Lean Risk Canvas

Ein Instrument zur Risikoidentifikation in Start-ups.


Start-ups – neugegründete Unternehmen mit innovativen Geschäftsideen und hohem Wachstumspotenzial – sind Risiko­unternehmen. Risiken werden bewusst eingegangen und müssen auch eingegangen werden, um Erfolg zu haben. Start-up-Gründer managen ihre Risiken häufig eher intuitiv. Es fehlt die Zeit, um sich mit strategischen, operativen und finanziellen Risiken strukturiert auseinanderzusetzen. Der Lean Risk Canvas ist eine Methode zur Risikoidentifikation und -steuerung in Start-up-Unternehmen. Ziel ist es, mit möglichst geringem zeitlichem und finanziellem Aufwand, alle wesentlichen Risiken transparent zu machen und damit die Grundlage für deren Steuerung zu schaffen.

1. Rahmenbedingungen für Risikomanagement in Start-ups

Die Anzahl von Start-up-Gründungen in Österreich hat in den letzten Jahren stetig zugenommen. Als Start-ups werden Unternehmen bezeichnet, die nicht älter als zehn Jahre sind, ein innovatives Geschäftsmodell verfolgen und/oder stark auf Wachstum ausgerichtet sind.

Viele österreichische Start-ups sind in dynamischen Branchen wie Software (34,9 %), Life Science (10,2 %) oder Hardware (9,6 %) tätig und bieten hoch innovative Produkte bzw Dienst­leistungen an (vgl AIT, Austrian Startups, WU Wien 2018).

Start-ups agieren damit in einem Umfeld, das von hohen Risiken geprägt ist. Neue Technologien oder Geschäftsmodelle sind ein zentrales Element des Start-up-Unternehmens und inhärent mit Unsicherheiten verbunden, da sie ihre Markttauglichkeit erst unter Beweis stellen müssen. Darüber hinaus ist starkes Wachstum – in Verbindung mit geringer Liquiditätsausstattung und hoher Cashburn-Rate – ein großes Risiko.

Start-ups haben daher eine hohe Wahrscheinlichkeit zu scheitern. In Österreich sind nur rund 50 % der neu gegründeten Unternehmen nach fünf Jahren noch im Geschäft (vgl Statistik Austria, 2016).

Die Gründung erfolgt typischerweise durch einen Gründer oder durch kleine Gründerteams, und die Management-Ressourcen sind beschränkt.

Abbildung 1 zeigt die Verteilung der Arbeitszeit der Start-up-Gründer.

Rund die Hälfte der Arbeitszeit wird für Operative Mitarbeit und Produktentwicklung eingesetzt. Für Managementaufgaben stehen nur rund 21 % der Arbeitszeit zur Verfügung.

Man kann daher annehmen, dass die verfügbare Zeit für Strategieentwicklung, Aufbau von Steuerungssystemen (Controlling) und Risikomanagementsystemen sehr gering ist. Darüber hinaus ist typischerweise auch das Know-how in Bezug auf Steuerungsprozesse und Systeme limitiert.

Umso wichtiger ist es, den Start-up-Gründern effiziente, zeit- und kostenminimale Instrumente zur Entwicklung der Strategie und auch zur Identifikation der damit verbundenen Risiken zur Verfügung zu stellen.

Abb 1: Aufgaben von Start-up-Gründern in Österreich 2018.

Abb 1: Aufgaben von Start-up-Gründern in Österreich 2018.

2. Lean Risk Canvas als Methode zur effizienten Risikoanalyse in Start-ups

2.1. Zielsetzung: Effiziente und strukturierte Risikoidentifikation für ressourcenarme Unternehmen

Gründer managen ihre Risiken – aber vielfach eher intuitiv und unbewusst. Das Risiko des Scheiterns wird bewusst eingegangen, da vielfältige Risiken eingegangen werden müssen, um Erfolg zu haben.

Technologische Risiken werden typischerweise in kleineren Experimenten minimiert, wohingegen finanzielle Risiken häufig bei den Investoren liegen. Trotzdem werden in der Praxis häufig wesentliche Risiken nicht betrachtet, weil sie entweder vergessen werden oder außerhalb des täglichen Fokus bzw des Unternehmens liegen.

