Die neuen Fairness Opinion Standards der DVFA als zentrale Richtlinien im deutschsprachigen Raum

Fairness Opinions zur Absicherung der Unternehmens­organe bei MA

Aufgrund des wachsenden und zunehmend internationalen Markts für Unternehmenstransaktionen nimmt die Bedeutung von Fairness Opinions kontinuierlich zu. Aus diesem Grund hat die DVFA1 die „Grundsätze für die Erstellung von Fairness Opinions“ aus dem Jahr 2008 nun komplett überarbeitet und im März 2023 die neuesten Richtlinien veröffentlicht.

Mangels eigener Fairness Opinion Standards in Österreich und mangels gesetzlicher Regelungen sind die DVFA Standards nicht nur in Deutschland, sondern im gesamten deutschsprachigen Raum von hoher Relevanz, um eine Vereinheitlichung und Qualitätsverbesserung von Fairness Opinions zu erreichen.


1. Hintergrund und Zielsetzung der Fairness Opinion Standards

Eine Fairness Opinion ist eine Stellungnahme eines sachverständigen Dritten in Bezug auf die finanzielle Angemessenheit der Gegen­leistung bei einer Unternehmenstransaktion, insbesondere im Rahmen von Unternehmens­erwerben oder -verkäufen. Eine Fairness Opinion kann daher sowohl für den Erwerber als auch für den Verkäufer eines Unternehmens erstellt werden. Der häufigste Anwendungsbereich ist die Beauftragung im Zusammenhang mit dem Kauf und Verkauf von Unternehmens­anteilen sowie dem Erwerb von börsennotierten Unternehmen im Rahmen von öffentlichen Übernahme- und Delisting-Angeboten.

Längst sind Fairness Opinions aber nicht mehr auf öffentliche Unternehmenstransaktionen beschränkt, sondern werden auch regelmäßig für private Unternehmen, va bei größeren Transaktionen, erstellt. Finanzinvestoren beauftragen die Erstellung von Fairness Opinions häufig bei internen Fund-to-Fund-Transaktionen.

Die Fairness Opinion ist für nicht börsennotierte Unternehmen insbesondere dann von Bedeutung, wenn es mehrere Gesellschafter bzw Minderheits­gesellschafter gibt. Ein möglicher Interessenkonflikt von entscheidenden Unternehmens­organen erhöht generell die Notwendigkeit der Einholung einer Fairness Opinion.

Neben Unternehmenskäufen und -verkäufen werden Fairness Opinions häufig bei Restrukturierungen (zB Debt-Equity-Swaps) und bei Sachkapitalerhöhungen eingeholt.2

Die Fairness Opinion dient insbesondere dem Schutz der beauftragenden Unternehmens­organe (idR Vorstand und/oder Aufsichtsrat) vor Haftungsrisiken. Darüber hinaus stellt sie eine unabhängige Validierung der Entscheidung zum Kauf/Verkauf von Unternehmen(-santeilen) dar und untermauert diese gegenüber Investoren, im Rahmen einer Restrukturierungssituation auch gegenüber den kredit­gebenden Banken.

Da es weder in Österreich noch in Deutschland gesetzliche Vorgaben gibt, unterscheidet sich der Inhalt der Fairness Opinions unterschiedlicher Ersteller zum Teil erheblich. Die neuen Grundsätze sollen daher einheitliche Richtlinien zur Vereinheitlichung der Methoden und Qualitätsverbesserung der Stellungnahmen bieten.

2. Rechtlicher Rahmen

Im österreichischen Aktien­gesetz (AktG) regelt § 84 die Sorgfalts­pflicht und Verantwortlichkeit von Vorstandsmitgliedern. Vorstandsmitglieder haben demnach bei unternehmerischen Entscheidungen:

die Sorgfalt eines gewissenhaften und ordentlichen Geschäftsleiters anzuwenden,
sich nicht von sachfremden Interessen leiten zu lassen,
auf Grundlage angemessener Informationen zu entscheiden,
um folglich annehmen zu können, zum Wohle der Gesellschaft zu handeln.3

Nach § 99 AktG gilt § 84 AktG sinngemäß auch für Aufsichtsratsmitglieder. Unternehmens­organe, die diesen Pflichten nicht nachkommen, sind der Gesellschaft zum Ersatz des daraus entstandenen Schadens gesamtschuldnerisch verpflichtet. Von der Schadensersatz­pflicht können sich Vorstandsmitglieder befreien, wenn sie nachweisen können, mit der Sorgfalt eines gewissenhaften und ordentlichen Geschäftsmanns gehandelt zu haben ( § 84 Abs 2 AktG).

Analog der Regelung nach § 84 AktG für Vorstandsmitglieder einer Aktien­gesellschaft ist auch die Sorgfalts­pflicht und Verantwortlichkeit für Geschäftsführer einer GmbH seit 2016 nach § 25 GmbHG geregelt. Diese haben folglich bei unternehmerischen Entscheidungen die gleichen oben genannten Sorgfalts­pflichten anzuwenden wie Vorstandsmitglieder.4

Wenn Unternehmens­organe im Rahmen einer MA-Transaktion eine Fairness Opinion einholen, ist diese ein wichtiger Beitrag für eine Entscheidungsfindung auf der Grundlage angemessener Information und gleichzeitig auch eine dementsprechende Dokumentation, was zum Nachweis im Falle von Haftungsfragen von hoher Relevanz ist. Eine Fairness Opinion ist zur Entscheidungsfindung und zum Schutz der Organe von noch größerer Bedeutung, falls Interessenkonflikte von Unternehmens­organen vorliegen.

