Expertentipp: Rechtzeitig robuste Liquiditätsprozesse etablieren

Thomas Schmidt ist Certified Corporate Treasurer und Partner bei EY Deutschland. Gemeinsam mit ihm werfen wir einen Blick auf verschiedene Unternehmensprozesse, die in Zeiten der Krise das Überleben der Organisation gewährleisten müssen. Was sind die Herausforderungen? Und wie kann die Liquidität sichergestellt werden?


Die Corona-Krise hat vielen Unternehmen erschreckend ins Bewusstsein gerufen, dass volle Auftragsbücher und hohe Umsätze schnell wertlos werden können. Und das im Wortsinne! Wenn Lieferketten unterbrochen sind, Filialen geschlossen bleiben und Auftraggeber abwarten, zählt vor allem eines: Liquidität. In den kommenden Monaten könnte diese Aussage noch mehr Gewicht erhalten als zu Anfang der Krise. Denn Experten rechnen damit, dass eine Welle von Insolvenzen ansteht – und Zahlungen von Kunden oder Geschäftspartnern ausbleiben können. Darum sollten Unternehmen einige entscheidende Maßnahmen treffen. Damit Prozesse auch in Krisenzeiten funktionieren, müssen Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten klar geregelt sein. Wer darf Zahlungen freigeben oder stoppen? Und wer vertritt sie oder ihn? Gerade in Pandemiezeiten können Mitarbeiter durch Krankheit, Quarantäne oder Homeoffice ausfallen oder nur schwer zu erreichen sein. Die Vertreter dürfen darum nicht nur auf dem Papier benannt sein, sondern müssen tatsächlichen Einblick in die Abläufe haben.

Um den Überblick über sämtliche Daten und Prozesse zu behalten, sollte es einen Zuständigen für Liquidität geben. Tatsächlich haben auch bereits viele Unternehmen einen solchen „Cash Manager“. Oft ist dessen Aufgabe aber nicht, die Zahlungsfähigkeit des Unternehmens sicherzustellen, sondern lediglich die Liquiditätsströme und -bestände zu optimieren. Oft herrschte die Einstellung vor: „Wenn Liquidität knapp wird, gehen wir einfach zur Bank.“ Damit der Cash Manager seine Aufgabe erfüllen kann, müssen alle relevanten Daten zentral zusammengeführt werden. Ebenso wichtig wie menschliche Kommunikation sind dabei die notwendigen technischen Voraussetzungen. Alle cash-relevanten Daten sollten in einheitlicher Form digital abrufbar sein. Bei Akquisitionen sollte das Synchronisieren dieser Daten und Systeme darum einer der ersten Schritte sein. In vielen Unternehmen erstellt jedoch jede Abteilung ihre eigenen Planungen. Will der Cash-Manager beispielsweise die Höhe und Zeitpunkte der erwarteten Auszahlungen aus Werbe-Etats erfahren, muss er beim Marketing anrufen. Das führt in der aktuellen Corona-Situation beispielsweise dazu, dass viele Unternehmen schon beim Beantragen der Förderhilfen Probleme haben, alle für eine Liquiditätsprognose benötigten Unterlagen zeitnah zusammenzustellen.

Der plötzliche Ausbruch von Corona hat deshalb einmal mehr deutlich gemacht, wie wichtig ein Blick in die Zukunft ist. Unternehmen sollten darum nicht nur die Ist-Zahlen und den geplanten Trend im Auge haben, sondern darauf aufbauend auch Alternativszenarien entwerfen: Wie lang kann das Unternehmen überleben, wenn Umsätze einbrechen? Im Normalbetrieb ist eine monatliche Erfassung aller relevanten Daten ausreichend. In Krisenzeit sollte man sich die Zahlen aber täglich ansehen – auch, um Banken oder andere Kreditgeber schnell informieren zu können. Der Prozess sollte darum von vornherein so ausgelegt werden, dass er jederzeit auf eine tägliche Erfassung umgestellt werden kann.

Um Liquiditätsengpässe zu vermeiden, ist zudem das Erkennen von Ausfallrisiken elementar. Bonitätsprüfungen sollten Standard sein, um Risikokunden bereits im Vorfeld abzulehnen oder in Vorkasse gehen zu lassen. Dies war auch eine der zentralen Lehren aus der Finanzkrise 2008. Angesichts der guten Konjunktur ist dies aber in den vergangenen Jahren oft in Vergessenheit geraten. Denn in vielen Unternehmen wollte niemand den Vertrieb stoppen. Auch werden Ausfallrisiken oft nicht erkannt, weil Unternehmen Risiken nach falschen Parametern beurteilten. Diese basieren oft auf starren Vorgehensweisen, wie etwa einem Kundenanruf nach der zweiten Mahnung. Hier können Software-Lösungen, die Predictive Forecasts erstellen, Abhilfe schaffen. Denn solche Systeme erkennen Trends: Zahlt ein Kunde etwa immer erst nach der zweiten Mahnung, ist es nichts Beunruhigendes, wenn dies wieder passiert. Verschlechtert sich aber das Zahlungsverhalten eines vorher zuverlässigen Kunden schleichend, ist das beunruhigend – und ein Grund, direkt nachzufragen.


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