Praxis der Unternehmensberichterstattung in Krisenzeiten

Eine erste Analyse der IFRS-Abschlüsse, Ad-hoc- und APA-Meldungen börsenotierter österreichischer Unternehmen.


Öffentlich zugängliche Informationen zur Einschätzung der wirtschaftlichen Situation sind gerade in Krisenzeiten unabdingbar. Der Beitrag zeigt in Bezug auf die Corona-Krise auf, welche Informationen österreichische börsennotierte Unternehmen in ihren IFRS-Abschlüssen sowie Ad-hoc-Meldungen zur Verfügung gestellt haben und analysiert Pressemeldungen hinsichtlich der Auswirkungen auf Dividenden­ausschüttungen für das abgelaufene Geschäftsjahr sowie Informationen über künftige Umsatz- und Ergebniserw­artungen.

1. Vorbemerkungen

Das Auftreten des Coronavirus (COVID-19) seit Ende 2019 und die weltweite Ausbreitung mit Beginn des Jahres 2020 stellt mittlerweile die Bevölkerung weltweit vor erhebliche Herausforderungen. Unternehmen sind massiven von Nachfragerückgängen, Durchbrechungen der Liefer- und Wertschöpfungsketten sowie der Schließung von Produktions- und Verkaufsstätten betroffen. Ebenso sind die weltweiten Börsen seit Februar 2020 von massiven Kursschwankungen geprägt, die die erheblichen Unsicherheiten widerspiegeln. Aktionäre und potenzielle Investoren sind zum größten Teil auf öffentlich zugängliche Informationen angewiesen, um die wirtschaftliche Situation der Unternehmen beurteilen zu können.

Es stellt sich daher die Frage, welche Informationen in Bezug auf die Auswirkungen der Corona-Krise von börsennotierten Unternehmen zur Verfügung gestellt werden. Aus diesem Grund wird im vorliegenden Beitrag dargestellt, welche Informationen aufgrund der veröffentlichten IFRS-Abschlüsse, Ad-hoc-Mitteilungen sowie Pressenmeldungen von börsenotierten Unternehmen zur Einschätzung der Auswirkungen der Corona-Krise veröffentlicht wurden.

2. Auswirkungen auf den IFRS-Abschluss per 31. 12. 2019

2.1. Grundgesamtheit

In die folgenden Betrachtungen wurden 44 Unternehmen des geregelten Marktes der Wiener Börse einbezogen, die in Österreich ihren Sitzstaat haben und nicht dem Banken- oder dem Versicherungssektor zuzuordnen sind. Neun der betrachteten Unternehmen haben einen Abschluss­stichtag, der nach dem 31. 12. 2019 liegt. Zum 21. 4. 2020 – dem Stichtag für die Analyse – haben 21 der 35 Unternehmen mit Abschluss­stichtag 31. 12. 2019 ihren Abschluss veröffentlicht.

2.2. Auswirkungen auf Wertansätze

Anpassungen der Wertansätze des IFRS-Abschlusses per 31. 12. 2019 ergeben sich dann, wenn im Zeitraum zwischen Bilanz­stichtag und dem Datum der Genehmigung des Abschlusses Nachweise für Bedingungen auftauchen, die bereits am Ende der Berichtsperiode existierten. Es handelt sich dabei um sogenannte wertaufhellende Tatbestände, deren Ursachen bereits vor dem Bilanz­stichtag liegen. Wertaufhellende Tatbestände, die zwischen Aufstellung des Abschlusses und Feststellung auftreten, führen zu einer Berichtigung des Abschlusses. 1

China hat im Dezember 2019 die World Health Organisation (WHO) über Einzelfälle einer ungewöhnlichen Form von Lungenentzündung informiert. Substanzielle Informationen über die aktuelle Krisensituation im Zusammenhang mit dem COVID-19-Virus kamen jedoch erst zu Beginn des Jahres 2020 mit Ausrufung der internationalen Gesundheitsnotlage durch die WHO am 30. 1. 2020 sowie der Erklärung einer Pandemie am 11. 3. 2020 an die breite Öffentlichkeit. Anpassungserfordernisse für Posten des Abschlusses erscheinen nach überwiegender Meinung 2 idR erst für Bilanz­stichtage nach dem 31. 12. 2019 erforderlich. Kein betrachtetes Unternehmen, das bis 21. 4. 2020 seinen Abschluss veröffentlicht hatte, berichtete über ein werterhellendes Ereignis und hatte damit ein Erfordernis zur Anpassung von Posten des Abschlusses 31. 12. 2019.

