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Digitalisierung: Erfinden sich Controller neu?

Der digitale Transformationsprozess ist nicht mehr aufzuhalten und greift auch auf die Wissensarbeit über: „Die Digitalisierung in all ihren Facetten von Big Data über Robotic Process Automation bis hin zur Künstlichen Intelligenz ist sicher die dominierende Herausforderung und wird es auch noch lange bleiben.“ (Heimo Losbichler im Interview zum 43. Congress der Controller, Controller Magazin).


Skepsis macht sich auch unter den Controllern breit: Werden in Zukunft auch im Controlling-Bereich Mitarbeiter „weg-automatisiert“ oder durch Künstliche Intelligenz ersetzt? Sind damit bisherige Kernkompetenzen und USPs eines Controllers Geschichte? Oder wird die Digitalisierung Controllern zu neuen Karrierechancen verhelfen? Und was müssen Controller dafür tun?

War das Controlling bislang für die Informationsversorgung verantwortlich und deckte Planungs-, Kontroll- und Koordinationsfunktionen ab, wird der digitale Transformationsprozess das Controlling sowohl als Institution als auch als Prozess verstärkt herausfordern. Bislang fungierte der Controller als Gatekeeper betriebswirtschaftlicher Daten. Jedoch ermöglichen Standardisierungen und Trends wie Self-Service und Realtime-Abfragen vielen Management-Partnern an jedem Ort und zu jeder Zeit direkten Zugriff auf Daten und Auswertungen. Auch Aufgaben wie Planung und Budgetierung, Leistungsmessung und Koordination einzelner Funktionsbereiche werden dank der Digitalisierung einen Transformationsprozess erfahren.

Punkte, die Controller herausfordern:

1. Daten-Management, Analytics und Big Data

Globalisierung und Digitalisierung verschaffen Unternehmen eine beinahe unvorstellbar große Menge an Daten, die erschlossen, verarbeitet, analysiert und für die Entscheidungsfindung sinnvoll genutzt werden können. Für Controller werden Big Data sowie Data Analytics und damit einhergehende Aufgaben im Zusammenhang mit der stärkeren Verankerung dieser Instrumente und Technologien im gesamten Controlling-Prozess essenziell. Dabei muss der Controller zu allererst für ein einwandfreies Date-Management, ein passendes Daten-Modell und laufend für eine entsprechende Daten-Qualität sorgen. An dieser Stelle erweitert sich das Aufgabenportfolio der Controller, da diese Daten vielfach aus anderen Unternehmensbereichen stammen, was ein fachübergreifendes Koordinieren erforderlich macht. Darauf aufbauend gilt es, Data Analytics für die eigenen Controlling-Prozesse als auch für andere Wertschöpfungsbereiche aktiv zu nutzen und daraus zu lernen.

2. Agile Unternehmenssteuerung

Unternehmen wollen beweglicher und schneller werden. Unüberschaubare Planungszeiten, behäbige und langwierige Controlling- und Management-Prozesse sind nicht mehr akzeptabel. Konzerne agieren in Zukunft schneller und integrierter, da das globale Umfeld dies erfordert und viele Abläufe häufiger standardisiert, zentralisiert und automatisiert werden. Darüber hinaus werden Informationszugänge demokratisiert, zu-mal sich viele Reports und Forecasts durch Self-Service-BI von den Nutzern selbst generieren lassen. Neue interaktive Formate gewinnen an Bedeutung.

3. Automatisierung, Standardisierung und neue Selbstständigkeit

Mit der Digitalisierung kommt es zu einer Verschiebung der Tätigkeiten innerhalb des Controllings. Das Management-Board kann Reports selbst abrufen. Forecasts werden von Analytics-Tools automatisch generiert. Analysen werden im gegeben Rahmen von leistungsfähigen Tools in standardisierter Form hochwertig visualisiert und benutzerfreundlich erstellt. Repetitive Aufgaben sind in Zukunft dann schon längst über Software Robotics automatisiert. Mit diesen zahlreichen neuen Möglichkeiten gewinnen Controller den nötigen Freiraum, neue Prozesse, Strukturen, Methoden und Instrumente zu entwickeln, die es braucht, um den Transformationsprozess voranzutreiben. Und sie haben damit endlich auch die Möglichkeit, sich verstärkt der internen Beratung zu widmen.

