Der „Fall Steinhoff“ – Ein spektakulärer Bilanzskandal

Die Ereignisse rund um den in Turbulenzen geratenen Steinhoff-Konzern beschäftigen die Medien seit dem Jahreswechsel 2017/2018 intensiv – besonders auch in Österreich, wo er über den kika/Leiner-Teilkonzern über eine starke Marktpräsenz verfügt und weite Teile der Verwaltung angesiedelt hat. Für viele, vor allem Lieferanten und Kreditgeber, kam diese Entwicklung überraschend, wiewohl bereits einige Zeit zuvor kritische Signale zu beobachten waren. Genauer Auslöser und Umfang der vermuteten Malversationen sind gegenwärtig noch unklar. Dieser Beitrag fasst das, was schon bekannt ist, zusammen. Dabei zeichnet sich ein Lehrstück hinsichtlich der Grenzen und des Preises eines Wachstums um jeden Preis (aber ohne schlüssigem Geschäftsmodell) – und hinsichtlich Kernfragen der verantwortungsvollen Unternehmensführung – ab.

Vorbemerkungen

Die nachfolgenden Ausführungen fassen die wichtigsten Ereignisse iZm dem sog Steinhoff-Bilanzskandal zusammen, wie sie mit Anfang Februar 2018 öffentlich zugänglich waren. Die Ausführungen beziehen sich grundsätzlich, wo nicht gesondert ange­geben, auf Informationen, die in Fachmedien, Tageszeitungen und offiziell zugänglichen Unternehmensinformationen publiziert wurden. Zahllose Fragen bleiben dabei allerdings noch immer offen, nicht zuletzt durch eine intransparente Kommunikationspolitik vonseiten des Konzerns. Vieles deutet aber gegenwärtig darauf hin, dass Malversationen in einer Dimension vorliegen, die jene von Skandalen wie bei Enron oder Parmalat erreichen. Die genauen Hintergründe sind noch Gegenstand forensischer und auch gerichtlicher Untersuchungen, deren Ergebnisse nicht vorweggenommen werden können.

 

Der Aufstieg

Die Historie des Steinhoff-Konzernes galt lange Zeit als eine exzeptionelle Erfolgsgeschichte: vom kleinen lokalen Betrieb zum Weltkonzern. 2011 galt Steinhoff in Europa als wichtigster Konkurrent des Weltmarktführers Ikea. In Österreich nahm der Konzern ebenso Platz 2 im Möbelhandel ein, hier verzeichnete der kika/Leiner-Teilkonzern einen Markt­anteil von rund 24 %, hinter dem Lutz-Konzern (rund 35 %) und noch vor Ikea (rund 16 %). Steinhoff ist heute auf vier Kontinenten tätig und beschäftigt rund 80.000 Mitarbeiter. Dem Konzern wird zwar keine „Systemrelevanz“ wie etwa einem wichtigen Finanz­dienstleister eingeräumt, zahlreiche wirtschaftliche Existenzen sind jedoch untrennbar an die seinige geknüpft.

Alles begann am 1. 7. 1964 in Westerstede, einer Kreisstadt mit 22.000 Einwohnern im Nordwesten Niedersachsens. Der im November 1937 geborene Bruno Ewald Steinhoff gründete damals die „Bruno Steinhoff Möbelvertretungen und -vertrieb“, eine Import­gesellschaft mit Handelsagentur. Diese spezialisierte sich auf den Import von Möbeln aus dem damaligen Ostblock. Bereits 1970 wurde in Ergänzung dazu die erste Polstermöbelfabrik gegründet und das Betätigungsspektrum ausgeweitet, auch in der Form von Unternehmensgründungen. Der Fokus lag von Anfang an auf raschem Wachstum. Schon 1980 steht der Name Steinhoff für einen Konzern, der sieben Unternehmen umfasst und zunehmend internationale Aktivitäten zu entfalten beginnt.

