Im Gespräch mit Gerd Pechura (Umdasch Group)

Nachhaltigkeit und profitables Wachstum gehen Hand in Hand: Eine robuste und gesunde Wirtschaft ist der Motor des Fortschritts und richtet ihren Blick klar auf die Zukunft – genauso wie das Konzept der Nachhaltigkeit. Die globale Gemeinschaft hat erkannt, dass die Lösung in einem ausgewogenen Zusammenspiel dieser beiden Aspekte liegt. Dieses Bewusstsein spiegelt sich deutlich in den Zielen für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDGs) wider, welche von einer positiven Verknüpfung wirtschaftlicher, ökologischer und sozialer Ziele ausgehen.

Nach drei von dauerhaften Krisen wie der Klimakrise, dem Ukrainekrieg und Covid geprägten Jahren stehen Unternehmen vor der Herausforderung, nachhaltiger und widerstandsfähiger zu werden. Gleichzeitig bremsen die aktuell schwierigen wirtschaftlichen Aussichten die Veränderungsdynamik und Erfolgsaussichten (siehe OECD 2024, der lange Weg zur Erholung, https://de.euronews.com/2023/06/07/oecd-sieht-langsame-erholung-derweltwirtschaft-deutschland-stagniert).
In diesem Interview, im Rahmen der CFOaktuell Jahrestagung 2023 unter dem Titel „Transformation im Spannungsfeld von Nachhaltigkeit und Performance“, widmen wir uns gemeinsam mit CFOs führender Unternehmen der Frage, wie es aktuell angesichts des steigenden Performancedrucks gelingen kann, in Zukunft nachhaltig profitabel zu wachsen und Nachhaltigkeit und Performance unter einen Hut zu bringen.


Ein schwieriges gesamtwirtschaftliches Umfeld mit einer vielerorts rückläufigen Nachfrage und vor allem mit großer Unsicherheit bewältigen und dabei gleichzeitig die Transformation in Richtung Nachhaltigkeit und Klimaschutz konsequent vorantreiben, ist ein schwieriger Balanceakt und erfordert eine sorgfältige und strategische Herangehensweise. Wie gehen Sie damit um?
In unserer 2021 neu ausgerichteten Strategie steht Nachhaltigkeit noch vor Digitalisierung an erster Stelle der strategischen Ziele. Die Umdasch Group hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2040 in allen drei Scopes Netto-Null-Emissionen zu erreichen.
Natürlich sind wir wie viele andere auch in unseren Kernmärkten in Europa mit rückläufiger Nachfrage konfrontiert, wobei die Umdasch Group als Bauzulieferer noch von anderen Trends abhängig ist – rückläufiger Wohnbau versus verstärkter Investition in Infrastruktur zum Beispiel. Außerdem stellen wir fest, dass die Nachfrage in den außereuropäischen Märkten, vor allem Nordamerika, im Bau ungebrochen stark ist. Trotzdem geht diese Krise auch an uns nicht spurlos vorbei. Es geht dabei darum, die strategischen Ziele nicht bei der ersten Eintrübung über Bord zu werfen und weiterhin konsequent zu verfolgen.

In der heutigen Geschäftswelt ist die Balance zwischen Performance und Nachhaltigkeit von großer Bedeutung. Könnten Sie uns bitte erläutern, wie Sie als CFO das Spannungsfeld zwischen finanzieller Performance und Nachhaltigkeit in Ihrem Unternehmen konkret wahrnehmen und welche Schritte Sie unternehmen, um diese Balance zu bewältigen?
Unser Umsatzanteil außerhalb der EU beträgt 45 %. Natürlich stehen wir, wie alle anderen europäischen Unternehmen, vor der Herausforderung, in der Transition zur Nachhaltigkeit gleichzeitig auf den Weltmärkten wettbewerbsfähig zu bleiben. Das ist der „elephant in the room“. Andererseits haben wir zum Beispiel das Glück, dass unsere Produktion nicht sehr energieintensiv ist. Die großen Hebel sind Gewicht und Konstruktion der Produkte und Transportwege und -kosten. Insbesondere bei letzteren gehen Nachhaltigkeit und Kosteneinsparung Hand in Hand. Bei vielen anderen Themen nicht immer. Da muss man dann jeweils eine unternehmerische Entscheidung treffen.

