Die Energiewende und Eigenkapitalkosten im Rahmen der Investitionsförderung
Kapitalkosten als Mechanismus zur Setzung von Investitionsanreizen
Die Energiewende stellt eine große Herausforderung für den Ausbau der Energieerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen, den Ausbau der Netzinfrastruktur sowie die Speicherung von Energie dar, da die Energieerzeugung aus erneuerbaren Quellen stärker fluktuiert und dezentraler erfolgt als aus herkömmlichen Kraftwerken. Zur Erreichung der Klimaziele wurde in Österreich das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz (EAG) in 2021 beschlossen, welches ein umfangreiches Fördersystem vorsieht. Ein zentraler Bestandteil des Fördersystems ist dabei die Kapitalkostenbestimmung, welche die operativen Risiken der Unternehmen ausreichend kompensieren und somit Investitionsanreize setzen muss, um die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Energiewende zu schaffen.
1. Erfordernis signifikanter Investitionen zur Erreichung der Klimaziele
Ein zentrales energie- und klimapolitisches Ziel der österreichischen Bundesregierung ist es, die Stromversorgung bis 2030 auf 100 % Strom aus erneuerbaren Energieträgern umzustellen und Österreich bis 2040 klimaneutral zu machen. Bis 2030 soll die jährliche Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien um 27 TWh gesteigert sowie der Anteil von national produzierten erneuerbarem Gas am österreichischen Gasabsatz auf 5 TWh erhöht werden. Insgesamt lassen die ambitionierten Ziele des EAG erforderliche Investitionen iHv 30 Mrd € und 100.000 Arbeitsplätze erwarten. 1 Mit dem EAG wurden die dafür notwendigen rechtlichen und organisatorischen Rahmenbedingungen geschaffen.
2. Funktion der Kapitalkosten im Rahmen der Investitionsförderung und Entgeltregulierung
Um ein stabiles und attraktives Investitionsklima zu gestalten, kommen für die künftige erneuerbare Strom- und Gasbereitstellung sowohl Betriebsförderungen in Form von Investitionszuschüssen als auch gleitenden Marktprämien als Förderinstrumente (voraussichtlich iHv durchschnittlich 1 Mrd € pa) zur Anwendung. 2
Allgemein berechnet sich die Marktprämie gemäß § 11 EAG aus der Differenz zwischen dem jeweils im Rahmen einer Ausschreibung ermittelten oder mit Verordnung zum Zeitpunkt der Antragstellung festgelegten „anzulegenden Wert“ und dem jeweiligen Referenzmarktwert oder Referenzmarktpreis (in Cent pro kWh) 3 . Der anzulegende Wert bildet somit die Grundlage für die Berechnung der Marktprämie, welche – über den Referenzmarktpreis/-wert hinaus – den geförderten Energie-Unternehmen zur Verfügung gestellt wird.
Zur jährlichen Ermittlung des anzulegenden Werts ist laut § 47 (2) 2. EAG ein Finanzierungskostensatz anzuwenden, der sich aus einem gewichteten durchschnittlichen Kapitalkostensatz für Eigen- und Fremdkapital (WACC) unter Zugrundelegung einer Normkapitalstruktur sowie der Ertragsteuer bestimmt. Eine marktgerechte Risikoprämie für das Eigen- und Fremdkapital, die Rahmenbedingungen des Kapitalmarktes sowie ein risikoloser Zinssatz sind dabei ebenfalls zu berücksichtigen. Dabei müssen die kalkulatorischen Kapitalkosten die Betreiber der Energie-Unternehmen für das übernommene operative und finanzielle Risiko kompensieren, um ausreichend Investitionsanreize zur Umsetzung der Energiewende zu bieten.
3. Risikoadäquate Bestimmung der Eigenkapitalkosten in der Entgeltregulierung
Da die Höhe der Eigenkapitalkosten die Gesamtkapitalkosten maßgeblich beeinflusst und deren Ermittlung in der Regulierungspraxis häufiger Gegenstand von kontroversen Diskussionen ist als die Ermittlung der Fremdkapitalkosten, beschränken wir unsere Ausführungen infolge auf die risikoadäquate Bestimmung der Eigenkapitalkosten.
3.1. CAPM als Basis zur Ermittlung der Eigenkapitalkosten
Das Capital Asset Pricing Model (CAPM) hat sich seit seiner Entwicklung in den 60er Jahren 4 in Wissenschaft und Praxis als praktikables Modell zur Schätzung von risikogerechten Eigenkapitalkosten etabliert und ist auch in der Regulierungspraxis weit verbreitet. Nach dem CAPM werden Investoren für das Eingehen von systematischem Risiko, welches nicht diversifizierbar ist, kompensiert. Die Kompensation erfolgt auf Basis der CAPM-Annahmen anhand eines linearen Zusammenhangs zwischen dem Risiko eines Investitionsobjekts und der daraus erwarteten Rendite.
