Highlights des Controlling-Panels 2020

Forever Young – Controlling konsequent erneuern


In der jüngeren Vergangenheit wurden Ansatzpunkte zur Weiterentwicklung des Controllings dominant unter dem Aufhänger der „Digitalisierung“ und nutzbarer neuer Technologien gesucht. Dieser Prozess ist sinnvoll und noch lange nicht abgeschlossen. Es scheint aber an der Zeit, den Blick zusätzlich auf organisatorische Hebel und den Faktor Mensch zu richten. Die vorliegende Studie zeigt, welche Hebel zur umfassenden Erneuerung des Controllings von Unternehmen in der DACH-Region genutzt werden.

1. Allgemeines

Das Controlling-Panel wird seit 2007 vom Controller Institut durchgeführt, seit 2016 in Kooperation mit EY. Insgesamt nahmen 306 Unternehmen an der aktuellen Studie teil. 86 Rückmeldungen entfielen auf Unternehmen aus Österreich, weitere 147 Antworten auf Unternehmen aus Deutschland und 70 Antworten auf Unternehmen mit Sitz in der Schweiz. Die Unternehmen wiesen, bezogen auf die Branche und Unternehmensgröße, eine breite Streuung auf, daher ist eine valide Basis für eine umfassende Betrachtung gewährleistet.

Der Studie liegen sieben Hebel zur Leistungssteigerung zugrunde, die von den Befragten sowohl hinsichtlich ihrer Relevanz als auch hinsichtlich ihrer aktuellen Verwendung im Controlling beurteilt wurden (siehe Abb 2). Die zentralen Studienergebnisse werden nachfolgend nach absteigender Bedeutung der Hebel vorgestellt.

2. Highlights

2.1. Flexibilisierung der Controlling-Organisation

Die „Flexibilisierung der Controlling-Organisation“ stellt lt den Umfrageergebnissen den wichtigsten Hebel zur Leistungssteigerung dar. Insgesamt 98 % der Befragten sehen darin Relevanz für das Controlling. 70 % stimmen voll zu, dass es einer größeren Flexibilisierung im Controlling bedarf, um den immer dynamischer werdenden Anforderungen gerecht zu werden. Ein gleichmäßig hohes Zustimmungsbild zeichnet sich auch branchen- und größenübergreifend ab und bestätigt die Annahme, dass nach einer Welle, primär auf technologische Innovation ausgerichteter Maßnahmen, jetzt wieder der Faktor Mensch in den Mittelpunkt rückt.

Im Gegensatz zum extrem hohen Potenzial, dass diesem Thema zugewiesen wird, zeigt sich – wie auch bei den nachfolgend dargestellten Hebeln – dass die Realität weit vom Zielzustand abweicht. Über das gesamte Sample stufen nur 31 % der Befragten die eigene Organisation als flexibel ein. Die positivste Selbsteinschätzung zeigt sich mit 45 % bei Finanz­dienstleistern, das Schlusslicht im Branchen-Vergleich bildet die Automotive-Branche mit 15 %. Den Unternehmen ist diese Diskrepanz und der damit einhergehende Handlungsbedarf offensichtlich bewusst, denn 40 % der Unternehmen arbeiten laut eigenen Angaben aktuell an einer Flexibilitätssteigerung der Controlling-Organisation.

Unter Ländergesichtspunkten lassen sich keine signifikanten Unterschiede erkennen, österreichische Unternehmen schätzen mit 35 % die Bedeutung um fünf Prozentpunkte höher ein als Schweizer oder deutsche Unternehmen.

Um greifbarer zu machen, welchen Weg Unternehmen einschlagen, um die gewünschte Flexibilität der Controlling-Organisation zu erreichen, wurden zusätzlich die drei wichtigsten Entwicklungsdimensionen abgetestet (siehe Abb 3):

  • Zentralisierung vs Dezentralisierung von Controlling-Aktivitäten,
  • Forcierung von Spezialisten vs Generalisten im Controlling und
  • Fokussierung auf Standardtätigkeiten vs Ad-hoc-Aufgaben und Projekttätigkeit.
Abb 1: Hebel zur Leistungssteigerung im Controlling

Abb 1: Hebel zur Leistungssteigerung im Controlling

Hier zeigt sich in jeder der drei Entwicklungsrichtungen ein klares Bild. 42 % der Unternehmen sehen eine stärkere Zentralisierung des Controllings als zielführend an, um eine höhere Flexibilität in der Organisation zu erreichen. Dieses Ergebnis ist insofern überraschend, da moderne Kommunikations- und Informationstechnologien prinzipiell an verteilterem Arbeiten ausgerichtet sind und Dezentralisierung unterstützen bzw erleichtern.