4. Flexibilität auf ganzer Linie

Controllern muss bewusst sein, dass sich ihre Aufgaben und Rollen innerhalb der Organisation wandeln. Der Zuschnitt bestehender Funktionsprofile im Controlling verändert sich im Zuge der digitalen Transformation bereits heute und zukünftig werden zahlreiche neue Aufgaben in gänzlich sich neu darstellenden, teils hybriden Funktions-profilen resultieren. Hybrid auch deshalb, weil Controller stärker denn je fachübergreifend und auch an den Schnittstellen zu anderen Prozessen bzw. Bereichen (BI/IT, HR Strategie, Business Development etc.) und unter anderer Bezeichnung (Business Data Scientist, Business Analyst, Business Partner, Process Manager, Digital Leader etc.) tätig sein werden. Nachdem konkrete Konturen dieser Funktionsprofile erst im Entstehen sind, braucht es ein großes Maß an Anpassungsfähigkeit und Flexibilität.

Nicht nur das Business und die Prozesse verändern sich im Zuge der digitalen Transformation, sondern auch das Berufsbild der Controller in signifikanter Form. Erst Lernen schafft die Voraussetzungen, dass die Transformation erfolgreich umgesetzt werden kann. Nur durch eine Identifikation, Entwicklung und Verankerung der erfolgskritischen, neuen Kompetenzen werden Controller und ihre Unternehmen in der Lage sein, die Chancen frühzeitig aufzugreifen und für eine Weiterentwicklung der eigenen Disziplin zu nutzen.

Es braucht neue Kompetenzen als Schlüssel zum Erfolg.
Und welche sind das?

Diese Frage betrachten wir anhand des bewährten Controller-Kompetenzmodells der International Group of Controlling (IGC). Es unterscheidet fünf generische Kompetenz-Kategorien und ist ein geeigneter Bezugsrahmen, die vielschichtigen Anforderungen an die Controller-Funktion abzubilden:

  • Know-how & Anwendung: Beinhaltet Kompetenzen, die Controller befähigen, über ihre ausgeprägte Fachexpertise auf dem Gebiet der Unternehmenssteuerung und anderer relevanter Wissensbereiche im Unternehmen als betriebswirtschaftliches Gewissen zu agieren sowie als interner Berater die Unternehmensentwicklung mitzugestalten.

Neue Kompetenzen: Hervorzuheben sind hier ein erweitertes fachlich-methodisches und technisches Know-how auf den Gebieten Data Analytics inklusive Statistik und modernes Datenmanagement, Automatisierung (Software Robotics), Künstliche Intelligenz und neue Arbeitsweisen und Methoden zur Förderung von Innovation und Agilität.

  • Leadership: Beinhaltet Kompetenzen, die Controllern die Fähigkeiten verleihen, Führungsaufgaben eigenverantwortlich wahrzunehmen und eine aktive Rolle im Zusammenhang mit der Umsetzung der Controlling-Prozesse unter Beweis zu stellen.

Neue Kompetenzen: Leadership gewinnt für Controller unabhängig von seiner Leistungsfunktion an Bedeutung. Nur über eine sichtbare Positionierung von Themen sowie die Führung von Projekten und Prozessen schaffen es Controller, für sich Gestaltungsspielräume zu öffnen und eine aktive Rolle in der digitalen Transformation einzunehmen.

  • Kundenfokus: Beinhaltet Kompetenzen, die es Controllern ermöglichen, ihre Leistung service- und kundenorientiert zu erbringen und gegenüber ihren Stakeholdern Wirkung zu erzielen.

Neue Kompetenzen: Kommunikations- und Konfliktfähigkeit oder die Fähigkeit zu beraten sind auch schon bisher integraler Bestandteil des generischen Kompetenzmodells und insbesondere in Business-Partner-Profilen stark vertreten. Nachdem die Business-Partner-Rollen weiter im Kommen sind und interne Beratung an der Schnittstelle zum Management ein wichtiges Zukunftsfeld für Controller darstellt, führt kein Weg an diesen Kompetenzen vorbei. 

  • Effizienz: Beinhaltet Kompetenzen, die Controllern dazu verhelfen, ihre eigenen, knappen Ressourcen rational einzusetzen und wirtschaftlich zu arbeiten.

Neue Kompetenzen: Klassische Grundtugenden wie ein systematisches und konsequent-beharrliches Vorgehen werden auch weiterhin hilfreich sein, werden aber das Berufsbild vermutlich in Zukunft weniger stark prägen als in Vergangenheit. Stattdessen wird die Fähigkeit, Projekte und Prozesse gut zu organisieren, deutlich in den Vordergrund rücken. Controlling-Prozesse werden im Zuge der Digitalisierung anspruchsvoller und Controller müssen mehr denn je in der Lage sein, die Ressourcen im Hinblick auf Ziel der Organisation geschickt und flexibel zu koordinieren.