Mit dem Mauerfall wird Ostdeutschland für die Möbelproduktion erschlossen. Der Steinhoff-Konzern etabliert sich als einer der größten Investoren in den neuen Bundesländern und übernimmt acht Produktionsstätten. Er etabliert sich damit als einer der bedeutendsten Polstermöbelhersteller am Markt. Dies stellt jedoch erst den Startschuss für ein folgendes rasantes Wachstum dar: Bis 1996 wird die Produktion in Osteuropa durch laufende Werksgründungen forciert. Der Steinhoff-Konzern beschäftigt bis 1996 in Europa mehr als 5.000 Mitarbeiter in 20 verbundenen Unternehmen.

1997 erfolgt ein erster Schritt nach Südafrika, der in einer Verschmelzung mit dem südafrikanischen Teil des Konzerns des deutschen Unternehmers Claas Daun mündet. Dieser hatte seit Ende der 1970er-Jahre im benach­barten Rastede einen der größten Textilkonzerne Deutschlands aufgebaut. Seine Unternehmensgruppe wuchs vor allem durch Akquisitionen. Dabei wurden in der Regel Unternehmen, die in massive wirtschaftliche Schieflagen geraten waren, aufgekauft und zumeist bei massiven Personalkürzungen restrukturiert. Daun selbst war bereits länger in Südafrika über den Schaumstoff- und Möbelhersteller Gomma-Gomma tätig, der nun Teil des Steinhoff-Konzerns wurde. In Folge wurde die Steinhoff Möbel in Kapstadt gegründet, die später als Steinhoff Africa in Erscheinung tritt.

Um der zunehmend internationalen Struktur des Konzerns Rechnung zu tragen, erfolgte 1998 die Gründung der Steinhoff International Holdings Ltd. Sie koordiniert seither die Geschäftsbeziehung zwischen Steinhoff Deutschland, Steinhoff Europe und Steinhoff Africa. Seit September 1998 ist sie an der Johannesburger Börse notiert.

Im selben Jahr wird der südafrikanische Chartered Accountant Markus Jooste Executive Director für die europäischen Aktivitäten, 2000 erfolgte die Beförderung zum CEO der Holding. Ein weiterer Bedeutungs­gewinn ist 2008 zu verzeichnen, als der Firmengründer Bruno Steinhoff seine operativen Agenden abgibt. Joostes Hintergrund ist von besonderem Interesse: Mit 27 wurde er Finance Director bei GommaGomma, wo er sein Naheverhältnis zu Claas Daun aufbaute (der so zu seinem beruflichen Mentor wurde). Er überzeugte diesen Medienberichten zufolge auch, das Unternehmen mit dem Steinhoff-Konzern zu fusionieren.

Unter Joostes Führung wurde schließlich ab 2000 ein besonders aggressiver Wachstumskurs verfolgt. Diese Zeit wird in einem Artikel des Manager Magazins wie folgt beschrieben:

„Von da an geht es Schlag auf Schlag. Die Produktion in Ostdeutschland wird abgewickelt und ins deutlich günstigere Polen verlegt – dafür in Großbritannien, Australien und Südafrika und Neuseeland zugekauft. Ein eigenes Beschaffungsbüro eröffnet Steinhoff in China, und er investiert kräftig in die Logistik – mit dem Ziel, sämtliche Bereiche der Wertschöpfungskette von der Rohstoff­gewinnung über die Produktion bis hin zur Logistik und zum Verkauf zu kontrollieren. Es folgen weitere teils spektakuläre Übernahmen und Tausch­geschäfte, die Steinhoff – zu dem auch der deutsche Billig-Einrichter Poco gehört – wachsen und wachsen lassen. 2011 übernimmt Steinhoff für 1,2 Milliarden Euro die französische Möbelhandelskette Conforama. Ein Deal, der den Möbelhändler auf Rang zwei der Branche in Europa – hinter Ikea – katapultiert.“

Gleichzeitig wurde das Produktportfolio immer diversifizierter und umfasste ua Elektrohändler. Auch der amerikanische Markt wurde erschlossen. Aus österreichischer Sicht besonders relevant: 2013 erfolgte die Übernahme der kika/Leiner-Gruppe – allerdings unter Voraussetzungen, die gegenwärtig besonders kritisch beleuchtet werden.

