Von Ethischem/Grünem Investment zu Sustainable Finance
Ein Streifzug durch die Entwicklung von „Nachhaltigem Investment“: Um den aktuellen globalen Herausforderungen wie Klimakrise, Ressourcenknappheit und sozialer Ungleichheit zu begegnen, bedarf es nachhaltiger Investitionen. Welche Formen des Nachhaltigen Investierens gibt es? Woran kann man die Qualität von Nachhaltigen Veranlagungsprodukten erkennen? Welche aktuellen Entwicklungen beeinflussen das Thema (zB EU-Aktionsplan). Ein Antwortversuch.
1. Nachhaltiges Investment – eine Bestandsaufnahme
Lange Zeit war das Thema Nachhaltiges Investment ein Nischenthema. Zwei politische Ereignisse im Jahr 2015 haben wesentlich dazu beigetragen, dass das Thema an Bedeutung gewonnen hat: die UN-Agenda 2030 1 und das Pariser Klimaschutzübereinkommen 2 (siehe Schlussfolgerungen von UNFCC, Dezember 2015). Die UN-Agenda 2030 beinhaltet 17 Ziele für eine nachhaltige Entwicklung ( Sustainable Development Goals, kurz SDGs), die einen gesunden Planeten mit fairen Gesellschaften und Volkswirtschaften gewährleisten sollen. Das Pariser Klimaübereinkommen wurde im Dezember 2015 von 185 Staaten unterzeichnet. Es ist der erste globale Klimavertrag, der eine Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 höchstens aber 2 Grad Celsius vorsieht. Die EU als Vorreiter in den internationalen Klimaschutzbemühungen hat erkannt, dass es für die Umsetzung der EU-Klima- und Energieziele bis 2030 zusätzliche jährliche Investitionen von rund 260 Mrd € benötigt. Die OECD schätzt, dass insgesamt jährlich rund 6,35 Billionen € nötig sind, um die Pariser Klimaziele zu erreichen. Diese Summen können nicht von Staaten allein getragen werden, es braucht hierzu auch private Investitionen. Aus diesen Erkenntnissen heraus ist 2018 der EU-Aktionsplan „Sustainable Finance“ 3 mit zehn Maßnahmen entstanden, um privates Kapital für nachhaltige Aktivitäten zu mobilisieren. Aktuell befinden sich bereits einige der Maßnahmen des EU-Aktionsplans in Umsetzung. „Nachhaltiges Investment“ wird sich dadurch weiter entwickeln, nicht nur in Hinblick auf das Volumen, sondern auch auf die Frage, was darunter zu verstehen ist.
Aber was bedeutet „Nachhaltiges Investment“ überhaupt? Das Forum Nachhaltige Geldanlagen, der Fachverband für Nachhaltige Geldanlagen im deutschsprachigen Raum, definiert Nachhaltige Geldanlagen folgendermaßen: „Nachhaltige Geldanlagen ist die allgemeine Bezeichnung für nachhaltige Produkte und Anlagevehikel, die ökologische, soziale und Governance-bezogene Aspekte (Environmental-Social-Governance (ESG)-Kriterien) explizit in ihren Anlagebedingungen berücksichtigen. Es beinhaltet eine explizit schriftlich formulierte Anlagepolitik zur Nutzung von ESG-Kriterien.“ Als Beispiele können Investitionen in Erneuerbare Energieträger genannt werden oder Fonds, die nur in nachhaltige Unternehmen investieren und Unternehmen, die der Gesellschaft und der Umwelt schaden, ausschließen (zB keine Kinderarbeit, keine Rüstung, keine Atomenergie etc).
Das Thema „Nachhaltiges Investment“ befindet sich gerade in einer Umbruchphase. Dieser Artikel versucht den Bogen zu spannen, von den historischen Wurzeln über den aktuellen Markt bis hin zu zukünftigen Entwicklungen.
1.1. Ein kleiner Streifzug durch die Geschichte Nachhaltigen Investments
Die Anfänge des „Nachhaltigen Investments“ finden sich im kirchlichen und angloamerikanischen Raum im 18. Jahrhundert: Die Religionsgemeinschaft der Quäker in den USA wollte ihre Gelder nicht in den Sklavenhandel investieren. Den ersten „nachhaltigen“ Investmentfonds gründete die amerikanische Fondsgesellschaft Pioneer 1928. Es wurde nicht in Unternehmen, die in der Alkohol- und Tabakproduktion tätig sind, investiert. Bis heute spielt der Ausschluss sogenannter „Sündenaktion“ ( sin stocks), vor allem bei kirchlichen Anleger*innen eine Rolle. 4
Diese Art der Veranlagung aus dem kirchlichen Bereich wird auch „ethisches Investment“ genannt.
