Der Angriffskrieg auf die Ukraine aus unternehmerischer Sicht

Welche Konsequenzen ergeben sich für mein Unternehmen in Österreich?

Seit Wochen überschatten die negativen Ereignisse in der Ukraine sämtliche Medienbeiträge. Auch wenn uns diese negativen Schlagzeigen derzeit nicht unmittelbar betreffen, so gibt es mittelbar sehr wohl viele negative Konsequenzen im Privatbereich, aber vor allem auch für österreichische Unternehmen. In diesem Artikel wollen wir die wesentlichen erläutern.


1. Bilanzielle Auswirkungen

1.1. Bewertungsmaßnahmen

1.1.1. Allgemeines zur Bewertung

Vermögensgegenstände einer Gesellschaft sind nicht nur im Rahmen der Anschaffung zu bewerten, sondern unterliegen einer laufenden Beobachtung der Werthaltigkeit. Dies ist den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung des UGB geschuldet. Vermögengegenstände eines Unternehmens teilen sich in das Anlage- (Gebrauchsgegenstände) und das Umlage­vermögen (Verbrauchsgegenstände) auf.

Gemäß § 203 Abs 1 UGB sind Vermögensgegenstände des Anlage­vermögens mit den Anschaffungs- oder Herstellungs­kosten vermindert um die Abschreibung anzusetzen. Ist eine Wertminderung voraussichtlich von Dauer, so ist gemäß § 204 Abs 2 UGB zwingend auf den niedrigeren beizulegenden Wert abzuschreiben (sogenanntes gemildertes Niederst­wertprinzip). Bei Finanzanlage­vermögen darf diese außerplanmäßige Abschreibung bereits bei kurz­fristigen Wertminderungen erfolgen. Im Zusammenhang mit dem Umlauf­vermögen gilt hingegen das strenge Niederst­wertprinzip. Das heißt, bereits kurz­fristige Wertänderungen sind bilanziell in Form einer Abschreibung zu berücksichtigen.

Gründe für außergewöhnliche Ereignisse können einerseits punktuell das Unternehmen betreffen. Darunter würde zum Beispiel die Insolvenz eines Kunden bzw die übermäßige Abnutzung einer Maschine fallen. Andererseits können Großereignisse wie etwa die COVID-19-Pandemie oder auch der Ukraine-Krieg zu außerplanmäßigen Abschreibungen führen. Letzteres wird vermutlich am ehesten die folgenden Vermögens­werte betreffen:

Betriebsstätten (Produktionsanlagen in der Ukraine);
Finanzanlage­vermögen (Tochter­gesellschaften in der Ukraine);
Vorratsbestand (nicht veräußerbare oder lieferbare Vorräte);
Kundenforderungen.

Wichtig ist dabei zu berücksichtigen, dass der Krieg nicht nur ukrainische Vermögensgegenstände betrifft, sondern auch russische. Zwar erfolgt der Angriffskrieg aktuell in der Ukraine, doch haben die Sanktionsmaßnahmen des Westens auch erhebliche Auswirkungen auf die russische Wirtschaft.

1.1.2. Bewertung von Finanzanlage­vermögen

Unter Finanzanlage­vermögen sind ua Anteile an verbundenen Unternehmen (> 50 %) und Beteiligungen (> 20 %) zu verstehen. Die Bewertung von Finanzanlage­vermögen ist dahingehend schwierig, als es in der Regel keinen Marktpreis für Unternehmen gibt und somit stets eine gesonderte Unternehmens­bewertung nach KFS BW 1 durchzuführen ist. Die Unternehmens­bewertung hat zu erfolgen, sobald Hinweise bestehen, dass das Unternehmen, an dem Anteile gehalten werden, einem Wertverfall unterliegt.

Das AFRAC1 nennt in diesem Zusammenhang folgende Anhaltspunkte:

Änderungen der Rahmenbedingungen bzw Parameter aufgrund von externen und internen Ursachen. Im konkreten Fall der Ukraine wären hierunter zum Beispiel die fehlende Möglichkeit der Ausübung der Geschäftstätigkeit aufgrund des Krieges, zerstörte Produktionslager oder Personal­mangel aufgrund von Fluchtbewegungen zu subsumieren. Für Russland wären darunter etwa die Entwertung der Landeswährung, gescheiterte Handelsbeziehungen aufgrund von Sanktionen etc zu verstehen;
Änderungen durch eine wesentliche Veränderung des anteiligen Eigen­kapitals des Beteiligungs­unternehmens;
wesentliche Veränderung der Markt­kapitalisierung;
Veränderungen bei den zu berücksichtigenden Synergieeffekten (Wegfall von Synergieeffekten, Ausscheiden aus gemeinsamen Syndikatsbzw Kooperations­verträgen).

1.1.3. Bewertung von (Kunden-)Forderungen

Wie eingangs erwähnt, ist das Umlauf­vermögen nach dem strengen Niederst­wertprinzip zu bewerten. Es ist somit bereits ein kurz­fristiger Wertverfall in Form einer Wertberichtigung zu berücksichtigen.

Forderungen gegenüber ukrainischen und russischen Unternehmen sind derzeit vermutlich wertzuberichtigen, wenn nicht sogar abzuschreiben. Darüber hinaus ist zu prüfen, in welcher Währung der Vertrag abschlossen wurde. Wurde der Vertrag in der ukrainischen Hrywnja bzw dem russischen Rubel abgeschlossen, ist aufgrund des Verfalls der Währungen ebenfalls von einer notwendigen Wertberichtigung in den Büchern auszugehen.

