Umsetzung von Pillar II aus Sicht des Unternehmens

Die OECD-Initiative Pillar II hat sich zum Ziel gesetzt, Großkonzerne weltweit mit mindestens 15 % zu besteuern. Mit ihrer kurz­fristigen Umsetzung stellt die EU die betroffenen Konzerne vor einschneidende Herausforderungen. Im folgenden Artikel berichten die Autorinnen über ihre Erfahrung und mögliche Strategien bei der unternehmensseitigen Umsetzung von Pillar II.


1. Hintergrund

Ende 2021 hat die OECD weitere detaillierte Regeln zur Bekämpfung der Gewinnverkürzung, Gewinnverlagerung und Sicher­stellung einer effektiven Mindest­besteuerung von Gewinnen multinationaler Unternehmensgruppen in Höhe von zumindest 15 % veröffentlicht (Pillar II-Muster­vorschriften).

Mit dem OECD-Framework wurde ein hochkomplexer Berechnungsmechanismus mit eigenen Vorschriften (GloBE-System) erarbeitet, wodurch – losgelöst von nationaler Rechtslage – ein global einheitliches Besteuerungssystem mit einer weltweit gleichen Ermittlung des Effektiv­steuersatzes sichergestellt werden soll. Ziel dieses Konzepts ist es laut OECD, dass multinationale Unternehmen in der modernen digitalisierten und globalisierten Wirtschaft einen gerechten Beitrag zum Steueraufkommen leisten, unabhängig vom Ort, an dem sie tätig sind und ihre Gewinne erzielen.1

Auch die EU hat auf die OECD-Initiative reagiert und mit einer EU-Richtlinie im Dezember 2022 die Regelungen für ihre Mitgliedsländer definiert.2 Diese EU-Richtlinie ist durch die Mitgliedstaaten bereits bis zum 31. 12. 2023 in nationales Recht umzusetzen.

Grundsätzlich sollen die OECD-Muster­vorschriften von den Mitgliedstaaten derart umgesetzt werden, dass sie eine globale Einigung ermöglichen. Die EU-Richtlinie orientiert sich daher eng an Inhalt und Struktur der OECD-Muster­vorschriften. Es soll sichergestellt werden, dass Negativanreize für Steuervermeidungspraktiken eingerichtet werden, aber umgekehrt sollen sich diese nicht nachteilig auf kleinere multinationale Unternehmen innerhalb des Binnenmarkts auswirken. Die EU hat daher den Anwendungsbereich auf multinationale Unternehmensgruppen mit konsolidierten Umsatzerlösen von jährlich mindestens 750 MEUR beschränkt. Dieser Schwellen­wert steht im Einklang mit anderen EU-Richtlinien, wie etwa der länderbezogenen Berichterstattung (sog Country by Country Reporting, CbCR3). Verschiedene Einheiten sollen aufgrund ihres besonderen Zwecks und Status jedoch vom Anwendungsbereich der EU-Richtlinie ausgenommen werden. Dazu gehören Einheiten ohne eigene Handels- oder Geschäftstätigkeiten oder Einheiten, welche eine Tätigkeit im öffentlichen Interesse ausüben wie etwa im Bereich der Gesundheitsversorgung, Bildung oder Errichtung öffentlicher Infrastruktur.

Die Mindest­besteuerung soll durch eine Ergänzungs­steuer (Top-up Tax) sichergestellt werden. Zu diesem Zweck wird zunächst der effektive Steuersatz (Effective Tax Rate, ETR) sämtlicher in einem Staat ansässiger Konzern­gesellschaften (jurisdictional blending) ermittelt und danach einem Mindest­steuersatz von 15 % gegenübergestellt. Liegt der effektive Steuersatz in einer oder mehreren Jurisdiktionen unter dem Mindest­steuersatz, so wird für die betroffenen Jurisdiktionen eine Ergänzungs­steuer in jener Höhe fällig, die für das Erreichen der Mindest­besteuerung erforderlich ist.

