Bilanzielle Auswirkungen in Zeiten des digitalen Wandels

Die Digitalisierung hat beeindruckende Fortschritte und Veränderungen im Wirtschaftsleben bewirkt. Diese Entwicklung ist längst nicht zu Ende, sondern setzt sich exponentiell fort. Sie ermöglicht durch den Einsatz innovativer Technologien die Transformation von Prozessen, Produkten und Dienst­leistungen bis hin zur Transformation ganzer Geschäftsmodelle und Institutionen. Heutzutage ist es etwa möglich in real-time mit Kunden und Geschäftsp­artnern zu kommunizieren, Produkttestungen binnen kürzester Zeit unter gleichzeitigem Einbezug der potenziellen Kunden vorzunehmen und aufgrund von Big-Data-Analysen kundenspezifische Produkte zu entwickeln. Die Liste von Vorteilen für Unternehmen, die in die Digitalisierung investieren, ist lang.


Aus bilanzieller Sicht stellt sich für Unternehmen allerdings zunehmend die Frage, ob bzw inwieweit sich Investitionen in digitale und damit zumindest auf den ersten Blick immaterielle Güter in den Jahresabschlüssen abzeichnen lassen und damit Adressaten der Rechnungslegung – hier allen voran (potenziellen) Investoren – zum Ausdruck gebracht werden können. Insbesondere ein Blick auf die Unternehmens­werte im Kontext der New Economy lassen Zweifel aufkommen, ob das bestehende bilanzielle Normengerüst ausreichend digitalisierungssensitiv ist.

1. New Economy und Unternehmens­wert

New Economy, frei übersetzt die „neue Wirtschaft“, ist die Bezeichnung für Wirtschaftsbereiche, die im Zusammenhang mit der Verbreitung des Internets und der Computer sowie anderer Informations- und Kommunikationstechniken, also webbasierter Dienst­leistungen, aufkamen und die wirtschaftlichen Abläufe teilweise grundlegend änderten. 1 Kategorisch umfasst der Begriff New Economy Unternehmen, die sich mit Zukunftstechnologien beschäftigen und vorwiegend in Branchen wie Informations- und Kommunikationstechnologie, E- Commerce, Multimedia, Biotechnik, Gentechnologie, Nanotechnik, Robotik, Big Data etc tätig sind.

Im Gegensatz zu klassischen Wirtschaftstheorien, oft als Old Economy bezeichnet, geht die New Economy nicht von einer Preisbestimmung aufgrund einer Knappheit der Güter aus. In der New Economy bestimmen die Güter ihren Wert vor allem durch die weltweite Verbreitungsmöglichkeit, erreicht durch digitale Zugänge und Netzwerkeffekte. Die Entwicklung und Umsetzung von möglichst innovativen und marktgängigen Geschäftsmodellen ist die Voraussetzung für die erfolgreiche Gestaltung der Unternehmenszukunft in Zeiten des digitalen Wandels. Diese Veränderung wurde ausgelöst durch disruptive Technologien und Trends sowie grundlegend geänderte Rahmenbedingungen und Märkte. 2

Während die Old Economy primär durch Anlage- und Umlauf­vermögen geprägt ist, sind es bei der New Economy vordergründig immaterielle Güter, die die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens bestimmen. Da diese allerdings – wie sich noch zeigen wird – häufig in der Bilanz nicht ausreichend Berücksichtigung finden, ist es nicht ungewöhnlich, dass bei Unternehmen der New Economy ein Wertunterschied (sogenannter Value-Gap) zwischen Börse­kapitalisierung und dem durch Bewertungs­methoden ermittelten Unternehmens­wert feststellbar ist. 3 Die Bilanz hat als Folge nur mehr wenig Aussagekraft über den Wert des Unternehmens. So sind Start-ups, die trotz hoher Verluste hoch bewertete Aktienkurse haben, keine Seltenheit. Aus diesem Grund ist der Elektrofahrzeughersteller Tesla Inc die wertvollste Automarke der Welt, obwohl sie erst am 1. 7. 2003 gegründet wurde.

