Literaturtipp: Die Sache mit der Loyalität von James Comey

Für Sie gelesen: James Comeys GRÖSSER ALS DAS AMT. Ein Ex-FBI-Direktor gegen Donald Trump – Prinzipientreue gegen Machtpolitik: Ein Insiderbericht.


Im Jahr 2016 erlebten die USA einen der unerfreulichsten und schmutzigsten Präsidentschaftswahlkämpfe aller Zeiten, der bekanntermaßen mit einem Überraschungssieg für Donald Trump endete. Groß war der Aufschrei auf beiden Seiten des Atlantiks, auf der sicheren Seite der politischen Korrektheit durfte sich wähnen, wer in der Präsidentschaft des populistischen Selfmade-Milliardärs den Anfang vom Ende der USA als moralischer Führungsmacht der westlichen Welt vorhersah.

Und tatsächlich verstört Donald Trump seit seinem ersten Tag im Weißen Haus: rüpelhafte Tweets, offensichtliche Lügen, erratische Personal­entscheidungen, eine eigenartige Nähe zu nicht ganz lupenreinen Demokraten à la Kim Jong Un und Wladimir Putin sowie nun der beginnende Handelskrieg mit Europa und China. Wie tickt der Mann an den Schalthebeln der größten Militär- und Wirtschaftsmacht der Welt eigentlich? Der Insiderbericht James Comeys, dem von Donald Trump vor einem Jahr vorzeitig aus dem Amt entlassenen FBI-Direktor, gibt einen ebenso schonungslosen wie beunruhigenden Einblick in die politische Führungskultur in Washington.

James Comey ist Jurist aus Berufung. Weniger Karrierewünsche, sondern vielmehr ein tief verwurzeltes Bedürfnis nach Gerechtigkeit und Wahrheit sowie der unbedingte Glaube an die in der amerikanischen Verfassung festgeschriebenen Werte von Demokratie und Gewaltentrennung führten ihn Mitte der 1980er-Jahre unmittelbar nach dem Studium an ein Bundes­gericht in Manhattan. Er arbeitete damals für einen Chef, der auf dem besten Weg war, zur Legende zu werden – den späteren Bürgermeister Rudy Giuliani. Als eine der größten und angesehensten Justizbehörden beschäftigte sich das Bezirks­gericht New York Süd zu dieser Zeit intensiv und erfolgreich mit dem Kampf gegen die verschiedenen Mafiaclans. Einige Jahre später, während der Internetblase rund um die Jahrtausendwende, brachten Comey und seine Kollegen nicht wenige ebenso dubiose wie prominente Geschäftemacher vor Gericht.

Im Jahr 2003 wurde er unter der Präsidentschaft von George W. Bush zum stellvertretenden Justizminister ernannt und gleich mit den nach 9/11 von der CIA eingesetzten, „erweiterten“ Verhör­methoden konfrontiert. Mit seiner juristischen Kritik an den vor allem bei Terrorverdächtigen im Irak und auf Guantanamo angewandten Folterpraktiken geriet er prompt ins Visier der Hardliner rund um Vizepräsident Cheney und Außenministerin Rice.

Von 2005 bis 2013, auf diese biografische Episode geht Comey in seinem Buch nur mit dürren Worten ein, arbeitete er als Berater der Rüstungsfirma Lockheed Martin sowie als Chefjustiziar beim Hedge­fonds Bridgewater Associates. 2013 schließlich wird er von Barack Obama für den Posten des FBI-Direktors vorschlagen und vom Senat für eine Amtszeit von zehn Jahren bestätigt. Ausführlich beschreibt Comey die anfänglichen Herausforderungen angesichts verkrusteter Personal- und Organisationsstrukturen und die von ihm aus der Privatwirtschaft ins FBI übernommenen, modernen Management- und Führungstechniken. Während des mit beispielloser Härte geführten Präsidentschaftswahlkampfes im Jahr 2016 wurde Comey wegen der Ermittlungen zur unseligen E-Mail-Affäre von Hillary Clinton erneut Gegenstand öffentlicher Kontroversen und geriet zwischen die Fronten der zu diesem Zeitpunkt regel­recht verfeindeten Lager der Republikaner und Demokraten. In diesem Zusammenhang fand er immer wieder lobende Worte für die Ausgewogenheit, Rechtstreue und Führungsstärke von Barack Obama – nicht selbstverständlich für einen bekennenden Republikaner alter Schule.

Der überraschende Wahlsieg Donald Trumps und dessen bizarres, bestenfalls „neues“ Verständnis präsidialer Amtsführung stellten Comeys Loyalität vom ersten Tag an auf harte Proben. Gerade, dass Trump vom ersten Treffen an diese bei Comey einforderte, bildete den Kern des Problems. Bedingungslose Loyalität ja – aber nicht gegenüber dem Präsidenten, sondern vor allem gegenüber dem FBI und dessen Unabhängigkeit vom politischem Tages­geschäft, gepa­art mit Verfassungstreue und der Verpflichtung zu Wahrheit und Transparenz, so unangenehm dies für die politische Elite auch sein mag. Mit Händen und Füßen wehrte sich Comey gegen die unverhohlenen Vereinnahmungsversuche durch Donald Trump während erster Vieraugengespräche und privater Abendessen. Er ließ sich nicht davon abbringen, Trump insb vor den Gefahren durch Erpressungsversuche seitens der russischen Geheim­dienste und deren propagandistische Beeinflussung des amerikanischen Wahlkampfs zu warnen und diesbezügliche Ermittlungen konsequent fortzusetzen. Es kam schließlich, wie es kommen musste: Nicht einmal ein halbes Jahr nach seinem Amtsantritt entließ Trump seinen FBI-Direktor Comey mit sofortiger Wirkung.

James Comeys Buch ist ein spannender Insiderbericht über die Arbeit der amerikanischen Justiz, die Ränkespiele zwischen dem Weißen Haus und den Geheim­diensten, vor allem aber eine schonungslose Abrechnung mit der Präsidentschaft Donald Trumps, den er im Epilog – gänzlich ohne die von ihm sonst so gewohnte noble Zurückhaltung – als regel­rechte Bedrohung für die amerikanische Nation und deren demokratische Werte an den Pranger stellt.

Der Artikel ist in CFO aktuell (Heft 5/2018) erschienen. Mehr Infos unter: www.cfoaktuell.at

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