Controlling wird sich signifikant ändern

Utz Schäffer, einer der führenden Controlling-Professoren im deutschsprachigen Raum, sieht einen dringenden Handlungsbedarf für Controller. Wir haben mit ihm über eine neue Definition des Business Partners und über den „digital controller“ gesprochen.

Die digitale Transformation ist in vollem Gange. Damit stehen wir vor radikalen Umwälzungen. Erstmals werden nicht nur industrielle Bereiche berührt, sondern auch Dienstleistungen zunehmend automatisiert. Auch das Controlling wird sich ändern. Wie werden diese Änderungen aussehen?

Ich glaube, dass die Veränderungen am Ende wirklich radikal sein werden. Controlling – so wie wir es kennen – wird sich signifikant verändern. Die naheliegende Anschlussfrage ist: Wie schnell wird das gehen, wie lange wird der Prozess dauern? Und ich glaube, da sind wir in einer ganz spannenden Situation. Zum einen werden die Veränderungen deutlich länger brauchen als man vielleicht denkt. Das überrascht nicht, denn das war eigentlich immer so: denken Sie etwa an die Rollenveränderung des Controllers zum Business Partner. Oder die Verankerung von letztlich einfachen Konzepten wie Wertorientierung oder Balanced Scorecard. Bis sich so etwas wirklich in der Praxis nachhaltig etabliert hat, dauert es eher Jahrzehnte als nur Jahre. Das ist das eine. Das andere ist, dass wir zumindest in Teilen nicht ausreichend Zeit haben werden, weil sich der digitale Wandel nicht aufhalten lässt und der Effizienzdruck noch zunehmen wird. Das Zusammenspiel aus beiden Punkten, es dauert halt und wir werden dafür die Zeit – anders als früher– nicht vollumfänglich haben, macht die weitere Entwicklung ungemein spannend.

Business Partnering ist seit Jahren jenes Rollenverständnis der Controller, das gefordert wird. Ist aus Ihrer Sicht jetzt der Zeitpunkt gekommen, dass dieses Rollenverständnis auch in der Praxis ankommt und warum?

Ich glaube, dass Sie völlig recht haben, wenn Sie sagen, dass der Implementierungsstand des Konzepts heute vielfach noch hinter dem zurück bleibt, was in der Vergangenheit erwartet und postuliert wurde. In der Tat. Das verdeutlichen auch unsere empirischen Erhebungen. Wir beobachten etwa in der WHU Zukunftsstudie, dass der Erwartungswert, wo Business Partnering im eigenen Unternehmen in fünf Jahren stehen wird, über den Zeitraum von 2011 bis 2017 im Durchschnitt konstant hoch ist. Gleichzeitig sehen wir, dass der Umsetzungsstand in der Wahrnehmung der befragten Controller unverändert niedrig bleibt. Da liegt letztlich ein Hockeystick-Effekt vor. Der Status quo verändert sich kaum, aber man geht immer wieder davon aus, dass sich das bald und deutlich ändern wird. Das ist ein ganz spannender Befund und ich glaube, darin spiegelt sich das wider, was ich eben bereits erwähnt hatte: Veränderungsprozesse brauchen einfach Zeit. Zweitens denke ich schon, dass Business Partnering ein relativ alternativloses Konzept ist. Transaktionale Tätigkeiten von Controllern verschwinden letztlich. Gleichzeitig werden Manager qualifizierter und anspruchsvoller, fordern ein Business Partnering auch zunehmend ein.

Aber Vorsicht: das, was ein Business Partner können muss, wird im digitalen Zeitalter nicht genau das Gleiche sein wie heute. Das Konzept entwickelt sich weiter.

Was ist ein Business Partner für mich? Ein Business Partner ist jemand, der in strategischen und operativen Belangen auf Augenhöhte mit dem Management agiert, in strategische und operative Entscheidungen eingebunden ist. Um das zu sein, braucht er bestimmte Fähigkeiten. Wenn wir nun über Entscheidungsunterstützung in einem digitalen Kontext sprechen, braucht der Business Partner stärker als früher gewisse Fähigkeiten im Bereich Analytics und ein klares Verständnis davon, wie analoge und digitale Geschäftsmodelle funktionieren. In meinen Seminaren stelle ich Controllern oft die Frage: Wie viele von Ihnen trauen es sich aus dem Stand zu, mit ihren Managern auf Augenhöhe über Erfolgsfaktoren digitaler Plattformkonzepte oder digitaler Geschäftsmodelle zu diskutieren? Die Antwort ist regelmäßig: So gut wie keiner. Nur: wie soll ich dann im digitalen Kontext ein Partner auf Augenhöhe sein? Ich glaube, Controller müssen an einigen Stellen noch ihre digitalen Hausaufgaben machen.