Interessant ist in diesem Zusammenhang aber, dass mit der angestrebten Zentralisierung nicht, wie zu erwarten, eine stärkere Spezialisierung verfolgt wird. 45 % der Befragten streben eine generalistische Ausrichtung der Controller an, um mehr Dynamik und Flexibilität zu erreichen.

Eine mögliche Begründung für den starken Wunsch nach Generalistentum könnte in der von 57 % der Controlling-Leitern wahrgenommenen Notwendigkeit liegen, einen immer größer werdenden Anteil an Ad-hoc-Aufgaben und Projekttätigkeiten in der eigenen Organisation bewältigen zu müssen. Da viele dieser situativ zu bewältigenden Anforderungen interdisziplinär sind, sind Generalisten eher geeignet, effizient diese Aufgaben qualitativ hoch­wertig zu erfüllen.

2.2. Forcierung digitaler Technologien

War „Digitalisierung“ ursprünglich im allgemeinen Kontext sowie auf Controlling bezogen nicht viel mehr als eine wenig konkrete Begriffswolke, so kann mittlerweile ein ganz klarer Bezug zu den Controlling-Kernprozessen und den darin nutzbaren Technologien hergestellt werden. Da in der Controlling-Community auch immer mehr Use-Cases und konkrete Projekterfolge vorgestellt werden, hat auch die breite Masse der Unternehmen mittlerweile einen klaren Standpunkt eingenommen: 95 % der Befragten stimmen zu, dass digitale Technologien, wie etwa Dashboarding oder Predictive Analytics, ein wesentlicher Enabler zur Leistungssteigerung im Controlling sind.

Auch hier muss festgestellt werden, dass trotz der hohen wahrgenommenen Relevanz der Verbreitungsgrad in den Unternehmen äußerst niedrig ist. So sind es nur rund 10 % der Unternehmen, die neue Technologien im Controlling bereits aktiv nutzen. Die Tatsache, dass sich nahezu jedes zweite Unternehmen in der Umsetzung einer solchen Technologie befindet, lässt jedoch einen sprunghaften Nutzungsanstieg in den nächsten Jahren erwarten. Ein Untersuchungsergebnis ist in diesem Zusammenhang besonders interessant: der angestrebte Nutzen liegt für 56 % der Unternehmen in der verbesserten Steuerungsfähigkeit des Unternehmens und damit deutlich über dem Anteil der Befragten, die dadurch eine Effizienzsteigerung anstreben (42 %).

Weiters kann festgestellt werden, dass die Nutzungsrate digitaler Technologien mit zunehmender Unternehmensgröße steigt, besonders sprunghaft ab 250 Millionen Umsatz bzw 500 Mitarbeitern. Die Bandbreite reicht dabei von 28 % bei Klein­unternehmen unter 10 Millionen Euro Umsatz bis 78 % bei Unternehmen mit mehr als 5 Milliarden Euro Umsatz.

Auch auf Länderebene zeigen sich deutliche Unterschiede. Auf aktuell niedrigem Anwendungsniveau liegen deutsche Unternehmen mit 13 % deutlich vor Österreich (9 %) und der Schweiz (5 %). Dieses Bild könnten sich allerdings rasch ändern, da 60 % der österreichischen und 56 % der Schweizer Unternehmen aktuell Umsetzungsprojekte betreiben, in Deutschland ist dies nur bei 38 % der Fall.

2.3. Etablierung einer Single Source of Truth

Wesentliche Potenziale zur Leistungssteigerung im Controlling können offensichtlich auch in der Erledigung von Hausaufgaben, im konkreten Fall in der Etablierung einer Single Source of Truth (SST), liegen. 94 % der Unternehmen stimmen zu, dass relevante Steuerungsinformationen über eine solche autorisierte Informationsquelle bereitgestellt werden sollen.

Aktuell hat nur jedes fünfte Unternehmen eine SST-Lösung in Anwendung. Besonders hoch ist der Verbreitungsgrad in den Branchen Finanz­dienstleistungen (35 %) bzw Pharma (39 %). Auch für diesen Hebel steigen sowohl die aktuellen Nutzungsraten als auch die geplanten Vorhaben mit der Unternehmensgröße, obwohl die Realisierbarkeit in großen, komplexen Strukturen tendenziell schwieriger ist als im Mittelstand. Rund die Hälfte der Unternehmen befindet sich in Umsetzungsprojekten, mit ca 60 % ist der Anteil in der Bau- und Immobilien- sowie der Telekommunikationsbranche, die aktuell einen unterdurchschnittlichen Anwendungsgrad haben, besonders hoch.

