Umsetzung der EU-Taxonomie in der Praxis – eine empirische Betrachtung der Nicht-Finanz­unternehmen des EURO STOXX 50

Die Europäische Union strebt im Rahmen des Green Deals bis 2050 Klimaneutralität an und hat dafür ein Klassifizierungssystem mit der sog EU-Taxonomie eingeführt, um den Beitrag von nachhaltigen ökologischen Wirtschaftsaktivitäten zu bewerten. Berichts­pflichtige Unternehmen müssen demnach ihren taxonomiefähigen bzw -konformen („grünen“) Anteil am Umsatz, CapEx und OpEx offenlegen. Der folgende Beitrag zeigt, ob und inwieweit Nicht-Finanz­unternehmen des EURO STOXX 50 diesen Berichts­pflichten schon nachkommen können.


1. Vorbemerkungen

Das Thema Nachhaltigkeit sowie der bewusste und schonende Umgang mit Ressourcen und der Umwelt hat in den letzten Jahren nicht nur in der Gesellschaft an Bedeutung gewonnen, sondern ist auch zu einem wesentlichen Thema in der Politik und Wirtschaft geworden. Die regulatorische Dynamik hat einen bisher nie dagewesenen Höhepunkt erreicht, angetrieben durch die europäischen Ambitionen im Rahmen des Green Deals. Eine erhöhte Transparenz in Bezug auf nachhaltigkeitsbezogene Angelegenheiten wird als zentrales Instrument betrachtet, um die globale Wirtschaft zu verändern und sie hin zu nachhaltigeren Geschäftspraktiken zu lenken. Dadurch soll es Investor:innen und Kapitalmarktteilnehmer:innen in Zukunft möglich sein, gezielt in Unternehmen zu investieren, die ökologisch nachhaltige Wirtschaftsziele und -strategien verfolgen.1

Mit der Taxonomie-VO (EU) 2020/852 werden Klassifizierungskriterien definiert, anhand denen beurteilt werden kann, inwieweit die Wirtschaftstätigkeiten eines Unternehmens einen Betrag zu den sechs Umweltzielen (Klimaschutz, Anpassung an den Klimawandel, nachhaltige Nutzung und Schutz von Wasser- und Meeresressourcen, Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft, Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung sowie Schutz und Wiederher­stellung der Biodiversität und der Ökosysteme) gemäß Artikel 9 TaxonomieVO (EU) 2020/852 leisten.

Gemäß Artikel 8 der Taxonomie-Verordnung (EU) 2020/852 müssen Unternehmen über ihre nachhaltigen Wirtschaftsaktivitäten berichten. Insbesondere soll für die finanziellen Kennzahlen – Umsatz, Investitions- (kurz: CapEx) und Betriebsausgaben (kurz: OpEx) – der Anteil an ökologisch nachhaltigen Wirtschaftsaktivitäten ersichtlich sein. Von den berichts­pflichtigen Unternehmen wird damit eine Verknüpfung von nichtfinanziellen Informationen über nachhaltige Wirtschaftsaktivitäten und finanziellen Informationen gefordert.2

Der vorliegende Beitrag zeigt, ob und inwieweit die Nicht-Finanz­unternehmen des EURO STOXX 50 den Anforderungen gemäß Artikel 8 der Taxonomie-VO (EU) 2020/852 und den dazugehörigen Rechtsakten bereits nachkommen und „grüne“ Anteile in Bezug auf Umsatz, Investitions- und Betriebsausgaben ausweisen können.

