CFO-Interview: „Im Bereich der Mitte“

Markus Fürst bevorzugt halbvolle Gläser. Für den Finanzchef der B&C Industrieholding ist eine positive Weltsicht Grundlage für positive Leistungen – im Beruf wie im Privaten. Im Gespräch mit Josef Ruhaltinger.


Als Geschäftsführer Finanzen der B&C Industrieholding verantwortet der promovierte Betriebswirt Markus Fürst (45) die Bereiche Finanzen, Controlling und Steuern der B&C-Holdings. Fürst startete seine Karriere 1998 als Manager in den Bereichen Corporate Finance und Audit bei der Wirtschafts­prüfungsgesellschaft PwC. Seit 2005 war er in mehreren führenden Funktionen des Verpackungs- und Papierkonzerns Mondi tätig, unter anderem als Leiter für Strategie und Unternehmensentwicklung, Geschäftsführer der österreichischen und deutschen Release Liner-Standorte, Direktor für Sales & Business Development der Geschäftsbereiche Specialty Kraft Paper & Pulp sowie als Direktor für Finance & Business Development von Consumer Packaging. Zuletzt verantwortete er als Geschäftsführer das Papierbeschichtungs- und -veredelungs-Segment Release Liner mit sieben Produktionsstandorten auf drei verschiedenen Kontinenten. Als Finanz-Geschäftsführer bildet Fürst gemeinsam mit Mariella Schurz, zuständig für Organisation und Kommunikation, sowie Thomas Zimpfer, verantwortlich für M&A-Aktivitäten, das Geschäftsführerteam der B&C Industrieholding.

Für einen Wiener ist Frankfurt noch nicht Ausland. Markus Fürst war 28 Jahre jung und 2004 für seinen damaligen Arbeitgeber in der Mainmetropole stationiert: „Ich mag Deutschland. Aber Hessen war nicht das, was ich mir unter Auslandserfahrung vorgestellt habe“, erinnert sich der damals schon promovierte Betriebswirt und heutige Finanzchef der B&C Industrieholding. Es war auf einer Grillp­arty unter Kollegen mit Bier und Bratwurst, als einer der Bekannten von seinen Plänen erzählt: Er wolle kündigen, nach China gehen und „mal was anderes machen“. Die Vorsätze trafen Fürst ins Mark: „Das war genau das, was ich immer vor mir hergetragen habe und nie dazu gekommen bin.“

Die Unterredung mit seiner Partnerin dauerte nur kurz. Drei Monate später waren Markus Fürst und seine Lebensgefährtin in einem MBA-Lehrgang an der Universität Hongkong eingeschrieben. Nach Aufnahmetests und einem Telefoninterview mit dem Leiter des MBA-Programms – „wir haben um vier Uhr früh telefoniert“ – erhielt der gebürtige Wiener sogar ein Halbstipendium. Er nahm sich dafür von seinem Arbeitgeber ein Sabbatical für ein Jahr.

Alles ganz anders

Hongkong war in den frühen Nullerjahren eine Stadt, in der die Energie aus dem Starkstromkabel kam. China hatte sich endgültig auf die Überholspur im globalen Wettlauf gebracht und Hongkong lieferte dafür die finanziellen Mittel. Für Markus Fürst war die Stadt wie gezeichnet: Er konnte auf ein abgeschlossenes Studium und sechs Jahre Berufserfahrung bei PwC verweisen. Die Universität erwartete ihn mit offenen Armen: „Mein WU-Studium erwies sich als sehr solide Ausbildung.“ Während er in den theoretischen Bereichen wenig Neues kennen lernte, erwiesen sich die zahlreichen Case-Studies als echter Gewinn.

„Inhaltlich waren die Fallbeispiele selten große Herausforderungen. Aber die vielen Reisen in andere asiatische Länder haben mich viel gelehrt.“ Abstecher nach Shanghai, Peking, Tokio oder Singapur würzten die 18 Monate in Asien. „Ich habe Hongkong gern gehabt.“ Die letzte politische Entwicklung berühren ihn: Die Stadt der „zwei Systeme“ ist unter Druck der Pekinger Kader gekommen. Vor 16 Jahren hatte er das unkomplizierte Durcheinander aus Expats und einheimischen Studenten genossen. „Ich bin mir nicht sicher, ob dies auch heute noch so ist“. Fürst erzählt aber von großem persönlichem Gewinn: „Was bleibt ist der neue Horizont. Wer längere Zeit inmitten anderer Kulturen lebt, verliert die Scheu vor dem Fremden.“ Dies sei eine Erfahrung, die ihm viel genutzt hätte – privat wie beruflich. „Wenn ich später einen längeren Aufenthalt in der tiefsten ukrainischen Provinz hatte, um eine Papierfabrik zu kaufen, war das für mich später nicht mehr als ein Ausflug.“

