Technologiebasiertes Steuerfunktionsmanagement

Ein Lösungsansatz für ein automatisiertes Steuerfunktionsmanagement.


Das Management der Steuerfunktion eines international tätigen Unternehmens stellt aufgrund der technologischen und steuer­rechtlichen Entwicklungen mittlerweile eine besondere Herausforderung dar. Der Fokus auf das gesamte Unternehmen (und damit auf die Einbindung von Controlling, Business und sonstigen Stakeholdern), die (notwendige) Anpassung der internen Prozesse und die Nutzung von Technologie können ein erfolgversprechender Lösungsansatz sein.

1. Rahmenbedingungen

Für die Steuerfunktion 1 international tätiger Unternehmen verändern sich die Rahmenbedingungen mittlerweile in atemberaubender Geschwindigkeit. Dieser Veränderungsprozess wird geprägt durch regelmäßige Anpassungen des unternehmenseigenen Geschäftsmodells, Weiterentwicklungen auf dem Gebiet der Technologie und permanente Neuerungen im nationalen und internationalen Steuer­recht – sowohl materiell­rechtlich als auch in der Zusammenarbeit mit den Finanz­verwaltungen (zB durch die Erweiterung steuerlicher Transparenzanforderungen).

1.1. Steuer­rechtliche Entwicklungen

Beispiele für die Änderungen im Steuer­recht sind einerseits der Versuch, digitale Geschäftsmodelle bzw Digitalkonzerne zu besteuern, in Österreich umgesetzt durch das Digital­steuerpaket 2 – auf europäischer Ebene 3 (vorerst noch) gescheitert – und andererseits die (Weiter-)Entwicklung von Transparenzanforderungen: Nach dem Country-by-Country-Reporting (CbCR) 4 wird mit der Richtlinie (EU) 2018/822 (DAC 6) 5 eine weitere Offenlegungs­pflicht, diesmal für grenzüberschreitende Steuergestaltungsmodelle, eingeführt. Die technische Umsetzung von DAC 6 ähnelt dabei dem CbCR – die praktische Wirkung gleicht der einer Near-time-Meldung (zB SII in Spanien) 6 .

Real-Time- oder Near-Time-Reporting 7 , insb für die Erfüllung von Umsatz­steuer-Compliance-Anforderungen, ist in der Zusammenarbeit mit Finanz­verwaltungen eine weitere Herausforderung für die Steuerfunktion. Dabei nimmt die Zeit für die Erfüllung von Compliance-Anforderungen von mehreren Wochen auf Echtzeit ab, mit den damit verbundenen Konsequenzen für die Validierung und Kontrolle der zu übermittelnden Daten. In Kombination mit diversen „Co-operative Compliance-Programmen“, 8 in Österreich durch das Programm der begleitenden Kontrolle 9 umgesetzt, gilt es, die prozessualen und technologischen Voraussetzungen für einen möglichst schnellen und transparenten Austausch korrekter Daten mit dem wichtigsten externen Stakeholder, der Finanz­verwaltung, sicherzustellen.

1.2. Technologische Entwicklungen

Auf technologischer Seite gilt es, die aktuellen Einfluss­faktoren wie Prognostik und Entscheidungsautomation umgesetzt mit Big-Data-Anwendungen, In-Memory-Datenbanken, Machine Learning etc zu berücksichtigen und damit das Unternehmen bzw die Unternehmensprozesse zu digitalisieren, um neue Geschäftsmodelle und damit neue Produkte und/oder Dienst­leistungen anbieten zu können. Die Steuerfunktion hat dabei rasch und integriert die steuerlichen Auswirkungen dieser neuen Geschäftsmodelle, zB mittels integrierter Steuerplanung, zu ermitteln und an die relevanten internen Stakeholder zu kommunizieren.

Eine weitere technologische Entwicklung ist die Zunahme an (teilweise nur noch) Cloud-Anwendungen, die auch für das Steuerfunktionsmanagement sowohl hinsichtlich Standardisierung von IT-Anwendungen als auch im Sinne von Software as a Service (SaaS) und/oder Cloud as a Service (CaaS) Relevanz haben. Interessant ist hier, inwieweit diese Dienst­leistungen eine gewisse Unabhängigkeit der Steuerfunktion bzw Steuerabteilung als Herzstück und Treiber von der unternehmenseigenen IT ermöglichen (Steuerabteilung als Tool bzw Service Owner).

2. Technologische Lösungswege

Aus technologischer Sicht gibt es für die Automatisierung und technische Integration 10 von Steuerprozessen unterschiedliche Lösungsansätze.

Ausgehend von einer Schnittstellenautomation in einer Excel-Umgebung mittels VBA-Programmierung und Robotic Process Automation (RPA) können System- und Datenbrüche überwunden werden. Die Nutzung spezieller Steuertools wie DefTax/fwsb oder GTC/AMANA für die Berechnung laufender und latenter Steuern integriert mit einer Deklarationslösung für die Erstellung von Ertrags- und Umsatz­steuererklärungen stellt eine weitere Möglichkeit für die Automatisierung wichtiger Steuerprozesse dar.