Die OECD-Regelungen sehen vor, dass die Topup Tax von niedrig besteuerten Geschäftseinheiten von der obersten Mutter­gesellschaft eingehoben werden soll (Primäre Ergänzungs­steuer, PES). Hebt jedoch die oberste Mutter­gesellschaft keine Ergänzungs­steuer ein, oder ist diese selbst in einem Niedrig­steuerland ansässig, so gelangt die Sekundärergänzungs­steuer (SES) zur Anwendung. Gemäß EU-Richtlinie können Mitgliedsstaaten auch die Option in Anspruch nehmen, eine anerkannte Nationale Ergänzungs­steuer (NES) anzuwenden. Die NES verbleibt als Top-up Tax im jeweiligen Land, in dem der effektive Steuersatz der Geschäftseinheiten der Unternehmensgruppe unter dem Mindest­steuersatz liegt.

Am 3. 10. 2023 wurde auch in Österreich der Vorschlag für ein neues Gesetz – Bundes­gesetz zur Gewähr­leistung einer globalen Mindest­steuer für Unternehmensgruppen (Mindest­besteuerungsgesetz – MinBestG) veröffentlicht. Das Gesetz stimmt im Wesentlichen mit der Richtlinie der Europäischen Union vom 14. 12. 2022 sowie den OECD-Muster­vorschriften überein. Laut den „Erläuternden Bemerkungen“ wird ein steuerliches Mehraufkommen von 100 Mio € erwartet. Die Begutachtungs­frist für das MinBestG endete am 20. 10. 2023. Im österreichischen Gesetzesentwurf finden die drei oben beschriebenen Varianten der Top-up Tax (PES, SES, NES) Eingang.

Die Regelungen sind hochkomplex und es stellt sich daher berechtigt die Frage, wie Pillar II in einem Unternehmen erfolgreich umgesetzt werden kann. Um die umfangreichen Vorschriften zu strukturieren, bietet es sich zunächst an, themenbezogene Arbeitspakete zu definieren.

Wie oben erwähnt, ist die EU-Richtlinie durch die Mitgliedstaaten bis zum 31. 12. 2023 umzusetzen und bereits auf jene Geschäftsjahre anzuwenden, welche nach dem 31. 12. 2023 beginnen. Die Vorschriften verlangen von den Unternehmen, eine sog Ergänzungs­steuer-Erklärung spätestens 15 Monate nach dem letzten Tag des Berichts­geschäftsjahres bei der Steuerbehörde einzureichen. Für die Erstanwendung beträgt die Frist jedoch noch 18 Monate (dh für das Geschäftsjahr 2024 endet die Frist am 30. 6. 2026). Daher empfiehlt es sich, zusätzlich zu den einzelnen themenbezogenen Arbeitspaketen auch einen Meilensteinplan aufzusetzen.

Aus eigener Erfahrung möchten wir an dieser Stelle noch darauf hinweisen, dass es sich bei der Implementierung von Pillar II im Regelfall um ein abteilungsübergreifendes Projekt handelt. Konkret bedarf es einer engen Zusammenarbeit zwischen den Steuer-, Rechnungswesen- und IT-Abteilungen innerhalb des Konzerns. Daher ist eine rechtzeitige Abstimmung essenziell.

Wir haben für uns zur Umsetzung von Pillar II folgende Arbeitspakete definiert:

Datei: images/cfoaktuell_2023_6_218.jpg

Abb 1: Arbeitspakete zur Umsetzung von Pillar II.

GesellschaftLandKategorieAnteile iHvEinbeziehung KonzernabschlussEinbeziehung Pillar II
Gesellschaft AÖsterreichOberstes Mutter­unternehmenMutter­unternehmenja
Gesellschaft BÖsterreichEinheit100%Vollkonsolidierungja
Gesellschaft CBelgienEinheit90%Vollkonsolidierungja
Gesellschaft DUngarnEinheit100%Vollkonsolidierungja
Gesellschaft EDeutschlandEinheit100%Vollkonsolidierungja
Gesellschaft FDeutschlandEinheit60%unwesentlich, nicht einbezogenja
Gesellschaft GSlowenienEinheit100%unwesentlich, nicht einbezogenja
Gesellschaft HSerbienEinheit60%unwesentlich, nicht einbezogenja

Tab 1: Übersicht der für die Pillar II-Berechnung relevanten Gesellschaften.