Strategie und Veranlagung

Markus Fürst ist seit Oktober 2020 Geschäftsführer Finanzen bei der B&C Industrieholding. Wer seinen Wirkungskreis durch die Anzahl der unmittelbaren MitarbeiterInnen bemisst, greift in seinem Fall zu den falschen Zahlen: In der Beteiligungs­gesellschaft sind gerade einmal 25 Menschen beschäftigt. Die haben dafür Einfluss: In der Holding der B&C Stiftung werden die Mehrheits­anteile an drei traditionellen österreichischen Industrie­unternehmen gemanagt: Lenzing, Semperit und Amag. Dazu kommen Beteiligungen an mehreren Startups bzw Innovations­unternehmen.

Zu den Aufgaben von Fürst zählen unter anderem die Vertretung der B&C-Interessen im Aufsichtsrat des Faserkonzerns Lenzing und das Management der Kriegskasse der Industrie- sowie der Innovationsholding. Die Stiftung, zu der die Gesellschaft gehört, ist ständig auf der Suche nach Beteiligungen an österreichischen Industrie­unternehmen. „Es gibt regelmäßig Entscheidungen, die große Tragweite haben.“ Als Aktionärsvertreter im Aufsichtsrat liefert er den „Advocatus diaboli“ zu den operativen Vorständen. Als Geschäftsführer der B&C Industrieholding muss er mit seinen Kollegen gemeinsam entscheiden, wo investiert werden soll. Der „Plausibilitäts-Check“ ist dabei das Hauptwerkzeug: Planzahlen für Investitionen und Akquisitionen müssen auf nachvollziehbaren Grundlagen beruhen : „Ich beschäftige mich mit Seite 133 Investitionsvolumina von 100 Mio. Euro und mehr. In meinen früheren Jobs musste ich für Projekte mit Budgets von einer Million kämpfen.“ Fürsts Wirkungskreis hat sich deutlich erweitert.

Über die B&C-Gruppe

Die B&C Privat­stiftung ist eine unabhängige Stiftung, die seit ihrer Gründung im Dezember 2000 „das Ziel der Förderung des österreichischen Unternehmertums und des Wirtschaftsstandortes Österreich“ verfolgt. So steht es wörtlich in der Stiftungsurkunde. Die Stiftung nimmt über ihre Holding­gesellschaft B&C Industrieholding eine wichtige Rolle im österreichischen Wirtschaftsstruktur ein: Die B&C-Gruppe hält derzeit 50 % plus zwei Aktien an der Lenzing AG, 54,2 % an der Semperit AG Holding und 52,7 % an der AMAG Austria Metall AG. Im Jahr 2020 erzielten diese börsennotierten Unternehmen einen konsolidierten Umsatz von EUR 3.465 Mio und beschäftigten gemeinsam rd 15.600 Mitarbeiter.

Neben den großen drei Kernbeteiligungen hält die B&C eine 10%ige Minderheitsbeteiligung an der VAMED AG und an Scope Ratings AG, einer Ratingagentur. Mit der B&C Innovation Investments beteiligt sich die Gruppe seit 2016 mit Investitionen in Technologie-Wachstums­unternehmen. Mit dem Software-Entwickler für KI-gestützte Röntgenbildanalysen Contextflow und dem Verpackungs­unternehmen Schur Flexibles wurden erst im Mai und Juni 2021 zwei neue Firmenbeteiligungen erworben.

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Immer der Jüngste

Es gibt Probleme, die erledigen sich von selbst. Jugend gehört in diese Kategorie. Markus Fürst ist gewöhnt, im beruflichen Umfeld zu den juvenilen Durchst­artern zu zählen. In den USA wäre er oft „Rookie of the year“ gewesen. Er schaffte den Master mit 22 und den Doktor mit 24 und mit 27 hatte er zusätzlich die CFA (Chartered Financial Analyst) und die Steuerberater Ausbildung abgeschlossen. Nach seiner Rückkehr aus Hongkong startete er beim Papier- und Verpackungskonzern Mondi. Nach vier Jahren Corporate-Finance-Beratung bei PwC wechselte er dort in den Mergers & Akqusitions-Bereich, „eine inhaltlich sehr verwandte Aufgabe“, wie er heute meint. Bereits nach sechs Monaten spülten ihn personelle Revirements im Konzern an die Spitze der Abteilung – da war Fürst gerade Dreißig. Und als er erstmals zum Geschäftsführer von drei Produktionsstandorten (einer in Österreich, zwei in Deutschland) berufen wurde, fand er sich als 34-Jähriger am Verhandlungstisch mit ausgefuchsten Betriebsräten und gewieften Zulieferern. Sie alle betrachteten den jungenhaften Wiener als leichte Beute.

