Preisentwicklungen und Abhängigkeiten bei Länderkonflikten

Der Konflikt zwischen Russland und der Ukraine hat spürbare Auswirkungen auf die gesamte Welt und Wirtschaft und verschärft die bereits durch COVID-19 geschwächte Marktsituation in ost- und mitteleuropäischen Ländern, die besonders enge Handelsverbindungen mit Russland haben. Viele europäische Länder und damit Unternehmen, sind beispielsweise von ukrainischen, russischen und belarussischen Fabriken, Kund:innen, Lieferant:innen und Mitarbeitenden abhängig, was sich in der Preisentwicklung vieler Produkte und Dienstleistungen bemerkbar macht.


Überblick

  • Auswirkungen Konflikt zwischen Russland und der Ukraine auf den europäischen Markt
  • Auswirkung der Preisentwicklungen auf Unternehmen
  • Notwendige Maßnahmen für Unternehmen

Welche wesentlichen Auswirkungen ergeben sich dadurch auf den europäischen Markt?

Neben erhöhten Preisen, beispielsweise in der Energie-, Nahrungsmittel- und Rohstoffbranche, zeigen sich auch negative Veränderungen in der Konsumentenstimmung und Kaufkraft der Verbraucher:innen. Zudem führte der Konflikt, vor allem in Mittel- und Osteuropa, zu Währungsabwertungen und deutlich verstärkten Marktvolatilitäten. Das Geld verliert außerdem seit Anfang des Krieges im Februar immer weiter an Wert. Im März 2022 ist die Inflationsrate in Österreich gegenüber des Vorjahresmonats um 6,8 % und gegenüber dem Vormonat um 2 % gestiegen.

Inwiefern ist die EU wirtschaftlich abhängig von Russland, der Ukraine und Belarus?

Vor allem Importe von Holz, Düngemitteln, Energie, Rohstoffen, Getreide, Gummi und Metallen wurden in der Vergangenheit primär von Russland bezogen, zusätzlich aber auch teilweise aus der Ukraine oder Belarus. Die tiefen Verflechtungen der Lieferketten sind jedoch nicht nur einseitig geprägt. Über ein Drittel der Importe in Russland und der Ukraine wurden 2019 aus der EU bezogen, was zeigt, dass die EU für beide Länder, gefolgt von China, der größte internationale Importeur ist.

Steigende Energiepreise

Neben den für diverse Industrien steigenden Rohstoffpreisen (wie etwa Holz oder Düngemittel) wird sich für die Allgemeinheit, sowohl auf Unternehmerseite als auch für private Verbraucher:innen, insbesondere die Preisentwicklung im Bereich Energie, Gas und Benzin bemerkbar gemacht haben. Wesentlicher Auslöser des Preisanstiegs waren Ankündigungen vieler Länder und Unternehmen weltweit, auf Importe von Öl und Gas aus Russland zu verzichten. In Europa haben sich die Preise für Gas und Kohle mehr als verdoppelt und Ölpreise sind um rund 20% gestiegen. Öl war seit 2008 nicht mehr so teuer wie seit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine. Die Ölpreise sind damit fast zehn Mal höher als im März 2020 und haben sich seit März 2021 fast verdoppelt. Im Zuge dessen sind auch die Benzinpreise deutlich angestiegen. In Österreich stiegen die Preise somit beispielsweise von USD 1.70 pro Liter zu Kriegsbeginn im Februar auf USD 1.96 pro Liter im März 2022.

Wie wirken sich die Preisentwicklungen auf Unternehmen aus?

Durch den Krieg in der Ukraine wird die Resilienz vieler Unternehmen gefragt. Die aktuelle Situation wirkt sich durch unterschiedlichste Einflussfaktoren auf die Unternehmensperformance aus.

Die Exposition europäischer Unternehmen zu Russland, der Ukraine und Belarus reicht über die gesamte Wertschöpfungskette, von Lieferantenbeziehungen, über Produktionsstandorte bzw. Mitarbeiter:innen bis hin zu Kund:innen aus den entsprechenden Ländern. Zudem sind durch die Marktdisruption auch die Finanzmärkte betroffen, wodurch sich auch in Hinblick auf die Finanzierung von Unternehmen bedeutende Risiken ergeben.

Bereits in den Vorjahren geschwächte Lieferketten sind durch die aktuelle Situation weiter betroffen. Als Folge der bestehenden Importverbote aus Russland und Belarus bzw. des hohen Ausfallsrisikos ukrainischer Handelspartner sind neben Preissteigerungen durch das deutlich geringere Angebotsvolumen auch Lieferverzögerungen und -engpässe zu erwarten. Dies wird zum Teil signifikante Margenschmälerungen diverser Industrien, insbesondere in der produzierenden Industrie und Landwirtschaft, mit sich bringen.