2. Rechtliche Rahmenbedingungen

Die gesetzlichen Bestandteile der Taxonomie-VO (EU) 2020/852 sind nicht in einer gesammelten Verordnung veröffentlicht, sondern setzen sich aus mehreren delegierten Verordnungen zusammen. Die Taxonomie-VO (EU) 2020/852 vom 18. 6. 2020 beinhaltet als Basis sämtliche Rahmenlinien zur Erleichterung nachhaltiger Investitionen. In der am 4. 6. 2021 veröffentlichten Delegierten Taxonomie-VO (EU) 2021/2139 werden im Anhang I ergänzend zur Taxonomie-VO (EU) 2020/852 die technischen Bewertungskriterien für die Bestimmung der Taxonomiefähigkeit der einzelnen Wirtschaftstätigkeiten bezogen auf die ersten beiden Klimaziele (Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel) festgelegt.

Die Delegierte Taxonomie-VO (EU) 2021/2178 vom 6. 7. 2021 stellt ebenfalls eine Ergänzung der Taxonomie-VO (EU) 2020/852 dar und beinhaltet Entscheidungen zur Festlegung des Inhalts, der Darstellungsform der Informationen und Festlegung der Methodik anhand welcher die Offenlegungs­pflicht gewährleistet werden soll. Die Delegierte Taxonomie VO (EU) 2022/1214 vom 4. 3. 2022 stellt eine Ergänzung im Hinblick auf Wirtschaftstätigkeiten basierend auf Kernenergie bzw fossilem Gas für die ersten beiden Umweltziele dar. Für die noch ausstehenden Umweltziele liegen seit April 2023 Entwürfe für Delegierte Verordnungen vor. Es ist damit zu rechnen, dass Unternehmen – wie auch für die ersten beiden Umweltziele – im Zeitraum vom 1. 1. 2024 bis 31. 12. 2024 über die Taxonomiefähigkeit und mit 1. 1. 2025 über die Taxonomiekonformität der neu hinzugekommenen Wirtschaftstätigkeiten berichten müssen.3

Die Berichts­pflicht gilt gemäß Artikel 8 der Taxonomie-VO (EU) 2020/852 seit dem Berichtsjahr 2021 für große Unternehmen von öffentlichem Interesse mit mehr als 500 Mitarbeiter:innen im Jahresdurchschnitt. Die Berichts­pflicht wird schrittweise mit der Verabschiedung der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) erweitert. Demnach unterliegen auch große nicht börsennotierte Unternehmen ab dem Berichtsjahr 2025 den Berichts­pflichten der EU-Taxonomie-VO (EU) 2020/852. Unternehmen gelten als groß, wenn mindestens zwei der nachfolgenden Kriterien überschritten werden: Beschäftigung von mehr als 250 Mitarbeiter:innen im Jahresdurchschnitt, Bilanzsumme über 20 Millionen Euro und Nettoumsatzerlöse von über 40 Millionen Euro.

Mit dem Inkrafttreten des Art 19a Abs 1 CSRD 2022/2464 wird das bisherige Wahlrecht zur separaten Veröffentlichung von Informationen in einem eigenen Bericht abgeschafft, stattdessen sind die Angaben aus der Taxonomieberichterstattung ausschließlich im Lagebericht auszuweisen.4

Ziel der Taxonomie-VO (EU) 2020/852 ist, dass Unternehmen ihre Wirtschaftsaktivitäten dahingehend beurteilen, ob sie „taxonomiekonform“ („grün“) sind und darüber berichten. Um den Berichts­pflichten nachzukommen, müssen die berichts­pflichtigen Unternehmen in einem ersten Schritt prüfen, ob die Wirtschaftsaktivitäten als taxonomiefähig zu beurteilen sind. Die Taxonomiefähigkeit der Wirtschaftsaktivitäten spiegelt das Potenzial zur Erfüllung der im Zuge der Konformitäts­prüfung festgelegten technischen Bewertungskriterien wider und ermöglicht die Einstufung als ökologisch nachhaltig („grün“).