Ein bewusster Zugang zum Risikomanagement ist aber unerlässlich, um ein resilientes Unternehmen zu entwickeln. Der erste Schritt liegt dabei bei der Risikoerkennung, die die Basis für intelligente Risiko­steuerungsstrategien bildet.

Mit dem Lean Risk Canvas wird hier eine leicht verständliche, intuitive und effiziente Methode zur Risikoidentifikation für ressourcenarme Unternehmen vorgestellt. Die Motivation zur Entwicklung des Lean Risk Canvas entwickelte sich aus der Erkenntnis, dass bei der Analyse von Geschäftsmodellen die Risiken nicht ausreichend betrachtet werden.

Der Lean Risk Canvas soll bei der Entwicklung des Geschäftsmodells (dh integriert mit dem Strategieentwicklungsprozess) eingesetzt werden und den Fokus auf die Chancen und Risiken des Geschäftsmodells lenken. Er kann vom Gründer(-team) selbst oder von Beratern bzw Moderatoren, die das Start-up begleiten, eingesetzt werden.

2.2. Business Model Canvas (BMC) als Basis

Der Business Model Canvas (vgl Osterwalder et al, 2010) ist ein Geschäftsmodell-Framework, das sich in den letzten Jahren international stark als Instrument zur Konzeption und Weiterentwicklung von Geschäftsmodellen verbreitet hat. Der Hauptzweck besteht darin, eine Struktur für eine systematische Diskussion von Geschäftsmodellen bereitzustellen und dabei Komplexität zu reduzieren. Durch die transparente Darstellung und Visualisierung soll sichergestellt werden, dass alle Elemente des Geschäftsmodells aufeinander abgestimmt sind.

Mit dem BMC werden Geschäftsmodelle vergleichbar und verständlicher. Er besteht aus neun Bausteinen, die die Logik zeigen, wie ein Unternehmen Geld verdienen will:

  1. Kundensegment (Customer Segments): Für wen schaffen wir Werte? Wer sind unsere wichtigsten Kunden?
  2. Wertversprechen (Value Proposition): Welchen Wert liefern wir? Welche Probleme helfen wir zu lösen?
  3. Kanäle (Channels): Über welche Kanäle möchten unsere Kunden erreicht werden? Wie sind unsere Kanäle eingebunden? Welche sind am effizientesten?
  4. Kundenbeziehungen (Customer Relationships): Welche Art von Beziehung erwartet jedes Kundensegment von uns?
  5. Einnahmequellen (Revenue): Für welchen Wert sind unsere Kunden wirklich bereit zu zahlen? Wie würden sie lieber bezahlen?
  6. Schlüsselressourcen (Key Resources): Welche Schlüsselressourcen benötigen wir?
  7. Schlüsselaktivitäten (Key Activities): Welche Schlüsselaktivitäten benötigen wir?
  8. Schlüsselp­artner (Key Partners): Wer sind unsere Schlüsselp­artner? Was leisten sie?
  9. Kostenstruktur (Costs): Was sind die wichtigsten Kosten? Was (Ressourcen, Aktivitäten) ist am teuersten?

Beim Einsatz für die Geschäftsmodell-Entwicklung werden typischerweise großformatige Vorlagen des BMC eingesetzt. Die neun Bausteine des Geschäftsmodells werden mit speziellen Kreativitätstechniken erarbeitet, auf Post-it-Zetteln dokumentiert und in den BMC-Vorlagen visualisiert.

Die Visualisierung der Geschäftsmodelle bietet folgende Vorteile:

  • Implizites Wissen wird explizit gemacht,
  • Wissen, das bei einzelnen Personen liegt, wird für andere (Co-Gründer, Mitarbeiter, Investoren) nachvollziehbar und verfügbar,
  • Potenziale für die Optimierung des Geschäftsmodells werden erkennbar und
  • Transparenz wird erzeugt.
Abb 2: Aufbau des Business Model Canvas.

Abb 2: Aufbau des Business Model Canvas.

