COVID-19-Krise und die Neuausrichtung des Manufacturing Footprints

Ausgehend von der COVID-19-Krise und der voraussichtlich daraus resultierenden Rezession, der Einführung von Grenzkontrollen und der Beschränkung des Personenverkehrs wird die Frage nach einer Neuausrichtung des Manufacturing Footprints in den Fokus rücken. Selbst wenn die aktuell bestehenden Einschränkungen wegfallen, bedeutet das nicht automatisch, dass die Produktion wieder „normal laufen“ kann, da z.B. wesentliche Inputs noch nicht verfügbar sind. Zum Normalbetrieb gehört auch eine funktionierende Supply Chain und diese kann noch deutlich länger stottern (z.B. aufgrund von Ausfuhrbeschränkungen, bestehenden Produktionsstopps in anderen Ländern, dem Fehlen von günstigen Transportkapazitäten).


Somit wird sich das Management intensiv mit der Frage beschäftigen müssen, ob die Phasen von Outsourcing bzw. Verlagerungen in der Vergangenheit alle glücklich waren, und welche Standorte inkl. der entsprechenden Supply Chain in der Zukunft forciert werden und welche eine geringere Relevanz haben bzw. geschlossen werden sollen. Neben den Zielen der Kostenreduktion, der Steigerung der Auslastung sowie der Optimierung der Produktionsprozesse muss auch eine funktionierende Supply Chain in die Diskussion rund um die Neuausrichtung eingehen. Das Management benötigt dafür ein Instrument, dass schnell robuste und entscheidungsrelevante Ergebnisse bereitstellen kann. Das Instrument muss dabei Inputs aus unterschiedlichen Unternehmensbereichen vereinen, zahlreiche Datenquellen nützen, komplexe Wirkungsketten abbilden und gleichzeitig in der Lage sein eine flexible, dynamische Simulationslösung anzubieten.

Für die Entwicklung eines Instruments zur Entscheidungsunterstützung bei der Neuausrichtung des Manufacturing Footprints hat sich folgendes Vorgehensmodell, das sich in drei Phasen untergliedern lässt, bewährt. Die drei Phasen, die Klärung der strategischen Eckpunkte, die tatsächliche Simulation der Optionen sowie die Unterstützung in der Umsetzung werden im Folgenden skizziert.

Abbildung 1 Vorgehensmodell zur Manufacturing Footprint Optimierung

Abbildung 1 Vorgehensmodell zur Manufacturing Footprint Optimierung

1. Klärung der strategischen Fragestellung

Entwicklung und Evaluierung von entscheidungsrelevanten Szenarien

In einem ersten Schritt werden gemeinsam mit dem Management die grundlegenden strategischen Stoßrichtungen erarbeitet und Leitplanken für die weitere Definition der Szenarien festgelegt.

Für die Ableitung der entscheidungsrelevanten Szenarien wird ein interdisziplinäres Projektteam benötigt, das insbesondere die Bereiche Vertrieb, Produktion, Supply Chain und Controlling abdeckt. Dabei werden neben der qualitativen Beschreibung auch die zentralen Annahmen zu Markt- und Standortentwicklung festgehalten. Im Zuge dessen sollten stets die für die Entscheidung relevantesten Szenarien priorisiert werden. Ebenfalls ist es wichtig, zu diesem Zeitpunkt eine Baseline (Vergleichsszenario) zu fixieren. Dafür können Budget und Mehrjahresplanung herangezogen werden.

Festlegung Bewertungskalkül

Um die unterschiedlichen Szenarien vergleichen zu können, muss ein einheitliches Bewertungskalkül für die Entscheidung festgelegt werden. Dabei sollte auf ein Set von unterschiedlichen Kennzahlen zurückgegriffen werden, das aus dem Steuerungsmodell des Unternehmens abgeleitet wird. Dieses Set umfasst sowohl finanzielle Kennzahlen (z.B.: Kapitalwert, EBIT, EBITDA, Investitionen, Einmalkosten, Personalkosten, …) als auch nicht-finanzielle Kennzahlen (soziale Verträglichkeit Personalauslastung, Maschinenauslastung, Flexibilität, Krisenresistenz, Wertschöpfungsanteile, etc.).

Ableitung der wesentlichen Treiber und Einflussgrößen

Auf Basis der strategischen Fragestellungen und dem Bewertungskalkül müssen die wesentlichen Treiber und Einflussgrößen erarbeitet und definiert werden. Das können zum Beispiel Produktionsmengen, Produktionskapazitäten, Bearbeitungszeiten, Personalstunden, Arbeitsplätze oder Produktionsflächen sein. Aus Vertriebssicht sind ebenfalls Nachfragemengen, Produktmix, Lieferzeiten oder auch Qualitätskriterien relevant.

Auf Basis dieser Ergebnisse kann mit der Entwicklung eines dynamischen Simulationsmodells begonnen werden.

2. Evaluierung in einem dynamischen Simulationsmodell

2.1 Aufbau & Entwicklung

Simulationslogik

Um die gesamte Tragweite der Neuausrichtung des Manufacturing Footprints simulieren zu können, muss das Tool Inputs aus verschiedensten Themengebieten verarbeiten können. Dabei sind einerseits klassische Bereiche, wie z.B.

  • Produktionsmengen und -auslastungen (Maschinen, Personal, Fläche)
  • Produktmix (Arbeitspläne, Stücklisten, Kalkulationen)
  • Infrastruktur (Maschinen, Produktionsflächen, Lagerflächen)
  • Personal (Freisetzungen, Umschulungen, Aufbau, Kollektivverträge)
  • Marktnachfrage (auf Märkte und Produkte aufgeteilt)
  • Materialeinkauf (Mengen, Verfügbarkeit, Lieferantenbedingungen)
  • Logistik (Lieferbedingungen, Lieferzeiten, Zölle, Transportkosten)

zu besichtigen, andererseits zeigt gerade die aktuelle COVID-19-Krise, dass auch Risikofaktoren bzw. nicht-finanzielle Faktoren, wie z.B. die Flexibilität, Krisenresistenz, lokale Wertschöpfung, etc. eine stärkere Berücksichtigung finden müssen. Plötzliche Grenzschließungen, verlängerte Transportzeiten und Nachfrageschocks müssen ebenso in der Simulation abbildbar sein.

Die verwendete Simulationslogik muss sicherstellen, dass die Abhängigkeiten all dieser Variablen korrekt abgebildet sind, damit die daraus resultierenden finanziellen und nicht-finanziellen Effekte ermittelt und ein kohärentes und eindeutiges Ergebnis abgeleitet werden kann. Da die Handlungsalternativen oft aus mehreren Maßnahmen bestehen, ist eine dynamische Kombination unterschiedlicher Maßnahmen ein weiterer Entwicklungsschritt, der den Entscheidungsfindungsprozess wesentlich verbessern kann.

2.2 Ergebnis der Simulation (Simulationscockpit)

Sind alle Details zu den einzelnen Szenarien erarbeitet worden und sind die Ergebnisse für das interdisziplinäre Projektteam schlüssig, können die unterschiedlichen Szenarien anhand der finanziellen und nicht-finanziellen KPIs im Simulationscockpit verglichen werden. Dabei sollten die wichtigsten Kennzahlen in passenden Diagrammen aufbereitet sein. Gemeinsam mit den festgehaltenen qualitativen Vor- und Nachteilen der Szenarien und einer eindeutigen Empfehlung für eine (oder auch keine) dieser Alternativen, bilden diese Informationen die Entscheidungsgrundlage für das Management.

Zusammenfassend zeigt Abbildung 2 den groben Aufbau eines Simulationsmodells zur Entscheidungsunterstützung für die Neuausrichtung des Manufacturing Footprints.

Abbildung 2 Modellaufbau

Abbildung 2 Modellaufbau

3. Überführung in operative Maßnahmen und laufendes Monitoring

Auf Basis dieses Ergebnisberichts trifft das Management eine Entscheidung für eine der möglichen Alternativen. Danach gilt die Aufmerksamkeit der internen und externen Kommunikation, sowie der Überführung in operative Maßnahmen bzw. Arbeitspakte und deren laufendes Umsetzungsmonitoring.

4. Conclusio

Aufgrund der COVID-19-Krise und der daraus resultierenden Rezession wird in einigen Branchen die Neuausrichtung des Manufacturing Footprints zeitnah erforderlich werden. Die Sicherung der Supply Chain muss dabei ebenso Berücksichtigung finden wie die wirtschaftlich optimale Ausgestaltung. Das Management benötigt dafür ein robustes Instrument, das insbesondere in der aktuellen Situation rasch valide Entscheidungsgrundlagen liefert. Aufgrund der hohen Komplexität der Fragestellungen, müssen frühzeitig Mitarbeiter, Ressourcen und Kapital investiert werden, um diese zu bewältigen. Die unternehmensweiten Auswirkungen einer Neuausrichtung des Manufacturing Footprints sind nicht zu unterschätzen.

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