Die Haftung des Managements bei Greenwashing

Wann wird die Green Claim zum Greenwashing?

Wer behauptet, grün zu sein, muss es auch tatsächlich sein und nachweisen. Falsche Umweltaussagen sind bereits jetzt irreführend; Geschädigte können Ansprüche nach UWG geltend machen. Der Entwurf der Green-Claim-RL stellt weiters klar, welche Anforderungen an Unternehmer gestellt werden, bevor Umweltaussagen veröffentlicht werden dürfen. Im Falle von Falschaussagen kann in bestimmten Fällen auch das Management zur Verantwortung gezogen werden.


1. Green Claim vs Green Washing

1.1. Was bedeutet Green Claim?

Die EU-Kommission hat 2021 Websites durchforstet; einen sogenannten „Greenwashing-Sweep“ durchgeführt. Dabei wurden 344 fragwürdige umweltbezogene Informationen in Online-Auftritten überprüft. Bei fast der Hälfte der geprüften Angaben hatten die Behörden Grund zur Annahme, dass es sich um Falschangaben handelte.[1] Unternehmen werben gerne damit, dass sie oder ihre Produkte „ökologisch“„bio“ oder „nachhaltig“ seien.

Green Claims sind Werbeaussagen mit einem Umweltbezug; die Bewerbung eines Produkts als „grün“. Dies ist grundsätzlich zulässig, aber die Aussage muss stimmen und bestenfalls überprüfbar sein. Ist sie unrichtig, spricht man von „Greenwashing“ oder „Grünfärberei“.

1.2. Unlauterer Wettbewerb und Geschäftspraktiken

Unternehmen, die sich ein nachhaltiges Image verpassen, um ihren Verkauf zu fördern, deren Werbeaussagen aber unrichtig sind, täuschen Konsumenten und verzerren den Wettbewerb. Falsche, ungenaue oder übertriebene Umweltaussagen gelten bereits jetzt als irreführend. Dabei wird bei Umweltaussagen ein besonders strenger Maßstab herangezogen, da der OGH davon ausgeht, dass Werbemaßnahmen, die an den Umweltschutz anknüpfen, besonders geeignet sind, emotionale Bereiche im Menschen anzusprechen und daher eine starke subjektive Anziehungskraft haben.[2]

Mit Umwelthinweisen darf daher nur dann geworben werden, wenn die getätigten Aussagen belegt und eine Täuschung der angesprochenen Verkehrskreise ausgeschlossen ist. Ist eine Aussage mehrdeutig, so muss jede Auslegung richtig und vertretbar sein.[3] Besteht die Gefahr, dass der umworbene Verbraucherkreis in Bezug auf den verwendeten Umwelthinweis einem Missverständnis unterliegt, sind die Werbenden zur Aufklärung verpflichtet.[4] Werbeaussagen, bei denen in unzutreffender Weise die Umweltfreundlichkeit eines gewissen Produktes angepriesen wird, sind nach Rechtsprechung des OGH auch dann irreführend, wenn sie zwar nicht in ihrer Gesamtheit unrichtig, jedoch undifferenziert sind.[5]

1.3. Stärkung von Verbraucherrechten

Zur Schaffung eines hohen Umweltschutzniveaus und um Verbrauchern die Wahl zu erleichtern und fundierte Entscheidungen zu treffen, sowie sie vor unlauteren und irreführende Geschäftspraktiken zu schützen, wurde die Richtlinie zur Änderung der RL 2005/29/EG[6] und 2011/83/EU[7] am 28.2.2024 erlassen; sie muss von den Mitgliedstaaten binnen 24 Monaten ab Inkrafttreten in nationales Recht umgesetzt werden.

Die Liste der Produktmerkmale, über die ein Unternehmer nicht täuschen darf, wurde durch Begriffe wie „ökologische und soziale Folgen“„Haltbarkeit“ und „Reparierbarkeit“ erweitert. Bei Nachhaltigkeitsvergleichen von Produkten müssen künftig Informationen über die Vergleichsmethode, die verglichenen Produkte und die Lieferanten der Produkte offengelegt werden. Die Verwendung eines nicht auf einer Zertifizierungsregelung beruhenden oder nicht von öffentlichen Behörden ausgestellten Nachhaltigkeitssiegels soll unzulässig sein.[8] Unternehmen dürfen im Übrigen zukünftig relevante Produktinformationen (wie etwa über die Beschränkung der Haltbarkeit) nicht vorenthalten.

