Investitionscontrolling im neuen IGC-Controlling-Prozessmodell 2.0
Investitionen gehören zu den Schlüsselentscheidungen von Managern mit weitreichenden Konsequenzen. Entsprechend diesem Stellenwert wurde das Investitionscontrolling in der Neufassung des IGC-Controlling-Prozessmodells als eigenständiger Hauptprozess etabliert.
1. Aufbau und Nutzen des IGC-Controlling-Prozessmodells
Das Controlling-Prozessmodell der IGC ist ein international akzeptierter Blueprint für die effektive Ausgestaltung von Controlling-Prozessen. Es ist hierarchisch in Prozessebenen aufgebaut und umfasst zehn Controlling-Hauptprozesse, die bis zur Teilprozessebene anschaulich und praxisorientiert beschrieben werden. Damit hilft das Controlling-Prozessmodell Unternehmen bei der Analyse und Gestaltung ihrer Controlling-Prozesse. Insbesondere ermöglicht es, vorhandene Stärken und Schwächen zu erkennen, den Reifegrad zu ermitteln und Ansatzpunkte zur Verbesserung zu finden.
Das Prozessmodell wurde in seiner ersten Fassung im Jahr 2011 publiziert. Im Rahmen einer europaweiten Studie der IGC im Jahr 2016 wurden entsprechende Weiterentwicklungsmöglichkeiten identifiziert. Die Erkenntnisse dieser Erhebung haben Eingang in das überarbeitete Controlling-Prozessmodell 2.0 gefunden, um den heutigen Anforderungen an das Controlling zu entsprechen. Die Änderungen in der Überarbeitung bezogen sich auf drei Bereiche: Prozessstruktur, Prozessinhalte und Darstellungsform.
In Hinblick auf die Prozessstruktur gab es drei Änderungen:
- Zusammenführung der Hauptprozesse „Operative Planung und Budgetierung“ und „Forecasting“;
- Trennung des Hauptprozesses „Projekt- und Investitionscontrolling“ in zwei Hauptprozesse;
- Aufnahme eines neuen Hauptprozesses „Datenmanagement“.
Nachfolgend soll der nun eigenständige Hauptprozess Investitionscontrolling im Überblick beschrieben werden.
2. Die unternehmerische Bedeutung von Investitionen
Investitionen (Capital Expenditure – CAPEX) bezeichnen Auszahlungen für langlebige Wirtschaftsgüter wie Sachanlagevermögen, Finanzanlagevermögen oder immaterielles Vermögen, unabhängig davon, ob diese zugekauft, selbst erstellt oder geleast werden. Sie binden in der Regel signifikante Mittel. Damit gehören Investitionsentscheidungen zu den wichtigsten Entscheidungen des Managements.
Investitionen sind zumeist hochgradig irreversibel und bestimmen damit maßgeblich den mittel- bis langfristigen Kurs eines Unternehmens. Fehlentscheidungen können daher die Wettbewerbsfähigkeit nachhaltig schwächen. Das Investitionscontrolling soll derartige Fehlentscheidungen verhindern und vor allem bei der Bewertung, Priorisierung und Auswahl der Investitionsalternativen unterstützen.
In der Praxis werden Investitionen häufig in Form von Projekten abgewickelt, weshalb in der Erstfassung des Prozessmodells ein gemeinsamer Hauptprozess „Investitions- und Projektcontrolling“ definiert wurde. In der aktuellen Fassung wurden die beiden Bereiche aus zwei Gründen getrennt: Einerseits gibt es viele Projekte, die nicht oder nur mit unerheblichen Investitionen verbunden sind, andererseits dominiert beim Investitionscontrolling die erste Phase der Bewertung, Priorisierung und Auswahl der Investitionsalternativen (siehe Abb 2), dh, es soll in erster Linie helfen, die richtigen Dinge zu tun. Dabei stehen die Wirtschaftlichkeit und Finanzierbarkeit der Investitionsvorhaben im Vordergrund und weniger die organisatorische Herausforderung des Projektmanagements (die Dinge richtig tun). Es sei jedoch angemerkt, dass die nun getrennten Hauptprozesse Investitionscontrolling und Projektcontrolling häufig in enger Verbindung stehen.
3. Investitionscontrolling
Ganz allgemein umfasst das Investitionscontrolling die Planung und Steuerung der Investitionsaktivitäten. Es wird heute in drei wesentliche Phasen, nämlich die Planung und Genehmigung von Investitionen, das laufende Monitoring von Investitionen und ihre Nachbetrachtung, unterteilt.