Herausforderungen bei der Bewertung, schnelles Wachstum und die mangelnde Vergleichbarkeit machen Aussagen über den tatsächlichen Wert von Unternehmen der New Economy zunehmend schwierig. Vor diesem Hintergrund hat sich auch neben den klassischen ertrags- und marktorientierten Bewertungs­verfahren eine Vielzahl an alternativen Bewertungszugängen entwickelt. Hier zu nennen sind die First Chicago-Methode, Venture Capital-Methode, Real Options-Modelle und das Discounted Cashflow-Verfahren. Bei der Bewertung von Start-ups wird häufig zwischen Pre-Money- (vor der Eigen­kapitaleinlage) und Post-Money-Bewertungen (nach einer entsprechenden Finanzierungsrunde) unterschieden. 4

Das zunehmende Auseinanderklaffen zwischen Markt- und Buchwert von Unternehmen der New Economy ist vor allem auch auf die restriktiven Bilanzierungsvorgaben des nationalen Gesetzgebers für immaterielle Vermögensgegenstände zurückzuführen. Was diese für unterschiedliche Digitalisierungsstrategien von Unternehmen bilanziell bedeuten, soll im Folgenden nun aufgezeigt werden. Hierfür lohnt es sich, in einem ersten Schritt einen Blick auf die Behandlung immaterieller Werte im österreichischen Rechnungslegungs­recht zu werfen.

2. Immaterielle Vermögensgegenstände im österreichischen Bilanz­recht

Das österreichische Unternehmens­gesetzbuch (UGB) kennt keine Definition für „immaterielle Vermögensgegenstände“. Sie lassen sich allerdings annäherungsweise über eine Negativabgrenzung konkretisieren: Kennzeichnend für immaterielle Vermögensgegenstände ist neben der Unkörperlichkeit das damit verbundene Problem der Objektivierbarkeit des künftigen Nutzens. 5 Sie können also im Gegensatz zu materiellen Vermögensgegenständen nicht angegriffen, gesehen, gehört oder gefühlt werden. 6 Eine Auslegungshilfe zur Konkretisierung immaterieller Vermögensgegenstände bietet das Gliederungsschema der Bilanz von Kapital­gesellschaften in § 224 UGB, wo unter Position A I Z 1 exemplarisch (nicht abschließend!) als immaterielle Vermögensgegenstände Konzessionen, gewerbliche Schutz­rechte und ähnliche Rechte und Vorteile sowie daraus abgeleitete Lizenzen aufgezählt werden. 7 Hier lassen sich auch digitalisierungs­bedingte Sachverhalte einordnen.

Ob nun ein (digitalisierungs­bedingtes) Gut in den Jahresabschluss aufgenommen werden muss und damit als Vermögensgegenstand in der Bilanz aufscheint, ist davon abhängig, ob dieses abstrakt bilanzierungsfähig ist. Abstrakte Bilanzierungsfähigkeit ist dann gegeben, wenn ein Vermögensgegenstand iSd UGB vorliegt. Der Begriff des Vermögensgegenstandes wird im unternehmens­rechtlichen Schrifttum seit jeher unter dem Gesichtspunkt der primären Intention von Jahresabschlüssen – dem Gläubigerschutz – ausgelegt. 8 Demnach erfordert die Anerkennung eines Gutes oder einer Ressource als Vermögensgegenstand im bilanziellen Sinn neben einer selbstständigen Bewertbarkeit eine selbstständige Verkehrsfähigkeit, wobei die Zugehörigkeit zum Betriebs­vermögen Voraussetzung ist. 9

Erfüllt ein Bilanzierungssachverhalt die Voraussetzungen eines Vermögensgegenstandes im bilanziellen Sinn, bedeutet dies noch nicht, dass dieser in der Bilanz auszuweisen ist. Hierfür muss zusätzlich die konkrete Bilanzierungsfähigkeit gegeben sein, dh der zu bilanzierende Posten muss im konkreten Einzelfall tatsächlich bilanzierungsfähig sein.