1.2. Offenlegung im Jahresabschluss bzw Lagebericht

§ 201 Abs 2 Z 4 lit b UGB regelt als Element des Vorsichts­prinzips, dass erkennbare Risiken und drohende Verluste, die im Geschäftsjahr oder in einem früheren Geschäftsjahr entstanden sind, im Jahresabschluss zu berücksichtigen sind, selbst wenn die Umstände erst zwischen dem Abschluss­stichtag und dem Tag der Aufstellung des Jahresabschlusses bekannt wurden.

Die zur Aufstellung des Jahresabschlusses verpflichteten Mitglieder der Geschäftsführung bzw des Vorstands haben dafür zu sorgen, dass der Kenntnisstand über die Verhältnisse am Abschluss­stichtag zum Zeitpunkt der Aufstellung des Jahresabschlusses möglichst umfassend ist. Daher sind sie verpflichtet, alle für Ansatz und Bewertung relevanten Erkenntnisse innerhalb des Wertaufhellungs­zeitraums zu beschaffen. Wird diese Verpflichtung verletzt und wären bei Anwendung pflichtgemäßer Sorgfalt weitere wertaufhellende Erkenntnisse zu erlangen gewesen, kann es sein, dass der Jahresabschluss kein möglichst getreues Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage vermittelt.2

Ereignisse, die erst nach dem Abschluss­stichtag eintreten und keinen Aufschluss über die Verhältnisse zu diesem Zeitpunkt geben, sondern diese verändern, sind bei der Aufstellung des Jahresabschlusses für das abgelaufene Geschäftsjahr nicht zu berücksichtigen. Damit sind die Auswirkungen des Ukraine-Krieges für alle Jahresabschlüsse mit einem Bilanz­stichtag vor dem 24. 2. 20223 wertbegründend und im Anhang zu erläutern.

Im Lagebericht muss die Geschäftsführung bzw der Vorstand insbesondere auf die mit dem Kriegsausbruch verbundenen Risiken (Risikobericht) und die Auswirkungen auf die voraussichtliche Geschäftsentwicklung (Prognosebericht) eingehen.

Folgende Risiken können in diesem Zusammenhang von Bedeutung sein:4

Währungsrisiko;
Geschäftsrisiko (weiterer Ausfall von Kunden, Insolvenzen, Unterbrechung von Lieferketten etc);
Risiko in Bezug auf die Entwicklung des Unternehmens;
Liquiditätsrisiko;
Risiko in Bezug auf die wirtschaftliche Entwicklung;
Risiko in Bezug auf Cyberangriffe.

1.3. Going Concern und Insolvenzen

Im Rahmen der Jahresabschlusser­stellung ist vom Going Concern, sprich der Unternehmensfortführung auszugehen. Die Annahme der Unternehmensfortführung ist ein zentraler Bewertungsgrundsatz bei der Aufstellung von Abschlüssen nach dem UGB.5 Demnach ist bei der Bewertung des Vermögens und der Schulden von der Unternehmensfortführung auszugehen, solange dem nicht tatsächliche oder rechtliche Gründe entgegenstehen.

Besteht die ernsthafte Absicht, die Unternehmenstätigkeit einzustellen oder das Unternehmen aufzulösen, ist mangels Fortführungswillens von der Fortführungsannahme abzugehen. Ein Abgehen von der Fortführungsannahme ist auch dann geboten, wenn eine realistische Alternative zur Einstellung der Unternehmenstätigkeit oder zur Auflösung des Unternehmens fehlt. Dies ist dann der Fall, wenn hinreichend sichere (das sind substanzielle und in hohem Maße wahrscheinliche) tatsächliche oder rechtliche Gründe vorliegen, die aufgrund deren Ausmaßes und der Wahrscheinlichkeit deren Eintretens eine Unternehmensfortführung im Prognose­zeitraum in hohem Maße unwahrscheinlich erscheinen lassen.

Die Einschätzung über die Fähigkeit des Unternehmens zur Fortführung der Unternehmenstätigkeit ist durch die gesetzlichen Vertreter der Gesellschaft vorzunehmen. Die getroffenen Annahmen müssen ausreichend begründet sein, auf aktuellen Informationen aufsetzen und mit bereits verfügbaren externen Prognosen zur gesamtwirtschaftlichen Entwicklung in Einklang stehen.

Im Fall von globalen Krisen kommt es oftmals zu globalen Unternehmensausfällen, die eine Welle an Insolvenzen mit sich bringen. Nach der IO ist ein Antrag auf Insolvenz innerhalb von 60 Tagen ab Eintritt der Zahlungsunfähigkeit bzw einer Überschuldung zu stellen

Unter Zahlungsunfähigkeit wird eine voraussichtlich nicht nur vorübergehende Wirtschaftslage verstanden, die den Schuldner daran hindert, die Geldmittel zur Tilgung fälliger Geldschulden bereitzuhalten oder demnächst zu beschaffen. Künftige Fälligkeiten sind dabei zu berücksichtigen. Die Überschuldung ist nach der Judikatur dynamisch zu betrachten. Dabei ist der vom Unternehmen voraussichtlich erzielbare Ertrag der Planungsperiode zu berücksichtigen. Die rein rechnerische Überprüfung der Überschuldung ist durch eine Fortbestehensprognose zu ergänzen.


Auf den Punkt gebracht

Der russische Angriff auf die Ukraine wirkt sich auf viele Unternehmensbereiche aus. Für die breite Masse der Unternehmen kann dieser zu einer angepassten Bewertung und/oder zur Notwendigkeit zusätzlicher Erläuterungen im Jahresabschluss führen. Die Geschäftsführung bzw der Vorstand ist dafür verantwortlich, alle relevanten Informationen offenzulegen, damit der Jahresabschluss ein getreues Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage vermittelt.


Der Beitrag erschien zunächst in CFOaktuell (Heft 3/2022). Mehr Infos unter: www.cfoaktuell.at

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