In dieser Zeit etablierte sich der Kontakt zum südafrikanischen Juristen und Unternehmer Christo Wiese. Dieser war ua Eigentümer verschiedener Unternehmen. Dessen Pepkor-Kleidungshandelskette wurde von Steinhoff 2014/2015 übernommen und Wiese im Zuge dessen zum bedeutendsten Großaktionär bei Steinhoff sowie Vorsitzenden des Aufsichtsrats. Die daneben von ihm kontrollierte südafrikanische Supermarktkette Shoprite, die größte Handelskette Afrikas, verblieb im Mehrheits­eigentum Wieses, sollte aber bis zuletzt mit dem Steinhoff-Konzern zusammengeführt werden (was allerdings letztlich am Widerstand zahlreicher Co-Eigentümer scheiterte). Markus Jooste war einst auch in den von Wiese gehaltenen Unternehmen engagiert und darüber hinaus persönlicher Freund Wieses.

Diese Zeit war weiters von zahlreichen weiteren Umstrukturierungen des Konzernes geprägt. Einen der letzten Höhepunkte der bisherigen Unternehmensgeschichte stellte schließlich die Verlegung des Erstlistings von der Johannesburger an die Frankfurter Börse dar. 2016 wurde die Steinhoff International Holdings N.V. (mit Sitz in Amsterdam) im MDAX gelistet. Der Aktienkurs verdreifachte sich im Vorfeld des Listings zwischen Ende 2012 und Anfang 2016. Der Konzern umfasste dabei eine komplexe Struktur, die von ihm selbst im Rahmen einer Bankenpräsentation 2017 wie in Abb 1 dargestellt visualisiert wurde.

 

Der Fall

Der verfolgte Wachstumskurs und die Praktik, strauchelnde Unternehmen unter oftmals schwierigen Marktbedingungen aufzukaufen, wurde von Kommentatoren schon früh kritisch gesehen. Besondere Aufmerksamkeit erfuhren dabei zwei Umstände: die hohen, oftmals von Dritten nicht nachvollziehbaren Kaufpreise, die im Rahmen von Unternehmens­erwerben gezahlt wurden, und die im Branchenvergleich besonders geringe Konzern­steuerquote von rund 12 %. Gerade Letzteres ließ oftmals den Vorwurf laut werden, dass sich der Steinhoff-Konzern auf Steueroptimierung denn auf sein Kerngeschäft fokussiere. Während Ikeas Wachstumskurs von Synergien profitierte, waren solche im fragmentierten Geschäftsmodell des Steinhoff-Konzerns fast ausgeschlossen. Bereits im Jahr 2007 veröffentlichten Analysten von JPMorgan Chase & Co. einen 56-seitigen Bericht, der kritische Fragen dazu aufwarf und besonders die Intransparenz in der Rechnungslegung des Steinhoff-Konzerns hervorstrich. Die vom Management des Konzerns vorgelegten Zahlen (und Wachstumsraten von mitunter über 30 % pa) konnten hier aber stets alle Zweifel zerstreuen.

Abb 1: Vereinfachte Darstellung der Struktur des Steinhoff-Konzerns; Quelle: Steinhoff, Bankenpräsentation vom 19. 12. 2017 (2017) 12

Dennoch: 2015 begannen sich erste deutliche Signale drohenden Unheils zu zeigen. Wie das Manager Magazin im Sommer 2017 berichtete, ermittelte die Staatsanwaltschaft Oldenburg seit Sommer 2015 wegen Verdachts auf Bilanzmanipulation und Urkundenfälschung. Konkret wird vermutet, „dass überhöhte Umsatzerlöse in die Bilanzen konzernzugehöriger Gesellschaften eingeflossen sind“. Diese sollen wiederum in Verbindung mit Verträgen über immaterielle Vermögens­werte oder Geschäfts­anteile stehen und dreistellige Millionen­beträge ausmachen.

Im Zuge von Razzien wurden Verträge gefunden, die von Andreas Seifert, Haupteigentümer der Möbelkette XXXLutz, unterzeichnet sein sollen. Diese betreffen noch eine Zeit, in der gemeinsame Expansionspläne von XXXLutz und Steinhoff verfolgt wurden, die jedoch im Streit und einem Einzug der von Seifert gehaltenen Poco-Anteile endeten. Seifert bestritt jede Kenntnis von der Existenz der gefundenen Verträge und erstattete seinerseits Anzeige wegen Urkundenfälschung. Nicht auszuschließen, dass dieser Rechtsstreit auch den Auslöser für die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen darstellte.

