Reporting Meets Design Thinking
Design Thinking ist nicht nur eine Methode, derer sich auch Controller bedienen können. Es ist eine Haltung. Eine Haltung, mit der das Ziel der Kundennähe im Controlling ein Stück weit greifbarer gemacht werden kann. Design Thinking ist auch ein Weg, um hierarchische Entscheidungswege durch dezentrale Entscheidungen mittels Experiments und Feedbacks ersetzen zu können.
Eine Geschichte sagt mehr als tausend Zahlen.
Controlling zwischen IFRS und Kundennähe
Das Controlling befindet sich im Wandel. Das trifft einerseits auf die Anforderungen an ein zeitgemäßes Controlling zu. Andererseits ändert sich der tägliche Arbeitsablauf. Letztlich erweitert sich das Repertoire an Instrumenten, derer sich die Mitarbeiter des Controllings bedienen. Dass es daher einer tief greifenden Veränderung des Rollenprofils des oft beschriebenen Navigators zu neu zusammengesetzten Teams bedarf, versteht sich nun von selbst.
In der Folge wird anhand eines Projekts beschrieben, wie ein neues Mindset in das Controlling der Österreichischen Post AG einzieht. Dabei wird unterstrichen, wie das Zusammenspiel neuer Anforderungen, das Eintreten neuer Köpfe aus anderen Fachgebieten und die Nutzung neuer Instrumente einen wesentlichen Beitrag dazu leisten können, das Controlling im Sinne eines Business Partners noch besser zu positionieren.
Vorbei sind die Zeiten, in denen der Controller mit einem Kontrolleur verwechselt werden konnte. Der Controller ist nicht nur Kontrolleur, sondern vor allem Dienstleister im Unternehmen, der interdisziplinäre Teams zu Höchstleistungen animiert, um einen vernetzten und umfassenden Beitrag zur Unternehmenssteuerung zu leisten. Wie kann das in diesen Zeiten funktionieren? Dazu ein Rahmen.
In den letzten Jahren konnte beobachtet werden, wie externes und internes Rechnungswesen zu einer Einheit verschmolzen. Zwar gibt es in den meisten Unternehmen nach wie vor zwei dem CFO unterstellte Einheiten. Diese können ihr volles Potenzial aber nur dann ausspielen, wenn sie gemeinsam und prozessual stark verflochten agieren. Sei es die Ermittlung der Werthaltigkeit von Beteiligungen oder die Feststellung der Konzernverrechnungspreise: Zahlreiche Beispiele beweisen, dass es zwischen Planrechnung, Berichtswesen und Bilanzierung keinen Spalt mehr gibt. Andererseits werden die Regelungen rund um die IFRS-Standards immer komplexer und strikter. Was ein Controller früher noch als Ermessensspielraum wahrgenommen hat, wird nun immer deutlicher ein Sachverhalt, für dessen richtige Beurteilung es eines profunden IFRS-Fachwissens bedarf. Sollen sich Controller daher zu IFRS-Spezialisten entwickeln, die kraft Gesetzes ihre Macht gegenüber ihren Stakeholdern ausspielen?
▪ Ja – Controller müssen Spezialwissen zu Themenstellungen wie IFRS und Verrechnungspreisrichtlinien aufweisen. Dabei reicht kein grober Überblick. Der Controller muss anerkannter Spezialist auf diesen Gebieten sein. Er agiert auf Augenhöhe mit dem Rechnungswesen und verhält sich zu den Partnern rund um das Controlling strikt in dieser Sache.
▪ Nein – der Controller versteckt sich nicht immer hinter Paragraphen, sondern stellt gleichermaßen einen Business Partner für das Top-Management und die operativen Verantwortlichen der Unternehmenssteuerung dar.
Die Erfahrungen der Österreichischen Post AG haben gezeigt, dass diese Anforderungen nicht von einer Person allein gemeistert werden können. Niemand kann Spezialist und Generalist zugleich sein. Kurzum, wir haben gelernt, je nach Projekt in unterschiedlich zusammengesetzten Teams zu agieren, in denen die Stärken der einzelnen Charaktere besonders ins Rampenlicht gerückt werden.
Nach einem äußerst erfolgreichen Planungs-Redesign-Projekt, dessen Erfolg auf einer detailliert ausgearbeiteten Fachanforderung und strikten Zeitplänen mit Top-down-Ansätzen fußte, folgt nun das Update des Berichtswesens. So sehr die Österreichische Post AG überzeugt ist, dass ein Planungsprojekt nur top-down mit Einbeziehung weniger Stakeholder funktionieren kann, so sicher ist das Unternehmen, dass im Berichtswesen andere Wege gegangen werden müssen.