Um ihrer Sorgfalts­pflicht nachzukommen, haben die beauftragenden Unternehmens­organe dieSeite 96 Fairness Opinion auf ihre Plausibilität hin zu prüfen und zu gewährleisten, dass sie auf richtigen und vollständigen Informationen beruht.5 Die Zurverfügung­stellung eines Großteils dieser Informationen (va in Bezug auf die Transaktion und die beteiligten Unternehmen) liegt idR im Aufgabenbereich des Auftraggebers.

3. Anforderungen an die Ersteller und den Inhalt von Fairness Opinions

3.1. Anforderungen an die Ersteller

Die Ersteller einer Fairness Opinion sollten sachverständige Dritte sein, zB eine Bewertungsfirma, eine Investmentbank oder eine Beratungs­gesellschaft/Financial Advisory Firm. Die Ersteller sollten nach ihrer Qualifikation und Reputation ausgesucht werden.

Die sachverständigen Dritten sollten sachlich unabhängig sein, dh die Stellungnahme sollte weder mittelbar noch unmittelbar hinsichtlich des Ergebnisses beeinflusst werden. Insofern ist von der Beauftragung einer Beratungsfirma, welche auch in die Transaktion involviert ist (zB der beratenden Investmentbank), abzuraten.6

Ebenso ist die Beauftragung des Abschlussprüfers nicht zu empfehlen, selbst wenn die Grenzen für Nicht­prüfungsleistungen eingehalten werden.

In jedem Fall sollten Umstände, die einen Interessenkonflikt für die Ersteller begründen können, offengelegt werden. Das gilt nicht nur bei Beauftragung eines Abschlussprüfers oder eines Transaktionsberaters, sondern auch für andere geschäftliche Beziehungen zum Auftraggeber. Nur so kann die Fairness Opinion ihre Schutzfunktion für die Organe bestmöglich erfüllen.

Bei großen Transaktionen werden oftmals mehrere Fairness Opinions eingeholt, zB separate Opinions für den Vorstand und den Aufsichtsrat eines Unternehmens oder auch die Einholung einer weiteren, unabhängigen Opinion neben der Stellungnahme eines beteiligten Transaktionsberaters.7 Ein Beispiel hierfür ist das öffentliche Übernahmeangebot der CPI Property Group S.A. für die Immofinanz AG: Vorstand und Aufsichtsrat der Immofinanz AG (Zielgesellschaft) haben separate Fairness Opinions beauftragt und auf diese jeweils in ihren im Januar 2022 veröffentlichten Äußerungen zum Angebot Bezug genommen.8

Die Ersteller der Fairness Opinion sollten ein Fairness Opinion Review Committee einrichten, welches die Fairness Opinion nochmals überprüft. Um dieser Aufgabe gerecht zu werden, muss das Committee personell von dem die Opinion erstellenden Arbeitsteam getrennt sein.

3.2. Anforderungen an den Inhalt von Fairness Opinions

Die Fairness Opinion enthält eine Beurteilung der finanziellen Angemessenheit der Gegen­leistung bei Unternehmenstransaktionen und besteht aus dem Valuation Memorandum und dem Opinion Letter. Während der Opinion Letter eine Zusammenfassung der Aussage zur finanziellen Angemessenheit enthält (zB „is fair/unfair from a financial point of view“), umfasst das Valuation Memorandum nicht nur das Urteil zur finanziellen Angemessenheit, sondern auch die detaillierte Begründung dessen. Dies schließt nicht nur die angewandten Bewertungs­methoden, sondern auch die zentralen Bewertungsannahmen ein.

Als Mindestanforderung zur Bestätigung der finanziellen Angemessenheit gilt, dass sich die betreffende Partei durch die Transaktion ökonomisch nicht schlechter stellt. Gegenüberzustellen sind somit die Leistung und Gegen­leistung der Transaktion, wobei bei Erstellung der Fairness Opinion in die Käufer- und Verkäuferperspektive unterschieden werden muss:9

Käuferperspektive: dem zu zahlenden Kaufpreis gegenüberzustellen ist der Wert des Transaktionsobjekts bei Weiterführung durch den Käufer, wobei auch damit verbundene Synergien oder negative Werteffekte (zB Integrations­kosten) in die Wertermittlung einzubeziehen sind.Bei börsennotierten Transaktionsobjekten muss auch der Aktienkurs (und eine allfällige Prämie auf diesen) in der Analyse berücksichtigt werden.Ist der Wert des Transaktionsobjekts zumindest so hoch wie der zu zahlende Kaufpreis, so kann die finanzielle Angemessenheit bestätigt werden.
Verkäuferperspektive: dem Kaufpreis gegenüberzustellen ist der Wert des Transaktionsobjekts bei Weiterführung durch den Verkäufer. Auch hier sind bei der Wertfindung Synergien, welche bei Weiterführung im Unternehmensverbund erzielt würden (und auch mögliche negative Effekte), zu berücksichtigen.Bei börsennotierten Unternehmen muss der Aktienkurs (und eine allfällige Prämie) ebenfalls analysiert werden. Ist der Wert des Transaktionsobjekts höchstens so hoch wie der gebotene Kaufpreis, so kann die finanzielle Angemessenheit bestätigt werden.

