Die grüne Transformation ist ein gewaltiger Gamechanger für Unternehmen

Im Gespräch mit Prof. Katrin Hummel (Abteilung für Accounting und Reporting, Wirtschaftsuniversität Wien)

Controller Institut: ESG boomt. Warum genau jetzt?

Katrin Hummel: Dafür gibt es verschiedene Gründe. An erster Stelle ist sicherlich der Klimawandel zu nennen, dessen Bekämpfung eine der größten Herausforderungen unserer Zeit darstellt. Naturkatastrophen, die indirekt im Zusammenhang mit dem Klimawandel stehen, sind in den letzten Jahren häufiger geworden. Denken Sie an die verheerenden Buschfeuer in Australien 2020 oder die Flutkatastrophe im Juli dieses Jahres in Deutschland. Dadurch werden die schädlichen Folgen des Klimawandels für die Menschen auf dramatische Art greifbarer und der Handlungsdruck auf jede/n Einzelne/n steigt. Auf Seiten der Unternehmen steigen die physischen und transitorischen Risiken, die mit dem Klimawandel verbunden sind. Diese Risiken sind materiell und manifestieren sich unter anderem in Kauf-, Finanzierungs- und Investitionsentscheidungen. Auch im Kampf um Talente auf dem Arbeitsmarkt spielt die Nachhaltigkeit eines Unternehmens insbesondere für die aufstrebende Generation Z eine immer größere Rolle. Ein weiterer Grund sind die gestiegenen regulatorischen Anforderungen, insbesondere in der EU. NFRD, EU-Taxonomie, SFDR und CSRD zwingen Unternehmen, Investor*Innen und Kreditgeber*Innen, sich mit ihrer Nachhaltigkeitsperformance auseinanderzusetzen und darüber Rechenschaft abzulegen. Mit dem Ziel der Nettonullemissionen in 2050 gibt die EU hier eine klare Richtung vor. Zusammenfassend wirken also sowohl die Kräfte des Marktes als auch der Regulierung. Dabei ist es mir wichtig zu betonen, dass zwar aktuell der Fokus stark auf dem Klimawandel liegt, Nachhaltigkeit jedoch noch weitere Umwelt- und Sozialaspekte umfasst. Diese werden in Zukunft stärker in den Vordergrund rücken.

Controller Institut: EU-Taxononmie, CSRD, Green Deal. Die EU gibt einen recht zügigen Takt zur Umsetzung vor. Was empfehlen Sie den Unternehmen? Wie können sie sich effizient darauf vorbereiten, diese Vorgaben zu erfüllen und was sind die wichtigsten To Dos?

Controller Institut: Inwieweit ist die grüne Transformation ein Gamechanger für Unternehmen? Wie weit sind hier österreichische Unternehmen?

Katrin Hummel: Die Dynamik der Regulierung in der EU ist aktuell in der Tat sehr hoch. Sowohl die Umsetzung der EU-Taxonomie im Zuge der Non-Financial Reporting Directive (NFRD) als auch der aktuelle Vorschlag zur CSRD stellt die betroffenen Unternehmen vor große Herausforderungen. Dabei muss man unterscheiden zwischen jenen Unternehmen, die bereits in der Vergangenheit im Zuge des NaDiVeG berichtspflichtig waren, und jenen Unternehmen, die zukünftig erstmalig in den erweiterten Anwendungskreis der CSRD fallen werden. Die zuerst genannte Gruppe an Unternehmen konnte in den letzten Jahren Strukturen und Prozesse für die Nachhaltigkeitsberichterstattung aufbauen. Diese Unternehmen kämpfen aktuell vor allem mit der Umsetzung der EU-Taxonomie. Hier empfehle ich den Unternehmen dringlichst, frühzeitig ihre Wirtschaftsaktivitäten im Hinblick auf die Anwendbarkeit der Taxonomie zu prüfen und diesen Prozess in die vorhandenen Strukturen und Systeme zu integrieren. Eine solche Integration ist auch im Hinblick auf die Umsetzung der erweiterten Berichtspflichten im Rahmen des CSRD Vorschlags ratsam. Für die zweite Gruppe an Unternehmen, die neu im Zuge der CSRD erstmalig berichtspflichtig wird, steht der Aufbau der Nachhaltigkeitsberichterstattung im Vordergrund. Auch hier rate ich, frühzeitig aktiv zu werden und die Nachhaltigkeitsberichterstattung „von innen heraus“ zu denken – sprich interne Strukturen und Prozesse aufzubauen und mit der externen Berichterstattung zu verknüpfen. Da Nachhaltigkeitsinformationen enorm an Bedeutung gewonnen haben, sollte mit der Berichterstattung bereits in der dreijährigen Übergangsphase gestartet werden, welche im CSRD Vorschlag für KMUs vorgesehen ist. Eine freiwillige Offenlegung kann im Hinblick auf die Informationsbedürfnisse von Kund:innen, Investor:innen und Fremdkapitalgeber:innen durchaus sinnvoll sein und erlaubt zudem frühzeitig Erfahrungen zu sammeln.