1.4. Green-Claim-Richtlinie

Um Umweltaussagen auf glaubhafte Beine zu stellen, schlug die Kommission am 22.3.2023 ferner den Richtlinien-Entwurf über Umweltaussagen („Green-Claim-Richtlinie“) vor.[9]

Umweltbezogene Angaben zu Waren oder Dienstleistungen, Rechte und Verpflichtungen müssen definieren, worauf sie sich konkret beziehen (auf das ganze Produkt oder nur Teile davon). Sie müssen wissenschaftlich fundiert, überprüfbar und vergleichbar sein. Unternehmer müssen daher Bewertungen der Richtigkeit ihrer Angaben durchführen. Maßstab sind internationale Standards, anerkannte wissenschaftliche Erkenntnisse und die Wesentlichkeit des Umwelteffekts anhand des Lebenszyklus des Produkts.

Ferner muss ua angegeben werden, ob die Verbesserung der Umweltauswirkung erhebliche Beeinträchtigungen auf andere Umwelziele hat.[10] Bei vergleichender Werbung werden strengere Maßstäbe angesetzt, insbesondere müssen die Nachweise vergleichbar sein.

Bei ausdrücklichen Umweltaussagen (das sind solche, die den Lebenszyklus und die Umweltleistung betreffen) müssen Informationen zu Produkt, Unternehmer und Umweltaussage öffentlich zur Verfügung gestellt werden und spätestens alle fünf Jahre auf ihre Richtigkeit überprüft werden.

❚ Der RL-Entwurf sieht auch konkrete Anforderungen an Umweltzeichensysteme vor, ein einheitliches EU-weites Umwelt-Kennzeichnungsregime soll eingeführt werden.


❚ Bei Verstößen sollen neben den bereits existierenden Sanktionen gemäß RL 2008/799/EG Geldbußen im Ausmaß der generierten wirtschaftlichen Vorteile, die Beschlagnahmung der rechtswidrig erzielten Umsätze und der Ausschluss (für max zwölf Monate) von öffentlichen Vergabeverfahren sowie öffentlichen Finanzmitteln vorgesehen werden.

2. Haftung

2.1. Haftung nach UWG

Bei Vorliegen von unlauterem Wettbewerb können Verbraucher, Mitbewerber oder bestimmte Institutionen das Unternehmen auf Unterlassung, Beseitigung, Schadenersatz und Urteilsveröffentlichung klagen. Neben dem Anspruch gegen das Unternehmen, hat ein Geschädigter in bestimmten Fällen einen selbständigen Anspruch gegen den Inhaber eines Unternehmens: Dieser kann gemäß § 18 UWG auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wenn die unzulässige Handlung im Betrieb seines Unternehmens von einer anderen Person begangen wurde. Dabei handelt es sich um eine reine Erfolgshaftung für das wettbewerbswidrige Verhalten der ihm zurechenbaren Person. Darüber hinaus haftet der Inhaber für Schadenersatz, wenn ihm die Handlung bekannt war oder bekannt sein musste.

Inhaber des Unternehmens ist die natürliche oder juristische Person, die das Unternehmen betreibt, bei Personengesellschaften und juristischen Personen ist dies jeweils die Gesellschaft selbst, nicht aber deren Gesellschafter.[11] Organe des Unternehmens, wie Geschäftsführer, Vorstand oder Aufsichtsrat, sind nicht Inhaber des Unternehmens, sondern Unternehmensleiter und haften daher auch nicht nach § 18 UWG.

2.2. Haftung des Managements gegenüber Dritten

Das UWG enthält keine expliziten Regelungen für die Haftung von Organen. Letztere können jedoch als Beteiligte haften, wenn sie an der unlauteren Handlung mitwirken.

Darüber hinaus haftet die Geschäftsführung nach ständiger Rechtsprechung des OGH, wenn die Handlung im Betrieb des Unternehmens von jemand anderem begangen wird und das Organ trotz Kenntnis oder fahrlässiger Unkenntnis des Verstoßes nicht dagegen einschreitet.[12] In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass der OGH davon ausgeht, dass die Beweislast für die Verantwortlichkeit des Organs am Wettbewerbsverstoß grundsätzlich der Kläger trägt. Sofern aber im Einzelfall aus der Art des Wettbewerbsverstoßes mit so großer Wahrscheinlichkeit auf die Verantwortlichkeit eines bestimmten Organs geschlossen werden kann, muss der Geschäftsführer beweisen, dass er ohne sein Verschulden verhindert wurde, gegen den Verstoß einzuschreiten.[13] Gleiches gilt im Übrigen für den faktischen Geschäftsführer.[14]