Add-on/Bolt-on-Lösungen werden genutzt, um in Kombination mit den bestehenden ERP-Lösungen komplexe(re) steuerliche Sachverhalte zu automatisieren und damit das Kontrollumfeld qualitativ zu verbessern. Eine Vollintegration bzw der höchste Grad an Automatisierung kann mittels sogenannter Tax-Enabled-ERP-Systeme erzielt werden. Hier werden die steuerlich relevanten Daten direkt im ERP-System generiert und mittels Kontrollen auch validiert, zB Umsatz­steuerschlüssel, Steuerkennzeichen für Quellen­steuern etc. Aufgrund der unterschiedlichen Anforderungen in den diversen Steuerprozessen führt die individuelle Kombination an Lösungswegen zum gewünschten Automatisierungsrad.

Abb 1: Technologische Lösungswege; Quelle: Deloitte WPG GmbH Deutschland (2019).

Abb 1: Technologische Lösungswege; Quelle: Deloitte WPG GmbH Deutschland (2019).

3. (Tax-)IT-Roadmap

Aufgrund der permanenten technologischen Weiterentwicklung und deren Nutzung für neue Geschäftsmodelle wird die IT-Architektur im Unternehmen regelmäßig überprüft und angepasst. Ein wesentliches Kriterium für die (Weiter-)Entwicklung dieser neuen IT-Architektur ist die Anzahl der benutzten Applikationen und damit verbunden die Anzahl an Schnittstellen und Systembrüchen (Komplexität der Architektur).

Derzeit beschäftigen sich viele Unternehmen mit der Umstellung ihrer SAP-ERP-Systeme ( R3/ECC) auf SAP S/4HANA oder ein anderes ERP-System, weil SAP-Applikationen ab dem Jahr 2025 nur noch auf einer HANA-Datenbank laufen werden, 11 und erarbeiten dementsprechend eine neue IT-Roadmap.

Hier macht es Sinn, dass sich die Steuerabteilung von Beginn an in das Umstellungsprojekt involviert, um – gemeinsam mit der IT-Abteilung und dem Finanz- und Rechnungswesen – ein abgestimmtes Verständnis über die Weiterentwicklung der Unternehmens-IT-Architektur zu entwickeln, um sicherzustellen, dass steuerlich relevante Datenfelder in der Design-Phase der Implementierung des ERP-Systems Berücksichtigung finden, und weiters herauszuarbeiten, welche Datenfelder bzw Funktionalitäten nicht im ERP-System abgebildet werden können oder sollen und daher in anderen Applikationen zu verarbeiten sind.

4. Auswahl der Software

Nach der Festlegung des geeigneten Lösungswegs gilt es, die konkrete Software/die konkreten Applikationen (als Teile der konkreten Tax-IT-Architektur) für die Umsetzung eines technologiebasierten Steuerfunktionsmanagements zu finden. Aus Sicht des Steuerfunktionsmanagements besonders relevant ist die Unterscheidung zwischen Tools, die die Erfüllung materiell steuerlicher Aufgaben­stellungen unterstützen (= sogenannte funktionale Tools, zB für die Erstellung einer Steuererklärung oder die Margen­steuerung im Bereich des Operational Transfer Pricings) und Lösungen, die beim Managen einer Steuerfunktion zum Einsatz kommen (zB für die Prozessmodellierung, das Workflow-Management oder das Data-Mining zwecks Prozess-Monitorings).

Ein Beispiel für eine (Steuer-)Management-Lösung kann Signavio (siehe Abb 2) sein. Mittels Signavio können (Steuer-)Prozesse modelliert und damit visualisiert werden sowie mit einem Workflow verknüpft und umgesetzt werden. Ein weiterer Vorteil von Signavio ist, dass daran auch funktionale Tools (siehe oben) angebunden und damit auch mit Signavio ange­steuert werden können. Daher lässt sich Signavio sehr gut als Management-Plattform nutzen.

Ein Beispiel für eine umfassende Suite aus Sicht der funktionalen Anforderungen – sowohl für den Bereich Ertrag- als auch für den Bereich Umsatz­steuern (für die Umsatz­steuer siehe Abb 3) – ist die SAP-basierte Tax Suite developed by Deloitte. 12 Idee dabei ist, aus der Kombination von SAP-Produkten und anderen Software-Applikationen eine integrierte Lösung im Sinne einer End-to-End-Prozesssichtweise (von der Datengenerierung bis zur Übermittlung) umzusetzen.