2.3. Auswirkung auf die Going-Concern-Annahme

Ereignisse, die zu keiner Anpassung der Zahlen des Abschlusses führen, sind Ereignisse, die auf Bedingungen hindeuten, die nach der Berichtsperiode eingetreten sind. Darunter werden wertbegründende Ereignisse verstanden. 3 Deuten wertbegründende Erkenntnisse zwischen Abschluss­stichtag und Tag der Aufstellung des Abschlusses darauf hin, dass die Angemessenheit der Aufstellung des Abschlusses auf der Grundlage der Annahme der Unternehmensfortführung ( Going-Concern-Annahme) nicht gegeben ist, darf der Abschluss gem IAS 10.15 nicht auf der Grundlage der Going-Concern-Annahme erstellt werden. Dazu sollte das Unternehmen alle verfügbaren Informationen über die Auswirkungen auf das zukünftige Geschäft berücksichtigen. Hinsichtlich des Zeitraumes sieht der Standard mindestens die ersten zwölf Monate nach dem Bilanz­stichtag oder nach dem Datum, an dem der Abschluss aufgestellt wurde, in Betracht. Ein längerer Zeitrahmen wird jedoch empfohlen. Die Unternehmen haben Planungs­rechnungen und Sensitivitätsanalysen durchzuführen, um festzustellen, ob wesentliche Ungewissheiten hinsichtlich der Fortführungsfähigkeit des Unternehmens bestehen. Damit verbunden sind zusätzliche Offenlegungs­pflichten, Seite 85 insbesondere, wenn eine wesentliche Unsicherheit besteht. 4

Für kein betrachtetes Unternehmen ist ein wertbegründendes Ereignis gegeben, das darauf hinweist, dass zwischen dem Abschluss­stichtag und dem Tag der Aufstellung, die Going-Concern-Annahme iSd IAS 10.15 nicht mehr gegeben ist. Die Erstellung des Abschlusses erfolgte bei allen Unternehmen nach der Going-Concern-Annahme. Ebenso wurde auch über keine wesentlichen Unsicherheiten zur Unternehmensfortführung gem IAS 1.25 iVm IAS 10.16 in den Abschlüssen berichtet.

2.4. Auswirkungen in den Notes

Wesentliche, wertbegründende Ereignisse zwischen Abschluss­stichtag und dem Tag der Aufstellung des Konzernabschlusses sind in den Notes gem IAS 10.21 anzu­geben. Die Corona-Krise wird idR als ein wesentliches Ereignis einzustufen sein. 5 Von den 18 Unternehmen, die ihren Abschluss per 21. 4. 2020 veröffentlicht haben, stuften acht Unternehmen COVID-19 als wesentliches, wertbegründendes Ereignis ein. In vier Unternehmen ( CA Immobilien Anlagen AG, S-Immo AG, OMV AG, Marinomed Biotech AG) wurden mögliche Auswirkungen aufgrund COVID-19 beispielhaft angeführt. In anderen Unternehmen wie zB der Linz Textil Holding AG und der SW Umwelttechnik Stoiser & Wolschner AG wurde der Fokus der Berichterstattung darauf gelegt, dass das Management bemüht ist, die Auswirkungen der Krise abzufedern.

Die in IAS 10.21b geforderte Information über finanzielle Auswirkungen unterblieb jedoch in allen Fällen und wurde in Übereinstimmung mit IAS 10.21b damit begründet, dass die Folgen nicht absehbar wären. 6

2.5. Auswirkungen im Lagebericht

Gemäß § 267 UGB sind im Risikobericht als Teil des Konzernlageberichts alle bis zum Tag der Aufstellung des Abschlusses bekannt gewordenen Risiken und Ungewissheiten zu berücksichtigen, die zu negativen Abweichungen von Prognosen oder Zielen des Unternehmens führen. Risiken sind zumindest qualitativ zu beschreiben, werden diese quantitativ unterlegt, wäre die Berechnungsweise anzu­geben. Ebenso sind – wie auch in den Notes – im Lagebericht wesentliche Unsicherheiten hinsichtlich der Going-Concern-Annahme darzustellen. 7 Die obigen Ausführungen gelten auch für die nichtfinanzielle Erklärung bzw den finanziellen Bericht iSd des § 267a UGB.