Bezugnehmend auf die hier interessierenden immateriellen Vermögensgegenstände des Anlage­vermögens normiert der österreichische Gesetzgeber in § 197 Abs 2 UGB ein gänzliches Verbot für die Aktivierung selbst erstellter immaterieller Vermögensgegenstände. Dies hat zur Folge, dass sämtliche Aufwendungen, die im Herstellungsprozess zur Forschung und Entwicklung immaterieller Wirtschafts­güter anfallen, einer sofortigen erfolgswirksamen Verrechnung zugeführt werden und damit nicht in der Bilanz aufscheinen. Die Nichtaktivierung und damit erfolgswirksame Erfassung der angefallenen Aufwendungen für die Herstellung eines immateriellen Wirtschafts­guts werden als Gläubigerschutzmaßnahme gesehen, weil die Aktivierung eines durch den Markt nicht konkretisierten Wertes zur Schaffung von nicht vorhandenem Ausschüttungspotenzial durch den Ansatz fiktiver Posten ausgenutzt werden könnte. 10 Selbiges gilt für unentgeltlich erworbene immaterielle Vermögensgegenstande.

Damit wird ein immaterieller Vermögensgegenstand nur dann als immaterielles Anlage­vermögen in der Bilanz aktiviert, wenn dieser entgeltlich erworben wurde.

Entgeltlich erworbene immaterielle Vermögensgegenstände des Anlage­vermögens sind mit ihren Anschaffungs­kosten ( § 203 Abs 2 UGB) anzusetzen und über den voraussichtlichen Zeitraum ihrer wirtschaftlichen Nutzung im Unternehmen planmäßig und bei voraussichtlich dauernder Wertminderung außerplanmäßig abzuschreiben ( § 204 Abs 1 und 2 UGB).

2.1. Digitalisierung durch Modifikation materieller Gegenstände

Eine mögliche Digitalisierungsstrategie für Unternehmen besteht darin, materielle Gegenstände mit digitalen Komponenten (zB eine Produktionsmaschine mit Sensorik-Software) auszustatten. Betrachtet man diesen Sachverhalt aus bilanzieller Sicht, stellt sich die Frage, unter welchem Bilanzposten dieser überhaupt auszuweisen ist. Da der Bilanzierungssachverhalt sowohl immaterielle als auch materielle Komponenten enthält, kommt nämlich neben seiner Abbildung als immaterieller Vermögensgegenstand auch der Ausweis unter dem Sachanlage­vermögen in Betracht.

Bei einer isolierten Betrachtung digitaler Lösungen liegt ob ihres überwiegenden digitalen und damit immateriellen Charakters die Abbildung als immaterieller Vermögensgegenstand auf der Hand. Doch muss auch hier berücksichtigt werden, dass digitale Lösungen zwangsläufig in irgendeiner Form mit materiellen Gegenständen verbunden sind, zumal sie durch diese verkörpert werden. 11 Kann bei Erwerb eines Wirtschafts­guts eine Trennung in seine materiellen und immateriellen Bestandteile eindeutig vorgenommen werden, hat dies eine getrennte Bilanzierung der Vermögens­werte zur Folge. 12 Der materielle Teil ist als Sachanlage auszuweisen und über seine Nutzungsdauer abzuschreiben, während die immaterielle Komponente bei entgeltlichem Erwerb im immateriellen Anlage­vermögen aufscheinen wird.