Mit Akzeptanz zum Berichtswesen mit Tiefgang
Über Jahre wurde das Berichtswesen an der Spitze des Eisbergs optimiert, optisch auf Vordermann gebracht und kundennäher gestaltet. Die tägliche Berichterstattung bis hinunter auf die kleinste Steuerungseinheit war lange Zeit weder standardisiert noch optimiert. Viele Stellen im Unternehmen beschäftigen sich parallel mit Ad-hoc-Abfragen und Datenabzügen, die über Umwege zu einem Berichtswesen führten, das zeitintensiv in seiner Erstellung war und trotzdem nicht ihr volles Potenzial ausschöpfen konnte. Die täglichen Abfragen unterschiedlichster Art wurden nicht durch Mitarbeiter des Controllings durchgeführt. An dieser Stelle zeigt sich, dass das Berichtswesen letztlich nicht nur Aufgabe des Controllings ist.
Um hier einen Schritt weiterzukommen, gibt es nur einen richtigen Weg. Es hilft dem Unternehmen nicht weiter, das Berichtswesen irgendwo zwischen taggenauer und monatlicher bzw das Topberichtswesen und das operative Berichtswesen zu kappen und darunter geschehen zu lassen, was eben so geschieht. Das Controlling der Österreichischen Post AG übernimmt die Verantwortung, zB der Leitung kleiner Zustelleinheiten ein umfassendes tägliches Steuerungsinstrument zur Verfügung zu stellen.
Doppelgleisigkeiten können nur vermieden werden, wenn die Akzeptanz aller Spieler gewonnen werden kann. Wir haben es uns zum Ziel gesetzt, ein operatives Tagesberichtwesen mit Predictive-Elementen zu entwickeln, das allen Einheiten für die tägliche Steuerung Optimierung und Mehrwert bringt. Die Optimierung erfolgte durch die Anbindung der HR-Systeme an das Berichtswesen. Der Mehrwert ergab sich nicht nur durch die Automatisierung und Reduzierung des täglichen Zeitaufwands für die Berichterstellung, sondern auch durch die Vorhersage von Tagemengen für die nächsten Tage, Wochen und Monate. Damit können der Personaleinsatz und die Urlaubsplanung – Schlüsselelemente der Operationssteuerung der Österreichischen Post AG – durch ein neues Instrument unterstützt werden.
Am Anfang des Projekts stand eine Regionstour des Leiters des Controllings, bei der über zukünftige Projekte gesprochen wurde und durch die deutlich wurde, welche Bedeutung das Thema tägliche Steuerung innerhalb des Unternehmens hat. Für die Projektleitung konnte das Controlling eine erfahrene Mitarbeiterin aus dem Prozessteam eines operativen Bereichs gewinnen.
Das Design Thinking stellt auf kompromisslose Art und Weise den Kunden in den Mittelpunkt. Bei früheren Berichtsprojekten war sich das Unternehmen nicht immer sicher, ob am Ende der aus Konzernsicht passende Bericht herauskommen würde. Nun sind wir der Ansicht, dass die Akzeptanz der Berichtsersteller und Berichtsempfänger das Wichtigste im Berichtsprozess ist. Mit der richtigen Zusammensetzung der Design-Thinking-Workshops, an denen alle notwendigen Stakeholder teilnehmen, kann davon ausgegangen werden, dass das optimale Ergebnis generiert wird und Steuerungsinstrumente entstehen, die auch genutzt werden und es erleichtern, alte Muster zu verlernen.
Längst besteht Konsens darüber, dass die täglichen Beschwerden des Kundenservice angebunden werden sollen. Das Feedback an die Verursacher beschleunigt sich dadurch. Das Ergebnis ist ein rascheres Eingehen auf die Bedürfnisse der Kunden. Weitere Qualitätsdaten sollen dem bisher stark mit Finanzkennzahlen angereicherten Business Warehouse folgen. Der viel zitierte Data Lake gewinnt an Bedeutung und es ergeben sich Use Cases – jeweils mit dem Ziel, die Kundenorientierung weiter zu verstärken. Damit einher geht auch die interne Kundenorientierung des Controllings.
Die Erfahrung des vorangegangenen Planungsprojekts zeigt, dass die Akzeptanz dadurch gesteigert werden kann, dass Betroffene zu Beteiligten werden. Die neue Dimension an Akzeptanz konnte dadurch gewonnen werden, dass das Controlling als Team auftrat.
Die Erfahrung des vorangegangenen Planungsprojekts zeigt, dass die Akzeptanz dadurch gesteigert werden kann, dass Betroffene zu Beteiligten werden. Die neue Dimension an Akzeptanz konnte dadurch gewonnen werden, dass das Controlling als Team auftrat. Neben erfahrenen Mitarbeitern aus den Prozessabteilungen nahmen auch Experten für die Datenmodellierung, Statistiker, Wirtschaftsinformatiker und klassische Controller teil, um mit den Zustellbasenleitern, Regionalleitern, Qualitätsmanagern und Bereichsleitern auf eine gemeinsame Reise zu gehen. Das Arbeiten in interdisziplinären Teams rückte in den Vordergrund. Durch die gemeinsame Entwicklung konnte das „Not-Invented-Here“-Syndrom hintangestellt werden. 1
Wirkt agile Entwicklung motivationsfördernd?
