiel auf das Bank- oder Immobilien­geschäft bezogen, sind.

Abb 3: Erläuterung der Kennzahlen.

Abb 3: Erläuterung der Kennzahlen.

5. Entwicklungstrends im Anhang

Der Aufbau des Anhanges der einzelnen ATX-Unternehmen unterscheidet sich teilweise stark voneinander. Dies betrifft vor allem die Gliederung sowie die Gestaltung. So führen zum Beispiel 40 % der untersuchten Unternehmen ein separates Inhaltsverzeichnis des Anhangs an, welches entweder gleich zu Beginn des Konzernabschlusses bzw zu Beginn des Anhanges zu finden ist. In allen Fällen trägt das Inhaltsverzeichnis zu einer wesentlich besseren Orientierung im Anhang bei. 30 % der Unternehmen bilden kein Inhaltsverzeichnis ab, stellen jedoch mit hervorgehobenen Überschriften und Unterkapiteln sicher, dass sich der Leser gut zurechtfindet. Bei den übrigen 30 % fällt es teilweise schwer, Informationen zu einzelnen Themen zu finden.

Vom IASB veröffentlichte Dokumente 4 zeigen, dass die Gliederung der Notes nach Themen anstatt nach den jeweiligen Posten der Bilanz bzw GuV einige Vorteile mit sich bringt. Bei der Gliederung nach Posten ergeben sich gezwungenermaßen Wiederholungen, weil die meisten Themen mehrere Posten der Bilanz und GuV betreffen können. Außerdem erfordert dies zahlreiche Verweise zwischen den einzelnen Kapiteln. Der Abschlussleser muss diesen Verweisen folgen, um alle relevanten Informationen zum Thema zu erhalten. So findet man beispielsweise Erläuterungen zu Steuern an bis zu fünf Stellen im Anhang: bei den Bilanzierungs- und Bewertungs­methoden und Schätzunsicherheiten zum Ansatz aktiver latenter Steuern sowie bei Angaben zu den Posten Aktive latente Steuern, Passive latente Steuern, Ertrags­steueraufwand/-ertrag und Steuern im OCI. Im Gegensatz dazu führt die Gliederung nach Themenbereichen zu einer klaren Strukturierung: sämtliche zu einem Thema gehörigen Angaben aus Bilanz und GuV und weitere relevante Informationen werden in einem Kapitel dargestellt.

Abb 4: Gliederung und Darstellung des Anhanges.

Abb 4: Gliederung und Darstellung des Anhanges.

Trotz dieser Argumente und Vorteile zeigen die Ergebnisse der Erhebung, dass die ATX-Unternehmen bei der Gliederung der Angaben im Anhang weiterhin den einzelnen Bilanz- und GuV-Posten folgen. So hat im betrachteten Zeitraum kein ATX-Unternehmen seinen Anhang zur Gänze nach Themenbereichen gegliedert.

Die IFRS räumen den Unternehmen in Bezug auf die Gestaltung der Angaben im Anhang Freiräume ein. Dies bietet die Möglichkeit, mit dem Wichtigsten und Interessantesten zu beginnen. Dazu zählen in der Regel nicht die detaillierte Beschreibung der Bilanzierungs- und Bewertungs­methoden. Die Auswertung zeigt jedoch, dass 75 % der untersuchten Unternehmen in ihrem Anhang sämtliche Bilanzierungs- und Bewertungs­methoden vor den eigentlichen Erläuterungen darstellen.

Postiv hervorzuheben ist, dass sämtliche Unternehmen Änderungen bei den Bilanzierungs- und Bewertungs­methoden im Abschluss gegenüber dem Vorjahr klar kennzeichnen und erläutern. Vor allem Veränderungen aufgrund der unternehmensspezifischen Anwendung einzelner IFRS Standards werden idR transparent dargestellt sowie die Auswirkungen auf Bilanz bzw GuV dargelegt. Dies gilt speziell für die Darstellungen der Auswirkung von IFRS 16 zum Leasing sowie für die Auswirkungen der Erstanwendung von IFRS 15 zur Umsatzrealisierung.