Demnach sind per definitionem all jene Wirtschaftsaktivitäten taxonomiefähig für die bereits technische Bewertungskriterien vorliegen. Die technischen Bewertungskriterien können dem Anhang I der Taxonomie-VO (EU) 2021/2139 entnommen werden. Mangels detaillierter Ausformulierung der Beschreibung mancher Kriterien stützen sich diese auf die NACE-Codes.5 Im Berichtsjahr 2021 war die Beurteilung der Taxonomiefähigkeit der Wirtschaftsaktivitäten ausreichend. Ab dem Berichtsjahr 2022 besteht neben der Beurteilung der Taxonomiefähigkeit die Pflicht die Taxonomiekonformität der einzelnen Wirtschaftstätigkeiten zu beurteilen und darüber zu berichten. Bei der Prüfung der Konformität kommt es zur tatsächlichen Feststellung, ob eine taxonomiefähige Aktivität die technischen Bewertungskriterien sowie zusätzlich die sog DNSH-Kriterien und die Mindestanforderungen an Menschen- und Arbeitnehmer­rechte erfüllt. Per definitionem stellen die technischen Bewertungskriterien Leistungsanforderungen zur Beurteilung dar, ob eine Wirtschaftstätigkeit als nachhaltig zu klassifizieren ist.6 Auch für die „do no significant harm“-Kriterien (kurz: DNSH-Kriterien) sind technische Bewertungskriterien in den Delegierten Rechtsakten festgelegt. Die DNSH-Kriterien stellen sicher, dass eine Wirtschaftsaktivität, welche einen substanziellen Beitrag zu einem Umweltziel leistet, keine der anderen Umweltziele erheblich beeinträchtigt.7 Eine Wirtschaftsaktivität kann somit nur dann als taxonomiekonform eingestuft werden, wenn dadurch nicht ein anderes Umweltziel wesentlich beeinträchtigt wird. Zusätzlich sind gemäß Artikel 18 der Taxonomie-VO (EU) 2020/852 die Mindestanforderungen an Menschen- und Arbeitnehmer­rechte einzuhalten.

Die Prüfung, inwieweit ein Unternehmen taxonomiekonform wirtschaftet, soll anhand der drei oben erwähnten Kennzahlen Umsatz, CapEx und OpEx festgestellt und dargestellt werden.8

3. Status quo der Berichterstattung

3.1. Grundgesamtheit und Methodik

Ziel der folgenden Studie ist es, den Status quo der Taxonomieberichterstattung der Nicht-Finanz­unternehmen des EURO STOXX 50 anhand der im Berichtsjahr 2022 veröffentlichten Geschäftsberichte, Lageberichte bzw Nachhaltigkeitsberichte festzustellen. Nicht-Finanz­unternehmen sind per definitionem jene Unternehmen, welche nicht unter Vermögensverwalter, Kreditinstitute, Wertpapierfirmen, Versicherungs­unternehmen oder Rückver­sicherungsunternehmen fallen.9 Der Studie liegen 38 Nicht-Finanz­unternehmen aus acht Ländern zugrunde.

3.2. Berichterstattung laut Taxonomie-VO (EU) 2020/852

Von den 38 betrachteten Nicht-Finanz­unternehmen des EURO STOXX 50 haben 35 Unternehmen eine uns zugängliche Berichterstattung gemäß Artikel 8 der Taxonomie-VO (EU) 2020/852 durchgeführt.10 Da sich die empirische Untersuchung auf die Analyse der veröffentlichten Angaben im Rahmen der Taxonomieberichterstattung konzentriert, werden lediglich 35 Unternehmen in die weitere Analyse einbezogen.