Ein weiterer Meilenstein in der Entwicklung des modernen „ethischen“ Investments waren die Aktionärsboykotte in den 70igern: (Klein-)Aktionäre verkauften ihre Aktien des Chemiekonzerns Dow Chemical, der Napalm für den Vietnam-Krieg produzierte. 1970 folgte daraufhin die Emission des „Pax-World-Fund“.
Von US-amerikanischen Universitäten ausgehend, stammt auch die 2010 gegründete Divestmentbewegung, die sich global ausbreitet. Hier soll das veranlagte Vermögen aus Kohle-, Öl- und Gasunternehmen aus Klimaschutzgründen abgezogen werden. Auch wirtschaftlich bedeuten Investitionen in solche Energieunternehmen ein Risiko, wenn durch eine aktive Klimaschutzpolitik (Erreichung des 2-Grad-Zieles) Aktien von diesen Brennstoffunternehmen durch den Effekt der sogenannten Kohlenstoffblase („ Carbon Bubble“) stark an Wert verlieren werden.
Im deutschsprachigen Raum war die Gründung von Alternativbanken ein bedeutsamer Entwicklungsschritt: 1974 wurde in Bochum die GLS Gemeinschaftsbank eG gegründet, die erste ethisch-ökologische Bank Europas; 1990 folgte die Gründung der Alternativen Banken in Olten in der Schweiz, 1994 die Umweltbank AG in Nürnberg. Diese Banken bieten neben Nachhaltigen Fonds auch andere Produkte an, wie zum Beispiel Girokonten oder Sparprodukte. In Österreich sind hier das Umweltcenter Gunskirchen und die Genossenschaft für Gemeinwohl zu nennen.
In Österreich hat die jährliche Nachhaltigkeitszertifizierung der Österreichischen Gesellschaft für Umwelt und Technik (ÖGUT) für Betriebliche Vorsorgekassen seit 2003 das Thema der Nachhaltigen Veranlagung wesentlich vorangetrieben. 2004 folgte mit dem Österreichischen Umweltzeichen für Grüne Fonds (UZ-Richtlinie 49), das erste staatliche Nachhaltigkeitslabel für Fonds in Europa.
2015 kam das FNG-Siegel als weiteres wichtiges Nachhaltigkeitslabel für Fonds im deutschsprachigen Raum auf den Markt (siehe Punkt 1.4.).
1.2. Nachhaltige Anlagestrategien und Produkte
Einfach gesagt bedeutet nachhaltig veranlagen, nicht in Unternehmen mit „verwerflichen“ Geschäftspraktiken und Staaten mit niedrigen Sozial- und Umweltstandards, sondern in besonders nachhaltige Unternehmen, Staaten und Projekte zu investieren. Und in weiterer Folge mit investierbaren Unternehmen in Kontakt zu treten, um diese in Richtung nachhaltiges Wirtschaften zu pushen. Das entspricht dem „Triple A der nachhaltigen Kapitalanlage“ 5 : ausschließen, auswählen und ansprechen.
Während Ausschlusskriterien zu den ältesten ethischen/nachhaltigen Investmentansätzen gehören, haben sich über die letzten Jahrzehnte weitere nachhaltige Investmentstile etabliert. Das European Sustainable und Responsible Investment Forum (Eurosif) und die nationalen SIFs (nationale Foren zur Förderung nachhaltiger Investments) unterscheiden folgende Ansätze. 6
- Ausschließen:
- Ausschlusskriterien: Unternehmen mit kontroversen Geschäftspraktiken (zB Kinderarbeit, ausgelöste Umweltskandale etc) und Branchen mit problematischen Produkten/Dienstleistungen (zB Waffen und Rüstung, genmanipuliertes Saatgut, etc), oder bestimmte Länderanleihen (hier sind die Kriterien zB Diktaturen, Korruption, Todesstrafe, die Nichtratifizierung von Umweltkonventionen) werden aus dem Investment-Universum ausgeschlossen.
- Normbasiertes Screening: Hier wird nur in Unternehmen investiert, die konform mit internationalen Standards sind (zB den ILO-Kernarbeitsnormen, dem UN Global Compact oder den OECD-Leitsätzen für multinationale Unternehmen).