Im Rahmen des CAPM wird die erwartete Rendite einer Anlage i durch folgenden Zusammenhang berechnet:
E(ri) = rf + ßi * (E(rm) – rf),
mit den folgenden Parametern
E(ri) | erwartete Rendite der Anlage i |
rf | risikoloser Zinssatz |
E(rm) | erwartete Marktrendite |
(E(rm) – rf) | erwartete Marktrisikoprämie |
ßi * (E(rm) – rf) | Wagniszuschlag |
ßi | Betafaktor der Anlage i, welcher sowohl das systematische, operative Risiko als auch das Verschuldungsrisiko aus der Kapitalstruktur beinhaltet. |
Dabei ist in Erinnerung zu rufen, dass es sich im CAPM um die erwartete Rendite handelt und daher alle Modellparameter (nach Möglichkeit) zukunftsorientiert zu ermitteln sind.
3.2. Bestimmung des einheitlichen Basiszinssatzes
Der Basiszinssatz repräsentiert eine (quasi-)risikolose und fristadäquate Anlage. Für die Schätzung eines zukunftsgerichteten, österreichischen Basiszinssatzes kann die stichtagsbezogene Zinsstrukturkurve deutscher Bundesanleihen herangezogen werden, da Deutschland die gleiche Währung sowie ein AAA-Rating besitzt und daher dessen Anleihen einer risikofreien Anleihe sehr nahe kommen. Zur Schätzung der Zinsstrukturkurve kann auf die veröffentlichten Zinsstrukturdaten der Deutschen Bundesbank zurückgegriffen werden.
Zur Ableitung eines einheitlichen Basiszinssatzes über den gesamten Zeitraum auf Basis der Zinsstrukturkurve hat sich die Svensson-Methode etabliert. Der Fachsenat für Betriebswirtschaft der Kammer der Wirtschaftstreuhänder empfiehlt für Österreich ebenfalls dieses Vorgehen unter Heranziehung deutscher Staatsanleihen (siehe Abbildung 1). 5
Abb 1: Risikoloser Zinssatz für Österreich auf Basis deutscher Staatsanleihen
3.3. Ermittlung des Wagniszuschlags als zentralem Bestandteil der Eigenkapitalkosten
Bestimmung der Marktrisikoprämie
Die Marktrisikoprämie stellt neben dem Betafaktor die wesentliche Komponente des Wagniszuschlags im CAPM dar. Die erwartete Marktrisikoprämie kann nicht direkt am Markt beobachtet werden, sondern ist im CAPM die Resultante aus der für die Zukunft erwarteten Marktrendite und dem in Abzug zu bringenden risikolosen Basiszinssatz. Die Marktrendite sollte mit dem Basiszinssatz konsistent ermittelt werden, damit die resultierende Marktrisikoprämie mit diesem vereinbar ist und die geographische Anlegerperspektive einheitlich umgesetzt wird. Für Österreich ist infolge eine österreichische Marktrisikoprämie zu ermitteln.
In der Ermittlung der Marktrisikoprämie gibt es im Wesentlichen zwei relevante Verfahren: die verbreitete Ermittlung historischer Marktrisikoprämien und die seit einigen Jahren an Bedeutung gewinnende Ermittlung implizit erwarteter Marktrisikoprämien auf Basis bestimmter prognostizierter Größen. Da das CAPM ein zukunftsorientiertes Modell ist, sollten die relevanten Größen und somit die Marktrisikoprämie ebenfalls zukunftsorientiert ermittelt werden. Auch das EAG fordert explizit den Ansatz einer marktgerechten Risikoprämie sowie eine Berücksichtigung der Rahmenbedingungen des Kapitalmarktes, 6 was sich nur durch den Ansatz einer zukunftsorientierten und nicht durch den Ansatz einer historischen Marktrisikoprämie umsetzen lässt.