Die Ergebnisse der Analyse des Berichtsformats zeigen deutlich, dass der Trend zur Veröffentlichung der Taxonomieberichterstattung außerhalb des Lageberichts auch unter den Nicht-Finanz­unternehmen des EURO STOXX 50 im Berichtsjahr 2022 weit verbreitet ist. Konkret veröffentlichen mehr als die Hälfte (66 %) der untersuchten Unternehmen ihre Angaben gemäß Taxonomie-VO (EU) 2020/852 und den dazugehörigen Rechtsakten im Geschäftsbericht oder in einem eigenen Nachhaltigkeitsbericht. Nur ein Drittel (34 %) integriert die Angaben laut Taxonomie-VO (EU) 2020/852 in die nicht finanzielle Erklärung im Lagebericht. Mit dem Berichtsjahr 2023 sind – wie bereits erwähnt – sämtliche Angaben in Zusammenhang mit Nachhaltigkeitsberichterstattung gemäß CSRD als auch die Taxonomieberichterstattung in den Lagebericht zu integrieren.

In weiterer Folge wird untersucht, inwieweit die Meldebögen gemäß Artikel II der Taxonomie-VO (EU) 2021/2178 für das Geschäftsjahr 2022 verwendet werden, um die Einheitlichkeit der Angaben zu den drei Kennzahlen Umsatz, CapEx und OpEx zu gewährleisten. Die Untersuchung ergab, dass 83 % und somit die Mehrheit, die Meldebögen gemäß Artikel II laut Taxonomie-VO (EU) 2021/2178 verwenden.

Mit dem Berichtsjahr 2022 ist zudem erstmals die Taxonomiekonformität der Wirtschaftsaktivitäten zu erheben und offenzulegen. Dementsprechend werden die Taxonomieberichte sowie die Meldebögen gemäß Artikel II der Taxonomie-VO (EU) 2021/2178 auf die Aufschlüsselung der Wirtschaftsaktivitäten in taxonomiefähige und taxonomiekonforme Aktivitäten geprüft. Die Ergebnisse zeigen, dass 89 % der untersuchten Nicht-Finanz­unternehmen der Forderung zur Aufschlüsselung ihrer Wirtschaftsaktivitäten in taxonomiefähige und taxonomiekonforme Aktivitäten nachgekommen sind, wenngleich oftmals mangels Vorliegens der Voraussetzungen ein Anteil von 0 % ausgewiesen wurde.

3.3. Berichtsumfang

Bezüglich Berichtsumfang lässt sich festhalten, dass dieser stark variiert und von einer Seite bis zu 20 Seiten reicht. Jedoch berichten Dreiviertel (26 von 35) der untersuchten Nicht-Finanz­unternehmen des EURO STOXX 50 die geforderten Angaben innerhalb von einer Seite bis zehn Seiten. Im Durchschnitt werden sieben Seiten veröffentlicht. Die große Spannweite im Berichtsumfang ist vorrangig darauf zurückzuführen, dass es nicht allen untersuchten Nicht-Finanz­unternehmen im Berichtsjahr 2022 bereits möglich war, ihre Wirtschaftstätigkeiten als taxonomiefähig einzustufen. Dies liegt vor allem daran, dass noch nicht alle technischen Kriterien für alle Wirtschaftsaktivitäten beziehungsweise auch erst für die ersten beiden der sechs Umweltziele taxonomiefähige Wirtschaftsaktivitäten definiert sind. Künftig sollte es jedoch immer mehr Nicht-Finanz­unternehmen möglich sein, die Taxonomiefähigkeit sowie Taxonomiekonformität ihrer Wirtschaftsaktivitäten zu beurteilen.

Ein weiterer Grund ist zudem, dass die Taxonomie-VO (EU) 2021/2178 per dato keine Angaben zum Umfang und zur Ausführlichkeit der Berichterstattung beinhaltet. Daher wird neben den Pflichtangaben zu den drei Kennzahlen Umsatz, Investitionsausgaben (kurz: CapEx) und Betriebsausgaben (kurz: OpEx) auch beispielsweise die Systematik der Taxonomie-VO (EU) 2020/852 oder der CSRD selbst erläutert. Zusätzlich besteht auch bezogen auf die Pflichtangaben derzeit noch keine Einheitlichkeit, da jedes der untersuchten Nicht-Finanz­unternehmen ihre Kennzahlen, den Berechnungsv­organg, die DNSH-Kriterien usw unterschiedlich ausführlich verbal erläutern.