- Auswählen:
- Positivkriterien legen fest, welche Emittenten bevorzugt ins Portfolio aufgenommen werden sollen. Das kann sich auf Branchen oder Themen wie zB Erneuerbare Energien, Wasser etc beziehen.
- Best-in-Class: Es wird in die „nachhaltigesten“ Unternehmen einer Branche bzw „nachhaltigsten“ Staaten investiert. Das kann auch für Branchen gelten, die per se nicht besonders nachhaltig sind wie zB die Automobilbranche.
- Ansprechen:
- Engagement & Stimmrechtsausübung: Hier nimmt man den Dialog mit Unternehmen auf, in die man investiert. Dabei werden „Nachhaltigkeitsdefizite“ angesprochen, um in weiterer Folge die nachhaltige Wirtschaftsweise des Unternehmens zu verbessern. Engagement kann über informelle Gespräche mit der Unternehmensleitung bis hin zu Stimmrechtsausübung (Voting) bei Hauptversammlungen ausgeübt werden. Je mehr Kapital hinter dem Investor beim betroffenen Unternehmen steht, desto größer ist der Einfluss auf das Unternehmen. Daher bilden sich auch Investorengemeinschaften, um Engagement zu betreiben.
Aber es gibt auch noch weitere nachhaltige Investmentstrategien wie zB ESG-Integration. Dieser Ansatz wird von Kapitalanlagegesellschaften immer häufiger angewandt. Bei diesem Ansatz werden ESG-Kriterien direkt in die traditionelle Finanzanalyse integriert. Das wird nicht zuletzt aus Gründen des Risikomanagements gemacht. Denn beispielsweise bedeuten Investitionen in Unternehmen, die besonders vom Klimawandel oder von klimaschutzpolitischen Maßnahmen (zB Ölunternehmen) betroffen sind, auch ein finanzielles Risiko. Zudem fordert die EU in ihrem EU-Aktionsplan „Finanzierung Nachhaltige Wachstums“ ab 2021, dass Finanzmarkteilnehmer offenlegen müssen, wie sie Nachhaltigkeitsrisiken bei Investitionsentscheidungen berücksichtigen.
Die letzten beiden Nachhaltigen Investmentstile sind Impact Investment und Nachhaltige Themenfonds. Impact Investment sind Investitionen in Unternehmen, Organisationen oder Fonds mit dem Ziel, neben finanziellen Erträgen auch Einfluss auf soziale oder ökologische Faktoren zu nehmen. Beispiele für Impact Investments sind Mikrofinanzprodukte, Green Bonds oder Social/Business/Entrepreneurship Fonds. Bei Themenfonds handelt es sich um Fonds, deren Investitionen sich auf bestimmte nachhaltige Themen fokussieren (zB Wasser, Erneuerbare Energien).
Nachhaltige Produkte
Nachhaltige Investmentprodukte sind im deutschsprachigen Raum vor allem nachhaltige Fonds, die die oben genannten Anlagestrategien nutzen. Natürlich kann auch in einzelne Aktien oder Anleihen von nachhaltigen Unternehmen oder Staaten investiert werden. Zudem gibt es zu fast allen konventionellen Produkten ein nachhaltiges Pendant. Ein paar ausgewählte Produkte sollen hier näher vorgestellt werden:
Nachhaltige Sparprodukte: Hier kommt die Spareinlage direkt einem ökologischen und/oder sozialem Projekt zu Gute (zB PV-Anlagen). Diese Produkte werden bisher vor allem von nachhaltigkeitsorientierten Spezialbanken angeboten.
Green Bonds/Social Bonds: Auch hierbei handelt es sich um Anleihen, deren Erlöse zweckgebunden in die Finanzierung von Umwelt- und Klimaschutzprojekten bzw soziale Zwecke investiert werden. Informationen über die finanzierten Projekte (Mittelverwendung) sollten dazu von einer unabhängigen Stelle zur Verfügung stehen. Die Nachfrage nach Green/Social Bonds ist von institutionellen Investoren sehr groß, Überzeichnungen der Emission der Normalfall. Green/Social Bonds können von Staaten, Unternehmen und (supranationalen) Organisationen erfolgen (zB European Investment Bank).
