Was ist Greenwashing?

Stellen Sie sich vor, Sie gehen zu Ihrem Gate und bemerken die Werbungen am Flughafen. In eigener Sache informiert der Flughafen, dass die CO2-Emissionen um 70 % reduziert werden konnten 1 . Gott sei Dank bemerken Sie auch die kleine Fußnote und fragen sich, ob nun der Flughafen, der ein jährliches Wachstum der Passagierzahlen von ca 10 % hat, wirklich die Emissionen reduziert hat, oder nur geschickt mit seinen CSR-Kennzahlen spielt …


Greenwashing ist ein Begriff aus den 1980er Jahren, der die Tendenz mancher Unternehmen beschreibt, falsche oder überzeichnete Angaben zur Umweltverträglichkeit zu machen. Eine Studie 2 aus dem Jahr 2010 zeigt, dass nur 4,5 % der untersuchten Produkte wirklich „grün“ waren, während 95 % auf die eine oder andere Art Greenwashing betrieben. Interessanter Weise kommen die wenigen wirklich grünen Produkte eher von großen Konzernen, die die Supply Chain gestalten können, als von kleineren Bio-Läden.

In Zeiten der Klimaerwärmung bekommt Greenwashing eine neue Dimension. Man geht davon aus, dass die CO2-Auswirkung des Unternehmens zu einer Leitkennzahl für Konsumenten und Regulatoren wird und die Berechnung der entsprechenden Kennzahlen Kernaufgabe eines noch zu gestaltenden „Green-Controllings“ wird. Aus den verschiedenen Tricks des Greenwashings lassen sich interessante Ideen über die Validität von Kennzahlen im Allgemeinen ableiten:

Falsche oder irreführende Aussagen

Blanke Lügen sind im Greenwashing selten, aber gezielte Täuschungen sind einer der häufigsten Methoden, Unternehmen grün dastehen zu lassen. Am beliebtesten ist die Verwendung von grüner Farbe, ein grün anmutendes Design, die Applikation von selbst kreierten Gütesiegeln oder das wahllose Verwenden des Begriffs „bio“. Als Faustregel gilt: Sobald eine grüne Wiese oder ein wildes Tier zu sehen ist, wurde Greenwashing betrieben.

Geschickter Umgang mit Kennzahlen

Da jedes Unternehmen selbst entscheiden kann, wie es seine Umweltverträglichkeit beweist, besteht kein Mangel an kreativen Kennzahlendefinitionen. Ist Fliegen oder Autofahren schädlicher? Das hängt davon ab, ob man die Belastung pro Kilometer, pro Passagier, pro Zeit, pro Liter oder pro Tonne rechnet. Ist es besser nach New York zu segeln oder zu fliegen? Das hängt unter anderem davon ab, wie man 14 Tage mit 8 Stunden vergleicht.

Geschickte Wahl des Vergleichs­werts

Sind Gaskraftwerke grün? Im Vergleich zu Kohle ja, im Vergleich zu Wind nein. Ist ein Papiersack grün? Im Vergleich zum Einmal-Plastiksack ja, im Vergleich zum mehrmals verwendeten Plastiksack nein. Ist die Fluglinie ABC sauber? Im Vergleich zur XYZ Fluglinie ja, im Vergleich zum Zug nein. Noch subtiler ist der Vergleich mit sich selbst in der Vergangenheit: Der grüne SUV – 20 % weniger Verbrauch (im Vergleich zum letzten Modell).

Herunterspielen der Bedeutung

Der Anteil am gesamten CO2-Ausstoß ist ebenfalls eine Größe, die gerne missbräuchlich verwendet wird. So macht der Verkehr in Summe etwa 20 % der Belastung aus, aber der Flugverkehr nur etwa 3 %. Es liegt also nahe zu argumentieren, dass ein Rückgang des Fliegens keine große Bedeutung haben wird. Leider kann das aber jedes Segment von sich behaupten, wenn man es nur klein genug schneidet. Das Verbot aller SUVs in Österreich hätte etwa auf den globalen CO2-Ausstoß kaum eine Wirkung. Da dies aber jede Region behaupten kann, entstehen zahlreiche Ausreden, bei anderen zu beginnen.

Eine aktuelle Studie des Harvard Business Managers unterscheidet fünf Typologien, wie die Mitglieder des Aufsichtsrats mit dem Thema Nachhaltigkeit umgehen und damit den Weg für Greenwashing ermöglichen oder einschränken:

  • Die Leugner: Für diese ist Nachhaltigkeit ein notwendiges Übel, das durch geschickte Erfüllung der Anforderungen minimal erfüllt werden muss. Greenwashing ist Teil der Politik, da sinnlose Nachhaltigkeits-Audits so wenigstens irgendeinen Sinn machen.
  • Die Sturköpfe: Nachhaltigkeit ist relevant, aber vor allem als praktisches Medium, um Kostensenkungen und strategische Veränderungen politisch korrekt einzukleiden. Sie vertreten einen sehr pragmatischen Ansatz und sind offen für alle Kommunikationstricks des Greenwashings.
  • Die Oberflächlichen: Das Thema Nachhaltigkeit ist wichtig, kann aber nicht klar genug erfasst werden und wird daher unzureichend und ineffizient behandelt. Es fehlt der Mut zu großen Schritten, man will aber auch nicht als Letzter übrigbleiben. Greenwashing entsteht eher als Irrtum aus Unachtsamkeit, und nicht aus bewusster Manipulation.
  • Die Selbstzufriedenen: Diese gefährliche Gruppe verweist auf bisherige Erfolge und bremst Fortschritt durch die Überzeugung, bereits alles getan zu haben. Getrieben von der Angst überholt zu werden, werden sinnvolle Standards verhindert und alte Kommunikationsfloskeln verankert.
  • Die Überzeugten: Nachhaltigkeit ist Teil des Geschäftsmodells, und das nicht nur aus finanziellen Gründen. Greenwashing wird aktiv vermieden.

Dem jährlichen Jahrhundertsommer sind diese Zahlenspiele jedoch egal. So wie für den einfachen Aktionär die hohe Dividende wichtiger ist als schöne Kennzahlen, so profitiert der Rekordsommer vom jährlich steigenden, absoluten CO2-Ausstoß.


1 Pro Passagier.

2 http://sinsofgreenwashing.com/ (Zugriff am 2. 9. 2019).


Der Artikel ist in CFO aktuell (Heft 5/2019) erschienen. Mehr Infos unter: www.cfoaktuell.at

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