Die Analyse der Lageberichte zeigte, dass 16 der betrachteten Unternehmen im Lagebericht Angaben in Bezug auf die Corona-Krise geleistet haben. Bei sieben Unternehmen bezogen sich die Angaben lediglich darauf, dass die Krise schwer abschätzbare Folgen mit sich bringen würde. 8 Bei den restlichen neun Unternehmen wurden folgende konkreten Risiken (siehe Tabelle 2) angeführt. Die folgende Tabelle 2 informiert über die konkrete Anzahl der Nennungen bei den analysierten Unternehmen:

3. Bekanntmachungen

3.1. Ad-hoc-Meldungen

Ein gesunder Kapitalmarkt braucht transparente Unternehmensinformationen in veröffentlichten IFRS-Konzernabschlüssen. Daneben sind beispielsweise sogenannte Insiderinformationen der Öffentlichkeit unverzüglich gem Artikel 17 Market Abuse Regulation (MAR) zugänglich zu machen.

Im Zuge der Studie erfolgte eine Analyse sämtlicher Ad-hoc-Meldungen iSd des Artikel 17 MAR von Unternehmen des geregelten Marktes, welche die Corona-Krise bzw den COVID-19 Virus zum Gegenstand hatten. 9 11 von 44 Unternehmen veröffentlichten entsprechende Insiderinformationen, die sich ursächlich auf die Corona-Krise beziehen. Informiert wurde über die Schließung von Produktionsstätten bzw deutliche Kapazitätsanpassungen, die Inanspruchnahme von Kurzarbeit, Reduktion der Nachfrage, Streichung der Dividende für das Geschäftsjahr 2019 bzw 2019/2020. Ebenso berichtet wurde über voraussichtliche Wertminderungen von Vermögens­werten in der Bilanz sowie notwendige Korrekturen bzw das Aussetzen von bereits veröffentlichten Ergebnis- und Umsatzprognosen für das Jahr 2020. Die erste derartige Meldung erfolgte am 3. 2. 2020, die restlichen Meldungen im Zeitraum zwischen 12. 3. und 7. 4. 2020 statt.

3.2. APA-Meldungen

Von den 44 betrachteten Unternehmen veröffentlichten 33 Unternehmen bis zum 21. 4. 2020 eine APA-Pressemeldung betreffend den COVID-19 Virus. Die Analyse der APA-Meldungen zur Auswirkung der Corona-Krise auf die Dividendenpolitik von Unternehmen im geregelten Markt zeigt, dass bereits zwei Unternehmen 10 mitgeteilt haben aufgrund der Corona-Krise keine Dividende für das Geschäftsjahr 2019 auszuschütten bzw vorschlagen keine auszuschütten. In fünf Fällen wird es aufgrund der Corona-Krise zu geringeren Dividenden­zahlungen als vorgesehen kommen, um die Liquidität zu stärken. In weiteren sechs Unternehmen wird den APA-Meldungen sowie einer Ad-hoc-Meldung zufolge eine Änderung der bislang vorgeschlagenen Dividende nicht ausgeschlossen bzw aufgrund der Corona-Krise überdacht. Von sechs Unternehmen ist bekannt, dass die Dividende für das Geschäftsjahr 2019 auch weiterhin über dem Niveau von 2018 liegen wird. In allen anderen Fällen wurde bis dato noch keine Aussage zu Auswirkungen der Corona-Krise auf die Dividendenpolitik in den Börsennachrichten oder den Ad-hoc-News getroffen.