Welche Art von Investitionen tätigen Sie, um sowohl die Performance als auch die Nachhaltigkeitsziele zu erreichen?
Ein gutes Beispiel ist das Sourcing: Wenn es um die Produktion bzw. das Sourcing von Produkten und Vorprodukten geht, heißt die Alternative eigentlich nicht mehr onshoring oder offshoring, sondern near-shoring bzw „friends-shoring“. Damit trägt man nicht nur Nachhaltigkeitsgesichtspunkten Rechnung, sondern adressiert auch Sicherheit der Supply Chain sowohl was die geopolitische Situation als auch das Risiko einer Unterbrechung der Supply Chain betrifft. Ein anderes Beispiel ist die Produktneuentwicklung: Es gibt eine direkte Korrelation zwischen Produktgewicht und Product Carbon Footprint. Das heißt, unsere Produkte werden leichter, ohne dass die technische Performance (Druck, Tragfähigkeit) leidet.

Wie beeinflusst die Integration von Nachhaltigkeitszielen die finanzielle Performance des Unternehmens? Wie wirkt sich die Verfolgung von Nachhaltigkeitszielen auf die langfristige finanzielle Stärke ihres Unternehmens aus? Gibt es positive Auswirkungen auf Umsatz, Gewinnmargen oder Markenwert?
Natürlich müssen wir uns eingestehen, dass die Integration von Nachhaltigkeitszielen der kurzfristigen finanziellen Performance nicht unbedingt nützt. Mittel- und langfristig werden wir feststellen, dass die Notwendigkeit unserer Kunden, selbst nachhaltiger zu werden, natürlich auch auf uns abstrahlt. Schon heute häufen sich die Anfragen nach ESG Ratings. Wir haben letztes Jahr den Product Carbon Footprint für 6.000 unserer Hauptprodukte ermittelt und werden diesen auch auf den Angeboten angeben. Wir sind überzeugt, dass das Thema Nachhaltigkeit auf der Kundenseite mehr und mehr Gewicht bekommt.

Gerade in der Baubranche ist ein ressourcen- und umweltschonender Ansatz für die Zukunft die Circular Economy. Wie gehen Sie dieses Thema bei Umdasch an? Wie fördern Sie das Bewusstsein und Engagement Ihrer Mitarbeiter für nachhaltige Geschäftspraktiken? Wie trägt dies zur Steigerung der Performance und zur Schaffung einer nachhaltigen Unternehmenskultur bei?
Als Bauzulieferer liefern wir in erster Linie Schalungen und Gerüste an Baufirmen. Unsere Hauptmaterialien sind Stahl recyclingfähig) und Holz (nachwachsender Rohstoff). Schalungen und Gerüste sind sehr langlebige Investitionsgüter, deren technische Lebensdauer von 2 Jahren für eine Schalplatte bis zu 30 Jahren für Spezialschalungen reicht – durchschnittlich etwa 10 Jahre. Schalungen werden nach jedem Baustelleneinsatz gereinigt, instandgesetzt und möglichst schnell dem nächsten Einsatz zugeführt. Im Sinne der Kreislaufwirtschaft ist es unser Anspruch, die aktive Nutzungsphase unserer Produkte weiter zu verlängern. Gleichzeitig wird in der Industrie intensiv nach CO2-reduzierten Betonrezepturen geforscht, das heißt im Wesentlichen Klinker-reduziert oder Klinker-frei, da dies den CO2-Footprint des Baustoffs Beton wesentlich bestimmt. Dabei kommt es zu verändertem Verhalten des CO2-reduzierten Betons, insbesondere verzögertes Aushärten unter verschiedenen Temperaturbedingungen. Dafür braucht es andere Schalungen, und die entwickeln wir. Unsere R&D beschäftigt sich auch mit anderen Baustoffen und deren Auswirkungen auf unsere Produkte. Intern versuchen wir, nachhaltigere Praktiken zu fördern und zu fordern: restriktive Genehmigungen von Flugreisen, weitere Ausweitung des Grünstrombezugs, Investitionen in PV-Anlagen, die sich bereits heute schon ganz gut rechnen, noch weiterer Ausbau der Nutzung digitaler Technologien, zwingende Vorschrift für Elektro-Dienstwagen unterhalb einer gewissen wöchentlichen Fahrleistung etc.