Nach Bekanntwerden dieser Vorwürfe Mitte des Jahre 2017 verzeichnete die Steinhoff-Aktie deutliche Kursrückgänge. Hauptbeschuldigter war dabei CEO Markus Jooste, aber auch gegen weitere Top-Manager des Konzerns wurde ermittelt. Ein Ergebnis der Ermittlungen liegt bis heute nicht vor. Jooste musste allerdings wenige Monate später, am 5. 12. 2017, seine Funktion niederlegen, als es zu einem Streit mit dem Konzernabschlussprüfer Deloitte kam. Dieser weigerte sich, den für diesen zur Veröffentlichung angekündigten Konzernabschluss zu testieren. Joostes Drängen, ungeprüfte Zahlen zu veröffentlichen, wurde vom Aufsichtsrat nicht mitgetragen. Noch am 4. 12. 2017 hatte der Konzern in einer Börsemitteilung verkündet:

„The Supervisory Board of Steinhoff confirms that the 2017 consolidated financial statements will be released albeit in unaudited form on schedule on 6 December 2017. In connection with the audit of the consolidated financial statements of the Company for the financial year ended 30 September 2017, the Supervisory Board and the statutory auditors of the Company have not yet finalised their review of certain matters and circumstances, most of which were raised by the criminal and tax investigation in Germany (as previously reported).“

Mit seinem Rücktritt musste Jooste „Unregelmäßigkeiten in der Buchhaltung“ des Konzernes und große Fehler in der Vergangenheit, die er zu verantworten hätte, einräumen. Er meidet seither die Öffentlichkeit. Christo Wiese übernahm die Agenden interimistisch, legte aber am 14. 12. 2017 ebenso all seine Ämter mit sofortiger Wirkung nieder.

Näheres zu diesen kritischen Sachverhalten ist bis heute nicht bekannt. Aufschlussreich ist jedoch eine Sichtung der Key Audit Matters, die Deloitte im Geschäftsbericht 2016 anführte. Diese umfassen ua die Bewertung von Goodwill und immateriellen Vermögens­werten (fast die Hälfte der Konzernbilanzsumme 2016 entfiel auf diese beiden Kategorien von Vermögens­werten; sie überstiegen damit auch das bilanzielle Eigen­kapital) sowie die Abbildung von Unternehmenszusammenschlüssen. Auch Verrechnungspreisthematiken fanden ihre Betonung.

Die Kursreaktionen hierauf waren bereits dramatisch und fanden durch einen Report des Short Sellers Viceroy, der am 6. 12. 2017 veröffentlicht wurde, noch weitere Verstärkung. Dieser im Internet frei verfügbare Bericht war bezeichnenderweise wie folgt betitelt: „Viceroy unearths Steinhoff’s skeletons – off-balance sheet related party entities inflating earnings, obscuring losses.“

Im Bericht wird dem Management von Steinhoff vorgeworfen, ein komplexes Konstrukt nichtkonsolidierter Zweck­gesellschaften eingerichtet zu haben, um so eine Optimierung des Bilanzbildes zu erreichen – mit deutlichen Parallelen zu Enron. Verschiedene Unternehmen, die entweder im Einfluss von Christo Wiese oder ehemaligen Steinhoff-Mitarbeitern stehen, sollen zB verlustbringende Konzernteile aufgekauft haben oder durch gewährte Kredite das Finanzergebnis des Konzernes stützen. Rückflüsse fanden in Form von zu hohen bezahlten Kaufpreisen für akquirierte Unternehmen ihren Niederschlag.

Besondere Aufmerksamkeit erfuhr in dem Bericht auch der Kauf des kika/Leiner-Teilkonzerns: Dieser soll zunächst ebenso über eine eigens gegründete Zweck­gesellschaft abgewickelt worden sein, um die operativen Verluste der erworbenen Gesellschaften zu verschleiern. Eine Integration in den Steinhoff-Konzernabschluss folgte erst später im Rahmen weiterer Transaktionen mit dieser Zweck­gesellschaft.