Mangels vollständiger technischer Bewertungskriterien für die Umweltziele eins und zwei sowie insgesamt fehlender technischer Bewertungskriterien für die Umweltziele drei bis sechs, können derzeit noch keine Rückschlüsse gezogen werden, inwieweit ein Zusammenhang zwischen der Berichtslänge und dem Nachhaltigkeitsgrad eines Unternehmens besteht.

3.4. Ausmaß taxonomiefähiger bzw -konformer Umsätze sowie Investions- und Betriebsausgaben

Es zeigt sich, dass rund die Hälfte (17 von 35) der betrachteten Unternehmen aufgrund fehlender technischer Bewertungskriterien zur Bewertung ihrer Wirtschaftsaktivitäten im Berichtsjahr 2022 noch keinen taxonomiefähigen Umsatz identifizieren konnten (vgl Abbildung 1). Während fünf Unternehmen, die in der Automobilproduktion oder -zulieferung (VolkswagenStellantisMercedesBenz-Group und BMW) bzw im Immobiliensektor (Vonovia) tätig sind, bereits mehr als 90 % ihrer Umsätze als taxonomiefähig einstufen konnten. Schließt man all jene Nicht-Finanz­unternehmen aus der Analyse aus, welche noch keinen taxonomiefähigen Umsatz identifizieren konnten, liegt der durchschnittlich berichtete taxonomiefähige Umsatz bei etwa 46 %. Betrachtet man jene 16 Nicht-Finanz­unternehmen, welche taxonomiefähige und taxonomiekonforme Umsätze größer 0 % identifizieren konnten, liegt der durchschnittlich berichtete taxonomiekonforme Anteil bei 10 %.

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Abb 1: Anzahl der Unternehmen und taxonomiefähiger Umsatz in %.

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Abb 2: Anzahl der Unternehmen und taxonomiefähiger CapEx in %.

Von den 35 betrachteten Unternehmen hat nur ein Unternehmen keine taxonomiefähigen Investitionsausgaben berichten können. Alle anderen Nicht-Finanz­unternehmen, welche Angaben zur Taxonomieberichterstattung veröffentlichten, berichten einen taxonomiefähigen CapEx-Anteil, wenngleich dieser bei zehn Nicht-Finanz­unternehmen geringer als 10 % ist (vgl Abbildung 2). Die Mercedes-Benz-Group konnte sogar einen Wert von 100 % ausweisen. Stellantis, BMW und Volkswagen haben Werte knapp unter 100 % identifiziert, dicht gefolgt von Iberdrola und Enel mit knapp 90 %. Eine isolierte Betrachtung all jener Nicht-Finanz­unternehmen, welche bereits im Berichtsjahr 2022 einen taxonomiefähigen CapEx größer 10 % ausweisen konnten, ergab einen durchschnittlich identifizierten taxonomiefähigen CapEx-Anteil von 55 %. Der Grund, für die Auswahl ausschließlich jener Nicht-Finanz­unternehmen mit taxonomiefähigen CapEx größer 10 % in dieser isolierten Betrachtung, liegt darin, dass die betroffenen Unternehmen mit CapEx-Anteilen kleiner 10 % ihren CapEx-Anteil zwar auswiesen, diesen jedoch nicht als wesentlich betrachteten.

Fast alle (34) Unternehmen konnten bereits taxonomiefähige Investitionsausgaben identifizieren, wenngleich neun Unternehmen ihren Anteil aufgrund des geringen prozentuellen Anteils an den Gesamtausgaben als unwesentlich betrachteten.

Nur 20 Unternehmen können ihre Investitionsausgaben taxonomiekonform klassifizieren. Betrachtet man den taxonomiekonformen CapEx-Anteil dieser Unternehmen, konnte ein durchschnittlicher taxonomiekonformer CapEx-Anteil von 22 % nachgewiesen werden.