Katrin Hummel: Wie bereits eingangs erwähnt, stellt der Klimawandel aktuell die größte gesellschaftliche Herausforderung überhaupt dar. Dementsprechend ist das Thema ein gewaltiger Gamechanger für Unternehmen. In vielen Branchen findet hier eine Disruption statt, die ihresgleichen sucht. Denken Sie an die Automobilbranche und deren Umstellung auf Elektromobilität oder an die Umstellung der Energieversorgung auf erneuerbaren Quellen. Die Umbrüche sind enorm. Unternehmen, die diese Veränderung nicht oder zu spät adressieren, werden auf der Strecke bleiben. Insgesamt ist mein Eindruck, dass die österreichischen Unternehmen hier eher noch am Anfang der Entwicklung stehen, wobei es Ausnahmen gibt, die auch international wahrgenommen werden.

Controller Institut: Was zeichnet Ihrer Meinung nach den Certified ESG & Sustainability Professional und wodurch unterscheidet er sich von anderen Ausbildungen?

Katrin Hummel: Der Certified ESG & Sustainability Professional wurde speziell für den CFO-Bereich entwickelt. Er liefert das optimale Rüstzeug für die systematische Integration von Nachhaltigkeit in das Finanz- und Rechnungswesen. Dabei werden sämtliche Berührungspunkte thematisiert: Von der strategischen Ebene sowie den Governance-Strukturen, über die Berichterstattung, das Controlling und Risikomanagement bis hin zur Finanzierung. Als Referent:innen dienen renommierte Vertreter:innen aus Forschung und Praxis. Dadurch gelingt es einerseits, grundlagenorientiert die zentralen Aspekte in ihrer Komplexität abzubilden. Andererseits ist sichergestellt, dass die Inhalte die tagesaktuellsten Entwicklungen aufgreifen, was angesichts einer hohen Regulierungsdynamik enorm wichtig ist. Der Fokus auf den CFO-Bereich sowie die kompetenten Referent:innen sind für mich die zentralen Unterschiede zu anderen Ausbildungen.

Controller Institut: Warum würden Sie den Lehrgang Certified ESG & Sustainability Professional empfehlen? Welche Kompetenzen werden erworben?

Katrin Hummel: Absolvent:innen des Lehrgangs haben einen ganzheitlichen Überblick, welche Herausforderungen auf den CFO-Bereich im Kontext der nachhaltigen Entwicklung zukommen. Insbesondere kennen Sie die aktuellen regulatorischen Anforderungen und können diese erfolgreich im Unternehmen umsetzen. Hierfür erwerben sie in der Ausbildung die Kompetenzen, die für den Aufbau der internen Prozesse und Strukturen erforderlich sind. Typisch für den CFO-Bereich sind dabei fundierte Kenntnisse der notwendigen Daten und KPIs und deren Integration in das Kerngeschäft. Dies ist essentiell, um als Unternehmen optimal die Herausforderungen managen zu können. Ich erinnere nochmals daran, dass hier ein fundamentaler Wandel stattfindet.

Controller Institut: Vor welchen Herausforderungen stehen Finance-Mitarbeiter und wie kann der Lehrgang beitragen diese besser und schneller zu bewältigen?

Katrin Hummel: Auch für Finance-Mitarbeiter gilt es, sich in einem rasch ändernden Umfeld zurechtzufinden. Die Nachfrage nach Nachhaltigkeitsinformationen von Seiten der Investoren und Fremdkapitalgeber hat in den letzten Jahren enorm zugenommen. Die Integration dieser Informationen in Kredit- und Anlageentscheidungen ist Realität. Auch hier wirken einerseits Markt- und andererseits regulatorische Kräfte. Die EU-Taxonomie, Green Bond Standard sowie SFDR sind nur einige aktuelle regulatorische Entwicklungen, die sich auch im Finance widerspiegeln werden. Entsprechend vertiefte Kenntnisse sind für die bedarfsgerechte Aufbereitung der Informationen unabdingbar.

Controller Institut: Wie funktioniert hier die Umsetzung in die Praxis?

Katrin Hummel: Finance-Mitarbeiter:innen werden sich in der Praxis zunehmend mit der Messung und Steuerung der Nachhaltigkeitsrisiken ihres Unternehmens auseinandersetzen müssen. Insbesondere die bereits erwähnten physischen und transitorischen Risiken werden in Zukunft eine immer stärkere Rolle bei der Kredit- und Kapitalvergabe von Banken und Investoren:innen spielen. International zeigt sich ein starker Aufwärtstrend im Bereich der nachhaltigen Investitionsmöglichkeiten, sodass insbesondere für Finance-Mitarbeiter:innen umfassende Kenntnisse im Bereich der Nachhaltigkeit zunehmend an Bedeutung gewinnen werden.


Weiterbildungstipp: Eine gute Möglichkeit herauszufinden, wie Sie nachhaltig arbeiten können, ist unser neuer Lehrgang Certified ESG & Sustainability Professional.

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