2. Scoping

Zunächst gilt es zu bestimmen, welche Konzern­gesellschaften in welchen Ländern den Pillar II-Bestimmungen unterliegen und welche vom Anwendungsbereich ausgenommen sind. Bereits zu diesem Zeitpunkt ist es sinnvoll, die Unternehmen nach Steuerhoheitsgebieten zu gruppieren, da für die Evaluierung der weiter unten beschriebenen Safe-Harbour-Regelungen ein sog jurisdictional blending erfolgt. Da insbesondere für die Safe-Harbour-Regelungen in der Übergangsphase keine neuen Daten generiert, sondern die CbCR-Daten verwendet werden dürfen, ist es wichtig, die unten beschriebenen Safe-Harbour-Tests möglichst früh durchzuführen, um Länder zu identifizieren, in denen vorerst noch kein GloBE Income berechnet werden muss.

Da CbCR und GloBE in ihrer Auslegung grundsätzlich dasselbe Ziel verfolgen, ist zu erwarten, dass es sich bei den von Pillar II betroffenen Gesellschaften um dieselben handelt, die bereits jetzt in den Anwendungsbereich des CbCR fallen. Allerdings gibt es bei Pillar II ein paar Besonderheiten (zB Joint Ventures, Minority-Owned-Entities, Excluded Entities), welche es im Einzelfall zu beachten und zu prüfen gilt.

Die Ausgangsbasis für die Berechnung der maßgeblichen Gewinne / Verluste einer Geschäftseinheit (GloBE Income) ist das Ergebnis vor Steuern nach den Rechnungslegungsstandards des obersten Mutter­unternehmens, die sog HB II. Wenn beispielsweise ein Konzern einen Konzernabschluss nach IFRS erstellt, so wird ein Einzelabschluss der Einheit nach IFRS (vor Anpassungen von gruppeninternen Transaktionen) als Grundlage für die Berechnung benötigt.

Daraus ergeben sich mehrere Herausforderungen. Da die EU-Richtlinie keine Regelungen für die Wesentlichkeitsbestimmung festlegt, sind selbst unwesentliche Tochter­gesellschaften in die Pillar II-Berechnung aufzunehmen, die im Regelfall nicht in den Konzernabschluss miteinbezogen werden. Je nach Konzern kann es sich um eine Vielzahl von Gesellschaften handeln, die bisher kein HB II-Package aufstellen mussten und sich nun neu strukturieren müssen.

Auch für Gesellschaften, die bereits in den Konzernabschluss einbezogen wurden und mindestens einmal jährlich ein HB II-Package erstellen, können sich zusätzliche Anforderungen aus den neuen Regelungen ergeben. Es kommt nicht selten vor, dass ein HB II-Package, beispielweise nach IFRS, nicht einem vollständigen IFRS-Einzelabschluss entspricht, da manche Sachverhalte, wie zB konzerninterne Transaktionen, für die Konzernabschlusszwecke außer Acht gelassen werden können.

Nach der ersten Analyse der einzelnen Länder liegen die ersten Erkenntnisse vor, welche Gesellschaften Teil der Mindest­steuergruppe sind. Zu diesem Zeitpunkt kann auch bereits erkannt werden, bei welchen Gesellschaften ein zusätzlicher Handlungsbedarf bestehen wird, da diese bis dato nicht in den Konzernabschluss miteinbezogen wurden, sie aber für die Pillar II-Berechnung relevant sein werden.

3. Safe Harbour

In den OECD-Mustervorschlägen sind sowohl temporäre als auch permanente Safe-Harbour-Vereinfachungsregelungen vorgesehen.

Ziel ist es, kleinere, unwesentliche Unternehmen von den aufwendigen GloBE-Berechnungen auszunehmen und für einen Übergangs­zeitraum administrative Erleichterungen zu schaffen.

Auch bei den Safe-Harbour-Regelungen werden dafür alle Unternehmen innerhalb eines Steuerhoheitsgebiets kumulativ betrachtet (jurisdictional blending).

Die temporären Safe-Harbour-Regelungen sind innerhalb des Übergangs­zeitraums von 2024 bis 2026 anwendbar und erlauben eine vereinfachte Berechnung anhand des CbCR. Um angesichts der kurzen Zeitspanne die Konzerne nicht zusätzlich zu belasten, können die bereits vorhandenen Daten des CbCR als Berechnungsgrundlage herangezogen werden.