Der Finanzmann ohne Produktionshintergrund hatte zum Start einen schweren Stand. „Das war schon hart“, erinnert sich der heute 45-Jährige. Die Verhandlungen über Schichtmodelle, Personalfragen, Qualitäts­sicherungen und Investitionsabläufe waren Neuland. Er war zwei Tage in seiner operativen Funktion, als ihm ein Anruf aus Deutschland verdeutlichte, dass der dortige Betriebsrat geplante Neuein­stellungen boykottierte. Fürst musste lernen, dass bei den westlichen Nachbarn auch eine Personalaufstockung mit dem Betriebsrat besprochen werden muss. Er verstand schnell, dass es nicht klug ist, diese Vorgaben zu ignorieren. Denn genau das hatte sein Vorgänger gemacht. So brachte die erste Dienstreise den Geschäftsführernovizen nach Deutschland, um den schwelenden Ärger einzudämmen. Das Ergebnis war zufriedenstellend: „Der damalige Betriebsratsvorsitzende schreibt mir heute noch Geburtstagsgrüße.“

Kein Platz für Blender

Die Erfahrungen aus den ersten Monaten als Geschäftsführer nennt Fürst „bis heute prägend.“ Denn Schauspieler hätten auf dieser Bühne wenig Wirkung. Fürst: „Ich habe nie so getan, als ob ich Dinge wüsste, von denen ich keine Ahnung habe. Der andere merkt ohnehin, dass man es nicht weiß.“

Bei Kauf- und Verkaufsver­handlungen lägen die Dinge einfacher: Da zählen ab einer gewissen Ebene „nur Zahlen, Fakten und Bonität. Den Rest bestimmen die unternehmerische Interessenslage und die Risiko­bemessung“, so Fürst. Seine Aufgabe bei der B&C-Industrieholding seien sehr ähnlich: „Ich zeige, was ist und beschreibe, was unter bestimmten Voraussetzungen sein wird. Dann wird entschieden.“ Konsens ist dabei eine wichtige, aber keine zwingende Vorgabe: „Wenn es bei wesentlichen Punkten nur eine Ja-Nein-Entscheidung gibt und die Verhandlungsp­artner gegenteiliger Meinung sind, dann wird es schwierig.“ In der Regel gebe es aber Anliegen unterschiedlicher Priorität. „Es bestehen immer Argumente, die sind zentral und es gibt Positionen, in denen Bewegungsfreiheit besteht.“ Es sei „Verhandlungsgeschick, die Spielräume zu tauschen.“

Lachen erlaubt

Um Gläser im Zweifel als halbvoll und weniger als halbleer zu sehen, müssen Menschen mit sich im Reinen sein – zumindest halbwegs. Manager und Managerinnen – und dies ist kein Vorrecht der Finanzleute – neigen dazu, sich zu viel Druck auf den Kessel zu laden. Es ist für Markus Fürst sehr wichtig, gemeinsam mit seiner Frau, die eine ähnlich anspruchsvolle Funktion ausübt wie er, Zeit mit den beiden Kindern Marie Zoe und Maximilian zu verbringen. Für die soziale Umgebung (= Familie) ist es trotzdem schwierig, allein für die notwendige Entlastung zu sorgen. Markus Fürst hat für die erforderliche Ablenkung den Sport gewählt, oder, um genau zu sein: Tennis. Er hat nach 15 Jahren Pause wieder begonnen, in einem Team zu spielen und sich um ein Ranking in seinem Klub zu bemühen.

Es sei heutzutage sowohl als Führungskraft als auch als Mitarbeiter möglich, Beruf und Privatleben unter einen Hut zu bringen: „Es macht mich stutzig, wenn jemand sagt, er sei Tag und Nacht verfügbar“.


Der Beitrag erschien zunächst in CFOaktuell (Heft 4/2021). Mehr Infos unter: www.cfoaktuell.at

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