Durch die sukzessive Erweiterung und Verbesserung alltäglicher materieller Gegenstände mit immateriellen Komponenten verschwimmen allerdings die Grenzen zwischen materiellen und immateriellen Bestandteilen eines Wirtschafts­guts zunehmend. 13 Eine Zuordnung zu entweder immateriellen oder materiellen Vermögensgegenständen ist allerdings unumgänglich, weil Zwischenformen rechtlich nicht anerkannt sind. 14 Hier ist für die Zuordnung eines solchen „hybriden“ Wirtschafts­guts auf das wertmäßige Überwiegen der entweder materiellen oder immateriellen Komponente abzustellen. 15 Angewandt auf einen digitalisierungs­bedingten Sachverhalt bedeutet dies, dass die immaterielle Teilkomponente vollständig dem materiellen Vermögensgegenstand zugerechnet werden muss, sofern diese wertmäßig nur von untergeordneter Bedeutung ist. Immaterielles Vermögen scheint in diesem Fall folglich in der Bilanz nicht auf.

2.2. Digitalisierung durch Zukauf externer Lösungen

Eine weitere Digitalisierungsstrategie kann im Zukauf externer Lösungen, wie zB Software-Produkte im Bereich künstlicher Intelligenz oder Machine-Learning, gesehen werden. Diese sind aufgrund des Vollständigkeits­prinzips gem § 196 Abs 1 UGB verpflichtend zu ihren Anschaffungs­kosten als immaterielle Vermögensgegenstände zu aktivieren.

Insbesondere bei digitalisierungs­bedingten Sachverhalten kann sich allerdings die Abgrenzung zwischen dem (entgeltlichen) Erwerb von einem Dritten und der Selbsther­stellung im Rahmen von Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten als schwierig erweisen, zumal externe (Software-)Entwickler die Aktivitäten häufig nicht unabhängig vom auftrag­gebenden Unternehmen ausführen können, wenn eine unternehmensindividuelle Problemlösung (zB KI-Softwarelösung) gewünscht ist. 16 Daneben werden Erwerb und Herstellung häufig kombiniert, sodass das einsatzbereite „Endprodukt“ erst durch ein ziel­gerichtetes Ineinandergreifen von (Lizenz-)Erwerb und aufwendigen Implementierungsarbeiten entsteht. Hier stellt sich die Frage, ob der betrachtete Sachverhalt als Anschaffung oder Selbsther­stellung zu qualifizieren ist.

Für eine sachge­rechte Einordnung des Sachverhalts als entweder Herstellungs- oder Anschaffungsv­organg ist darauf abzustellen, wer das Herstellerrisiko, also das Risiko der wirtschaftlich nicht erfolgreichen Realisierung des Projektes, trägt. 17 Liegt dieses beim Auftragnehmer, ist von einem Anschaffungsv­organg auszugehen.

Muss die (entgeltlich erworbene) digitale Lösung durch eigene Leistungen im Unternehmen weiterentwickelt und verfeinert werden, ist die Einordnung als Anschaffung oder als Herstellung davon abhängig, wie umfangreich die vorgenommenen Arbeiten sind. Werden im Verhältnis zu den Anschaffungs­kosten bloß geringfügige Aufwendungen für die Implementierung der Lösung in das Unternehmen aufgebracht, spricht dies für die Einordnung als Erwerb und damit Aktivierung eines immateriellen Vermögensgegenstandes. 18 Dabei kann es bei digitalen Lösungen, wie KI, die sich als lernendes System ständig weiterentwickelt, schwierig sein, den Zeitpunkt der Betriebsbereitschaft zu bestimmen. 19 Für die Terminierung des Zeitpunkts bleiben somit die Einschätzung des Unternehmens und damit jener Zeitpunkt maßgeblich, ab dem die digitale Lösung in der Weise operiert, wie es den Absichten des Managements entspricht. Dies wird va vom Zweck für den der Vermögensgegenstand eingesetzt werden soll, abhängen. 20 Insb im Zusammenhang mit KI darf hier aber mit Blick in die Zukunft die Frage in den Raum gestellt werden, ob die teilweise selbst erlernten Funktionen der KI so umfangreich sind, dass sie ihr Wesen verändern und folglich „automatisch“ ein neuer Vermögensgegenstand entsteht. 21 Sind nämlich die unternehmenseigenen Arbeiten an der zugekauften digitalen Lösung im Zuge der „Implementierungsarbeiten“ so umfassend, dass ein neuer Vermögensgegenstand (sog Wesens­änderung) entsteht, ist insgesamt von einem Herstellungsprozess auszugehen. 22 Dieser liegt dann vor, wenn dem ursprünglich erworbenen Vermögensgegenstand durch die interne unternehmenseigene Weiterentwicklung eine neue Funktion zukommt. 23 Dies ist etwa dann der Fall, wenn wesentliche Änderungen am Quellcode einer Software erfolgen. 24 Daneben spricht auch ein Überwiegen der Herstellungs­kosten (mehr als 50 % der Kosten der Anschaffung) für einen Herstellungsv­organg. 25 Als Folge sind sowohl die Anschaffungs­kosten (zB für eine Software-Lizenz) als auch die Herstellungs­kosten als Aufwand abzusetzen.