Der nunmehrige kika/Leiner-Teilkonzern wies zu diesem Zeitpunkt aber bereits positive Ergebnisbeiträge aus dem nichttransparenten und manipulationsanfälligen Posten „Wissens-Dienst­leistungen und Zuschüsse für die Förderung der Markennamen“ sowie aus der Veräußerung von Sach- und immateriellen Vermögens­werten (diesfalls an den Steinhoff-Konzern) aus. Auch hier wird der Verdacht erhoben, dass mit solchen Transaktionen zwischen konsolidierten und nichtkonsolidierten Unternehmen, die unter der Kontrolle des Steinhoff-Konzerns stehen, vor allem Bilanzmanipulation betrieben werden sollte. Im Anhang des Reports wurde eine Visualisierung der vermuteten tatsächlichen Konzernstruktur aufgenommen, die in ihrer Komplexität weit über jede bisher kommunizierte Information hinausreicht.

Dem Unternehmen, das hinter diesem Report steht, ist freilich mit Vorsicht zu begegnen, besteht sein Geschäftsmodell schließlich darin, Gewinne daraus zu erzielen, Unternehmen wie im gegenständlichen Fall unter Druck zu setzen. Nicht in allen Fällen halten die geäußerten Vorwürfe einer kritischen Betrachtung stand. Weiters geben das Timing der Veröffentlichung und die schlechte formale Qualität des Berichts zumindest zu denken. Im Zusammenhang mit dem bereits Bekanntgewordenen war die Wirkung auf die Börsen dennoch fatal: Im Jahresvergleich sackte der Aktienkurs schließlich um rund 90 % ab und verharrt seither auf diesem niedrigen Niveau. Moody’s stufte die Aktie sogar auf Ramschniveau herab. Weiter verschlimmert wurde diese Entwicklung durch den Umstand, dass vonseiten des Managements des Steinhoff-Konzerns zu Natur und Umfang der vorliegenden Unregelmäßigkeiten keine klare Kommunikation erfolgte – was die schlimmsten Befürchtungen befeuerte (siehe Abb 2).

Abb 2: Entwicklung des Aktienkurses der Steinhoff International Holdings N.V.; Quelle: https://www.finanzen.net/aktien/steinhoff_international-Aktie (Zugriff am 11. 2. 2018)

Die ungewisse Zukunft

Das Top-Management des Steinhoff-Konzerns ist inzwischen ausgewechselt und es obliegt seinen Nachfolgern, den Konzern durch diese schwierige Zeit zu führen. Unterstützung erhalten sie vom Wirtschaftsprüfer pwc, der zur Aufarbeitung der identifizierten Unregelmäßigkeiten engagiert wurde. Christo Wiese hat seine Anteile am Steinhoff-Konzern wesentlich reduziert. Nachdem ihm diese vormals einen Rang als einen der reichsten Männer der Republik Südafrika sicherten, führte der Kursverfall der Aktie dazu, dass er hohe Vermögensverluste zu verzeichnen hatte. Nach seinem Verkauf beläuft sich sein Anteil am Konzern auf rund 6 % nach zuvor rund 21 %. Der drastische Kurseinbruch der Steinhoff-Aktie befasst aber inzwischen auch die Gerichte: So hat die BaFin in Zusammenarbeit mit südafrikanischen Ermittlungsbehörden eine Untersuchung wegen des Verdachts der Marktmanipulation und des Insiderhandels eingeleitet.

Als größtes Problem erwies sich in den vergangenen Monaten die Sicher­stellung der Liquidität für die Konzern­gesellschaften. In Summe ist der Konzern mit rund 10 Mrd € verschuldet, von denen wiederum rund zwei Mrd € im Jahr 2018 zu refinanzieren sind. Die Konzernfinanzierung sicherzustellen, war bisher eine zentralisierte Aufgabe. Die Aufnahme klassischer Finanzierungsformen ist zurzeit jedoch ausgeschlossen. Erschwerend kam dabei das Aussetzen des im Konzern praktizierten Cash-Poolings hinzu, das aus haftungs­rechtlichen Gründen erforderlich wurde. In Folge daraus – und eines weitgehenden Zusammenbruchs in der Konzernkoordination – mussten zahlreiche Tochter­gesellschaften bzw Teilkonzerne auf eigene Faust aktiv werden und sich um die Sicher­stellung ihrer Liquidität bemühen.