  • Zukunftsgestaltung: Beinhaltet Kompetenzen, die Controller dazu befähigen, Akzente für zukunftsträchtige betriebswirtschaftliche Entscheidungen und für die Weiterentwicklung des Controller-Bereichs und des Controllings zu setzen.

Neue Kompetenzen: Ganzheitliches Denken, Innovationsfreudigkeit und Offenheit für Veränderung machen sich bezahlt, wenn es darum geht, digitalen Projekten und Use Cases im Unternehmen mit Erfolg zu entwickeln und voranzutreiben. Entwicklungsbedarf für derartige Vorhaben gibt es über die gesamte Wertschöpfungskette und auch bei den Controlling-Prozessen. Ob Controller hierbei einen Wertbeitrag leisten können, entscheiden die vorhandenen Kompetenzen.

Keine Chance ohne Risiko

Genauso wenig wie es bis dato ein allgemeingültiges Controller-Funktionsprofil für die Unternehmenspraxis gab, wird sich auch zukünftig das Berufsbild des Controllers nicht anhand eines einzigen Profils festmachen lassen. Ein „One size fits all“ ist hier eben nicht zutreffend. Die oben vorgestellten Kompetenzfelder sind für unterschiedliche Aufgabenfelder und Controller-Rollen unterschiedlich relevant. Entscheidend ist, sich zur rechten Zeit mit den wichtigen Themen auseinanderzusetzen, anschlussfähig und agil zu bleiben. Es handelt sich nicht um eine Entwicklung von heute auf morgen, sondern um einen mehrjährigen Anpassungsprozess größeren Ausmaßes, der auch die Chance birgt, die Controller-Funktion ein Stück weit neu zu erfinden. Dennoch gilt: Keine Chance ohne Risiko! Fraglich ist, ob sich die für Controlling-Verantwortlichen diesen Herausforderungen bewusst sind und sich ihnen rechtzeitig stellen. Die zentralen Stellschrauben lauten: Ein passendes Controlling-Mindset, das Offenheit für Veränderung, Flexibilität und Innovationsfreudigkeit fördert, eine neu gedachte Controlling-Organisation mit zukunftsfähigen Aufgaben- und Kompetenzprofilen sowie eine Lernkultur, die formales wie informales Lernen in die laufenden Controlling-Prozesse integriert. Daran führt kein Weg vorbei.

Literatur:

Biel, Alfred, Quo Vadis Controlling, Controller und Internationaler Controller Verein IVC?, Interview mit dem ICV-Vorstand zum 43. Congress der Controller, Matthias von Daacke, Klaus Eiselmayer, Siegfried Gänßlen, Heimo Losbichler, Malgorzata Podskarbi, Karl-Heinz Steinke und Carmen Zillmer, in: Controller Magazin, 2018 März/April, Ausgabe 2, Seite 4-10.

Gleich, Roland / Losbichler, Heimo / Möller, Klaus / Tschandl, Martin (Hrsg.), Standards im Controlling, Controllerarbeit professionell ausrichten und strukturieren, München, 2017.

Grünbichler, Rudolf / Knefz-Reichmann, Alexandra, Das zukünftige Anforderungsprofil eines Controllers unter dem Aspekt der Digitalisierung, Ausgewählte Ergebnisse einer empirischen Erhebung, in: CFOaktuell, Zeitschrift für Finance & Controlling, 12. Jahrgang, Mai 2018, Nr. 3, Seite 122-126.

International Group of Controlling (Hrsg.), Controller-Kompetenzmodell, Ein Leitfaden für die modern Controller-Entwicklung mit Muster-Kompetenzprofilen, Freiburg, 2015.

Möller, Klaus / Seefried, Johannes / Wirnsperger, Franz, Wie Controller zu Business-Partnern werden, in: Controlling & Management Review, Ausgabe 2/2017, Seite 64-67.

Niedermayr, Rita / Losbichler, Heimo, Ein Leitfaden für die Controller-Entwicklung, in: Controlling & Management Review, Ausgabe 4/2016, Seite 58-62.

Schäffer, Utz, „Controlling, so wie wir es kennen, wird sich signifikant verändern“, in: CFOaktuell, Zeitschrift für Finance & Controlling, 11. Jahrgang, November 2017, Nr. 6, Seite 216-218.

Waniczek, Mirko / Niedermayr, Rita / Graumann, Martin, Need for Speed – Controlling muss schneller werden, in: Controlling & Management Review, Ausgabe 8/2017, Seite 50-56.

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