2.3. Digitalisierung durch Investitionen in eigene F&E-Projekte

Werden digitale Lösungen durch eigene Forschungs- und Entwicklungs-Projekte realisiert (zB Entwicklung eigener Software), so sieht sich das Unternehmen mit dem Bilanzierungsverbot in § 197 Abs 2 UGB konfrontiert. 26 Das bedeutet für Unternehmen, die in der Forschung und Entwicklung neuer digitaler Lösungen tätig sind, dass sämtliche im Herstellungsprozess angefallenen Aufwendungen einer sofortigen erfolgswirksamen Verrechnung zugeführt werden müssen und ein Ausweis als immaterieller Vermögensgegenstand nicht zulässig ist. 27

Ebenso wenig ist eine separate Abbildung von im Zusammenhang mit der Entwicklung von Digitalisierungsprojekten angefallenen Aufwendungen in anderen Berichtsformaten vorgesehen. Weder hält die GuV hierfür einen eigenen Posten bereit, noch kennt der Anhang entsprechende Angabe­pflichten. 28 Hinsichtlich der im Lagebericht vorzunehmenden Angaben zur Forschung und Entwicklung ( § 234 Abs 3 Z 2 UGB) wird eine bloß qualitative Berichterstattung für ausreichend erachtet. 29

2.4. Digitalisierung durch vertragliche Nutzung digitaler Lösungen

Schließlich ist der zunehmende Trend zu erkennen, digitale Lösungen über Nutzungsüb­erlassungs­verträge zu beziehen. Aufgrund ihrer stetig steigenden praktischen Bedeutung sind hier allen voran Cloud-Computing-Services zu nennen. Dabei erfolgt die Bereit­stellung von IT-Infrastruktur und IT-Leistungen wie Server, Speicherplatz oder Anwendungssoftware als Service über das Internet (=Cloud). Durch Cloud-Computing wird die traditionelle Denkweise von Unternehmen im Hinblick auf IT-Ressourcen grundlegend verändert.

Wie sich die vertragliche Nutzung digitaler Lösungen auf das Bilanzbild des Unternehmens auswirkt, hängt maßgeblich von der konkreten vertraglichen Ausgestaltung im Einzelfall ab. Eine allgemeingültige Lösung kann hier nicht bereitgestellt werden. Ein Nutzungs­entgelt für die zeitraumbezogene Nutzung der digitalen Lösungen oder Zahlungen, denen aus wirtschaftlicher Sicht die Funktion eines Entgelts für die Gebrauchsüb­erlassung zukommt, wie dies bei Mietverträgen der Fall ist, sind als Aufwand periodenge­recht zu erfassen. Für vorausgezahlte Nutzungs­entgelte in Form von Einmal­zahlungen ist ggf ein Rechnungsabgrenzungsposten zu bilden. Bei der Beurteilung kann es zudem erforderlich sein, zu prüfen, wem das wirtschaftliche Eigentum an der digitalen Lösung zuzurechnen ist.