Bei der Analyse der berichteten Angaben zur Kennzahl Betriebsausgaben (OpEx) konnte analog zum Umsatz festgestellt werden, dass zwar alle betrachteten Unternehmen Angaben machten, jedoch mehr als die Hälfte (51 %) der untersuchten Nicht-Finanz­unternehmen keine taxonomiefähigen Betriebsausgaben feststellen konnten. Dies ist ebenfalls – wie bereits erwähnt – darauf zurückzuführen, dass noch nicht alle Wirtschaftsaktivitäten in der Taxonomie-VO (EU) 2021/2139 definiert sind. Während 18 Nicht-Finanz­unternehmen im Berichtsjahr 2022 noch nicht in der Lage waren (siehe Abbildung 3), den taxonomiefähigen Anteil ihrer Betriebsausgaben zu ermitteln, konnten bereits sechs Nicht-Finanz­unternehmen einen taxonomiefähigen OpEx von mehr als 90 % ausweisen. Bei den sechs betrachteten Unternehmen handelt es sich um die bereits oben angeführten Unternehmen VolkswagenStellantisMercedes-Benz-Group, BMW und Vonovia aber auch das Unternehmen Iberdrola. Mit Ausnahme von Vonovia (Immobilien) und Iberdrola (Energie) kann auch bezogen auf die OpEx-Kennzahl im Berichtsjahr 2022 die Automobilbranche Spitzen­werte bewerten. Betrachtet man erneut nur jene Nicht-Finanz­unternehmen, die bereits im Stande waren, einen taxonomiefähigen Anteil an ihren Betriebsausgaben zu ermitteln, betragen die durchschnittlich identifizierten taxonomiefähigen Betriebsausgaben 57 %.

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Abb 3: Anzahl der Unternehmen und taxonomiefähiger OpEx in %.

Zudem konnten 14 der betrachteten 35 Nicht-Finanz­unternehmen einen taxonomiekonformen OpEx-Anteil größer 0 % feststellen. Der von diesen 14 Unternehmen durchschnittlich identifizierte taxonomiekonforme OpEx-Anteil liegt bei 23 %.

Vergleicht man die Ergebnisse, zeigt sich, dass wesentlich mehr Nicht-Finanz­unternehmen einen taxonomiefähigen CapEx ausweisen konnten als Umsatz oder OpEx. An dieser Stelle soll erneut betont werden, dass die Höhe der drei Kennzahlen, ebenfalls aufgrund noch ausstehender Definitionen von Wirtschaftsaktivitäten, in keinem Zusammenhang mit dem Nachhaltigkeitsgrad der Nicht-Finanz­unternehmen stehen. Demnach werden im Zeitverlauf und mit ergänzenden Verabschiedungen von Delegierten Verordnungen seitens der Europäischen Union immer mehr Unternehmen im Stande sein, ihre Wirtschaftsaktivitäten einzuordnen.

3.5. Herausforderungen für Unternehmen und Kritik

Künftig sind auch große nicht börsennotierte Unternehmen gefordert, Informationen gemäß Taxonomie-VO (EU) 2020/852 aufzubereiten und darüber zu berichten. Die Regulatorien zur Berichts­pflicht sowie Qualitätsanforderungen sind hoch und komplex und beinhalten Auslegungsspielräume und Ermessensspielräume.11

Die Berechnung des taxonomiekonformen Anteils des Umsatzes, CapEx und OpEx stellt Unternehmen vor die Herausforderung der Verknüpfung nichtfinanzieller Informationen mit finanziellen Informationen. Die allgemeine Ermittlung der Umsatzerlöse, Betriebsausgaben und Investitionsausgaben stellt dabei keine Herausforderung dar, da sie der Finanzberichterstattung entnommen werden können, jedoch oftmals nicht in der benötigten Detailierung. Die Herausforderung liegt daher in der ursachenge­rechten Zuordnung der Kosten, Investitionen und Umsätze auf Ebene Standort, Produktgruppen, Produkte bis hin zu einzelnen Aktivitäten. Dafür sind jedoch zunächst die taxonomiefähigen Wirtschaftsaktivitäten festzustellen.