Zusätzlich werden Lieferketten durch die Abhängigkeit diverser Speditionsunternehmen vom ukrainischen Arbeitsmarkt geschwächt. Ukrainische LKW-Lenker:innen waren ein wesentlicher Bestandteil der Spediteure. Nach Kriegsbeginn sind diese jedoch häufig zurück in die Ukraine gereist und stehen den Speditionen nicht mehr zur Verfügung.

Mit dem Exportverbot der EU von Gütern wie Transportmittel, Chemikalien oder Katalysatoren nach Russland, verlieren einige Unternehmen in diesem Sektor einen wichtigen und großen Abnehmer. Zudem wirkt sich die steigende Inflation negativ auf die Kaufkraft der heimischen Bevölkerung aus.

Um dem entstandenen Inflationsanstieg entgegenzuwirken ist nun zu erwarten, dass Zentralbanken im Zuge von Leitzinssteigerungen in den Markt eingreifen werden. Steigende Finanzierungskosten werden somit zusätzlich die Liquidität der Unternehmen negativ beeinflussen. Insbesondere durch die bereits eintretenden Disruptionen der Wertschöpfungsketten werden sich jedoch höhere Finanzierungsbedarfe ergeben. Die Auswirkung steigender Zinsen dadurch also nochmals erhöht.

Natürlich sind insbesondere auch Unternehmen mit bestehenden Standorten auf russischem Staatsgebiet betroffen. Eine rasche Entscheidung des weiteren Fortbestehens der Unternehmensinternen Beziehungen zu Russland ist nun wesentlich, wobei eine Abspaltung durch verhängte Sanktionen einen deutlichen Mehraufwand bedeutet und zusätzliches Know-How benötigt.

Welche Maßnahmen sind von Unternehmen nun zu setzen?

Neben den humanitären Folgen machen sich auch die wirtschaftlichen Auswirkungen des Krieges weltweit deutlich und Unternehmen sind gezwungen rasch zu handeln, um negativen Einwirkungen auf die Wertschöpfungskette entgegenzuwirken und den erfolgreichen Fortbestand des Unternehmens zu sichern. Um in diesen Zeiten der Krise angemessen zu reagieren, müssen Unternehmen Resilienz aufbauen und rechtzeitig reagieren, bevor Alternativmöglichkeiten oder Optionen verschwinden und das Kontrollverlustrisiko steigt. Das bedeutet, dass Unternehmen, die beispielsweise von diesem Krieg und dessen negativen Marktentwicklungen betroffen sind, noch in der Phase der Kontrolle mögliche Pläne im Bereich Turnaround und Restrukturierung umsetzen, um den Kontrollverlust zu vermeiden.

Folgende Maßnahmen können getroffen werden, um den Risiken entgegenzuwirken:

Liquiditäts-managementDie aktuelle Liquiditätslage prüfen, kurzfristige Liquiditätsprognosen treffen, “Quick Wins” analysieren und implementierenAnbieter von Notfallfonds ermitteln und ggf. Hilfspakete der Regierung in
HandelWorking Capital/ Handelsverbindungen mit Russland/ Belarus/ Ukraine analysieren – Entscheidende Entwicklungen als Ergebnis des Konflikts feststellenPotentielle Risiken auswerten, identifizieren und mögliche Maßnahmen zum Risikomanagement treffen
LieferkettenLieferant:innenportfolio analysieren und segmentieren, Auswirkungen abwägenAlternative Lieferant:innen ermitteln, mögliche Insourcingoptionen
Notfall-planungMögliche Szenarien von Situationsveränderungen bewertenAdäquate Lösungen und Pläne entwickeln, die die identifizierten Risiken und Bedrohungen berücksichtigen
Stakeholder ManagementOffene und transparente Kommunikation mit allen wichtigen Stakeholdern gewährleistenEine robuste Plattform zur Kommunikation herstellen
M&A/ VeräußerungDie Notwendigkeit einer Veräußerung von russischen Vermögenswerten und Tochtergesellschaften bewertenOptimierung von Core/ Non-Core Geschäftstätigkeiten, Bewertung der Notwendigkeit von Ersatz – CapEx / M&A
FinanzierungKapitalstruktur, Stabilisierung erfassen – Mit einem Stillhalteabkommen beginnend; Ersatzmöglichkeiten von Geldgebern außerhalb der “Krisenzone” ermittelnRestrukturierungs-/ Refinanzierungsmöglichkeiten auswerten und implementieren
PMOEinrichtung einer zentralen Stelle für die Verwaltung von Krisenmanagementplänen, die Durchführung von Maßnahmen und die Risikominderung

Fazit

Um in diesen Zeiten der Krise angemessen zu reagieren, müssen Unternehmen Resilienz aufbauen und rechtzeitig reagieren, bevor Alternativmöglichkeiten oder Optionen verschwinden und das Kontrollverlustrisiko steigt.

Der Beitrag wurde zuerst auf www.ey.com veröffentlicht.

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