Wie kann man Bilanztricksereien erkennen?

Banken benötigen bei der Prüfung einer möglichen Kreditgewährung vom finanzierungssuchenden Unternehmen belastbare Jahresabschlüsse, um auf dieser Basis übliche Techniken (Bilanzanalyse, Kennzahlenermittlung, Ratingerstellung …) anwenden zu können. Selten, aber doch, wird diesen Erwartungen nicht entsprochen und bei der Bilanzierung wird „getrickst“, denn: Es zahlt sich aus, es ist nicht schwierig und es ist nicht leicht zu entdecken.


Beispiele

Mögliche Gestaltungstechniken betreffen etwa das „nach vorne Verschieben von Erträgen“ und das „nach hinten Verschieben von Aufwendungen“. Letzteres entsteht üblicherweise, wenn ein Unternehmen Zahlungen leisten muss, die – aus Sicht des Managements – inhaltlich eine spätere Periode betreffen. Korrekturbuchungen bei der Bilanzierung führen auf der Aktivseite zu aktiven Rechnungsabgrenzungen, geleisteten Anzahlungen oder noch nicht abrechenbaren Leistungen – all diese Positionen sind bankmäßig nicht besonders werthaltig.

Konzernstrukturen ermöglichen Gestaltungsvarianten zugunsten des Einzelabschlusses eines (sehr wichtigen, vorzeigbaren) Unternehmens der Gruppe. Diesbezüglich haben sich Fachbegriffe wie „Round-Tripping“ bzw. „Schütt-aus-hol-zurück“ (Geld wird konzernweit „im Kreis geschickt“, und führt an unterschiedlichen Stellen des Konzerns zu Aufwertungen) etabliert. Optimiert werden können solche Strukturen durch Einbezug von nicht konsolidierten Vehikel-Gesellschaften, die gewisse Lasten (zB Erwerb eines nicht besonders werthaltigen Kundenstocks gegen Schulden ggü einem Konzernunternehmen) ohne negativen Effekt auf den Konzernabschluss auf sich nehmen können.

Aus Sicht eines Financiers ist es im Übrigen weitgehend egal, ob die Bilanzierung gesetzeskonform ist – wesentlich ist, dass die künftige Kreditfähigkeit korrekt abgeschätzt wird.

Warnhinweise im Jahresabschluss

In der Folge sollen gewisse „Rauchmelder“ aufgelistet werden, die auf Unsauberkeiten bei der Bilanzierung schließen lassen. Diese sind jedoch stets nur Indizien – für eine „Beweisführung“ müssten die konkreten Buchungen bzw. Belege durchforstet werden, was jedoch bei einer Bankkreditprüfung überaus unüblich wäre.

  • Die Planungsrechnungen sind im Vergleich zu den Ist-Jahresabschlüssen inkonsistent: Dies wäre nicht überraschend, da Gestaltungen fast immer nur die Jahresabschlüsse betreffen, während Planungsrechnungen zwar oft optimistisch, aber doch meist ehrlich sind. Auffälligkeiten wären etwa ein Rückgang des Gewinnes oder ein Verschwinden der o.a. auffälligen Aktivpositionen in der Planung (eben, weil nicht an die Gestaltungen gedacht wurde).
  • Der Cashflow aus der betrieblichen Betriebstätigkeit („Cashflow from Operations“, „CFO“) entwickelt sich nicht einigermaßen parallel zum EBITDA. Sollte dies der Fall sein, ist aus Banksicht auf den CFO besonderes Augenmerk zu legen, da dieser den Effekt von gestaltenden Working Capital Buchungen korrigiert. Viele Bilanztricks führen im Endeffekt zu einem stark ansteigenden Working Capital, was sich in einer operativ nicht erklärbaren Erhöhung der Kennzahlen Außenstandsdauer Forderungen und Lagerhaltungsdauer niederschlägt
  • Trotz einer ungünstigen oder zumindest volatilen Branchenentwicklung ist der Gewinn stets (leicht) positiv und überaus stetig

Warnhinweise außerhalb des Jahresabschlusses

Eine rückwirkende Analyse von Bilanzgestaltungsfällen zeigte neben o.a. Indizien aus dem Jahresabschluss auch weitere Muster auf:

  • Der Gesellschafter-Geschäftsführer ist überaus intelligent und agiert sehr dominant/herrisch.
  • Das sonstige Management ist demgegenüber schwach und wechselt häufig.
  • Das Unternehmen weist übermäßig komplizierte Strukturen (Vehikel, Treuhand-Konstruktionen, Auslandsfirmen, unterschiedliche Bilanzstichtage …) auf, die für die eigentliche Geschäftstätigkeit nicht notwendig wären.
  • Nicht unbedingt sinnvoll erscheinende oder unplausible Transaktionen werden durchgeführt, zB Verkauf der Marke, Umgründungen …
  • Beachtliche Verrechnungen zwischen Unternehmens- und Eigentümersphäre finden statt.
  • Das Unternehmen hat hohe Finanzierungsbedürfnisse bei ungewöhnlich geringer Konditionen-Sensibilität.

Fazit

Um in einer von der Zeitknappheit einer Kreditprüfung gekennzeichneten Drucksituation Bilanzgestaltungen zu erkennen, sollten mE Banken nicht nur standardisierte Instrumente nützen, sondern auch versuchen, „Unübliches“ zu erkennen bzw. auf die „Begleitmusik“ zu achten. Banken sollten sich nicht scheuen, auch scheinbar dumme Fragen zu stellen: Das Enron-Kartenhaus begann einzustürzen, als der damalige CEO folgende Frage einer jungen Journalistin nicht beantworten konnte: „Womit verdient Enron eigentlich Geld?“


Weiterführende Links

http://mitglieder.gerichts-sv.at/Lichtenecker/

https://en.wikipedia.org/wiki/Enron:_The_Smartest_Guys_in_the_Room 


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