Nachlese: 6.GRC – Jahrestagung
Bereits zum sechsten Mal fand am 25. April die GRC Jahrestagung statt. Das Controller Institut lud die Risikomanagement-Community zur Tagung in Palais Hansen Kempinski in Wien ein. Rund 130 Risikomanager:innen folgten der Einladung und diskutierten einen Tag lang darüber, welche Antworten das Risikomanagement in Zeiten multipler Krisen bieten kann.
Nie zuvor waren die Zeiten so aufregend für das Risikomanagement wie in den vergangenen drei Jahren. Die Unternehmen stolpern derzeit von einer globalen Krise zu nächsten. Damit wird die Rolle der Risikomanager:innen zunehmend wichtiger und neue Instrumente des Risikomanagements müssen etabliert werden. Gleichzeitig fordert die EU-Taxonomie Ressourcen, die oftmals im GRC-Bereich zu finden sind. Grob zusammengefasst: Ist Risikomanagement unter den derzeitigen Bedingungen ein Drahtseilakt ohne Sicherung? Um das herauszufinden, kam die GRC-Community zusammen. Karin Exner, fachliche Leiterin der GRC Jahrestagung, freute sich bei der Eröffnung über die zahlreichen Gäste.
Im Anschluss an die Begrüßung sprach Michael Längle, CFO der RAG Austria AG, über die Herausforderungen für das Risikomanagement im Multikrisen-Umfeld. Die RAG Austria AG ist die Nr. 4 der Gasspeicher in Europa und war im vergangenen Jahr ganz besonders von der Ukraine-Krise und der darauffolgenden Energiekrise betroffen. Gleichzeitig sieht sie sich auch als Partner der Energiewende, da gerade die Energiespeicherung der volatilen Stromerzeugung notwendig sein wird, um die Energiewende zu bewältigen und saisonale Schwankungen auszugleichen. Längle sprach darüber, dass es eine fehlende Eindeutigkeit des Krisenbegriffs gibt und was die Besonderheit von Multikrisen ist.
Gerade den Energiesektor haben die vergangenen Krisen getroffen. Die hohen Gaspreise waren laut Längle langfristig eher nicht absehbar, kurzfristig jedoch eines von mehreren möglichen Szenarien. Insbesondere problematisch sieht er, dass der Handel an den Energiebörsen, anders als bei Aktien, nicht gänzlich ausgesetzt wurde. Auf die Frage, ob Multikrisen neue Anforderungen an das Riskmanagement stellen, sagt Michael Längle, eigentlich nicht, denn es gibt kein Allheilmittel für Krisen- und Risikomanagement. Wichtig sind eine ausgewogene Risikopolitik und ein resilientes Geschäftsmodell.
Schwarze Elefanten, graue Schwäne und Drachenkönige
Schwarze Schwäne sind als Krisen im Risikomanagement weithin bekannt, doch nicht jedes Ereignis, das sehr selten vorkommt, ist auch ein schwarzer Schwan. Die zweite Keynote, von Ute Vanini (Fachhochschule Kiel), versuchte Licht in den Krisendschungel zu bringen. Sie sprach zunächst über den Status quo im Risikomanagement, ehe sie den Zoo der Krisenszenarien vorstellte: neben dem schwarzen Schwan gibt es etwa den grauen Schwan (ein statistisch modellierbares. extrem seltenes Ereignis), ein graues Nashorn bzw. einen schwarzen Elefanten (wahrscheinliche, folgenreiche und dennoch vernachlässigte Bedrohung), den Drachenkönig (Risiko, das sowohl sehr große Auswirkungen als auch einen spezifischen Ursprung hat) oder den Perfect Storm (Risiko aus einem seltenen Zusammenspiel bekannter Risikofaktoren).
Vanini sagte, dass die Covid-19-Pandemie am ehesten ein Grauer Schwan war. Die Frage für die Zukunft im Risikomanagement lautet: Wie können Risiken integriert werden? Denn oftmals sind die Faktoren grundsätzlich bekannt, werden aber ignoriert: es handelt sich also um eine Risikoignoranz. Ebenso ist eine Integration von Risiken ins Risikomanagement oftmals schwierig. Vanini brachte eine treffende Metapher: Derzeit wird Risikomanagement für ein Dorf gemacht, wenn eigentlich Risikomanagement für den Dschungel nötig wäre.
Im Anschluss an die beiden Vorträge bat Karin Exner neben Michael Längle und Ute Vanini noch Patrizia Pekarek (BRZ GmbH) zur gemeinsamen Diskussion auf die Bühne. Sie diskutierten über die Fragestellung, wie die Risikomanager:innen ihre Instrumentarien anpassen müssen, welche Geschwindigkeit notwendig ist und wie sich die Rolle des Risikomanagements verändert.
Impact von Risiken
Im Anschluss an einen ersten Coffee Break konnten die Teilnehmer:innen der GRC Jahrestagung in zwei unterschiedliche Break-out-Sesssions gehen. Die erste Session unter der Moderation von Markus Hölzl (EY Österreich) drehte sich um das Thema Impact von Klimarisiken auf das Enterprise Risk Management.
Den ersten Vortrag in diesem Plenum hielt Roman Rohatschek (OePR und Institut für Unternehmensrechnung und Wirtschaftsprüfung): Prüfung klimabezogener Risikoinformationen im Lagebericht und deren Berücksichtigung in der Finanzberichterstattung – Erfahrungen aus dem Enforcement. Er sprach über die Auswirkung der Umweltrisiken auf Impairment, Übereinstimmung der Umweltberichterstattung zwischen finanzieller und nicht finanzieller Berichterstattung sowie Umweltberichterstattung und Taxonomie.