Immobilien: Investments in Immobilien sind in den letzten Jahren sehr beliebt, auch hier gibt es nachhaltige Alternativen. Sei es durch direkte Investments in zertifizierte Gebäude (zB durch das britische BREEAM-Zertifikat (Building Research Establishment Environmental Assessement Method), das Gütesiegel der deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) bzw. der Österreichischen Gesellschaft für Nachhaltige Immobilienwirtschaft (ÖGNI), oder der klimaaktiv-Zertifizierung des Österreichischen Klimaschutzministeriums oder in Nachhaltige Immobilienfonds, die zB mit dem Österreichischen Umweltzeichen zertifiziert sind.
Bürgerbeteiligungsmodelle: Auch mittels Bürgerbeteiligungsmodellen können Nachhaltige Projekte finanziert werden (va Wind-, PV-Anlagen). Diese Modelle können vertraglich sehr unterschiedlich ausgestaltet sein (zB Sale-and-Lease-back-Modelle, Gutscheinmodell, Crowdinvesting etc).
1.3. Aktuelle Marktzahlen und Produkte
Das Forum Nachhaltige Geldanlagen erhebt jährlich die Marktzahlen für Nachhaltige Geldanlagen in Deutschland und Österreich und publiziert diese in ihrem Marktbericht Nachhaltige Geldanlagen (inkl Zahlen aus der Schweiz von Swiss Sustainable Finance (SSF)). 7
Auch in diesem Jahr setzt sich der Wachstumstrend von Nachhaltigen Geldanlagen fort.
Nachhaltige Geldanlagen in Deutschland
Die Gesamtsumme Nachhaltiger Geldanlagen liegt bei 269,3 Milliarden € und setzt sich aus nachhaltigen Fonds, Mandaten (maßgeschneiderte Fonds für zB institutionelle Investoren) sowie nachhaltigen Kunden- und Eigenanlagen zusammen. In Abbildung 1 ist der aktuelle Wachstumstrend von Nachhaltigen Investmentfonds und Mandaten zu sehen und setzt die Zahlen von 2018 und 2019 in Relation.
Das Thema Nachhaltigkeit wird zunehmend ein fester Bestandteil in der Finanzbranche in Deutschland. Vor allem am Fondsmarkt gibt es eine Vielzahl an nachhaltigen Anlagemöglichkeiten. Allerdings legen nur 13 % der Deutschen in Fonds an, beliebteste Anlageformen sind nach wie vor Sparbuch oder Tagesgeld (49 %). 8
Deutschland verfügt im Vergleich zu anderen EU-Ländern, über einen hohen Anteil an nachhaltigkeitsorientierten Spezialbanken (zB GLS Gemeinschaftsbank eG, Umweltbank AG). Diese Banken bieten ihren Kundinnen und Kunden auch nachhaltige Sparbücher oder Girokonten an.
Nachhaltige Geldanlagen in Österreich
In Österreich zeichnet sich ein ähnliches Bild wie in Deutschland ab, auch wenn der österreichische Markt einige Spezifika aufweist. Das Gesamtvolumen Nachhaltiger Geldanlagen liegt bei 30,1 Mrd €, den Großteil machen Investmentfonds und Mandate aus. Die österreichischen Vorsorgekassen (Abfertigung neu) sind die Vorreiter im Nachhaltigen Investieren. Sie sind im Wettbewerb um die beste Nachhaltigkeitsbewertung bei der jährlichen Nachhaltigkeitszertifizierung der ÖGUT. Zudem gibt es bereits seit 2004 das österreichische Umweltzeichen für Nachhaltige Finanzprodukte (UZ 49). Es ist das älteste Label dieser Art in Europa. Das Angebot an reinen nachhaltigkeitsorientierten Spezialbanken ist allerdings überschaubar, hier kann das Umweltcenter – Raiffeisenbank Gunskirchen genannt werden.
1.4. Eine Lösung gegen Greenwashing: Nachhaltigkeitslabels
Derzeit werden „Nachhaltige Veranlagungsprodukte“ angeboten, die von „dunkelgrün“ bis wenig „grün“ reichen. Durch den EU-Aktionsplan wird es hier Veränderungen geben, dazu mehr unter Punkt 2. Aber auch schon jetzt gibt es durch Ökolabels die Garantie, dass gewisse „Nachhaltige Standards“ eingehalten werden. Im deutschsprachigen Raum sind vor allem zwei Ökolabels von Bedeutung: das staatliche Österreichische Umweltzeichen und das deutsche FNG-Siegel.