Im Gegenzug können juristische Personen Störer, Mittäter, Anstifter oder Gehilfen aufgrund des Verhaltens ihrer Organe sein, das ihnen selbst zugerechnet wird.[15] Die Zurechnung setzt voraus, dass die handelnde natürliche Person (i) in ihrer Eigenschaft als Organ (ii) in Ausführung der ihr zustehenden Verrichtungen (iii) unlauter gehandelt hat und (iv) dieses Handeln im objektiven Zusammenhang mit dem den Organ zugewiesenen Wirkungsbereich steht.[16]

2.3. Haftung des Vorstands gegenüber dem Unternehmen

Grundsätzlich haften Geschäftsführer bzw Vorstandsmitglieder, die ihre Obliegenheiten verletzen, der Gesellschaft für den daraus entstehenden Schaden.[17] Wurde die Verletzung durch einen Dritten begangen, haftet der Vorstand, wenn er bei Kenntnis oder fahrlässiger Unkenntnis nicht eingeschritten ist und wenn der Verstoß in seinen Verantwortungsbereich fällt.[18] Für Unternehmen ist daher ein klare Aufgabenzuteilung wichtig.


Auf den Punkt gebracht

Schon bisher können Umweltaussagen unlauter und irreführend sein. Unternehmen, die ihre Produkte als „grün“„klimaneutral“„umweltfreundlich“ oä anpreisen, müssen sicherstellen, dass diese Aussagen auch der Wahrheit entsprechen. Mit Einführung der Green-Claim-Richtlinie werden hier auch Nachweise verlangt, Umweltzertifikate sollen EU-weit vereinheitlicht werden. Das Management ist daher gefordert, Marketingmaterialien, Werbeeinschaltungen und Social-Media-Auftritte eingehend (juristisch) zu prüfen bzw prüfen zu lassen, bevor es publik gemacht wird. Denn neben dem Reputationsschaden des Unternehmens wegen Greenwashing, der Haftung des Unternehmens selbst, kann unter Umständen auch das Management zur Verantwortung gezogen werden.


1Siehe Europäische Kommission, Durchforstung von Websites nach ökologischer Schönfärberei: fast die Hälfte aller umweltbezogenen Angaben nicht belegt, Pressemitteilung vom 28.1.2021.

2OGH 9. 10. 1990, 4 Ob 132/90Görg in Görg (Hrsg), Kommentar zum UWG (2020) § 2 UWG, 179.

3Siehe Anderl/Appl in Wiebe/Kodek, UWG2 § 2 (Stand 10.1.2023, rdb.at) 250.

4OGH 9. 10. 1990, 4 Ob 121/90.

5OGH 17. 11. 2015, 4 Ob 129/15x.

6Siehe Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken.

7Siehe Richtlinie über die Rechte der Verbraucher.

8Siehe Europäisches Parlament, Legislative train Schedule 01.2024, abrufbar unter https://www.europarl.europa.eu/legislative-train/theme-a-european-green-deal/file-consumers-in-the-green-transition (Zugriff zuletzt am 13.3.2024).

9Siehe COM (2023)/0085 (COD), Vorschlag für eine Richtlinie des europäischen Parlaments und des Rates über die Begründung ausdrücklicher Umweltaussagen und die diesbezügliche Kommunikation.

10Do no significant harm.

11Siehe Wiebe/Herzig in Heidinger/Handig§ 18 UWG, Rz 4 ff (Stand 1.4.2022, rdb.at).

12OGH 4 Ob 377/79Reich-Rohrwig in Straube/Ratka/Raute, WK GmbHG § 25 Rz 472 ff (Stand 1.9.2022, rdb.at) mwN Eckert/Schopper/Madari in Eckert/SchopperAktG-ON1.00 § 84 Rz 73 (Stand 1.7.2021, rdb.at).

13OGH 4 Ob 377/79.

14Siehe Reich-Rohrwig in Straube/Ratka/Raute, WK GmbHG § 25 Rz 477 (Stand 1.9.2022, rdb.at) mwN.

15OGH 4 Ob 243/99k.

16OGH 4 Ob 36/13t mwV.

17§ 25 Abs 2 GmbHG§ 84 Abs 2 AktG.

18OGH 4 Ob 137/06k.

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