Neben der Dividendenpolitik wurden die APA-Meldungen auch auf Auswirkungen auf Umsatz- und Ergebnis des Geschäftsjahres 2020 bzw 2020/201 analysiert. Von zehn Unternehmen wurde bekanntge­geben, dass aufgrund der Corona-Krise vermutlich mit negativen Auswirkungen auf Umsatz- und/oder Ergebniszahlen des Geschäftsjahres 2020 zumindest in einem Geschäftsfeld zu rechnen ist und bereits bekanntgemachte Prognosen wieder revidiert werden müssen. 11 Volle Auslastungen oder Auftragsbücher bei der Agrana Beteiligungs AG, Frequentis AG und der Schoeller-Bleckmann-Oilfield Equipment AG oder die Mieterstruktur der CA Immobilien Anlagen AG per 21. 4. 2020 führen auch im Vergleich zu Vorjahren zu stabilen Umsatz- und Ergebniszahlen im Geschäftsjahr 2020. Bei der AT&S Austria Technologie & Systemtechnik Aktien­gesellschaft, die aufgrund neuer Kooperationen als weltweit wichtiger Komponentenlieferant für Beatmungsgeräte fungiert, sowie bei der Mayr-Melnhof-Karton AG, deren Lieferkette und Absatzmärkte bei Nahrungsmittelverpackung nicht betroffen ist, ist sogar mit einem Marktwachstum sowie Umsatz- bzw Ergebnisanstieg zu rechnen. In sechs Fällen 12 konnte den APA-Pressemeldungen keine Aussage zu den Umsatz- oder Ergebnisauswirkungen des Geschäftsjahres 2020 bzw 2020/2021 entnommen werden.

Auf den Punkt gebracht

Die Analyse ermöglicht einen ersten Einblick in die Berichterstattung von österreichischen börsennotierten Unternehmen über Risiken auf Grund der Corona-Krise. Ebenso wird festgestellt, dass sich die Corona-Krise auf die Dividenden­ausschüttungen des abgelaufenen Geschäftsjahres 2019 tendenziell negativ auswirken wird. Je nach Branche und Geschäftszweig zeigen sich unterschiedliche Prognosen in Bezug auf Umsatz- und Ergebniszahlen für das Geschäftsjahr 2020 bzw 2020/2021, wobei in der Tendenz auch hier negative Erwartungen vorherrschen. Erste Auswirkungen auf Umsatz- und Ergebniszahlen werden erst in veröffentlichten Abschlüssen mit Bilanz­stichtagen nach dem 31. 12. 2019 ersichtlich sein. Am Beispiel der Voest-Alpine AG zeichnet sich ab, dass die Corona-Krise zu erheblichen Wertminderungen von Vermögens­werten in der IFRS-Bilanz führen kann. 13 Dennoch bleibt abzuw­arten, in welchem konkreten Ausmaß sich die Corona-Krise auf die Umsatz- und Ergebnis­werte der Unternehmen auswirken wird, Ad-hoc-Mitteilungen und APA-Meldungen liefern jedoch bereits erste, wenn auch noch vage Hinweise.


Quellen

1 Vgl IAS 10.3a iVm IAS 10.8.

2 Vgl Accountancy Europe (2020), Coronavirus crisis: implications on reporting and auditing, https://www.accountancyeurope.eu/publications/coronavirus-crisis-implications-on-reporting-and-auditing (Zugriff am 27. 4. 2020) sowie die AFRAC-Fachinformation: COVID-19 (April 2020), Rz 10.

3 Vgl IAS 10.3b.

4 Vgl Accountancy Europe (2020), ebenda.

5 Vgl AFRAC-Fachinformation, ebenda, Rz 16.

6 Vgl AFRAC-Fachinformation, ebenda, Rz 16.

7 Vgl AFRAC-Fachinformation, ebenda, Rz 20.

8 Die Erstellung des Abschlusses erfolgte in vier Fällen noch vor dem 11. 3. 2020.

9 Vgl https://www.wienerborse.at/news/adhoc-news/ (Zugriff am 27. 4. 2020). Auf der Webseite werden sämtliche Ad-Hoc-Mitteilungen angezeigt, die vom OAM Issuer Info Center (IIC) der Österreichischen Kontrollbank (OeKB) übermittelt wurden.

* Mehrfachnennungen möglich

10 Vgl APA-Meldung der DO & CO AG vom 3. 4. 2020 sowie der FACC AG vom 25. 3. 2020.

11 Vgl dazu APA-Meldungen zu AMAG Austria Metall AG, Andritz AG, DO&CO Aktien­gesellschaft, Flughaben Wien AG, Lenzing AG, OMV AG, Österreichische Post AG, Palfinger AG, Polytec Holding AG, Linz-Textil-Holding AG .

12 Vgl dazu APA-Meldungen zu FACC AG, Porr AG, Strabag SE, Wienerberger AG, Semperit AG Holding, EVN AG.

13 Vgl Pressemeldung der Voest Alpine AG vom 7. 4. 2020.


Der Artikel ist in CFO aktuell (Heft 3/2020) erschienen. Mehr Infos unter: www.cfoaktuell.at

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