Aufwendungen für vertraglich genutzte digitale Lösungen über Cloud-Services führen im Ergebnis idR nicht zur Aktivierung eines immateriellen Vermögensgegenstands. Eine Aktivierung kommt nur dann in Betracht, wenn dem Nutzer vertraglich eine (Kauf-)Lizenz oder ein (exklusives) Nutzungs­recht an der digitalen Lösung eingeräumt wird, sodass zumindest für einen bestimmten Zeitraum eine gesicherte Rechtsposition gegeben ist. Dies wird am ehesten bei einer „private cloud“ der Fall sein. 30 Im Falle einer „public cloud“, wenn es sich also nur um ein (bedarfsge­rechtes und zeitlich begrenztes) Zugriffs­recht auf die digitale Lösung handelt, sind die Entgelt­zahlungen im Ergebnis idR aufwandswirksam zu erfassen.

Auf den Punkt gebracht

Die Digitalisierung und die damit verbundene technologische Weiterentwicklung schreitet unaufhaltsam voran. Die Wirtschaftsbereiche, die im Zusammenhang mit den wachsenden Technologien wie dem Internet aufkamen, änderten die wirtschaftlichen Abläufe, Geschäftsmodelle, aber auch die Bewertung der Unternehmen. Dieser stetig voranschreitende Übergang von einer Produktions- zu einer Dienst­leistungs- und (Hoch-)Technologie­gesellschaft bedingt dabei, dass wesentliche Werttreiber vermehrt immaterieller Natur sind. 31 Nachhaltiger wirtschaftlicher Erfolg und strategische Wettbewerbsvorteile gründen daher nicht mehr (allein) auf materiellen Gütern, wie zB Produktionsmaschinen. Vielmehr werden heute immaterielle Werttreiber sowie die Fähigkeit zur Innovation als entscheidende Faktoren für den Erfolg und das Wachstum von Unternehmen betrachtet. 32

Es hat sich gezeigt, dass Investitionen in die Digitalisierung aufgrund der vom Vorsichts­prinzip und Gläubigerschutz geprägten restriktiven Bilanzierungsbestimmungen des UGB nicht zwangsläufig als (lang­fristige) immaterielle Vermögens­werte in den Bilanzen aufscheinen. Ein Zuwachs immaterieller Vermögens­werte wird sich nur bei einem Zukauf externer Lösungen von Dritten aus den Bilanzen betroffener Unternehmen ablesen lassen. Investitionen in die eigene Forschung und Entwicklung digitaler Lösungen scheinen hingegen ebenso wenig auf, wie der Großteil der Aufwendungen für die vertragliche Nutzung digitaler Lösungen. Dadurch ist der Vermögensausweis bei technologiebasierten Unternehmen tendenziell zu gering, wodurch eine Informationslücke entsteht, die die Aussagekraft der bereitgestellten Rechnungslegungsinformationen nachhaltig beeinträchtigt.


Quellen

1 Vgl Nagl/Bozem, Geschäftsmodelle 4.0. Business Model Building mit Checklisten und Fallbeispielen (2018) 1 f.

2 Vgl Nagl/Bozem, Geschäftsmodelle 4.0., 1f.

3 Vgl Krings/Diehm, Unternehmens­bewertung in der New Economy (11/01) 1133.

4 Vgl KPMG, Nur ein Weg führt zur Bewertung, https://home.kpmg/at/de/home/insights/2018/07/dimensionen-neue-arbeitswelt-bewertung-start-ups.html (Zugriff am 1. 7. 2020).

5 Vgl Nowotny in Straube/Ratka/Rauter (Hrsg) UGB II/RLG 3, § 197 Rz 12.

6 Vgl Fraberger/Petritz in Hirschler (Hrsg) Bilanz­recht I 2 (2019) § 197, Rz 20 mwN.

7 Vgl Fraberger/Petritz, Bilanz­recht I 2, § 197, Rz 20; Nowotny, UGB II/RLG 3, § 197 Rz 12; Rohatschek/Leitner-Hanetseder in Zib/Dellinger, UGB § 197 Rz 16.