SAP bietet mittlerweile insb für den Bereich der Umsatz­steuer Lösungen an, die in Kombination mit weiteren SAP-Produkten, aber auch mit anderen Lösungen, ein umfassendes Gesamtpaket darstellen. Ausgehend von S/4 HANA als ERP-System kann gemeinsam mit weiteren SAP-Applikationen wie SAP Ariba und/oder SAP Concur das notwendige Datenmodell bzw die notwendige Datenbasis für die korrekte Ermittlung der Umsatz­steuer generiert werden. Add-on-Lösungen helfen bei der Erweiterung der ERP-Funktionalitäten, um auch steuerlich komplexe Aufgaben­stellungen, wie zB Dreiecks­geschäfte, im ERP-System abbilden zu können. Die Datenvalidierung kann regelbasiert mittels SAP-Tax-Compliance erfolgen. Für die Erstellung und Übermittlung der Steuererklärungen stehen aktuell zB DefTax/fwsb, GTC/AMANA oder VERTEX sowie künftig wohl auch SAP Advanced Compliance Reporting (ACR) zur Verfügung.

Abb 2: Auswahl der Software; Quelle: Deloitte WPG GmbH Deutschland (2019).

Abb 2: Auswahl der Software; Quelle: Deloitte WPG GmbH Deutschland (2019).

Abb 3: SAP-basierte Tax Suite developed by Deloitte; Deloitte WPG GmbH Deutschland (2018).

Abb 3: SAP-basierte Tax Suite developed by Deloitte; Deloitte WPG GmbH Deutschland (2018).

5. Implementierung

Finaler Schritt zum technologiebasierten bzw automatisierten Steuerfunktionsmanagement ist die Implementierung der ausgewählten Softwarelösungen. Da es sich um eine Mischung aus der Implementierung von Standard-Softwarelösungen (im Wesentlichen bei der Implementierung funktionaler Tools für die Umsetzung steuerlicher Standardaufgaben­stellungen) und komplexen IT-Projekten (zB für die Umsetzung eines Tax-Enabled-ERP-Systems) handelt, macht in der Praxis eine Kombination von agilen und Wasserfall-Projektelementen Sinn.

Auf den Punkt gebracht

Viele aktuelle Anforderungen an das Steuerfunktionsmanagement können nur noch mit entsprechender Technologie erfüllt werden. Die Prüfung der vorhandenen Applikationen, in Abstimmung mit der IT-Abteilung hinsichtlich der IT-Roadmap, und darauf aufbauend entweder die Ergänzung der IT-Architektur durch spezielle Steuersoftware oder die Integration steuerlich nutzbarer Funktionalitäten in neue Applikationen ermöglichen es der Steuerabteilung in Kooperation mit den übrigen Stakeholdern, das Steuerfunktionsmanagement (weiter) zu automatisieren und damit zukunftsfit zu gestalten.


Quellen

1 Definition der Steuerfunktion als die Summe der Mitarbeiter, die steuerlich relevante Aufgaben­stellungen im Unternehmen erfüllen. Daher umfasst die Steuerfunktion nicht nur die Mitarbeiter der Steuerabteilung.

2 Siehe im Detail dazu https://www.bmf.gv.at/steuern/Digital­steuerpaket.html (Zugriff am 15. 7. 2019).

3 Siehe die Entwicklung unter https://ec.europa.eu/info/law/better-regulation/initiatives/ares-2017-5253058_en (Zugriff am 15. 7. 2019).

4 Informationen dazu zB unter http://www1.oecd.org/tax/automatic-exchange/about-automatic-exchange/country-by-country-reporting.htm (Zugriff am 15. 7. 2019).

5 Richtlinie (EU) 2018/822 des Rates vom 25. 5. 2018 zur Änderung der Richtlinie 2011/16/EU bezüglich des verpflichtenden automatischen Informationsaustauschs im Bereich der Besteuerung über melde­pflichtige grenzüberschreitende Gestaltungen, ABl L 139 vom 5. 6. 2018, 1 (DAC 6).

6 Siehe https://www2.deloitte.com/de/de/pages/tax/articles/umsetzung-dac-6-richtlinien.html (Zugriff am 15. 7. 2019).

7 Siehe zur Einführung von Real-Time-Reporting für die Umsatz­steuer in Ungarn zB https://www.deloittetax.at/2018/05/22/hungary-introduces-live-vat-invoice-reporting-as-of-july-2018/#.XLR4E5VPodk (Zugriff am 15. 7. 2019).

8 Vgl OECD, Co-operative Compliance: A Framework (2013).

9 Zur begleitenden Kontrolle siehe zB Brandl/Macho/Schrottmeyer/Vock (Hrsg), Begleitende Kontrolle. SWK-Spezial (2018).

10 Dabei ist zu berücksichtigen, dass für einen vollintegrierten Steuerprozess ein umfassendes Datenmodell Voraussetzung ist.

11 Siehe zB https://www.cbronline.com/opinion/saps-2025-deadline (Zugriff am 15. 7. 2019).

12 Diese Logik kann auch mit Oracle-Produkten (Kombination aus Oracle-ERP und EPM-Lösungen) umgesetzt werden; Oracle Tax Suite developed by Deloitte.


Der Artikel ist in CFO aktuell (Heft 4/2019) erschienen. Mehr Infos unter: www.cfoaktuell.at

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