Single Point of Truth (SPOT)

Stellen Sie sich vor, Sie sind Finance Business Partner in einem Produktions­unternehmen. Jede Woche findet das Meeting mit den Vertriebsverantwortlichen statt und jede Woche beginnt die gleiche Diskussion um die aktuelle Datenlage. Während das Controlling Berichte aus dem Rechnungswesen und den Auftragseingang präsentiert, werden diese vom Vertrieb angezweifelt, da dort der Auftragseingang anders definiert ist. Außerdem hat das vertriebseigene Big-Data-Team neue Kennzahlen zur Wahrscheinlichkeit des zukünftigen Auftragseingangs entwickelt und aus diesen – schwer nachvollziehbaren – Daten werden Vertriebsmaßnahmen abgeleitet. Ihre Anmerkungen, dass man vielleicht auch auf den Deckungsbeitrag schauen sollte, wird als Wachstumsbremse abgelehnt.


Der SPOT oder SCOT (Single Source of Truth) beschreibt die Art und Weise, wie und mit welchen Daten über den Unternehmenserfolg nachgedacht und gesprochen werden soll. Der SPOT ist die Basis für die Ableitung von Entscheidungen, die Grundlage für Reports und Verantwortungen und letztlich für die gesamte Unternehmens­steuerung. Die Ausgestaltung des SPOT erfolgt in vier Dimensionen.

1. Data Governance

Die Grundlage der gesamten Datenlandschaft des Unternehmens liegt eindeutig im IT-Bereich und in den Datenstrukturen der verwendeten Software. Aufgrund der oft vielfältigen Softwareanwendungen, die mehr und mehr Spezialbereiche abdecken, ist es eine gewisse Herausforderung, die Datenstrukturen und Datendefinitionen rein zu halten. Größere Unternehmen haben dazu eigene Data-Governance-Teams, die die Verantwortung für den gesamten Prozess der Datenarchitektur, Datenentstehung, Datenqualität, Datensicherheit, Datenspeicherung und Datenweiterverarbeitung tragen.

Gerade bei größeren Softwareeinführungen oder einem Wechsel des ERP-Systems ist die genaue Strukturierung und Granularität der Daten ein wesentlicher Erfolgs­faktor.

2. Rechnungswesen

Aufgrund gesetzlicher Standards ist das Rechnungswesen ein grundlegender „strukturierter“ Bereich von Unternehmensdaten. Meist geben die entsprechenden Rechnungswesen-Programme normierte Datenstrukturen bereits vor, um daraus konforme Jahresabschlüsse zu erstellen. Von besonderer Bedeutung ist dabei die Frequenz und Schnelligkeit, mit der neue Daten in den Systemen aufscheinen. Letztlich kann nur so schnell informiert und entschieden werden, wie das Rechnungswesen in der Lage ist, Daten zur Verfügung zu stellen.

3. Kennzahlen

Die in den Data Lakes oder Data Layern vorhandenen Daten sind die Basis für alle weiteren Auswertungen und Reports. Jeder Fachbereich des Unternehmens greift auf diese Daten zu, um geeignete Auswertungen für die eigenen Entscheidungen zu haben. Dabei stellt sich die Frage, ab welchem Zeitpunkt eine gewisse Standardisierung oder Koordination durch das Controlling angebracht ist.

Zumindest bei budgetrelevanten Finanzzahlen, aber auch entscheidungsrelevanten Daten, hat das Controlling Mitverantwortung in dem Sinn, als die Daten strategiege­rechte und ergebnisge­rechte Entscheidungen veranlassen sollen. Es ist daher eine Kernaufgabe des Controllings, bei der Ausgestaltung und Definition der verwendeten Kennzahlen nicht nur mitzuwirken, sondern diese auch vorzu­geben. So ist eine Art Glossar zu erstellen, in dem genau vorge­geben ist, was jede Kennzahl beinhaltet, wie sie genau definiert ist, mit welcher Frequenz sie erhoben wird und wer verantwortlich für ihre Richtigkeit ist.

4. Reports

Die Zusammenfassung der Daten und Kennzahlen in Reports ist eine Kernaufgabe des Controllings. Reporting-Design, -Frequenz und -Adressaten bestimmen die Qualität und Umsetzungsorientierung der Unternehmens­steuerung.

Reporting ist nicht nur eine Design-Frage, sondern es geht vor allem darum, in welcher Frequenz welche Daten mit welchen Vergleichs­werten und Abweichungen für welche Zielgruppe dargestellt werden. Das Controlling legt damit fest, wie über bestimmte Themen nachgedacht werden soll. So kann es zB die Regel geben, dass jeder Report, der den Umsatz beinhaltet, auch Informationen über den Deckungsbeitrag liefern muss. Durch die Festlegung, wer welche Reports bekommt, wird auch der Entscheidungsraum verschiedener Verantwortungsgruppen bestimmt, was zB bei einer Trennung der Aufsichtsrats- und Geschäftsführungsverantwortung gerade in Familien­unternehmen relevant sein kann.

Am Weg zu Multiple Points of Truth

Derzeit ist aus drei Gründen eine gewisse „Bedrohung“ des SPOT festzustellen.

Dies liegt zunächst an der Zunahme der Digitalisierung, die viele neue Daten entstehen lässt und zu einer gewissen Demokratisierung der Datenverfügbarkeit führt. Gerade mit neuen Softwareanwendungen kann – bei entsprechendem Zugang zur IT – jeder schöne neue Reports basteln und dem Unternehmen zur Verfügung stellen. Eine derartige Selbstservice-Struktur hat Vorteile, kann aber eindeutige Entscheidungsprozesse verlangsamen.

Auch stehen in vielen Funktionsbereichen eigene Big-Data-Teams, die selbständige Auswertungen erstellen. Diese Daten sind dann naturge­gebener Weise interessanter als der oft langweilige Monatsbericht.

Schließlich ist auch das Controlling von agilen Organisationsformen betroffen und es wird erwartet, dass für flexibel zusammenarbeitende Teams auch entsprechende Informationen bereitgestellt werden. Dies löst stabile Reporting-Strukturen auf und eröffnet den Raum für ein Schattencontrolling.

Der Weg, den SPOT wieder ins Controlling zu holen, ist die Flucht nach vorne. Es nützt nichts, auf alte Rechte zu pochen; wer das bessere, schönere und schnellere Informationsangebot macht, der wird sich durchsetzen.


Der Beitrag erschien zunächst in CFOaktuell (Heft 3/2022). Mehr Infos unter: www.cfoaktuell.at

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