In Zukunft sollen auch permanente Safe-Harbour-Regelungen auf Basis der GloBE-Berechnungen ausgearbeitet werden, jedoch findet hierfür die Gesetzgebung erst statt.

Zur jetzt erforderlichen initialen Risikoabschätzung im Rahmen der Implementierung von Pillar II sind jedoch die temporären Übergangsregelungen auf Basis des CbCR relevant.

Wenn ein Steuerhoheitsgebiet in die Safe-Harbour-Regelung fällt, dann wird die Top-up Tax für das jeweilige Steuerhoheitsgebiet auf null reduziert. Ein Safe Harbour liegt vor, wenn einer der drei folgenden Tests erfüllt ist:

De-minimis-Test: Dieser Test ist erfüllt, wenn Erträge gemäß qualifiziertem CbCR unter 10 Mio € und der Gewinn vor Steuern gemäß qualifiziertem CbCR weniger als 1 Mio € oder Verlust bestehen.
Simplified ETR-Test: Der Quotient aus Steueraufwand gemäß Rechnungslegung und Gewinn/Verlust vor Steuern gemäß qualifiziertem CbCR ergibt eine Effektivsteue rbelastung von zumindest❚15 % für Wirtschaftsjahre, die 2023 oder 2024 beginnen,❚16 % für Wirtschaftsjahre, die 2025 beginnen, und❚17 % für Wirtschaftsjahre, die 2026 beginnen.
Routine-Profit-Test: (i) Verlust gemäß qualifiziertem CbCR oder (ii) Gewinn vor Steuern gemäß qualifiziertem CbCR ist gleich hoch oder kleiner als der substanzbasierte Freibetrag gemäß den GloBE-Regelungen.

Bevor jedoch die Safe-Harbour-Ausnahmeregelungen bewertet werden können, muss zunächst überprüft werden, ob ein „qualifizierter CbCR“ vorliegt. Darunter versteht man einen CbCR, welcher mithilfe qualifizierter Jahresabschlüsse erstellt wurde, wobei ein qualifizierter Jahresabschluss wiederum einen Finanzbericht darstellt, der anerkannten oder zugelassenen Rechnungslegungsstandards (zB IFRS) entspricht.

In der Praxis mussten wir folgende Prüfschritte durchführen:

1.Liegen Geschäftseinheiten vor, die ihren Abschluss nicht auf Basis von IFRS erstellen (aufgrund von Unwesentlichkeit)?
2.Wenn ja, gibt es Geschäftseinheiten, die außerhalb der EU-EWR Staaten liegen?
3.Wenn ja, unterliegt das entsprechende Land einem anerkannten oder zugelassenen Rechnungslegungsstandard (zB Serbien)?
Datei: images/cfoaktuell_2023_6_220-1.jpg

Abb 2: Berechnung der Effective Tax Rate.

Auf Basis des qualifizierten CbCR wurden in einem nächsten Schritt die oben beschriebenen Tests durchgeführt und die Länder zur Risiko­bewertung in zwei Kategorien eingeteilt. Eine Kategorie umfasst dabei jene Jurisdiktionen, für die im Jahr 2024 mit hoher Wahrscheinlichkeit keine Safe-Harbour-Regelung anwendbar sein wird. So müssen für diese Gruppe bereits jetzt die Vorbereitungen für eine detaillierte Berechnung der Ergänzungs­steuer geplant und umgesetzt werden.

LandDe MinimisETRRoutine ProfitSafe Harbour?
Österreich
Belgien
Ungarn
Deutschland
Slowenien
Serbien

Tab 2: Risiko­bewertung der Länder (Anm: In diesem Fall fällt Ungarn nicht unter die temporären Safe-Harbour-Regelungen).

Ein wesentlicher Aspekt für die Safe-Harbour-Regelungen ist die Anwendung des „once out, always out“-Prinzips. Gesellschaften, welche keinen der oben angeführten Tests erfüllen, können auch in den Folgejahren nicht mehr unter die Safe-Harbour-Regelungen fallen.

4. GloBE Income und GloBE Taxes

Als nächster Schritt sind das GloBE Income und die GloBE Taxes unter Berücksichtigung bestimmter Anpassungen zu ermitteln (Mindest­steuer-Mehr-Weniger-Rechnung).