Abb 2: Gegenüber­stellung Bedeutung und Nutzung der CO-Hebel

Abb 2: Gegenüber­stellung Bedeutung und Nutzung der CO-Hebel

Abb 3: Maßnahmen zur Controlling-Flexibilisierung

Abb 3: Maßnahmen zur Controlling-Flexibilisierung

2.4. Erneuerung der ERP-Systeme

ERP-Systeme decken ein breites Spektrum an Unternehmensprozessen ab, bilden gleichzeitig aber auch die wichtigste Datengrundlage für das Controlling. Jene Unternehmen, die SAP nutzen, müssen sich mit einem Umstellungsprozess auf SAP S/4HANA auseinandersetzen bzw haben diesen bereits vollzogen. In der Studie wurde daher überprüft, ob bzw welche Potenziale Unternehmen in der Erneuerung der ERP-Systeme für das Controlling sehen. 60 % der Befragten stimmten vollständig, weitere 30 % teilweise der Hypothese zu, dass eine Erneuerung des ERP-Systems die Leistungsfähigkeit des Controllings verbessern kann. Nur 7 % der Befragten bezweifeln dies. Aktuell arbeiten 42 % der Unternehmen an der Erneuerung der Basissysteme, ein Viertel der Unternehmen nutzt bereits ein erneuertes ERP-System.

Vor allem die Energiewirtschaft sowie der Handel sind, mit über 40 % moderner Transaktionssysteme, gut aufgestellt. Dennoch arbeiten in der Energie-Branche sowie der Immobilienwirtschaft und dem Automotive-Sektor auch aktuell mehr als die Hälfte der Unternehmen an einer System-Erneuerung. Das Schlusslicht im Branchenvergleich bilden Unternehmen aus der Finanz­dienstleistungs- und Konsum­güterindustrie. Jedes zweite Unternehmen in diesen beiden Sektoren gab an, noch keine Schritte in Richtung einer ERP-System-Erneuerung unternommen zu haben.

Ein klarer Trend zeichnet sich in den Umsetzungs- und Anwendungsraten hinsichtlich Mitarbeiteranzahl der Unternehmen ab. Je höher der Mitarbeiterstand eines Unternehmens ist, desto höher ist die Motivation, eine Erneuerung der ERP-Systeme vorzunehmen. Einen überraschenden Aspekt bildet die Tatsache, dass das Hauptziel der Systemerneuerung von 70 % der Befragten in einer verbesserten Unternehmens­steuerungsfähigkeit gesehen wird und nur von rund einem Viertel der Befragten in der Effizienzsteigerung der Controlling-Prozesse.

2.5. Nutzung von Massendaten

Eine vergleichsweise zurückhaltende Einschätzung zeigt sich hinsichtlich der Nutzenpotenziale, Seite 52 die mit Massendaten verbunden werden. Nur ein Drittel der Befragten stimmen der Aussage, dass interne und externe Massendaten neue Erkenntnisse bzw relevantere Informationen liefern, vollumfänglich zu, immerhin stimmen weitere 50 % teilweise zu. Eine Begründung könnte darin liegen, dass Massendaten entlang der Wertschöpfungskette bzw außerhalb des Controlling- und Finanzbereichs anfallen und gegebenenfalls dort auch genutzt werden.

Branchenübergreifend nutzen aktuell nur rund 15 % der befragten Controlling-Einheiten interne und externe Massendaten. Eine intensivere Nutzung lässt sich vor allem im Groß- und Einzelhandel erkennen. Jedes vierte befragte Unternehmen nutzt Massendaten bereits, weitere 40 % bereiten eine Umsetzung vor. Besonders viele Umsetzungsprojekte lassen sich mit 58 % bei Pharma­unternehmen feststellen.

Auch hier zeigt sich eine Korrelation mit der Unternehmensgröße. So sind bereits 56 % der Unternehmen mit mehr als 5 Milliarden Euro Umsatz in der Umsetzung oder Anwendung einer Massendatenlösung, während es von den Unternehmen mit bis zu 10 Millionen Euro Umsatz erst 28 % sind.

2.6. Bedarfsorientierte Kompetenzentwicklung

Volatile Anforderungen und sich ändernde Rahmenbedingungen erfordern eine laufende Anpassung der Mitarbeiterkompetenzen. Die Unternehmen stellen sich hierbei ein sehr positives Zeugnis aus. 84 % der Befragten geben an, dass Kompetenzen der Controlling-Organisation laufend überprüft und bedarfsorientiert erneuert werden. Um das volle Potential der neuen Technologien ausschöpfen zu können, braucht es Kompetenzen in Data Science und Business Partnering, bei diesen zeigt sich jedoch ein differenziertes Bild.