Vereinfachungs- und Kürzungspotenzial im Anhang besteht des Weiteren in der Darstellung der jeweiligen Bilanzierungs- und Bewertungs­methode gemeinsam mit den übrigen Angaben zu einem Themenbereich, bestenfalls innerhalb der in einem Punkt zusammengefassten Informationen zu einem Themenbereich (vgl die Ausführungen weiter oben). Immerhin 40 % der ATX-Unternehmen stellen die Bilanzierungs- und Bewertungs­methoden und Ermessens­entscheidungen bzw Schätzunsicherheiten bereits zumindest zum Teil gemeinsam mit den jeweiligen Erläuterungen zu den Posten dar.

Es wurden beispielsweise Erläuterungen zu Eventualverbindlichkeiten, Rückstellungen und sonstige Verbindlichkeiten, welche in den Vorjahresberichten separat dargestellt wurden, zu einem Anmerkungspunkt zusammengeführt. Weitere Themengebiete, zu denen sich eine ähnliche Zusammenlegung von Angaben anbietet, wären verschiedene Angaben zu Umsatzerlösen (Aufgliederung, Ermessens­entscheidungen, etc) oder Sachanlage­vermögen und Wertminderungen (Aufgliederung, Parameter, Methodik des Wertminderungstests, etc).

Abb 5: Angaben von Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden.

Abb 5: Angaben von Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden.

Abb 6: Darstellung von Bilanzierungs- und Bewertungs­methoden und den jeweiligen Erläuterungen.

Abb 6: Darstellung von Bilanzierungs- und Bewertungs­methoden und den jeweiligen Erläuterungen.

Abb 7: Bezeichnung Jahresberichterstattung.

Abb 7: Bezeichnung Jahresberichterstattung.

6. Was ist wesentlich?

Im Zuge der Disclosure Initiative stellte das IASB ausdrücklich klar, dass Angaben zu unwesentlichen Themen nicht erforderlich sind, auch wenn sie vom Standard explizit verlangt werden. Ein Unternehmen braucht einer bestimmten Angabe­verpflichtung eines IFRS somit nicht nachkommen, wenn die anzu­gebenden Informationen nicht wesentlich sind (IAS 1.31).

Bei Unklarheiten zur Beurteilung der Wesentlichkeit bietet das IFRS Practice Statement 2: Making Materiality Judgements Orientierung. Es führt explizit aus, dass unwesentliche Posten und Informationen in den Primary Statements und Notes zusammengefasst und unwesentliche Angaben weggelassen werden können. Dies führt zu einer Fokussierung auf die wesentlichen Themen. Sämtliche ATX-Unternehmen machen momentan Angaben zu nahezu allen Positionen der Bilanz und GuV und erläutern diese auch jeweils in den Notes. In diesem Zusammenhang besteht noch Potenzial zur entsprechenden Fokussierung auf die für das Unternehmen wirklich wesentlichen Angaben und zu mehr „Mut zur Lücke“. Dies muss allerdings einhergehen mit einer entsprechenden internen Abschlussdokumentation, warum bestimmte Informationen für unwesentlich gehalten und daher weggelassen wurden.

7. Aufbau des Geschäftsberichts

Die Jahresberichterstattung der untersuchten Unternehmen enthält in allen Fällen zumindest den Konzernlagebericht, Konzernabschluss und Corporate Governance-Bericht. Bei 95 % der Unternehmen sind außerdem weitere Inhalte in der Jahresberichterstattung zu finden, wie zB der Bericht über das aktuelle Geschäftsjahr durch den Vorstand, der Bericht des Aufsichtsrats sowie weitere Informationen in Bezug auf die Strategie und die zukünftige Entwicklung der Unternehmung. 70 % der im ATX enthaltenen Unternehmen bezeichnen ihre Jahresberichterstattung dabei als „Geschäftsbericht“. Außerdem verwenden 10 % die Bezeichnung „Konzernbericht“ und 10 % die Bezeichnung „Finanzbericht“. Die restlichen 10 % der Unternehmen greifen auf die Bezeichnung „kombinierter/integrierter Bericht“ zurück. Zusätzlich publizieren einige Unternehmen weitere Informationen und Berichte, welche nicht im direkten Bezug zum Konzernabschluss stehen und somit nicht einer gesetzlich verpflichtenden Prüfung, Durchsicht, Existenz­prüfung oder ähnlichem durch den Wirtschaftsprüfer unterliegen. 5 Hier sind vor allem Nachhaltigkeitsberichte außerhalb des Bereiches des NaDiVeG sowie regelmäßige Berichte und Publikationen durch die Investor Relations-Abteilung genannt.