Investitionscontrolling sollte im Verständnis der IGC nach klaren Standards und Methoden erfolgen. Diese werden im Teilprozess „Set-up“ definiert und geben den Rahmen wie zB Genehmigungsgrenzen, Investitionsrechnungsverfahren, Mindestrenditen oder die Struktur von Investitionsanträgen für die Investitionsbeurteilung und -steuerung vor. Der Set-up-Prozess sollte am Beginn stehen und in regelmäßigen Zeitabständen zur Überprüfung der Zweckmäßigkeit der definierten Standards durchlaufen werden. Entsprechend der Tragweite von Investitionsentscheidungen sind für das Investitionscontrolling insbesondere Vorgaben für den Genehmigungsprozess notwendig.
Den Weg von der Idee zum Investitionsantrag begleiten Controller, indem sie Investitionshöhe, Wirtschaftlichkeit und Risiken des Investitionsvorhabens aus Einzelprojektsicht beurteilen. Dabei kommen je nach Investitionstyp unterschiedliche Investitionsrechnungsverfahren zum Einsatz. Weiterhin gilt es zu prüfen, inwieweit das Investitionsvorhaben im Investitionsbudget bereits berücksichtigt ist oder einen zusätzlichen Kapitalbedarf auslöst. Größere Investitionen gilt es auch aus Gesamtunternehmenssicht zu beurteilen. Strategischer Fit, Realisierbarkeit, Auswirkungen auf die KPIs des Unternehmens, verbleibendes Investitionsbudget bzw zusätzlicher Kapitalbedarf, Wechselwirkungen mit anderen Investitionsvorhaben des Investitionsportfolios oder Auswirkungen auf das Risiko des Gesamtunternehmens sind Themen aus Unternehmenssicht.
Der Teilprozess „Investitionsprogramm und Einzelinvestition entscheiden“ gliedert sich einerseits in die Festlegung des Investitionsprogramms, das häufig aus den strategischen Vorgaben abgeleitet und im Rahmen der jährlichen Budgetierung für das Unternehmen bzw Teilbereiche entschieden wird. Andererseits umfasst der Teilprozess die Genehmigung/Ablehnung konkreter einzelner Investitionsanträge. Diese werden auf Einhaltung der Unternehmensvorgaben geprüft und durch das Management bzw ein Gremium anlassbezogen entschieden.
Im Falle der Genehmigung wird ein detaillierter Projektplan erstellt und die Umsetzung des Investitionsvorhabens mit einem entscheidungsorientierten Reporting begleitet. Fortschrittsberichte, Plan-Ist-Vergleiche, Abweichungsanalysen und Forecasts schaffen die notwendige Transparenz für frühzeitige Gegensteuerungsmaßnahmen. Bei stark veränderten Rahmenbedingungen oder einem ungünstigen Forecast werden Handlungsvarianten und -empfehlungen für die Entscheidungsträger erarbeitet.
Die exakte Dokumentation von Änderungen und -zusätzen erleichtert Abweichungsanalysen und die Nachkalkulation der Investitionsvorhaben. Diese sollte im Sinne der „Lessons Learned“ für alle wichtigen oder wiederkehrenden Investitionsvorhaben nach Abschluss (ggf auch nach Abbruch) durchgeführt werden. Bei sehr langfristigen Investitionen wie zB Kraftwerken etc können diese auch als Forecast deutlich vor Abschluss durchgeführt werden.
Auf den Punkt gebracht
Der Beitrag hat einen kurzen Abriss über eine der drei strukturellen Änderungen im IGC-Controlling-Prozessmodell 2.0 gegeben. Er zeigt, dass mit dem IGC-Prozessmodell ein Referenzmodell guter Controlling-Praxis verfügbar ist, das Unternehmen Anregungen für die Gestaltung ihrer Controlling-Prozesse geben kann. Die Notwendigkeit einer stringenten Gestaltung wird am Beispiel der Spannweite des Hauptprozesses Investitionscontrolling besonders deutlich, der von der Investitionsrechnung einzelner Investitionsvorschläge bis zur strategischen Gesamtsteuerung des Unternehmens und seines Investitionsportfolios reicht.
Quelle: 1 Aktuellste verfügbare Geschäftsberichte per 15. 6. 2019; Umrechnung Euro/$: 1,11
Der Artikel ist in CFO aktuell (Heft 4/2019) erschienen. Mehr Infos unter: www.cfoaktuell.at
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