Der Bereich Data Science stellt für viele Unternehmen noch immer die größte Hürde in der Kompetenzentwicklung dar. Aktuell stimmen nur 15 % der Befragten der Aussage, dass dieser Bereich mit ausreichend Kompetenzen ausgestattet sei, voll zu, weitere 44 % stimmen eher zu. Als Konsequenz daraus streben mehr als die Hälfte der Unternehmen an, Kompetenzen im Bereich Data Science auszubauen.

Im Gegensatz dazu sind rund 40 % der Unternehmen mit dem aktuellen Kompetenzstatus zum Thema Business Partnering sehr zufrieden, weitere 45 % eher zufrieden. Da aber gleichzeitig die Anforderung der Controlling-Kunden steigen, streben nahezu alle Unternehmen (95 %) noch einen weiteren Kompetenzausbau an.

2.7. Aktives Role-Taking

Als nachrangiger Hebel wird – zumindest aktuell – die Selbstgestaltung der Aufgaben durch das Controlling gesehen. Nur 19 % der Befragten sprechen sich vollumfänglich für ein aktives Role-Taking im Controlling aus, 60 % stimmen eher zu. Gerade bei der vollständigen Zustimmung für mehr Controller-Autonomie streuen die Ergebnisse zwischen den Branchen sehr stark und reichen von 40 % in Energiewirtschaft bis 8 % im Pharmasektor.

Insgesamt ist bei 21 % der Unternehmen der Gestaltungsspielraum der Controller-Aufgaben bereits gegeben, weitere 40 % arbeiten an einer Umsetzung. Interessant ist, dass in Unternehmen mit mehr als 10.000 Mitarbeitern nur 7 % – der geringste Anteil – diese Autonomie leben, sich gleichzeitig aber 57 % – der größte Anteil – eine autonomere Aufgabengestaltung wünschen.

Während in Deutschland und Österreich rund 23 % der Unternehmen angeben, über Gestaltungsspielraum in den Aufgaben für die Controller zu verfügen, sind es in der Schweiz nur rund 15 % der Befragten.

2.8. Big Picture zur Digitalisierung im Controlling

Wie im Vorjahr wurde auch im Controlling Panel 2020 die generelle Relevanz der Digitalisierung für die Unternehmen bzw das Controlling erhoben. Dabei zeigt sich die erwartete dynamische Entwicklung. Aktuell befassen sich mehr als 85 % der Unternehmen intensiv mit der Digitalisierung, dies ist eine deutliche Steigerung zu 2019, als rund zwei Drittel der Unternehmen angaben, einen großen Fokus auf das Thema zu legen.

Auch der generelle Fortschritt der Digitalisierung im Controlling wird mittlerweile deutlich positiver eingeschätzt. Zwar sehen sich nur 2 % der Unternehmen schon am Ziel der Digitalisierungsanstrengungen, aber bereits 33 % der Unternehmen schätzen den Ausbaugrad als weit fortgeschritten ein. Auch dies ist eine sprunghafte Steigerung zum Vorjahr, wo nur 11 % der Unternehmen dieser Aussage zustimmten. Im Ländervergleich liegen österreichische Unternehmen mit rund 42% vor der Schweiz und Deutschland mit 37 % bzw 29 %.

Auf den Punkt gebracht

Die vorliegende Studie zeigt, dass die Digitalisierung im Controlling Fahrt aufnimmt, aber für die ganzheitliche und konsequente Erneuerung der Controlling-Funktion, nicht nur Systeme und Technologien von Relevanz sind, sondern auch organisatorische Aspekte und Kompetenzanforderungen einen wesentlichen Hebel darstellen. Der Faktor Mensch rückt wieder zunehmend in den Mittelpunkt. Dies zeigt sich zum einen in der Flexibilisierung der Controlling-Organisation als Top-Hebel zur Leistungssteigerung, aber auch in der Notwendigkeit, die die Unternehmen in der Weiterentwicklung der Data Science- und Business Partner-Kompetenzen sehen.

Der Einsatz digitaler Technologien, die Etablierung einer Single Source of Truth sowie die Erneuerung der ERP-Systeme kristallisieren sich als weitere Haupthebel zur Leistungssteigerung im Controlling heraus, die Big Data-Euphorie scheint jedoch abgeflaut zu sein. Mehr Controlling-Autonomie und ein aktiveres Role-Taking durch Controlling wird zumindest in sehr großen Unternehmen angestrebt.


Der Artikel ist in CFO aktuell (Heft 2/2020) erschienen. Mehr Infos unter: www.cfoaktuell.at


Weiterbildungstipp

Controller in der Krise | Webinar-Reihe „Controller Institut on Spot“
Wann? 12. Mai 2020 | 11:30 bis 12:30 Uhr | Anmeldung

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