8. Resümee

Die Erhebung hat gezeigt, dass die berichtenden ATX-Unternehmen zunehmend Anstrengungen in Richtung fokussierter und adressatenge­rechter Kommunikation im Rahmen der Berichterstattung – im Sinne der Better Communications Projekte des IASB – unternehmen. Die Ergebnisse zeigen allerdings auch, dass noch Potenzial für weitere Verbesserungen in der Berichterstattung besteht:

  • Die Primary Statements sind bereits mehrheitlich unternehmensspezifisch gegliedert. In weiterer Folge gilt es, laufend zu prüfen, ob die aktuellen Erläuterungen zu den einzelnen Bilanz- und GuV-Posten für das Unternehmen wesentlich bzw noch notwendig sind. Durch den Verzicht auf nicht wesentliche Erläuterungen kann der Umfang des Anhanges reduziert werden.
  • Die Gliederung der einzelnen Erläuterungen folgt bisher der Struktur der Bilanz und GuV. Eine Strukturierung entlang der wesentlichen unternehmensrelevanten Informationen und Zusammenführung aller erforderlichen Angaben in ein Kapitel führt zu einer besseren Übersicht auf die für den Abschlussleser jeweils relevanten Themen und vermeidet Wiederholungen.
  • Die Bilanzierungs- und Bewertungs­methoden werden meist noch zu Beginn des Anhanges angeführt, obwohl dies nicht zwingend erforderlich ist. In Bezug auf die Bilanzierungs- und Bewertungs­methoden gilt es zu prüfen, ob diese ausreichend unternehmensspezifisch und für das Verständnis des Abschlusses tatsächlich relevant sind. Des Weiteren kann die integrierte Darstellung mit den jeweiligen Erläuterungen zusätzlich zur besseren Lesbarkeit und Verkürzung des Anhanges beitragen.

 


Quellen

1 Zülch, Das Disclosure Problem – Ein missverstandenes Phänomen (2017), https://kapitalmarkt-forschung.info/wp-content/uploads/2017/06/Disclosure-Problem-2017-1.pdf (Zugriff am 2. 9. 2019).

2 Für den Umfang des Konzernabschlusses wurde die Seitenanzahl des IFRS-Abschlusses vom Beginn der Primary Statements bis zum Ende des Bestätigungsvermerks herangezogen.

3 Zülch, Das Disclosure Problem – Ein missverstandenes Phänomen (2017), https://kapitalmarkt-forschung.info/wp-content/uploads/2017/06/Disclosure-Problem-2017-1.pdf (Zugriff am 2. 9. 2019).

4 Vgl IASB Discussion Paper DP/2017/1, Disclosure Initiative–Principles of Disclosure, March 2017, Abschnitt 2.6.; vgl ua Case Study 1 in IFRS ® Foundation Disclosure Initiative – Case Studies, Better Communication in Financial Reporting, https://www.ifrs.org/-/media/project/disclosure-initiative/better-communication-making-disclosure-more-meaningful.pdf? (Zugriff am 2. 9. 2019).

5 Das heißt, es handelt sich dabei auch nicht um „Sonstige Informationen“ gemäß ISA 720.


Der Artikel ist in CFO aktuell (Heft 5/2019) erschienen. Mehr Infos unter: www.cfoaktuell.at

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