Der Ausgangspunkt für die Mindest­steuer-Gewinn­ermittlung ist das nach dem Konzern­rechnungslegungsstandard des obersten Mutter­unternehmens ermittelte Ergebnis jeder Gesellschaft vor etwaigen Konsolidierungsanpassungen. Die Überleitung auf GloBE Income verlangt jedoch zahlreiche Anpassungen und Wahlrechte (losgelöst von Bestimmungen der nationalen Steuer­rechtssysteme). Für die Berechnung der GloBE Taxes ist der laufende Steueraufwand (inklusive latente Steuern) relevant, der auch durch weitere Hinzu­rechnungen und Kürzungen angepasst wird.

Insgesamt müssen sich die betroffenen Konzerne ein Verständnis über rund 200 Datenpunkte aneignen, diese in weiterer Folge erheben und letztendlich adäquat analysieren.

Nachvollziehbarerweise stehen die Unternehmen bei der Berechnung von GloBE Income und GloBE Taxes vor umfangreichen Herausforderungen. Die Tatsache, dass Ausgangsbasis für Pillar II-Berechnungen IFRS-Einzelabschlüsse und nicht HB II-Packages sind, kann insbesondere bei konzerninternen Sachverhalten zu Problemen führen. Beispielsweise werden im Konzernabschluss gruppeninterne Leasing­verträge unter Umständen nicht abgebildet, da sie im Rahmen des Konzernabschlusses konsolidiert werden. Die IFRS-Einzelabschlüsse für die Mindest­steuergewinn­ermittlung sind jedoch vor der Konsolidierung aller gruppeninterner Transaktionen durchzuführen.

Eine weitere Erhebungslücke, die sich aus dem qualifizierten Konzernabschluss zu erhebenden Rechnungslegungsdaten ergibt, betrifft die latenten Steuern. Unwesentliche Geschäftseinheiten, die nicht in einen Konzernabschluss einbezogen sind, berechnen in der Praxis keine latenten Steuern. Aber auch bei vollkonsolidierten Gesellschaften kann es vorkommen, dass aufgrund von Wesentlichkeitserwägungen keine latenten Steuern berechnet werden. Für die GloBE-Berechnung müssen die Gesellschaften die Daten jedoch gänzlich ermitteln.

5. Berechnung der Effective Tax Rate

Sowohl die effektive Steuerbelastung als auch die Ermittlung einer möglichen Ergänzung­steuer (Top-up Tax) ist landesbezogen zu berechnen. Der effektive Steuersatz für einen Staat entspricht dabei der Summe der erfassten Steuern aller im jeweiligen Staat ansässigen Gesellschaften, geteilt durch die Summe der Netto­gewinne aller einbezogenen Gesellschaften dieses Staates innerhalb des relevanten Wirtschaftsjahrs. In weiterer Folge ist für die Ermittlung der Top-up Tax zunächst die Differenz zwischen dem Mindest­steuersatz von 15 % und dem effektiven Steuersatz des jeweiligen Staates zu ermitteln.

Das Risiko einer Ergänzung­steuer betrifft jedoch nicht nur die typischen Steueroasen. Selbst einige Länder in der EU weisen einen nominalen Körperschaft­steuersatz von unter 15 % aus.4

Wie aus dem Beispiel in Abbildung 3 ersichtlich, kommt aber unter Umständen auch in Ländern mit deutlich höheren Steuersätzen als 15 % die Top-up Tax zur Anwendung.

Datei: images/cfoaktuell_2023_6_220-2.jpg

Abb 3: Beispiel zur Ermittlung der Top-up Tax.

Im vereinfachten Beispiel kommen neben der Forschungs­prämie auch latente Steuern auf die Verlustvorträge zum Tragen. Die Forschungs­prämie ist in Österreich steuerfrei und mindert somit aus Sicht des österreichischen Steuer­rechts die Bemessungsgrundlage. Die Verlustvorträge sind entsprechend der Anwendung von Pillar II mit maximal 15 % umzurechnen. Aus diesem Beispiel ist ersichtlich, dass selbst bei einem nominalen Körperschafts­steuersatz von 23 % ein effektiver Steuersatz von 14,45 % resultieren kann. So kann auch in einem Hochsteuerland eine Top-up Tax nach Pillar II anfallen und es somit zu einem Liquiditätsabfluss kommen.

