Was bedeutet Goodh­art’s Law?

Stellen Sie sich vor, Sie wollen Ihr Management-System umbauen und klarere und genauere Ziele für Ihre Mitarbeiter festlegen. Am besten wäre es, wenn die Zielgrößen und Werte eindeutig und einfach sind, zugleich aber eine gute Verbindung zum übergeordneten Unternehmensergebnis haben. Damit auch alle motiviert sind, soll an die Zielerreichung ein kleiner Bonus geknüpft werden. Viel Erfolg bei Ihrem Projekt! Nach der Meinung von Goodh­art ist Ihr Vorhaben von vornherein zum Scheitern verurteilt.


Goodh­art‘s Law (1975) behauptet, dass jede Messgröße, die als Ziel verwendet wird, ihre Bedeutung als Messgröße verliert. Dies deshalb, weil Menschen dann das Ziel anstreben und nicht die erwünschte Wirkung des Ziels. Dieser Effekt wird durch Belohnungen noch verstärkt.

Das älteste Beispiel geht auf die Planwirtschaft der Sowjetunion zurück, als das Ziel, möglichst viele Nägel zu produzieren, dazu führte, dass sehr viele unbrauchbar kleine Nägel produziert wurden. Das Ziel wurde daraufhin in ein Gewichtsziel umformuliert, was dazu führte, dass sehr wenige, unbrauchbar große Nägel produziert wurden. Heute kann man die Wirkung des Gesetzes zB bei Social-Media-Bewertungen erkennen, wo User motiviert werden, Likes oä zu sammeln und dadurch nicht posten, was sie berührt, sondern das, was sie glauben, dass es andere berührt. Aber auch Delfine verfallen Goodh­art‘s Law, wenn sie – trainiert auf das Einsammeln von Müll – diesen in zwei Stücke zerreißen, um pro Fund zwei statt einen Fisch als Belohnung zu erhalten.

In der Betriebswirtschaft sind diese Probleme zwar bekannt, werden aber nicht immer beachtet. Das Umsatzziel führt zu sinkenden Deckungsbeiträgen, das Produktionsziel zu höheren Lagerbeständen, das Investitionsziel zu sinkender Qualität, die EBIT-Prämie des Geschäftsführers zu kurz­fristigen Optimierungen.

Eine wesentliche Grundlage des Gesetzes ist die Principal-Agent-Theorie, die sich mit der Frage der optimalen Ausgestaltung von Auftraggeber (Principal) – Auftragnehmer (Agent) Beziehungen befasst. Nach dieser Theorie können vier Maßnahmen die negativen Auswirkungen des Goodh­art‘s Law reduzieren:

  1. Das Prinzip der „Informativeness“ verlangt, dass Ziele um relative Faktoren erweitert werden. Anstelle eines absoluten EBIT-Ziels soll also ein relatives EBIT-Ziel im Vergleich zu Konkurrenten oder anderen Tochter­unternehmen gewählt werden. Dadurch kann man zufällige Entwicklungen und Schwankungen ausgleichen.
  2. Das Prinzip des „Incentives“ verlangt, dass Belohnungen nicht vom Ausmaß der Zielerreichung, sondern von der Anstrengung zur Zielerreichung abhängen.
  3. Das Prinzip des „Monitoring“ verlangt, dass der Aufwand, der zur Kontrolle des Beauftragten aufgewandt werden muss, bei der Zielbeschreibung berücksichtigt wird.
  4. Das „Compensation-Principle“ verlangt, dass eine etwaige Belohnung im Verhältnis zum Nutzen für den Auftraggeber stehen muss. Beide Akteure sollen bei Zielerreichung in etwa den gleichen relativen Nutzen erhalten.

Soweit die Theorie. In der Praxis wird eventuell für die Vorstandsebene über die optimale Ausgestaltung von Zielen nachgedacht, bei der Budgetierung einzelner Kostenstellen und deren Verantwortlichen wird idR viel pragmatischer vorgegangen. Der berechtigte Wunsch nach einem einfachen, nachvollziehbaren System, das auch mit dem Reporting kompatibel ist, verhindert in vielen Fällen eine optimale Ziel-Definition.

Goodh­art‘s Law kann also nicht gänzlich ausgeschaltet werden. Wir müssen davon ausgehen, dass alle Zielsysteme kontraproduktive Unschärfen enthalten. Um diese zumindest zu reduzieren, empfiehlt sich, folgendes zu beachten:

  • Ziele müssen in so komplexe Zielsysteme eingebettet werden, dass es zu aufwendig wäre, zu „manipulieren“. Zugleich dürfen die Systeme nicht so komplex sein, dass sie nicht mehr verstanden werden.
  • Im besten Fall sollte an Ziele keine Belohnung geknüpft werden. Lässt es sich nicht vermeiden, ist diese so hoch zu wählen, dass es sich auszahlt sich anzustrengen, aber nicht so hoch, dass es sich auszahlt zu „manipulieren“.
  • Ziele sind sparsam einzusetzen. Nicht alles, was man messen kann, sollte auch als Ziel formuliert werden. Irgendwo muss auch das Vertrauen in die Mitarbeiter ansetzen.

Der Artikel ist in CFO aktuell (Heft 2/2020) erschienen. Mehr Infos unter: www.cfoaktuell.at

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