Das Österreichische Umweltzeichen
Das Österreichische Umweltzeichen für Finanzprodukte (Umweltzeichenrichtlinie 49) besteht seit 2004 (für Fonds) und wird vom Österreichischen Klimaschutzministerium vergeben. Die Abwicklung erfolgt über den Verein für Konsumenteninformation (VKI). Um das Umweltzeichen zu erlangen, müssen bestimmte Mindestkriterien eingehalten werden. Es darf zum Beispiel in bestimmte Bereiche (Atomkraft, Rüstung, Gentechnik etc) nicht investiert werden. Insgesamt wird aber auch der Prozess geprüft, wie es zu einem nachhaltigen Portfolio kommt. Alle vier Jahre erfolgt eine Überarbeitung der Kriterien, seit 2020 können nun auch Green Bonds und Giro- und Sparprodukte zertifiziert werden. Aktuell sind 134 Fonds mit rund 15 Milliarden Euro Anlagevermögen von 30 unterschiedlichen Anbietern, ein Umweltsparprodukt und ein Green Bonds mit dem Österreichischen Umweltzeichen ausgezeichnet.
FNG-Siegel
Das FNG-Siegel ist ein weiterer Qualitätsstandard für nachhaltige Investmentfonds. Es kam 2015 nach einem dreijährigen Entwicklungsprozess auf dem Markt. Die Abwicklung erfolgt über die Qualitätssicherungsgesellschaft Nachhaltiger Geldanlagen (QNG). Auditor des FNG-Siegels ist die Universität Hamburg und ein beratendes Komitee. Auch hier gilt es Mindestkriterien zu erfüllen (zB keine Investitionen in Atomkraft, Rüstung etc), zudem ist es noch möglich, Bonuspunkte durch besonders anspruchsvolle Konzepte (zB Engagement) einzufahren. Daher gibt es auch Auszeichnungen des FNG-Siegels mit einen, zwei oder drei Sternen. Aktuell gibt es 104 Fonds, die mit dem FNG-Siegel ausgezeichnet sind.
2. Die Reise geht weiter…: politische Entwicklungen
2.1. EU-Aktionsplan, Green Deal & Co
Wie eingangs erwähnt, wurde im Frühjahr 2018 der EU-Aktionsplan „Finanzierung nachhaltigen Wachstums“ veröffentlicht. In der Zwischenzeit ist viel passiert: Die EU hat sich zum Ziel gesetzt, die EU bis 2050 klimaneutral zu machen. Mit dem European Green Deal, der im Dezember 2019 veröffentlicht wurde, und der erneuerten Sustainable Finance Strategie (April 2020) will die EU-Kommission die Mitgliedsstaaten bei diesem Übergang unterstützen.
EU-Aktionsplan „Finanzierung Nachhaltigen Wachstums“ – kurz EU-Aktionsplan Sustainable Finance 13
Der EU-Aktionsplan beinhaltet 10 Maßnahmen, die bereits in mehrere Legislativpakete umgesetzt wurden. Das Ziel ist neben der Mobilisierung des Kapitals in Richtung Nachhaltige Investments, mehr Transparenz und die Integration von Nachhaltigkeitsrisiken im Risikomanagement von Finanzmarktakteuren. Ein Herzstück des EU-Aktionsplans ist die sogenannte Taxonomie. Dabei sollen nachhaltige wirtschaftliche Aktivitäten definiert werden, die zu einem der sechs Umweltziele beitragen, dabei kein anderes Umweltziel beeinträchtigen und soziale Mindeststandards einhalten. Das bedeutet für einen nachhaltigen Fonds, dass er in Zukunft angeben muss, inwieweit sein Portfolio „taxononmie“-konform veranlagt ist. Einige der Legislativpakete (zB Taxonomie für die beiden EU-Klimaziele) treten voraussichtlich 2021 in Kraft. Zudem sollen in Zukunft (ab 2021) auch Anlageberater*innen das Thema Nachhaltigkeit in die Beratung integrieren. Damit könnte die bestehende Wissenslücke bei Investor*innen, über die Möglichkeiten mit seiner Veranlagung zu einer nachhaltigen Entwicklung beizutragen, geschlossen werden. Die Umsetzung der einzelnen Maßnahmen befindet sich derzeit noch im politischen Prozess und ist für die Praxis zB (Finanz)-Unternehmen, Finanzberater*innen im Detail noch nicht absehbar.