Umso wichtiger ist es, sich rechtzeitig mit der konkreten Berechnung und den komplexen Auslegungen von Pillar II auseinanderzusetzen. Nach Beschaffung und Aufbereitung der Daten empfiehlt es sich auch, Simulationen durchzuführen, um ein besseres Gefühl für die Berechnungslogiken und -variablen zu gewinnen.

Um zu verhindern, dass bei Gesellschaften in Ländern mit wertschöpfender Wirtschaftsaktivität trotz eines eventuell unterschrittenen Mindest­steuersatzes eine Top-up Tax anfällt, besteht die Möglichkeit den sog Substanzfrei­betrag geltend zu machen. Dieser setzt sich jeweils aus einem Prozentsatz der materiellen Wirtschafts­güter und der Personal­aufwendungen zusammen, wobei eine Übergangsphase von zehn Jahren beschlossen wurde, in denen sich diese Prozent­werte auf jeweils 5 % annähern.

6. Technische Lösungen

Der Outcome der beschriebenen Arbeitspakete soll unter anderem Klarheit über die notwendigen Datenpunkte und die Quellen bringen. Viele Datenpunkte werden voraussichtlich selbst aus dem vorhandenen ERP-System zu entnehmen sein. Andere müssen erst aufbereitet werden, bevor sie in die ETR-Berechnung einfließen können. Nach der Identifizierung und Analyse der Datenpunkte soll das Design der Systemarchitektur, sowie der Gesamtprozess im Konzern analysiert werden. Die Zusammenarbeit mit der IT-Abteilung spielt eine essenzielle Rolle.

Da die Regelungen sehr komplex sind und eine Vielzahl an Datenpunkten verlangt wird, sollte man sich früh überlegen, wie der Prozess und die Berechnung automatisiert werden können. Ebenfalls sollte geplant werden, wie der Konzern mit der Melde­pflicht an die Finanzbehörde umgeht und wie die Übermittlung dieser Daten automatisiert erfolgen kann. Auf den Markt drängt eine Vielzahl an Produkten, welche sich mit der Pillar II-Datenerfassung und -auswertung beschäftigt. Für jeden Konzern werden aufgrund der bestehenden Strukturen andere Lösungen geeignet sein.

Daher ist eine intensive Marktanalyse erforderlich. Unserer Erfahrung nach sind folgende Schlüsselfragen für die Entscheidung relevant:

Ist die IT-Lösung kompatibel mit unserem ERP-System? Welche Adjustments/Schnittstellen sind notwendig?
Wie sieht das Rollen- und Berechtigungskonzept aus? Welche Kontrollmechanismen sind in der jeweiligen Lösung bereits integriert?
Unterstützt die Lösung bei Simulationen und Planungen?
Welche Möglichkeiten für etwaige zukünftige Anpassungsanforderungen bestehen? Werden diese Anpassungen dokumentiert (audit trail)?

7. Governance im Konzern

Schon im Laufe der Verständnis­gewinnung für die einzelnen Datenpunkte und Simulation der ETR-Berechnung ist es notwendig, wichtige Entscheidungen zu treffen. Diese Entscheidungen müssen dokumentiert werden, und dafür bietet es sich an, ein entsprechendes Handbuch aufzusetzen. Dieses Handbuch muss im Laufe der Zeit weiterentwickelt werden, ergänzt um neue Erkenntnisse und definierte Prozessschritte. Bestehende Prozesse und das Steuerkontrollsystem müssen im Konzern um neue Melde­pflichten ergänzt werden.

Wichtig ist eine klare Definition der Zuständigkeiten und Verantwortung. Grundsätzlich ist jede Geschäftseinheit im Konzern verpflichtet, einen Mindest­steuerbericht einzureichen und sich dadurch mit der Berechnung auseinanderzusetzen. Abhängig davon, wie ein Konzern konzipiert bzw wie die Governance im Konzern gelebt wird, können die Zuständigkeiten und Verantwortung jedoch unterschiedlich definiert werden.