Anschließend müssen die zuvor als taxonomiefähig eingestuften Wirtschaftstätigkeiten auf ihre Konformität geprüft werden, durch Beurteilung der Einhaltung der technischen Bewertungskriterien. Die Beurteilung bedingt detaillierte technische Daten zu Produkten bzw Dienst­leistungen, die oftmals noch nicht in dem benötigten Detailierungsgrad vorliegen.

Eine weitere Herausforderung für Konzerne ist die Integration von Gesellschaften mit Standort außerhalb der Europäischen Union, da dort oftmals andere Umweltstandards gelten und somit Prüfnachweise oder Umweltzertifikate nur mit erhöhtem Aufwand zu bekommen sind. Die Umsetzung der Taxonomieberichterstattung ist jedenfalls als personal- und zeitintensiv zu betrachten und erfordert das Aufsetzen neuer oder das Anpassen bestehender Unternehmens- und IT-Prozesse.12


Auf den Punkt gebracht

Die vorliegende Studie untersucht die Taxonomieberichterstattung von 38 Nicht-Finanz­unternehmen im EURO STOXX 50 im Geschäftsjahr 2022. Die Ergebnisse zeigen, dass 66 % der Unternehmen ihre Angaben außerhalb des Lageberichts veröffentlichen, während 34 % diese im Lagebericht integrieren. Trotz Herausforderungen bei der Umsetzung erfüllen 89 % der Unternehmen die Anforderungen zur Aufschlüsselung ihrer Wirtschaftsaktivitäten. Dem Erfordernis, taxonomiefähige Investitionsausgaben zu tätigen, konnten im Geschäftsjahr 2022 beinahe alle Unternehmen nachkommen. Auch wenn bei knapp 28 % der Unternehmen der Anteil als unwesentlich zu betrachten ist.

Taxonomiefähige Umsätze und Betriebsausgaben konnten knapp die Hälfte der Unternehmen nachweisen. Der Anteil taxonomiekonformer und damit als „grün“ zu klassifizierenden Umsätze, Investitions- und Betriebsausgaben ist jedoch noch vergleichsweise gering. Es sei jedoch anzumerken, dass der Anteil an grünen Aktivitäten an den finanziellen Kennzahlen Umsatz, Investitions- und Betriebsausgaben nicht zwangsweise den Nachhaltigkeitsgrad der Unternehmen darstellt. Vonseiten der EU sind noch Delegierte Verordnungen zu verabschieden, um sämtliche Wirtschaftsaktivitäten in Bezug auf ökologische Nachhaltigkeit beurteilen zu können. Mit fortschreitenden Berichtsjahren und ergänzenden EU-Rechtsakten werden mehr Unternehmen in der Lage sein, ihre Wirtschaftsaktivitäten einzuordnen. Die schrittweise Umsetzung der CSRD wird dennoch künftig auch große Unternehmen dazu zwingen über ihre „grünen“ Wirtschaftsaktivitäten in Bezug auf eigene Umsätze, Investitions- und Betriebsausgaben zu berichten. Was wiederum zu einem erhöhten Umweltbewusstsein bezüglich der eigenen Produkte und Dienst­leistungen aber auch der Beschaffungsvorgänge und damit über die gesamten Lieferketten führen wird.

Die Ergebnisse dieser Studie geben Anhaltspunkte auf den Status quo der Nachhaltigkeitsanstrengungen europäischer börsennotierten Nicht-Finanz­unternehmen, zeigen aber auch, dass weiterhin Anstrengungen und rechtliche Leitlinien erforderlich sind, um die Konsistenz und Vergleichbarkeit der Berichte zu verbessern und letztendlich das Vertrauen der Investoren und der Öffentlichkeit in diese Informationen zu stärken.