2.3. Aufbau des Lean Risk Canvas (LRC)

Der Lean Risk Canvas hilft, die strategischen, operativen und finanziellen Chancen und Risiken des Geschäftsmodells zu erkennen, zu benennen, zu visualisieren und Maßnahmen zu entwickeln. Er baut auf den Business Model Canvas auf und hilft, Risiken in den einzelnen Risikokategorien systematisch und mit Bezug zum Business Model Canvas zu identifizieren. Zusätzlich zu Risiken in den neun Bausteinen des BMC werden Strategie-Risiken, Kapital-Risiken und Rechts-Risiken als eigene, neue Elemente dargestellt, da diese im BMC nur schwer zuordenbar bzw zu fragmentiert wären:

In der Erarbeitung des Canvas hat der Berater die Aufgabe, den Unternehmer mit Fragen zu den Chancen und Risken in den einzelnen Kategorien durch den Identifikationsprozess zu führen. Die Fragen ergeben sich bei gewissenhafter Erarbeitung des BMC größtenteils schon bei der Geschäftsmodellanalyse.

Chancen werden durch grüne und Risiken durch rote Post-its (egal ob physisch oder digital) dargestellt, in denen die Risiken dokumentiert werden.

Der LRC wird gleichzeitig mit dem BMC bearbeitet, entsprechend der Reihenfolge des BMC: Dadurch ist der zusätzliche Aufwand für die Risikoidentifikation und -dokumentation sehr gering.

Durch den intuitiven, visualisierten Zugang zu Chancen und Risiken des Geschäftsmodells, entsteht ein neues Bewusstsein und es beginnt eine systematische Auseinandersetzung mit Unsicherheiten. Da dieser Prozess in die Entwicklung und Visualisierung des Geschäftsmodells integriert ist, bildet er keinen wesentlichen zusätzlichen Aufwand für die Unternehmer. Bei der Erstellung wird lediglich ein expliziter Fokus auf die Chancen und Risiken gelegt, die in der Darstellung der Visualisierung des Geschäftsmodells auf unbewusster Ebene auch präsent sind.

Der Vorteil der Visualisierung ist die leichte Verständlichkeit sonst schwer zu fassenden Unsicherheiten.

Abb 3: Lean Risk Canvas.

Abb 3: Lean Risk Canvas.

3. Fazit

Der LRC ersetzt keine detaillierte Risikoidentifikation, schafft aber auf effiziente Art und Weise ein Risikobewusstsein bei Start-Up-Unternehmern. Er zwingt sie, Risiken und Chancen zu benennen. Für den Berater und Unternehmer ermöglicht es die Entwicklung einer individuellen Risiko-Strategie. Investoren bietet der LRC einerseits eine bessere Einschätzung der Risikosituation und andererseits die Gewissheit, dass der Unternehmer die Risiken und Chancen kennt und sich proaktiv mit ihnen auseinandersetzt. Der Unternehmer wird dadurch in die Lage versetzt, ein resilientes Unternehmen zu entwickeln und etwaige Haftungsrisiken zu reduzieren.

Die größte Herausforderung war im bisherigen Praxiseinsatz des LRC für Klienten von Panthera GmbH die Visualisierung des LRC. Je weiter die Visualisierung vom gewohnten BMC abwich, umso mehr bekam dieser den – unerwünschten – Anstrich eines neuen Werkzeugs, „das nur Arbeit und Zeit kostet“.

Eine weitere Herausforderung ist neben der Annahme des LRC im Beratungsprozess dessen Nutzung im laufenden Betrieb: Das Geschäftsmodell und damit auch dessen Risiken entwickeln sich dynamisch weiter. Es ist daher notwendig, diese periodisch zu hinterfragen und zu aktualisieren. Vor dem Hintergrund der Ressourcenknappheit und der geringen Zeit, die für Managementaufgaben zur Verfügung steht, ist auch diese laufende Risikoaktualisierung schwer sicherzustellen.


Literatur

Austrian Institute of Technology (AIT), Austrian Startups, Wirtschaftsuniversität Wien, Austrian Startup Monitor 2018, Wien 2018.
Osterwalder (2010), Business Model Generation, New Jersey 2010.
https://www.lean-risk-canvas.at (Zugriff am 2. 9. 2019).

 


Der Artikel ist in CFO aktuell (Heft 47/2019) erschienen. Mehr Infos unter: www.cfoaktuell.at

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