Der zweite Vortrag war von Robert Buchleitner (Lenzing AG) zum Thema ESG Risk & Opportunity Management: Der Schlüssel zum Aufbau langfristiger Resilienz von Unternehmen. Er berichtete über die Integration von ESG-Risiken in das Enterprise Risk Management der Lenzing AG, die geplanten nächsten Schritte im ESG-Risikomanagement und die Einbettung der ESG-Risiken in die Governance und das Beteiligungsmanagement der B&C-Gruppe als Mehrheitsaktionärin der Lenzing AG.
Danach gab es eine spannende Plenumsdiskussion mit Roman Rohatschek und Robert Buchleitner unter der Moderation von Markus Hölzl.
Im zweiten Plenum unter der Moderation von Drazen Lukac (EY Österreich) unter dem Motto Impact geopolitischer Risiken auf IT-Risikomanagement und Business Continuity Management gab es weitere spannende Unternehmensbeispiele. Der erste Beitrag zum Thema Kehrseite der Digitalisierung – Erfahrungsbericht einer IT Risk Management Funktion im Zeitalter geopolitischer Spannungen stammt aus der Raiffeisen Bank International AG. Stefan Jaschky sprach über das klare Ziel, das von Beginn an essenziell ist. Laut Jaschky war es kein einfacher Weg für die IT Risk Management Funktion. Er gab auch einen Ausblick auf neue Herausforderungen. Im Anschluss sprach Andreas Frohner (EY Österreich) über Trade Compliance als (das) Instrument im Sanktionsdschungel. Auch hier gab es im Anschluss eine spannende Podiumsdiskussion.
Lunch & Talk als interaktives Mittagessen
Ein interaktives Mittags-Talk-Format war auch heuer wieder der Höhepunkte auf der GRC Jahrestagung. Die Teilnehmer:innen wurden eingeladen, zum moderierten Erfahrungsaustausch an neun Thementischen zu ausgewählten Fragestellungen der aktuellen GRC-Agenda Platz zu nehmen. Dieses innovative Format bot den Teilnehmer:innen die Gelegenheit, sich noch fokussierter zu „ihren“ Themen mit Expert:innen und Peers auszutauschen.
Klimarisiken und ERM-Methoden und -Instrumente
Am Nachmittag fanden abermals zwei Vortrags-Slots parallel statt: In Forum eins wurde noch weiter über das Thema Klimarisiken diskutiert. Margit Kapfer (denkstatt GmbH) erzählte vom Managen von Klimawandel-Risiken in der Praxis. Sie sprach über dieIdentifikation von Klimarisiken am Beispiel Infrastruktur, wie etwa Straße, Schiene, Energieversorgung (z.B. Hochwässer). Unternehmen sind gefordert, Klimarisikomanagement für die Supply Chain strategisch zu entwickeln. Um das Klimarisikomanagement operativ umsetzen, braucht es Wesentlichkeit, Daten, Trade-Off und Systeme.
Melanie Kornfeld (ÖBB-Infrastruktur AG) und Matthias Themeßl (GeoSphere Austria) sprachen über ein spannendes und sehr langfristiges Projekt bei den ÖBB: Klimarisiko- & Vulnerabilitätsanalyse: Ein Erfahrungsbericht der ÖBB-Infrastruktur AG in Zusammenarbeit mit GeoSphere Austria. Sie präsentierten den Fahrplan vom Konzept bis zur praktischen Durchführung der Klimarisiko- und Vulnerabilitätsanalyse. Im Anschluss bat Markus Hölzl um Fragen aus dem Plenum.
Ein drittes Plenumsthema war ERM-Methoden und -Instrumente. Die Moderation übernahm hier Karin Exner. Zunächst wurde ein Best-Practice-Beispiel aus der AGRANA zum Thema Risikotragfähigkeit auf Basis von Liquiditätsreserven präsentiert. Johann Hörmansdorfer und Joachim Reimann (beide AGRANA Beteiligungs-AG) sprachen über Kreditlinien zur Überbrückung von Krisensituationen, risikobasierte Stresstests der Financial Covenants und eine Orientierung am IDW PS 340 n.F.
Im zweiten Vortrag Risikoidentifikation mit ChatGPT – Hype oder „Next Big Thing“? präsentierten Andreas Stöckl (FH OÖ Campus Hagenberg) und Günther Angerbauer (CALPANA business consulting GmbH) ihre Überlegungen rund um den Einsatz moderner Sprachmodelle für die Risikoidentifikation.
Wie viel Bälle halten Sie in der Luft?
Den Abschluss des Tages bot Clemens Nachbauer (Controller Institut) mit seinem Vortrag Leadership in Motion – Wie Sie als Führungskraft in dynamische Balance kommen. Das Überraschungshighlight: Mario Filzi zeigte den Teilnehmer:innen wie schnell sie es schaffen, mehrere Bälle gleichzeitig jonglieren zu können. Im wahrsten Sinne des Wortes.
Karin Exner schloss die 6. GRC Jahrestagung mit einer Ankündigung für das nächste Jahr. Wir freuen uns daher, Sie bei der 7. GRC Jahrestagung begrüßen zu dürfen. Stay tuned unter: www.grc-jahrestagung.at
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