Weiterbildungstipps:

Certified Sustainability Reporting Specialist Linz 2024 | CSRD und EU-Taxonomie in der Praxis umsetzen: Informationen und Anmeldung

Certified Sustainability Reporting Specialist | CSRD und EU-Taxonomie in der Praxis umsetzen: Informationen und Anmeldung

Certified ESG & Sustainability Professional Wien | Masterclass zur Integration von Nachhaltigkeit: Informationen und Anmeldung

Certified Sustainability Reporting Specialist Herbst 2024 | CSRD und EU-Taxonomie in der Praxis umsetzen: Informationen und Anmeldung


Vgl Europäische Kommission, Nachhaltiges Finanzwesen und EU-Taxonomie: Kommission unternimmt weitere Schritte, um Geld in nachhaltige Tätigkeiten zu lenken, https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/ip_21_1804 (Stand: 16. 7. 2023).2

Vgl zB Baumüller et al, Vorschlag der EU-Kommission für eine Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD). Von der nichtfinanziellen Berichterstattung (de facto) zum Integrated Reporting? CFOaktuell (2021) 94.3

Der Entwurf ist unter https://finance.ec.europa.eu/regulation-and-supervision/financial-services-legislation/implementing-and-delegated-acts/taxonomy-regulation_de?utm_campaign=KPMG%20NL%20-%20Express%20Accounting%20News&utm_medium=email&_hsmi=2&_hsenc=p2ANqtz-99EKTuYd6aGIyZp-tUQRCFp_U4Y7_JEfcV_bZxibjtXtUdTVVCY9ztYdMVAW-Rq-uRHMmGOzDgbObwrsawkg8TBo9wbg&utm_content=2&utm_source=hs_email&etrans=de abrufbar (Zugriff zuletzt am 7. 8. 2023).4

Vgl Jedinger et al, Erstmalige Umsetzung der EU-Taxonomie in der Praxis – eine empirische Betrachtung ausgewählter ATX- und DAX-Unternehmen, DJA (2023) 23.5

Vgl Im Detail siehe auch Baumüller et al, Erstanwendung der Berichts­pflichten gem. Taxonomie-VO: Überblick und Handlungsempfehlungen, IRZ (2022) 80.6

Vgl Roider/Wedl, Die EU-Taxonomie-Verordnung – Implikationen für Unternehmen und deren Abschlussprüfer, RWZ (2022) 119 f.7

Vgl Zur Konformitäts­prüfung im Detail und anhand eines Fallbeispiels siehe Kasapovic/Pietzka, Qualitative Angabeerfordernisse über die Konformitäts­prüfung gem. Taxonomie-VO für Nicht-Finanz­unternehmen – ein praxisorientiertes Beispiel, IRZ (2023) 247 ff.8

Vgl Roider/Wedl, Die EU-Taxonomie-Verordnung, 121.9

Vgl Art 1. Delegierte Verordnung (EU) 2021/2178.10

DanoneASML NV und Vivendi werden mangels expliziter Angabe der Veröffentlichung eines Taxonomieberichts im Konzernabschluss oder Nachhaltigkeitsbericht des Jahres 2022 ausgeschlossen. Auch eine Schlagwortsuche auf der Webseite des Unternehmens ergab keine Treffer in Bezug auf Taxonomieberichterstattung.11

Vgl Kasapovic/Pietzka, Qualitative Angabeerfordernisse über die Konformitäts­prüfung gem. Taxonomie-VO, 251 ff.12

Vgl zu den Herausforderungen der Konformitätsanalyse im Detail Gross et al, EU-Taxonomie: Die Konformitätsanalyse bringt neue Herausforderungen. Erweiterte Anforderungen im Vergleich zum ersten Berichtsjahr, CFOaktuell (2022) 176 ff.

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