European Grean Deal 14
Der Green Deal beinhaltet nicht nur ehrgeizigere Klimaschutzziele (Treibhausgasneutralität bis 2050 in der EU), sondern er ist vor allem ein umfassendes Investitionsprogramm: Bis 2030 will die EU eine Billion € für den Klimaschutz mobilisieren. Dabei sollen 50 % aus dem EU-Budget stammen, die weiteren 50 % von den EU Mitgliedsstaaten sowie privaten Investor*innen. Dafür sollen verbesserte Rahmenbedingungen für die Mobilisierung zusätzlichen Kapitals geschaffen werden. Gleichzeitig soll es Unterstützung für die öffentliche Verwaltung und Projektträger*innen geben, um nachhaltige Projekte zu identifizieren und umzusetzen. Es gibt schon konkrete Vorschläge dazu, wie das Zusammenwirken von öffentlicher und privater Finanzierung funktionieren kann („Just Transtition Mechanism“). Einige Punkte sind jedoch noch offen, zB müssen EU-Förderungen insgesamt an die Klimaziele geknüpft werden. Auch die Frage der Governancestruktur, durch die das Erreichen der Ziele gewährleistet werden soll, ist bis jetzt noch nicht geklärt. 15
Zusätzlich gibt es auch nationale Initiativen zum Thema „Sustainable Finance“. In Deutschland wurde 2019 ein „Sustainable Finance Beirat“ vom deutschen Umwelt- und Finanzministerium einberufen. Auch in Österreich ist das Thema „Sustainable Finance“ im aktuellen Regierungsprogramm fest verankert. 2019 wurde auch eine Fokusgruppe „Green Finance“ unter der Leitung des Klimaschutz- und Finanzministeriums einberufen.
Die Schwerpunktsetzung in der Politik auf das Thema „Sustainable Finance“ lässt auf weitere positive Entwicklungen hoffen. Bei den Privatpersonen geht es vor allem darum, Bewusstsein für nachhaltige Veranlagungsmöglichkeiten und deren Bedeutung zu schaffen. Das Interesse etwas für den Klimaschutz zu tun ist vorhanden, denkt man an die Friday4Future Bewegung ( www.fridaysforfuture.de, www.fridaysforfuture.at). Insgesamt ist allerdings darauf zu achten, dass es nicht zu „Verwässerunge“ kommt, was Nachhaltige Investments sind, wenn das Thema im Massenmarkt ankommen wird.
Quellen:
1 https://sustainabledevelopment.un.org/post2015/transformingourworld (Zugriff am 13. 7. 2020).
2 https://unfccc.int/process-and-meetings/the-paris-agreement/the-paris-agreement (Zugriff am 13. 7. 2020).
3 EU Aktionsplan „Finanzierung nachhaltigen Wachstums“ (COM(2018) 97 final)).
4 Vgl Forum Nachhaltige Geldanlagen (FNG), Marktbericht (2019) 52.
5 Vgl FNG, Marktbericht (2019).
6 EUROSIF (2020): http://www.eurosif.org/responsible-investment-strategies/ (Zugriff am 13. 7. 2020); FNG, Marktbericht (2019).
7 FNG, Marktbericht Nachhaltige Geldanlagen (2020).
8 Vgl Kantar Emnid, Union Investment: Studie: Sparen steht in Deutschland hoch im Kurs – sowohl heute als auch morgen (2018).
9 FNG, Marktbericht Nachhaltige Geldanlagen (2020).
10 FNG, Marktbericht Nachhaltige Geldanlagen (2020).
11 https://www.umweltzeichen.at/de/produkte/finanzprodukte (Zugriff am 1. 6. 2020).
12 https://www.fng-siegel.org (Zugriff am 1. 6. 2020).
13 EU Aktionsplan Europäische Kommission, Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Aktionsplan: Finanzierung nachhaltigen Wachstums, COM (2018) 97 final, https://ec.europa.eu/transparency/regdoc/rep/1/2018/DE/COM-2018-97-F1-DE-MAIN-PART-1.PDF (Zugriff am 13. 7. 2020).
14 Europäische Kommission, Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Der europäische Grüne Deal, COM(2019) 640 final, https://eur-lex.europa.eu/resource.html?uri=cellar:b828d165-1c22-11ea-8c1f-01aa75ed71a1.0021.02/DOC_1&format=PDF (Zugriff am 13. 7. 2020).
15 Vgl Germanwatch, Sustainable Finance: Entwicklungen und aktuelle Debatte, Factsheet (2020).
Der Beitrag ist in CFOaktuell (Heft 5/2020) erschienen. Mehr Infos unter: www.cfoaktuell.at
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