Dank agiler Entwicklung war es möglich, dem Berichtsempfänger in regelmäßigen und kurzen Intervallen Ergebnisse zu liefern. Dem Kundenwunsch wurde buchstäblich über Nacht mittels eines Prototyps entsprochen. Ein Click-Dummy ermöglichte erste Einblicke in das neue Look and Feel des Berichts. Durch wiederkehrende Feedback-Schleifen erfreute sich der Fachbereich des Gefühls, gehört zu werden. Die Entwickler wiederum erfuhren durch die neu gewonnene Kundennähe und die Einblicke in das Tagesgeschäft eine Motivation. Auch die Controller erfuhren durch ihre Koordinationsrolle eine neue Akzeptanz, die sich ebenfalls motivierend auswirkt.
Der Respekt vor Fehlern weicht dem gemeinsamen Lernen in der Gruppe. Die passive Rolle im Sinne von „sehen wir uns einmal an, ob das so richtig ist“ bleibt hinter dem „fangen wir an und entwickeln wir weiter“ zurück. Aus „das ist meins und das ist deins“ wird „unser gemeinsamer Bericht“. Viele Konflikte am Übergang zwischen den diversen Abteilungen, für die es im Berufsalltag zumal viel Energie benötigt, bleiben dadurch aus. Diese Energie wird in das gemeinsame Ziel investiert.
Struktur des Controllings der Zukunft
Nach all dem Gesagten könnte man meinen, das Pendel schlägt zwischen internem und externem Rechnungswesen nicht aus. Schwingt es gar mehr in Richtung IT, Projektmanagement oder Moderation? Und was bedeutet das letztlich für die Aufbauorganisation?
Aus Sicht der Österreichischen Post AG stellen streng hierarchisch geführte Controlling-Einheiten kein motivations- und innovationsförderndes Umfeld dar. Es stellte sich heraus, dass die vielfältigen Anforderungen an das Controlling nur in für eine speziell definierte Aufgabe zusammengesetzten Gruppen gelöst werden können. Die Controlling-Organisation muss sich an das sich schnell ändernde Umfeld anpassen. Das bedeutet, dass es zwar eine formell hierarchische Aufbauorganisation geben wird. Der große Nutzen für den Kunden entsteht aber durch interdisziplinäre Teams bestehend aus unterschiedlichen Charakteren, die je nach geforderter Stärke eingesetzt werden.
Auch das mag nichts Neues sein, wurde die Adhokratie doch schon Ende der 1970er-Jahre von Henry Mintzberg beschrieben. 2 Treffender lässt sich diese Arbeitsweise nur noch wie folgt beschreiben: „Adhocracy’s defining feature is that it privileges decisive (and often intuitive) action rather than formal authority or knowledge. For example, when bureaucracies face a difficult decision, the default is to defer to a senior colleague. In a meritocracy, the default is Seite 122 to collect more data, to debate vigorously, or both. The default in an adhocracy is to experiment – to try a course of action, receive feedback, make changes, and review progress.“ 3 Oder kurz: „Just do it!“
Dass dieser Klassiker wieder an Bedeutung gewinnt, mag auch daran liegen, dass man dieser Form der Zusammenarbeit heute weniger denn je auskommt. Dennoch passt sie für viele Unternehmen nur sehr schwer in das Bild klassischer Unternehmensführung.
Was bleibt, ist 5.0
Beim Berichtswesen 5.0 handelt es sich um jenes Berichtswesen, bei dem es nicht nur um die Nutzung von Big Data und das Sammeln von noch mehr Daten geht, sondern um die Einbeziehung aller Stakeholder. 5.0 bedeutet in dieser Hinsicht, mit agiler Entwicklung für den Kunden rasch etwas Sichtbares zu haben, um in der Motivationsschleife alle Prozessbeteiligten einzufangen. Gerade diese Agilität ermöglicht es erst, ein derart integriertes Berichtsprojekt in einem börsenotierten Unternehmen zu starten. Lassen Sie uns prototypisieren und entwickeln! Bleiben wir bei 5.0, wenn es darum geht, eine Idee durch ein System zu navigieren, um groß zu werden. 4
Wo wir schon beim Navigieren sind: War nicht gerade das die Kernaufgabe des Controllers? Wieso erkennen wir erst jetzt, dass Design Thinking und Controlling ursprünglich zusammengehören?
Der Artikel ist in CFO aktuell (Heft 3/2018) erschienen. Mehr Infos unter: www.cfoaktuell.at
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