Routineaufgaben werden durch Digitalisierung ersetzt

Helmut Kerschbaumer ist seit April 2017 Präsident des iwp. Wir haben mit ihm darüber gesprochen, wie die Digitalisierung Einfluss auf das Berufsbild der Wirtschaftsprüfer und Accountants nimmt, was auf seiner persönlichen Agenda steht und welche Chancen er für den Arbeitsmarkt sieht.

Die digitale Transformation ist in vollem Gange. Damit stehen wir vor radikalen Umwälzungen. Erstmals werden nicht nur industrielle Bereiche berührt, sondern auch Dienstleistungen zunehmend automatisiert. Auch das Accounting wird sich ändern. Wie werden diese Änderungen aussehen?

Sie haben Recht, wir stecken mitten drinnen, und obwohl es so scheint, als ob es ein Big Bang ist, ist es wohl eher eine Evolution. In den letzten ein, zwei Jahren ist das Thema nicht nur in der Industrie, sondern auch in den Dienstleistungen angekommen. Die Änderungen, die hier auf uns zukommen, sind sehr vielfältig, etwa die Automatisierung klassischer Dienstleistungen, wie der Buchhaltung durch Robotics. Diese Systeme werden auch immer genauer. Im Bereich Controlling bzw. hineingehend in die Prüfung sind es Themen wie Datenqualität, automatisiertes Controlling. Daten können stärker verifiziert werden. Dahinter stehen Prozesse, die einheitlicher sein müssen, die digitaler und austomatisierter sein werden. Aber man hört schon heraus, es geht nicht von heute auf morgen, sondern es ist eine langjährige Entwicklung. Die Änderungen werden stark sein und Dienstleister und Unternehmen werden sich entsprechend anpassen müssen. Dies ist positiv zu sehen, weil manuelle Routinetätigkeiten weniger werden und analytische Tätigkeiten dementsprechend mehr.

Generell gilt, dass zuerst die Routineaufgaben durch die Digitalisierung ersetzt werden. Welche Prozesse sind das aus Ihrer Sicht in der Wirtschaftsprüfung?

Die Wirtschaftsprüfung hatte sehr lange – und besitzt teilweise auch noch immer – den Ruf, dass es hier um ein „Hakerl machen“ geht. Dies wird jedoch mehr und mehr verschwinden. Diese Tätigkeiten werden weiter stark zurückgehen, das ist bereits im Gange.

Mehr gefragt werden wird die Beurteilung und Analyse jener Informationen, die ein Unternehmen in den Jahresabschluss schreibt. Da geht es in der Zukunft viel weniger um ein „Abhaken“, sondern um die Analyse, ob die Daten zusammenpassen, ob sie mit den immer komplexer werdenden Regelwerken wie etwa den IFRS übereinstimmen. Es wird weniger erforderlich zu prüfen und abzuhaken, ob die Daten mit anderen Informationen übereinstimmen und Themen wie Datensicherheit und Datenkonsistenz werden Routineaufgaben und durch die Digitalisierung ersetzt. Die Analyse und Gesamtbeurteilung war und ist weiter ein zentrales Thema in der Wirtschaftsprüfung und wird noch weiter in den Mittelpunkt rücken.

Auch die Ansprüche der Regulatoren werden höher. Insofern passt es gut, dass wir weniger Arbeit mit Datenverifizierung haben werden und mehr Zeit für die analytische Arbeit.

Welche Kompetenzen benötigt ein Wirtschaftsprüfer in zehn Jahren? Wie kann er sich diese zu eigen machen? Welche Rolle kommt hier den Unternehmen zu?

Wenn man überlegt, worum es es bei der Abschlussprüfung geht und was ein Wirtschaftsprüfer macht, dann ist die Kernaussage: Ein Wirtschaftsprüfer hilft sicherzustellen, dass die Finanzinformationen und die nichtfinanziellen Informationen verlässlich sind und man diesen vertrauen kann. Unser Produkt heißt Vertrauen.

Das Unternehmen und das Management sind gesetzlich verpflichtet, Systeme mit Kontrollen einzurichten, die sicherstellen, dass Informationen richtig sind. Die erste Line of Defense dafür sind das Unternehmen an sich und das Interne Kontrollsystem im Unternehmen. Die zweite Line of Defense sind die Unternehmensorgane außerhalb des Vorstandes, etwa der Prüfungsausschuss.

Die dritte Line of Defense ist der Abschlussprüfer, der sicherstellen muss, ob die ersten zwei Ebenen funktionieren. Dieser muss prüfen, ob die Systeme und Kontrollen in Ordnung sind. Wir sehen, dass diese Prozesse zunehmend automatisiert sind. Daher müssen wir als Abschlussprüfer über entsprechende Kompetenzen im Bereich IT verfügen.

Zu den wichtigen Kompetenzen zählen neben den analytischen daher auch ein gutes Verständnis für die Systeme und für zusammengehörige Kontrollen: Wie stellt das Unternehmen sicher, dass diese ordentlich arbeiten; in Zukunft wohl noch viel mehr im IT-Bereich.

Daneben sind betriebswirtschaftliche und die soziale Kompetenz überaus essenziell – Abschlussprüfung ist eine Dienstleistung, bei der es notwendig ist, mit verschiedensten Personen umgehen zu können, und Fragen stellen zu können, zuzuhören und auf Antworten eingehen zu können. Das macht 50% des Erfolgs aus.

Seit April sind Sie Präsident des Instituts Österreichischer Wirtschaftsprüfer (ikp). Was sind Ihre Ziele, die Sie in dieser Funktion erreichen möchten?

Die Accountancy Europe, die Europäische Vereinigung der Abschlussprüfer, hat eine spannende Studie mit dem Titel „Keeping the Audit Profession attractive“ herausgegeben. Dabei geht es um die Frage, wie der Beruf des Wirtschaftsprüfers attraktiv gestaltet werden kann, weil wir merken, dass sich immer weniger junge Leute für diesen Beruf interessieren. Diese Studie hat wesentliche Punkte zusammengefasst, wie man das Ansehen des Berufs wieder verbessern kann, um mehr junge Leute dafür zu begeistern. Aus meiner Sicht ist es ein sehr spannender Beruf und es gibt kaum einen besseren Einstieg in die Finanzwelt. Viele wechseln nach einiger Zeit in andere Unternehmen. Das ist auch in Ordnung, es kann auch nicht jeder in einer Prüfungsgesellschaft ganz nach oben kommen. Aber wir wollen gute Leute ansprechen, die diesen Weg gehen und sich dann entscheiden, ob sie in der Prüfung bleiben. Wir wollen, dass möglichst viele gute Bewerberinnen und Bewerber hereinkommen, über unsere Schwelle treten, begeistert sind und dann sehen, wie spannend unser Beruf ist.

Nicht minder wichtig, und auch in unserem Programm enthalten, ist auch das Thema Prüfungsqualität. Wir stammen in Österreich und in Zentraleuropa aus einer Tradition, die mehr von der Beraterseite kommt, das heißt, wir als Wirtschaftsprüfer helfen den Unternehmen, einen möglichst guten Abschluss zu machen. Vor vielen Jahren, als ich begonnen habe, lag der Fokus noch mehr in Richtung Steuerberatung und Bilanzierung. Vor allem deswegen, weil der Kapitalmarkt noch nicht so große Ansprüche an die Abschlüsse stellte. Das hat sich sowohl in der EU als auch in Österreich geändert: unser Qualitätsmaßstab sind die Prüfungsstandards, die wir ohne Kompromisse einhalten müssen.

Unsere Prüfungsstandards sind seit dem Vorjahr die International Standards on Auditing. Diese sind in Österreich verpflichtend anzuwenden, und jetzt gilt es, diese Anwendung durchgehend mit hoher Qualität zu gewährleisten. Da ist eine Lernphase dabei.

Das iwp soll, und das ist auch eines meiner Ziele, die Berufsangehörigen dabei unterstützen. Wir wollen Profis in der Durchführung von Abschlussprüfungen sein. Dieses professionelle Arbeiten braucht allerdings mehr Zeit, und mehr Zeit heißt natürlich auch mehr Kosten. Die vergangenen zehn Jahre hat man eher gesehen, dass die Prüfungshonorare sehr kompetitiv wurden und dass das Thema Prüfungskosten im Vergleich zur Prüfungsqualität bei Entscheidungsträgern manchmal einen zu hohen Stellenwert eingenommen hat. Unsere Aufgabe muss es sein, aufzuzeigen, dass eine gute und nach den Regeln der Kunst durchgeführte Abschlussprüfung hohe Sicherheit gibt. Dies erfordert aber auch Zeit, Arbeitseinsatz und qualifizierte Mitarbeiter.

Der vierte Punkt auf meiner Agenda, ist das Thema Unterstützung der Mitglieder.

Eine letzte Frage: Ist die Digitalisierungswelle für das Accounting eher ein Risiko oder eine Chance?

Es ist auf jeden Fall eine Chance für diejenigen, die an spannender und intellektuell herausfordernder und dadurch auch an interessanterer Arbeit interessiert sind. Dies ist der Fall, weil die manuelle Tätigkeit weniger wird und die analytische, intellektuellere Tätigkeit mehr. Somit ist dies auch für den Beruf auf jeden Fall eine Chance. Ein Risiko vielleicht für diejenigen, die da nicht mitmachen wollen, aber das ist bei allen Veränderungen so. Ich glaube nicht, dass es das Accounting und die Abschlussprüfung in Zukunft nicht mehr braucht. Eine objektive und vertrauenswürdige Darstellung der wirtschaftlichen Verhältnisse wird auch in Zukunft von großer Bedeutung für unser Wirtschaftssystem sein. Das hat nicht so viel mit Digitalisierung, sondern mehr mit Analyse und Kommunikation zu tun – das sind jene Kompetenzen, die wir auch in Zukunft benötigen. Vertrauenswürdige Informationen und Transparenz werden auch weiterhin – in Zukunft vielleicht noch mehr – eine wesentliche Rolle spielen und unsere Leistungen mehr denn je benötigt.

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