Infolge sollte die Ermittlung der Marktrisikoprämie auf Basis impliziter Modelle ( ex-ante) im Fokus stehen und die Heranziehung von historischen Marktrisikoprämien lediglich zu deren Plausibilisierung dienen. Der ex-ante Ansatz beruht im Wesentlichen auf der Idee, Gewinn- bzw Dividendenerwartungen von Finanzanalysten mit Aktienkursen (und auf Unternehmen bezogen: Marktkapitalisierungen) in Übereinstimmung zu bringen. Ziel der Analyse ist dann nicht die Bestimmung des Wertes des Eigenkapitals, sondern des der Bewertung zugrunde liegenden Eigenkapitalzinssatzes, der die Renditeerwartung der Marktteilnehmer repräsentiert. 7 Bezugsgröße ist dabei der Gesamtmarkt, der sich aus einzelnen Unternehmen zusammensetzt. Diese Vorgehensweise bietet den Vorteil, dass die Marktrendite und die Marktrisikoprämie stichtags- und zukunftsbezogen abgeleitet werden können. Zur Ableitung der impliziten Kapitalkosten kann auf die Grundmodelle Dividendendiskontierungsmodell, Residualgewinnmodell und Gewinnkapitalisierungsmodell zurückgegriffen werden. Abbildung 2 (siehe Seite 13) stellt die Entwicklung der impliziten Marktrisikoprämie auf Basis des Residualgewinnmodells nach Babbel 8 für den österreichischen Kapitalmarkt dar.
Auch in der Empfehlung KFS/BW 1 E 7 des Fachsenats für Betriebswirtschaft der Kammer der Wirtschaftstreuhänder wird eine zukunftsorientierte Ermittlung der Marktrisikoprämie auf Basis impliziter Marktrenditen und in Abzug des stichtagsgenauen Basiszinses nahegelegt. 9
Ermittlung des Betafaktors
Im Gegensatz zu Basiszins und Marktrisikoprämie gibt es keine Möglichkeit, den Betafaktor zukunftsgerichtet abzuleiten, sodass auf eine historische Ermittlungsweise zurückgegriffen werden muss. Da Erzeuger erneuerbarer Energie häufig nicht börsennotiert sind, ist der Betafaktor als Teil des Wagniszuschlags idR über die Betafaktoren von Vergleichsunternehmen zu ermitteln. Wenn ausreichend börsennotierte Unternehmen auf dem lokalen, im vorliegenden Fall dem österreichischen Markt, vorhanden sind, kann sich die Auswahl von Vergleichsunternehmen auf diesen beschränken. Ist dies nicht der Fall, ist die Auswahl auf weitere, dem Heimatmarkt möglichst ähnliche, Märkte auszuweiten (zB Deutschland, Europa).
Seite 13 Da die Ableitung der Marktrisikoprämie auf einem lokalen Index beruht, sind auch die Betafaktoren – zur Sicherstellung der Konsistenz – durch Regression gegen die länderspezifischen Referenzindizes zu bestimmen. Zur Anpassung der Kapitalstruktur an die Normkapitalstruktur ist ein Unlevern und Relevern der Betafaktoren erforderlich. 10 Auf Basis dieser Analysen kann ein Mittelwert bzw Median des Betafaktors zur Berechnung der Eigenkapitalkosten bestimmt werden.
Abb 2: Implizite Marktrisikoprämie für Österreich (Basis ATX) 11
Auf den Punkt gebracht
Im Rahmen der Entgeltbestimmung bei regulierten Unternehmen (zB Stromnetzbetreibern) sowie im Rahmen des umfangreichen Fördersystems des EAG zur Umsetzung der Energiewende findet das CAPM regelmäßig Verwendung. Wichtig ist, dabei zu berücksichtigen, dass das CAPM ein zukunftsorientiertes Modell ist und daher alle Größen (möglichst) zukunftsorientiert zu ermitteln sind. Darüber hinaus fordert das EAG explizit den Ansatz einer „marktgerechten“ Risikoprämie und eine Berücksichtigung der Rahmenbedingungen des Kapitalmarktes, was die Festlegung aktueller bzw zukunftsgerichteter Parameter unabdingbar macht. Anreizkompatible Kapitalkosten haben im Rahmen des EAG eine besonders hohe Bedeutung, da nur im Falle der Durchführung der erforderlichen, enormen Investitionen die gesetzten Klimaziele überhaupt erreichbar sind.
Regulatoren sollten daher besonders auf die Ermittlung risikoadäquater, zukunftsgerichteter Kapitalkosten bedacht sein und sich im Zweifelsfall eher an Mittelwerten bzw Ober- als an Untergrenzen orientieren, um die Attraktivität der notwendigen Investitionen sicherzustellen. Es empfiehlt sich darüber hinaus, die anhand des CAPMs ermittelten Eigenkapitalkosten durch weitere Methoden zu plausibilisieren, insbesondere durch historische Total Shareholder Returns und implizite Branchenrenditen, welche die (historischen und erwarteten) Eigenkapitalkosten ebenfalls widerspiegeln. Dadurch kann die Festsetzung kalkulatorischer Kapitalkosten bestmöglich untermauert und die Setzung von Investitionsanreizen sichergestellt werden.
Der Beitrag erschien zunächst in CFOaktuell (Heft 1/2022). Mehr Infos unter: www.cfoaktuell.at
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