In unserem Konzern hat die Umsetzung der Pillar II-Regelungen in der Konzern­steuerabteilung begonnen, aber es war sehr schnell klar, dass das Knowhow des Rechnungswesen-Teams unerlässlich ist. Eine gute und enge Zusammenarbeit beider Teams ist daher essenziell.

Die Ergebnisse der ersten Arbeitspakete auf der Konzernebene müssen in die Tochter­gesellschaften im In- und Ausland getragen werden. Daher ist es notwendig, die ersten Workshops so bald wie möglich zu starten.

Da bereits für die Abschlüsse 2023 Notes-Angaben im Zusammenhang mit Pillar II verlangt werden, müssen die Tochter­gesellschaften über die neuen Anforderungen und die zusätzlichen Meldedaten informiert werden. Viele Länder haben ihre Spezifika für die Ergänzungs­steuerberechnung, die dringend abgeklärt werden müssen. Die meisten Konzerne werden auf das bestehende Reporting-System zurückgreifen und die Packages um neue Meldedaten ergänzen.

Die Fragen­stellungen sind aktuell neu. Mit mehr Routine und Erfahrungs­werten wird es jedoch für die Betroffenen möglich sein, den bestehenden Prozess kontinuierlich zu verbessern und zu optimieren.

8. Mindest­steuerbericht

Die Erhebung der Mindest­steuer in Österreich obliegt dem Finanzamt für Großbetriebe. Grundsätzlich ist jede steuer­pflichtige Geschäftseinheit verpflichtet, einen Mindest­steuerbericht einzureichen. Die in Österreich gelegenen Geschäftseinheiten können jedoch die Verpflichtung zur Einreichung eines Mindest­steuerberichts auf eine andere in Österreich gelegene Geschäftseinheit desselben Konzerns übertragen. Wenn der Mindest­steuerbericht von der obersten Mutter­gesellschaft oder einer als berichts­pflichtig genannten Einheit zB in Österreich eingereicht wird, befreit es die restlichen Gesellschaften in diesem Steuerhoheitsgebiet.

Die Mindest­steuer ist als Selbst­bemessungsabgabe konzipiert. Die steuer­pflichtige Geschäftseinheit hat innerhalb von 24 Monaten nach Ablauf jenes Kalenderjahres, in dem das betroffene Geschäftsjahr endet, eine Voranmeldung einzureichen, die sich ergebende Mindest­steuer selbst zu berechnen und abzuführen.

Das Finanzstraf­recht ist für die Mindest­steuer ebenfalls anwendbar. Das Gesetz normiert folgende Strafbestimmungen: Wenn der Mindest­steuerbericht nicht, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig übermittelt wird, droht bei Vorsatz eine Strafe bis zu 100.000 € und bei grober Fahrlässigkeit eine Strafe bis zu 50.000 €.


Auf den Punkt gebracht

Mit der Einführung der globalen Mindest­besteuerung ist die OECD bestrebt, dass alle Unternehmen einen angemessenen Steuerbeitrag leisten. Die Vorteile, die Gewinne in ein Steuerhoheitsgebiet mit niedrigerer Besteuerung zu verlagern, sollen abgeschafft werden.

Die Einführung der neuen Regelungen zur Mindest­besteuerung stellt für die meisten Unternehmen jedoch einen erheblichen Compliance-Mehraufwand dar. Die Unternehmen sind nun gezwungen, sich in kurzer Zeit mit den umfangreichen Berechnungs-, Reporting- und Dokumentationsanforderungen auseinanderzusetzen, unabhängig davon, ob diese zu einer zusätzlichen Steuerbelastung führen oder nicht. Da die neuen Deklarations­pflichten in bestehende Prozesse zu integrieren sind, ist die Zusammenarbeit von Steuer-, Rechnungswesen- und IT-Abteilungen unerlässlich.

Auf der anderen Seite kann es sich bei Pillar II auch um eine Chance für das Unternehmen handeln, sich mit den bestehenden Systemen und der Systemarchitektur auseinanderzusetzen und eine Digitalisierungsstrategie schneller voranzutreiben.

0 Kommentare

Dein Kommentar

An Diskussion beteiligen?
Hinterlassen Sie uns Ihren Kommentar!

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert