Whistleblowing

Wesentlicher Beitrag bei der Aufdeckung von Wirtschaftsdelikten


Das Problem bei der Bekämpfung von Korruption ist, dass diese verdeckt erfolgt. Daher sind Unternehmen zur Aufdeckung von Missständen und korrupten Vorgängen mitunter auf interne Hinweise angewiesen. Diese Hinweisgeber – Whistleblower – leisten durch die Offenlegung von Missständen einen wesentlichen Beitrag bei der Aufdeckung von Wirtschaftsdelikten und anderen schwerwiegenden Verstößen gegen die Rechts­ordnung. Dadurch unterstützen sie die Gesellschaft, sich vor illegalen und illegitimen Machenschaften zu schützen.

1. Grundlegendes

Um den Begriff Whistleblowing zu illustrieren, soll als Beispiel der bekannte Panama-Papers-Skandal dienen: Ein gewisser John Doe, landläufig bekannt als Max Mustermann, hat indirekt dafür gesorgt, dass Panama seit 2016 nicht nur für den die Weltmeere verbindenden Kanal (+ 100 Mio Hits auf Google) bekannt ist. Die Veröffentlichung der Panama Papers (+ 56 Mio Hits auf Google) hat weltweit für ein gewaltiges Beben gesorgt, dessen Aufräumarbeiten nach wie vor andauern. Auf der einen Seite ist die Strafverfolgung zahlreicher Unternehmen und Einzelpersonen, die es vermeintlich nicht so genau mit der Transparenz genommen haben. Auf der anderen Seite wurde das Buch von zwei Journalisten der Süddeutschen Zeitung zum Bestseller und dem International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ) wurde der Pulitzer-Preis für Hintergrundberichterstattung verliehen. Und auch wenn John Doe nach wie vor kein Gesicht hat, eines ist sicher: Seine Stimme hat Gehör gefunden.

Ist so etwas in Österreich denkbar? Vielleicht nicht in dieser Größen­ordnung, aber sagen wir, John Doe wäre Max Mustermann und dieser hätte brisante Informationen, die er auch belegen kann. Welche Tipps würden Sie ihm geben, wenn er nach Ihrer geschätzten professionellen Meinung fragt? Wären Sie sattelfest in Ihrer Beratung? Würde es einen Unterschied machen, ob Max Mustermann Missstände in einer ausländischen Niederlassung aufgreift, die noch dazu einen Betriebsrat hat? Und was würden Sie dem Unternehmen raten, das von den Missständen betroffen ist? Würde es einen Unterschied machen, ob das Unternehmen der Arbeitgeber von Max Mustermann oder ein Lieferant, Kunde oder Geschäftsp­artner wäre? Fragen über Fragen, auf die es im seltensten Fall eindeutige Antworten gibt.

Vor diesem Hintergrund erreicht die Bedeutung von Hinweisgebern noch einmal eine ganz andere Dimension, denn ohne Hilfe von Personen mit Insiderwissen können Missstände in Unternehmen nur schwer aufgedeckt werden.

Transparency International – Austrian Chapter (TI-AC) hat sich dem Thema Whistleblowing verschrieben. In dem jährlich von Transparency International veröffentlichten Index zur internationalen Wahrnehmung betreffend Korruption lag Österreich im Jahr 2017 auf Platz 16, somit im europäischen Mittelfeld. Deshalb wurde eine eigene TI-AC Arbeitsgruppe Whistleblowing gegründet, die aus Vertretern von Behörden, der Industrie sowie Rechtsanwälten und Beratern besteht. Die Arbeitsgruppe hat es sich zur Aufgabe gemacht, einen Leitfaden zum Thema Whistleblowing zu publizieren, der sowohl an Unternehmen als auch Whistleblower gerichtet ist und Tipps für das korrekte Verhalten im Umgang mit dem Thema aufzeigt.

Das Ziel von TI-AC ist es, die Gesellschaft für das Thema Whistleblowing zu sensibilisieren. Im Zuge der Veröffentlichung des Leitfadens lud TI-AC gemeinsam mit PwC Österreich am 13. 6. 2018 zur Veranstaltung „Hinweisgeber – Helden der Moderne?“ ein. Es gab einen Impulsvortrag und eine Expertenrunde im Zusammenhang mit Herausforderungen für Unternehmen und Hinweisgeber, insb auch in Bezug auf die nicht eindeutige Gesetzeslage sowie den mangelnden Whistleblower-Schutz. Zudem wurden Best-Practice-Beispiele für Unternehmen und Whistleblower vorgestellt. Auf einige wird in der Folge eingegangen.

2. Best Practices für Unternehmen

Nach dem Motto „Don’t shoot the messenger“ tragen Unternehmen eine große Verantwortung im Umgang mit Whistleblowern. Deren Rolle ist nicht hoch genug einzuschätzen – denn sie erheben die Stimme, sprechen die Wahrheit und kämpfen für Gerechtigkeit. Nur durch einen vertrauensvollen Umgang mit Hinweisen durch Unternehmen und die Schaffung bestmöglicher Voraussetzungen zur Meldung von Verdachtsmomenten steigt der Mehrwert einer Meldung.

2.1. Meldeprozess und Meldekanäle

Möchte einer Ihrer Mitarbeiter einen Verstoß melden, so lohnen sich interne Meldesysteme, nicht nur in finanzieller Hinsicht: Diese haben für Unternehmen einen großen Mehrwert, weil sie dazu beitragen, Reputationsschäden zu verhindern, Regelverstöße zu beenden und Verluste zu vermeiden. Informieren Sie über interne Meldewege und Prozesse. Sind den Mitarbeitern die internen Meldewege nicht bekannt, besteht das Risiko, dass Hinweise nach außen getragen werden. Wie dem internationalen Bericht „Report to the Nations – 2018 Global Study on Occupational Fraud and Abuse“ der Association of Certified Fraud Examiners (ACFE) zu entnehmen ist, verlieren Unternehmen jährlich rund 5 % des Umsatzes aufgrund von Wirtschaftsdelikten. Unternehmen mit einem Meldesystem haben hingegen durchschnittlich 54 % weniger Verluste zu verzeichnen und können Missstände auch doppelt so schnell aufdecken.

Tipp: Informieren Sie Ihre Mitarbeiter über den Prozess nach einer abge­gebenen Meldung (zB Maßnahmen, Zeithorizont etc). Es ist sehr wichtig, dass die Verantwortung für Meldeprozesse bei geeigneten Abteilungen bzw Mitarbeitern angesiedelt ist (zB Legal, Compliance etc). Halten Sie den Kreis jener Personen, die die Meldung erhalten, aber möglichst klein.

2.2. Unternehmenskultur

In der Unternehmenskultur sollte die Akzeptanz und Wichtigkeit von Hinweisgebern verankert sein. Schließlich betreffen Meldungen nicht nur die beteiligten Personen, sondern das gesamte Unternehmen. Setzen Sie sich für Hinweisgeber ein. Spüren Mitarbeiter, dass die Unternehmensleitung voll und ganz hinter dem Thema steht, werden sie auch entsprechend handeln („tone from the top“). Zusätzlich beeinflussen eine offene Unternehmenskultur und ein werteorientiertes Leadership die Wirkung eines Hinweisgebersystems positiv.

Tipp: Schaffen Sie eine für Hinweisgeber offene und wertebasierte Unternehmenskultur („tone from the top“) und verankern Sie ein positives Bild für Hinweisgeber. Sorgen Sie für eine kontinuierliche Kommunikation des Zwecks und Mehrwerts von Hinweisen im Unternehmen.

2.3. Anonymität

Anonymität spielt eine wesentliche Rolle: Betroffene, sprich Hinweisgeber, Hinweisbearbeiter oder im Hinweis benannte Personen, werden oftmals zur Zielscheibe von Anfeindungen und Vergeltung. Deshalb gilt: Schützen Sie Betroffene. Um dieser Empfehlung nachzukommen, sollten Sie ein zuverlässiges Hinweisgebersystem implementieren, das die Integrität aller Beteiligten schützt. Auch eine angemessene Aufklärung der Mitarbeiter kann dazu beitragen, negative Assoziationen mit Hinweisgebern zu vermeiden und die Wertschätzung für diese Personen zu stärken.

Tipp: Setzen Sie Hinweisgeber nicht unter Druck, ihre Identität preiszu­geben. Implementieren Sie Meldekanäle, die die Anonymität der Hinweisgeber schützen. Setzen Sie Maßnahmen gegen mögliche Vergeltungsschläge (zB No-Retaliation-Richtlinie).

2.4. Schutz des Unternehmens

Nicht nur der Schutz der Betroffenen, sondern auch der Schutz des Unternehmens darf nicht außer Acht gelassen werden. Jeder Hinweis hat Folgen. Die Auswirkungen von Hinweisen sind sehr vielfältig und betreffen die Reputation des Unternehmens, rechtliche Implikationen und das Risikomanagement. Werden Hinweise vom Unternehmen ignoriert oder verspätet behandelt, erhöht sich das Risiko, dass die Meldung an Dritte weiterge­geben wird. Damit verlieren Sie die Kontrolle über die Situation.

Tipp: Überlegen Sie sich mögliche Auswirkungen auf Stakeholder, Lieferanten etc und entscheiden Sie erst danach über notwendige Handlungen und die beste Kommunikation nach außen. Eine rasche Bearbeitung von Hinweisen hilft, das Risiko einer Meldung an Dritte zu minimieren.

3. Best Practices für Hinweisgeber

Die Mithilfe von Personen mit Insiderwissen ist oftmals der einzige Schlüssel, um Missstände gezielt aufdecken zu können. Daher ist es von großer Wichtigkeit, dass potenzielle Whistleblower eine realistische Vorstellung möglicher Szenarien haben, in denen sie mit Missständen im Unternehmen konfrontiert sein könnten. Wie Whistleblower am besten Hinweise melden bzw welche Schritte hier zu beachten sind, wird in der Folge an ausgewählten Best-Practice-Beispielen erläutert.

3.1. Integrität

Grundsätzlich ist zu bedenken: Je früher Missstände aufgedeckt werden, desto eher kann eine Korrektur vorgenommen werden. Seien Sie daher mutig und zeigen Sie Missstände auf. Hinweisgebern sollte bewusst sein, dass durch die Meldung eines potenziellen Fehlverhaltens das Unternehmen nicht geschädigt, sondern vielmehr unterstützt wird – selbst wenn der Inhalt der Meldung im ersten Moment unangenehm sein mag. In allen Verdachtsfällen gilt: Werden Sie keinesfalls selbst als Detektiv tätig, denn persönliche Ermittlungen können nicht nur Verzögerungen verursachen, sondern in weiterer Folge auch zu Verzerrungen des Sachverhalts und im schlimmsten Fall sogar zur Beweisvernichtung führen.

Tipp: Bei der Abgabe eines Hinweises sollten Sie folgende Fragen adressieren: Wer? Was? Wo? Wann? Wie? Warum? Kommunizieren Sie über die vorge­gebenen Meldewege und legen Sie den Fokus auf Schlüsseldetails, damit der Sachverhalt so rasch wie möglich aufgearbeitet werden kann.

3.2. Anonymität

Eine entscheidende Rolle für das Verhalten eines Whistleblowers spielt auch der (vertrauliche) Umgang mit der Person bzw der Schutz der Identität. Mit Namen versehene Meldungen können dabei helfen, Spekulationen im Unternehmen zu vermeiden. Wollen Sie Ihre Meldung dennoch anonym abgeben, ist folgender Rat zu beachten: Verlassen Sie sich nicht auf Ihre Anonymität. Eine absolute Anonymität kann seitens des Unternehmens in keinem Fall vollständig gewährleistet werden. So kann zB die Pflicht zur Offenlegung bestimmter (persönlicher) Daten zur Identifizierung des Whistleblowers führen.

Tipp: Überlegen Sie genau, wem Sie sich anvertrauen wollen und informieren Sie sich im Vorfeld bei Beratungsstellen bzw über geeignete Meldestellen. Wägen Sie die Vor- und Nachteile der Preisgabe Ihrer Identität gut ab. Nutzen Sie weder Ihren Arbeitsplatz noch Ihr Diensthandy für Recherchen für Ihre Meldung. Sind Sie aufgrund bestimmter Umstände der Meinung, einfach als Hinweisgeber identifiziert werden zu können, sollten Sie erwägen, ob die Preisgabe Ihrer Identität im konkreten Fall nicht vielleicht mehr Schutz bieten würde.

3.3. Fakten

So banal diese Aussage auch klingen mag: Ein Hinweisgebersystem sollte keinesfalls zur wissentlichen Abgabe von Falschmeldungen missbraucht werden. Bleiben Sie bei der Wahrheit. Auch wenn sich gewisse Informationen nicht belegen lassen, sollte eine Meldung nicht mit Falschaussagen untermauert werden. Zudem sollten Beratungen durch Personen im Familien- bzw Freundeskreis vermieden werden, um Indiskretionen und unbeabsichtigte Eigendynamiken zu vermeiden.

Tipp: Bleiben Sie unbedingt bei der Wahrheit. Falsche Meldungen oder Ausschmückungen des tatsächlichen Sachverhalts können nicht nur strafbar sein (§ 297 StGB; Verleumdung), sondern auch zur Minderung Ihrer Glaubwürdigkeit führen.

3.4. Rechtslage

Nicht selten werden Whistleblower und/oder Unternehmen unmittelbar mit rechtlichen Konsequenzen konfrontiert. Die Rechtslage im Hinblick auf Whistleblowing und damit verbundene Ermittlungen sind auf österreichischer und Unionsebene nicht einheitlich und abschließend geregelt. Daher gilt: Informieren Sie sich, bevor Sie handeln. Auch wenn die Rechtslage zu diesem Thema nicht ausreichend geklärt ist, können gezielte Schutzmaßnamen für Hinweisgeber über gesetzliche Bestimmungen hinaus im Unternehmen etabliert werden.

Tipp: Halten Sie bei Unklarheiten Rücksprache mit Rechtsexperten. Informieren Sie sich über mögliche arbeits-, zivil-, und straf­rechtliche Folgen einer Meldung. Seien Sie sich über mögliche Sanktionen seitens des Arbeitgebers bewusst.

Whistleblower spielen in unserer Gesellschaft eine zentrale Rolle, denn ohne deren Bereitschaft, Hinweise zu melden, würden viele Missstände unentdeckt bleiben. Daher sind Whistleblower vom Gesetzgeber umfassend zu schützen und ist die Einhaltung von Richtlinien sowohl durch Unternehmen als auch durch Whistleblower für den Aufklärungserfolg bei Missständen maßgeblich.

4. Kommissionsvorschlag zu einer neuen Richtlinie zum Schutz für Hinweisgeber

Auch die Europäische Kommission reagiert auf jüngste Skandale, die ohne Whistleblower nicht aufgedeckt worden wären, und ruft zum einheitlichen europäischen Schutz für Hinweisgeber auf. Aktuell besteht in nur zehn Mitgliedstaaten umfassender Schutz für Hinweisgeber; Österreich zählt nicht dazu.

Auf den Punkt gebracht

Whistleblowing ist ein Instrument, das zur Transparenz in Unternehmen beitragen kann, wenn es richtig eingeführt, intern entsprechend kommuniziert und gepflegt wird.


Verwendete Quellen

Hinweisgeber und Unternehmen sind abrufbar unter https://www.ti-austria.at/wp-content/uploads/2018/06/TI-AC_Whistleblowing-Leitfaden.pdf (Zugriff am 10. 12. 2018).

http://europa.eu/rapid/press-release_IP-18-3441_en.htm (Zugriff am 10. 12. 2018).

Association of Certified Fraud Examiners, Report to the Nations – 2018 Global Study on Occupational Fraud and Abuse (2018) https://s3-us-west-2.amazonaws.com/acfepublic/2018-report-to-the-nations.pdf (Zugriff am 10. 12. 2018).

https://www.icij.org/investigations/panama-papers/20160506-john-doe-statement/ (Zugriff am 10. 12. 2018).

Transparency International – Austrian Chapter, Wer wir sind (2018) https://www.ti-austria.at/wer-wir-sind/ (Zugriff am 10. 12. 2018).


Der Artikel ist in CFO aktuell (Heft 2/2019) erschienen. Mehr Infos unter: www.cfoaktuell.at

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