8 Dazu grundlegend Siegel, Mangelnde Ernsthaftigkeit des Gläubigerschutzes, in Fischer/Hömberg (Hrsg), Jahresabschluss und Jahresabschluss­prüfung, 119 ff.

9 Vgl Nowotny, UGB II/RLG3, § 196 Rz 9.

10 Vgl Bertl/Fraberger, Aktivierungsverbot für immaterielles Anlage­vermögen RWZ 1998, 240 (247) Rohatschek/Leitner-Hanetseder, UGB § 197 Rz 19.

11 Vgl Nowotny, UGB II/RLG 3, § 197 Rz 15.

12 Vgl Lutz/Schlag in HdJ Bd 1 II/2 Rz 17.

13 Vgl Pilhofer/Herr/Thom, Ist IFRS 16 eigentlich „Industrie 4.0-ready“? IRZ 2018, 267 (268).

14 Vgl Pucher in Bertl/Mandl (Hrsg), Handbuch zum Rechnungslegungs­gesetz, § 197 Rz 35.

15 Vgl Nowotny, UGB II/RLG 3, § 197 Rz 15 ; Rohatschek/Leitner-Hanetseder, UGB § 197 Rz 17.

16 Vgl Sauer, Bilanzierung von Software (1988) 137.

17 Vgl Winter/Kern/Gaszo/Manhart, Die Bilanzierung von Apps, Clouds und Websites nach UGB und IFRS, RWP 2019, 151 (154).

18 Vgl Fraberger/Petritz, Bilanz­recht I 2, § 197, Rz 54.

19 Loitz, Digitalisierung und Bilanzierung, DB 2017, M5.

20 Vgl Urnik/Urtz in Straube/Ratka/Rauter (Hrsg), UGB II/RLG 3, § 203 Rz 13.

21 So Zwirner/Zieglmaier/Heyd, Bilanzierung und Besteuerung digitaler Leistungen, StuB 2019, 1, 7.

22 Vgl Rohatschek/Leitner-Hanetseder, UGB § 197 Rz 24.

23 Vgl Fraberger/Petritz, Bilanz­recht I 2, § 197, Rz 58.

24 Vgl Zwirner/Zieglmaier/Heyd, Bilanzierung und Besteuerung digitaler Leistungen, StuB 2019, 1, 7 mwN.

25 Vgl Hilbert in U Torggler (Hrsg) UGB § 197 Rz 29.

26 Zur Bilanzierung nach IFRS s Ziskovsky, Künstliche Intelligenz – mehr immaterielle Werte in der Bilanz? DK 2019, 394 (394 ff).

27 Vgl Schuschnig/Fritz-Schmied, Die bilanzielle Behandlung von selbst erstellten immateriellen Vermögensgegenständen des Anlage­vermögens, RWZ 2015, 112 (112).

28 Vgl Schuschnig/Fritz-Schmied, RWZ 2015, 112.

29 Vgl Nowotny, UGB II/RLG 3, § 243 Rz 39.

30 Ebenso Winter/Kern/Gaszo/Manhart, Die Bilanzierung von Apps, Clouds und Websites nach UGB und IFRS, RWP 2019, 151 (158).

31 Vgl Eierle/Ther/Kreß in Becker/Eilerle/Fliaster/Ivens/Leischnig/Pflaum/Sucky (Hrsg), Geschäftsmodelle in der digitalen Welt: Strategien, Prozesse und Praxiserfahrungen (2019) 435 (436).

32 Eierle/Kreß/Ther, Geschäftsmodelle in der digitalen Welt. 415 (415).


Der Beitrag ist in CFOaktuell (Heft 5/2020) erschienen. Mehr Infos unter: www.cfoaktuell.at

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