Als medienwirksames Ergebnis erhielt der französische Möbelkonzern Conforama vom französischen Investment­fonds Tikehau Capital eine Kreditlinie über 115 Mio € zugestanden. In Österreich erfolgte der Verkauf des kika/Leiner-Flagship-Stores auf der Mariahilfer Straße in Wien. Auf Konzernebene wird darüber hinaus über den Verkauf einzelner Beteiligungen verhandelt, um entsprechende Mittelzuflüsse zu generieren. Weiters ließ Steinhoff zuletzt damit aufhorchen, eine Einigung mit den Besitzern einiger „convertible bonds“ anzustreben, Verzichtserklärungen ( „waivers“) ua im Hinblick auf bestimmte festgelegte Sanktionen abzu­geben, die aus der nicht fristge­rechten Veröffentlichung des Konzernabschlusses für das Jahr 2017 resultieren. Damit erhofft man sich vor allem, weitere Zeit zu gewinnen.

Viele der Finanziers der Steinhoff-Gruppe versuchen inzwischen, nachdem sie von hohen Abschreibungsverlusten getroffen wurden, ihr Engagement bei Steinhoff zu reduzieren oder zu beenden. Besonders Banken haben so ihre Kredite vollständig veräußert, um ihr Risiko-Exposure zu reduzieren. Als dankbare Käufer erwiesen sich dabei Hedge­fonds wie Blackstone oder Centerbridge. Diese hoffen darauf, dass die Unternehmenskrise in absehbarer Zeit durchtaucht werden kann oder zumindest eine Umtauschmöglichkeit der Fremd­kapitaltitel in Eigen­kapitalanteile geschaffen wird, was eine attraktive Beteiligungsoption darstellen könnte.

Mitte Februar 2018 wurde angekündigt, dass die Hauptversammlung wie vorgesehen am 20. 4. stattfinden soll. Der Abschluss für das Geschäftsjahr 2017 soll aber aufgrund der laufenden Untersuchungen von pwc dort noch nicht vorgelegt werden. Dazu werde vielmehr später ein gesondertes Aktionärstreffen einberufen. Weiters wurde verlaut­bart, dass ein Chief Restructuring Officer bestellt wurde: Richard Heis, der von KPMG London kommt und langjährige Restrukturierungsexpertise einbringt.

 

Auf den Punkt gebracht

Wie es mit dem Steinhoff-Konzern weitergehen wird, hängt wohl im Wesentlichen davon ab, welche Ergebnisse zu den im Raum stehenden Unregelmäßigkeiten vorgewiesen werden können und wie schnell es den neuen Verantwortlichen gelingen wird, das Vertrauen zu ihren Stakeholdern aufzubauen. Dies lässt sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht abschätzen. Bis dahin bleiben folgende wesentliche Erkenntnisse:

Ein nachhaltiges Geschäftsmodell kann nicht durch Wachstumsfantasien substituiert werden.
Zu enge personelle Verflechtungen (vulgo „Seilschaften“) sind im unternehmerischen Bereich zumeist ein großes Problem für eine wirksame Corporate Governance.
Nicht zu kommunizieren, kann mitunter größeren Schaden für Unternehmen anrichten als jedes potenzielles Schuldeingeständnis – oder zumindest die offene Darstellung, was man alles selbst nicht weiß.
Buchhalter, die an die Spitze großer Unternehmen und Konzerne befördert werden, scheinen oftmals gefährdet, eine allenfalls als fehlgeleitet zu bezeichnende Kreativität zu entwickeln.

 

Dieser Artikel wurder zuerst in CFO aktuell – Zeitschrift für Finance & Controlling (Heft 2/2018) veröffentlicht. www.cfoaktuell.at

 

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