Ist eine direkte oder indirekte Beteiligung am Käufer Teil der (Gegen-)Leistung, so ist auch eine (anteilige) Bewertung des Käufers inkl dessen Beteiligung am Transaktionsobjekt sowie der positiven und negativen finanziellen Effekte erforderlich und in die Gegenüber­stellung miteinzubeziehen, um die finanzielle Angemessenheit abschließend zu beurteilen.

Zur Beurteilung der finanziellen Angemessenheit ist demnach immer zumindest eine Unternehmens­bewertung erforderlich, ggf auch mehrere Unternehmens­bewertungen (zB wenn die (Gegen-)Leistung eine Beteiligung am Käufer umfasst). Im Rahmen der Unternehmens­bewertung wird die Anwendung mehrerer Bewertungs­methoden und Ableitung einer Wertbandbreite empfohlen.

Hierbei ist insbesondere auf die weit verbreiteten Methoden wie Discounted-Cash-Flow-Verfahren (bzw generell Kapital­wertverfahren) und marktorientierte Verfahren wie Multiplikatoranalysen (und bei börsennotierten Gesellschaften Analyse der Markt­kapitalisierung) zurückzugreifen. Laut den DVFA-Grundsätzen werden die verschiedenen Bewertungs­methoden als gleich­wertig erachtet.

Seite 97Ein Schwerpunkt auf eine der Bewertungs­methoden ist im Einzelfall möglich, sollte aber von den Erstellern der Fairness Opinion begründet werden. Der zusammenfassende Opinion Letter sollte nicht nur die Aussage zur (Un-)Angemessenheit der finanziellen Gegen­leistung, sondern auch die angewandten Bewertungs­methoden und die ermittelte Wertbandbreite enthalten.

Auf den Punkt gebracht

Aufgrund der zunehmenden Bedeutung von Fairness Opinions in einem wachsenden, internationalen Markt für Unternehmenstransaktionen hat die DVFA im März 2023 neue Grundsätze zur Erstellung von Fairness Opinions veröffentlicht. Zentrale Neuerungen im Vergleich zu den vorigen Fairness Opinion Grundsätzen der DVFA aus dem Jahr 2008 sind die höhere Relevanz der Unabhängigkeit der Ersteller von Fairness Opinions, die breitere Empfehlung zur Einholung von Fairness Opinions (nicht nur bei öffentlichen Übernahmen), die Einbeziehung von Synergien und möglichen negativen finanziellen Effekten in die Beurteilung der finanziellen Angemessenheit sowie die Aufnahme der ermittelten Wertbandbreite in den Opinion Letter.

Die neuen Grundsätze zur Erstellung von Fairness Opinions verkörpern mangels gesetzlicher Regelungen wichtige Richtlinien zur Vereinheitlichung und Qualitätsverbesserung der Fairness Opinions im deutschsprachigen Raum.


1

DVFA e.V. ist die Deutsche Vereinigung für Finanzanalyse und Asset Management, https://www.dvfa.de/dvfa-verband.html (Zugriff zuletzt am 27. 4. 2023).

2

Vgl DVFA, Grundsätze für die Erstellung von Fairness Opinions, Langfassung, März 2023, 5, https://www.dvfa.de/fileadmin/downloads/Publikationen/Standards/Grundsaetze_Fairness_Opinions_2023_Langfassung.pdf (Zugriff zuletzt am 27. 4. 2023).

3

§ 84 Abs 1a AktG.

4

Vgl Swoboda-Brachvogel, Implikationen der Business Judgement Rule im Rahmen von Unternehmensakquisitionen, CFOaktuell 2021, 115 ff.

5

Vgl DVFA, Grundsätze für die Erstellung von Fairness Opinions, Langfassung, März 2023, 9.

6

In der Praxis werden Fairness Opinions häufig von begleitenden Transaktionsberatern erstellt, was deren Unabhängigkeit – auch aufgrund der Incentivierung durch Erfolgs­prämien im Rahmen der Transaktion – infrage stellt.

7

Vgl DVFA, Grundsätze für die Erstellung von Fairness Opinions, Langfassung, 14 f.

8

Siehe https://www.takeover.at/uebernahmeangebote/2021-immofinanz-ag-bieter-cpi-property-group/ (Zugriff zuletzt am 27. 4. 2023).

9

Vgl DVFA, Grundsätze für die Erstellung von Fairness Opinions, Langfassung, 2 f.


Der Beitrag erschien zunächst in CFOaktuell (Heft 3/2023). Mehr Infos unter: www.cfoaktuell.at

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