Können Sie Beispiele für Bereiche oder Projekte nennen, in denen Ihr Unternehmen Performance- und Nachhaltigkeitsziele erfolgreich miteinander verknüpft hat, um gleichzeitig wirtschaftlichen Erfolg und positive soziale oder ökologische Auswirkungen zu erzielen?
Wir haben innerhalb unseres Ventures Organisation eine Business Unit, die mobile Fertigteilfabriken anbietet. Ziel ist es, „affordable housing“ Projekte vor allem in afrikanischen Ländern durchzuführen. Es gibt dort einen enormen Bedarf an leistbarem Wohnraum, der mit konventionellen Technologien nicht mehr zu bewältigen ist. Dabei gelingt die Verknüpfung von Geschäftsmodell mit ökologischen Auswirkungen: Die Baustoffe werden großteils regional beschafft, was kurze Transportwege und damit einen geringeren CO2-Ausstoß bedeutet.

Investoren legen zunehmend Wert auf ESG-Faktoren. Sie erkennen mehr und mehr, dass nachhaltig agierende Unternehmen langfristig eine höhere Rendite bei einem niedrigeren Risiko bieten können. Dies sei nicht zuletzt ein Zeichen dafür, dass das Vertrauen von Investoren in diese Unternehmen höher ist. Wie ist das bei ihren/euren Investoren? Sind sie bereit, eine höhere Bewertung für nachhaltig orientierte Unternehmen zu akzeptieren? Welche Prioritäten setzen sie? Machen Sie Druck in Richtung Nachhaltigkeit? Oder agieren sie als Bremser?
Im Schuldscheinmarkt ist zum Beispiel mittlerweile die Hälfte der Emissionen in irgendeiner Weise ESG-linked. Wobei die Margen sich noch nicht wesentlich unterscheiden, es ist eher so, dass bei Verfehlung bestimmter ESG-KPIs leichte
Margin Grids einsetzen. Wir sind uns sicher, dass unsere nächste Schuldscheinemission ESG-linked sein wird. Die Orientierung auf Nachhaltigkeit ist bei Fremdkapitalgebern, also zum Beispiel Schuldscheininvestoren, aber auch Banken, schon zu spüren. Im Pricing beginnt es sich aber erst langsam widerzuspiegeln.

Wie können Sie als CFO, wie kannst du Wegbereiter für eine bessere Zukunft sein? Welche Punkte gehören ganz oben auf Ihre/deine Transformations-Roadmap?
Ich würde als CFO erst einmal auf das kleine Einmaleins verweisen und den bekannten Satz von Peter Drucker „WHAT GETS MEASURED, GETS MANAGED“ auch in Bezug auf Nachhaltigkeit anwenden. Wir haben sehr früh mit integriertem Reporting für den Geschäftsbericht angefangen. Da ist uns einiges geglückt. Auch mit der Berechnung des Corporate Carbon Footprint haben wir eine Ausgangsbasis geschaffen. Aber um den EU-weit bevorstehenden regulatorischen Berichtspflichten nachzukommen, die in einem integrierten Lagebericht enden sollen, braucht es klassisches Reporting Know-how: Es geht um nachweisbare und belastbare Ist-, Plan und Vorjahreszahlen, die auch ein Wirtschaftsprüfer oder eine Rating Agentur bestätigen kann. Dazu haben wir ein Projekt aufgesetzt mit dem Ziel, diese
Datenmengen möglichst automatisiert abzugreifen. Der positive „Nebeneffekt“ der regulatorischen Compliance ist, dass man nur dann Fortschritt in Nachhaltigkeit erreichen kann, wenn man seinen Ist-Stand, das Ziel und den Zielerreichungsgrad kennt und managen kann. Dazu muss man letztlich das Nachhaltigkeitsreporting in das interne Berichtswesen integrieren.

Worin investieren Sie derzeit mehr Zeit: In das Thema Performance oder das Thema Nachhaltigkeit? Welche Rolle spielt Nachhaltigkeit für Ihren Zuständigkeitsbereich?
Zugegebenermaßen noch immer in das Thema Performance, mit steigendem Nachhaltigkeitsanteil.

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