Sie haben auch eine Agenda für „digital controller“ erstellt. Was kann man sich darunter vorstellen und warum sind gerade diese Punkte essenziell?

Wenn Sie mir so zuhören, kann man ja im ersten Schritt durchaus auch Angst bekommen. Da kommt einer her und sagt, das Reporting wie wir es heute kennen wird verschwinden, das Forecasting wird zumindest in Teilen automatisiert, viele andere Prozesse auch. Zudem treten neue Wettbewerber wie Data Scientists auf. Und, und, und… Wie gesagt, da kann man wirklich Angst bekommen und in der Tat lautet die schlechte Nachricht: „Liebe Controller, wenn ihr nichts tut, macht ihr euch auf Sicht überflüssig.“ Ich glaube, das muss man in dieser Deutlichkeit, in dieser Vehemenz auch formulieren. Aber –so die gute Nachricht – es gibt eine ganze Reihe von Dingen, die ihr tun könnt, die ihr in unseren Augen auch tun müsst, und die haben wir in einem Framework mit acht Bausteinen zusammengefasst. Ich nenne das die digitale Agenda des Controllers.

Der erste Agendapunkt lautet: Machen Sie Ihre Hausaufgaben! Investieren Sie in die Systemlandschaft und die Qualität Ihrer Daten! Auch hier gilt sonst: „Garbage in, Garbage out“.

Der zweite Punkt: Sie müssen dazu beitragen, Manager in die Lage zu versetzen, auch ohne Controller daten- und faktenbasiert zu entscheiden! Etwa mit Hilfe von Self-Service-BI oder digitalen Boardrooms. Das ist aber nicht nur eine technische Frage. Manager müssen auch kulturell dazu in die Lage versetzt werden. Das heißt im Klartext: Controller müssen mehr denn je für eine veritable Controllingkultur im Unternehmen kämpfen: eine Kultur mit klaren Zielvorgaben und klarer Ergebnisverantwortung, eine Kultur der Transparenz und des offenen Informationsaustauschs und – last not least – eine Kultur der konstruktiven Kritik, wo das bessere Argument und nicht die Hierarchie zählt.

Dritter Punkt ist das Thema Agilität. Wie kann ich die Unternehmenssteuerung schneller und flexibler machen? Eng damit verbunden der vierte Punkt: Wie mache ich das Controlling schlanker? Nicht zuletzt durch Standardisierung, globale Zentralisierung und Automatisierung der Prozesse. Fünftens: das bereits angesprochene Thema Business Partnering. Der sechste Punkt auf der Agenda: Controller müssen sich mit Predictive Analytics und Data Science beschäftigen. Die Analyse von Big Data tritt an die Seite von Small Financial Data. Aber auch Themen wie Simulationsrechnungen, Bandbreiten in Forecast und Planung etc.

Für alle diese Agendapunkte benötigt der Controller neue Fähigkeiten: harte Kenntnisse in Statistik und Informationstechnologie, aber auch Fähigkeiten im kommunikativen und sozialen Bereich. Das ist mein siebter Punkt. Und zu guter Letzt – Nummer acht –  braucht der Controller einen neuen Mindset für den Umgang mit Innovation und eher disruptiven Veränderungen. Dieser muss den bewährten Mindset für etablierte Geschäftsmodelle ergänzen. Der wird ja immer noch gebraucht. Da sprechen wir dann über eine ganz neue Einstellung zu Dingen wie Risiko, Trial & Error und Fehlertoleranz.

Ich würde jedem Unternehmen empfehlen, sich auf Basis dieser acht Agendapunkte selbst einzuschätzen: Wo stehen wir gut da? Wo vielleicht noch nicht? Um dann im nächsten Schritt einen individuellen Pfad für das Unternehmen abzuleiten. Um es ganz deutlich zu sagen: Ich glaube nicht, dass es Sinn macht, pauschale Empfehlungen abzugeben. Aber ich denke, dass Unternehmen auf der Basis eines solchen Frameworks durchaus in der Lage sind, ihren eigenen digitalen Veränderungspfad zu entwickeln und anzugehen.

Eine letzte Frage: Ist die Digitalisierungswelle für Controller eher ein Risiko oder eine Chance?

Ein Risiko ist es definitiv. Wenn Controller nichts tun, sind sie irgendwann verschwunden. Eine Chance ist es immer dann, wenn Controller die anstehenden Veränderungen proaktiv angehen. Aber man darf sich da nichts vormachen. So oder so wird die Zahl der Controller in zehn oder zwanzig Jahren deutlich geringer sein, als es heute der Fall ist. Gleichzeitig werden die Rollenprofile im Regelfall höher qualifiziert sein.

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