Big Data Analytics: HR gestalten statt verwalten

Zeitgemäße Tools und Methoden verschaffen der HR-Funktion einen höheren Stellen­wert

Was Wissenschaftler und Beratungs­unternehmen dem HR-Management in puncto Digitalisierung und Big Data attestieren, klingt oft wenig schmeichelhaft: „Die Personaler lassen sich abhängen – und werden abgehängt, weil sie im digitalen Veränderungsprozess nicht als relevanter Partner des Managements wahrgenommen werden“, konstatiert bspw Prof. Dr. Walter Jochmann, Mitglied der Geschäftsführung der Kienbaum Consultants International GmbH und Leiter des Kienbaum-Instituts für Leadership und Transformation (ISM). Die Bitkom Research GmbH wollte es genauer wissen und befragte im Auftrag des Business-Netzwerks LinkedIn mehrere Hundert Personalentscheider aus deutschen Unternehmen. Das Ergebnis: Nur rund 9 % der Betriebe unterschiedlichster Art und Größe nutzten im Jahr 2015 bereits Big Data im Personalwesen, weitere 27 % planten oder diskutierten immerhin den künftigen Einsatz entsprechender Technologien und Methoden.

Fakt ist: Nachdem die digitale Transformation längst alle Bereiche von Wirtschaft und Gesellschaft durchdringt, entwickelt sich Big Data ebenso rasant zur wichtigsten Informationsbasis über alle Branchen und Einsatzbereiche hinweg. Marketing und Vertrieb sind geradezu existenziell auf die gewaltigen Datenmengen angewiesen, die ihnen Social-Media-Plattformen liefern und über die sich unter Einsatz modernster Analyse­methoden fortlaufend neue Umsatzströme erschließen lassen. Die Fortschritte in der Automatisierungstechnik, Prozesse des maschinellen Lernens und das „Internet der Dinge“ erweitern den globalen Datenbestand praktisch unbegrenzt. Und je mehr Daten verfügbar sind, desto vielfältiger auch die daraus ableitbaren und für jedes Unternehmen höchst wertvollen Erkenntnisse.

Das HR-Management bleibt davon nicht ausgenommen: Damit Unternehmen und ihre Belegschaften mit dem rasanten Fortschritt der Digitalisierung mithalten können, braucht es beschleunigte Entwicklungs- und Anpassungsprozesse, die zugleich mit einer geringeren Planungssicherheit einhergehen. Mit zunehmender Digitalisierung verändern sich auch bislang praktizierte Geschäftsmodelle und damit verbundene Technologien; im Ergebnis müssen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zusätzliche Qualifikationen erwerben oder sich sogar auf grundlegend neue Rollenverteilungen einstellen.

Dynamik und Variabilität, unstrukturierte Vorgaben, Prozesse und Daten werden im HR-Management zusehends als Belastung wahrgenommen. Zugleich gewinnt das Personalwesen an Bedeutung, weil Belegschaften schnell und möglichst kosteneffizient angepasst werden müssen. Vom Sachwalter klassischer Personalaufgaben entwickelt sich HR-Management denn auch immer mehr zum proaktiven Gestalter der übergeordneten Unternehmensstrategie. Um auf all das angemessen reagieren zu können, verschafft Big Data Analytics als Schlüsseltechnologie dem HR-Management nicht nur die dafür nötige Basis, sondern macht zugleich auch den Weg zur unmittelbaren Einbindung der „Personaler“ in die Geschäftsstrategie frei. Konkret geht es dabei um die intelligente Verknüpfung von Daten, Analysen und Simulationen, damit Daten in wertvolle Informationen transformiert werden können und schließlich einen Mehrwert für die operative Arbeit darstellen.

  1. Präzise Antworten auf vielfältige Fragen

Die Sammlung, Verwaltung und Bereit­stellung interner Belegschaftsdaten fällt traditionell in die Zuständigkeit des Personalbereichs. Dabei werden zumeist interne, historische Mitarbeiterdaten aus den Systemen exportiert und mit einfachen Werkzeugen der Tabellenkalkulationen ausge­wertet und visualisiert. Darüber erschließt sich jedoch nur ein Bruchteil des in den Daten enthaltenen Potenzials. Umfassende Erkenntnisse ergeben sich erst aus dem Einsatz von Big-Data-Technologien.

Nicht zuletzt weil personenbezogene Daten ein hochsensibles Thema darstellen, stehen viele Unternehmen einem datengetriebenen HR-Management jedoch unverändert skeptisch gegenüber. Ansätze wie die Strategische Personalplanung von HRForecast nehmen darauf Rücksicht und bieten Strategische Personalplanung als „Managed Services“ an. Dabei handelt es sich um einen Softwarebasierten Prozess, der ohne Investitionen in zusätzliche Hardware jeder beliebigen IT-Umgebung angepasst werden kann. Die zur Analyse benötigten Personaldaten müssen nicht aus der jeweiligen IT-Umgebung heraus bewegt werden (zB in einen Cloud-Speicher), das jeweils geltende Datenschutz-Regime bleibt von dem Einsatz der Big-Data-Tools unberührt. Zugleich werden noch vor dem Beginn der eigentlichen Analyse alle personenbezogenen Daten (Namen, Personalnummern) aus den verwendeten Datensätzen entfernt bzw durch „Platzhalter“ ersetzt. Die Analyseergebnisse erlauben keine Rückschlüsse auf einzelne Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter, liefern aber gleichwohl qualifizierte Antworten auf nahezu jede beliebige Frage­stellung. Zum Beispiel:

  • Wie können Leistungsträger gehalten, geschützt und gefördert werden?
  • Welchen Talent-Mix braucht es, um die Unternehmensziele zu erreichen?
  • Wie können künftige Entwicklungen der Belegschaftsstruktur, benötigte Kompetenzen und damit verbundene Kosten prognostiziert Seite 250 und daraus konkrete Handlungsleitlinien für das HR-Management abgeleitet werden?
  • Welche individuell spezifischen Maßnahmen und Instrumente müssen zu welchem Zeitpunkt im MA-Lebenszyklus eingesetzt werden, um die optimale Entwicklung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie die Aufrechterhaltung ihrer Arbeits¬leistung zu gewährleisten?
  • Welchen Einfluss haben makroökonomische Faktoren auf die künftige Verfügbarkeit der benötigten Rollen am Arbeitsmarkt und wie kann das Recruiting bei absehbaren Engpässen angepasst werden?
  • Welchen Einfluss üben Faktoren wie Gesundheit, Sicherheit und nach Diversity-Gesichtspunkten zusammen¬gesetzte Teams auf die Mitarbeiter¬leistung aus?
  • Bilden die geltenden Kriterien zur Beurteilung der Mitarbeitereignung die sich wandelnden Anforderungen (Wettbewerb, Arbeitsmarkt, Skillset) hinreichend ab oder sind Anpassungen erforderlich?

Traditionell genutzte Business-Intelligence-Software kann auf solche Fragen nur sehr begrenzt eingehen und liefert kaum belastbare Antworten. Die Funktionalität solcher Programme ist meist darauf fokussiert, gespeicherte Daten zu durchsuchen, zu analysieren und zu visualisieren. Daraus ergeben sich zwar aufbereitete Zahlen, aber längst keine nutzbringenden Erkenntnisse. Hier setzen Big-Data-Technologien an und verknüpfen Finanzkennziffern sowie Daten aus der Unternehmens- und Personalplanung zu einem komplexen Modell, das über externe Daten weiter angereichert und verfeinert werden kann. Aus dem Modell und im Einklang mit der Unternehmensstrategie können sodann konkrete Personalmaßnahmen auf den jeweiligen Funktionsebenen abgeleitet werden. Sobald sich Planwerte oder betriebliche Rahmenbedingungen (Umsatz, Wertschöpfungstiefe etc) ändern, werden die Auswirkungen auf die HR-Planung unmittelbar ersichtlich.

  1. Vernetzte Daten schaffen Mehrwert

Big Data eröffnet durch die Verknüpfung von Daten aus verschiedenen Quellen völlig neue Dimensionen der strategischen Personal- und Unternehmensplanung. Interne Personal-, Finanz- und Produktionsdaten können mit externen, makroökonomischen Daten (zB Wandel von Arbeitsmärkten, demografische Entwicklungen, Wettbewerbssituation) zusammengeführt und aus ganzheitlicher Sicht präziser als je zuvor analysiert werden. Langfristige Veränderungen im direkten Unternehmensumfeld können damit unter Einbeziehung der Faktoren Demografie, Arbeitsmärkte und Wettbewerbssituation optimal prognostiziert und antizipiert werden.

Angesichts der rasant voranschreitenden Konvergenz von (Arbeits-)Märkten, Technologien und Gesellschaftsstrukturen, kann Big Data Analytics darüber hinaus auch das Erreichen von Diversity-Zielen unterstützen. Speziell entwickelte Tools machen deutlich, inwieweit eine vielfältig strukturierte Belegschaft jenseits der Führungsebenen bereits vorhanden ist oder welche Hindernisse dem Fortschritt von Diversität im Wege stehen, oder in welchen Teilbereichen vielfältig strukturierte Teams gegenüber klassischen Strukturen höhere Leistungen erbringen können. Dabei dienen vielfältig gestaltete Belegschaftsstrukturen bei Weitem nicht nur der Erfüllung gesetzlicher Vorgaben („Frauenquote“); vielmehr können entsprechende Bestrebungen auch dem Aufbau nachhaltiger Wettbewerbsvorteile dienen – erst recht im Umfeld global agierender Unternehmungen.

Abb 1: Strategische Personalplanung

Die Verbindung von weitreichender Analyse, umfassender Simulation und komplexen, umfangreichen Techniken erlaubt zudem eine vollständige Integration von Geschäftsplanung und Personalstrategie. Individuell maßgeschneiderte Instrumente und Prozesse ermöglichen eine bessere Ausrichtung von Personalmaßnahmen auf den Bedarf einzelner Gruppen im Unternehmen. Komplexe statistische Methoden helfen, Einflussgrößen und Treiber hinter Personalbewegungen zu identifizieren und Gründe für Fluktuation oder Engpässe bei der Personalbeschaffung (unter Einbeziehung makroökonomischer Daten) zu erkennen.

Als zentrale strategische Instrumente fungieren die mithilfe von Szenario-Techniken abgeleiteten, künftigen Personalbedarfe und die Bestimmung der damit verbundenen Fähigkeiten. So wird sichergestellt, dass auch bei einem extremen oder unwahrscheinlichen Zukunftsverlauf die unternehmerische Leistungsfähigkeit erhalten bleibt.

Abb 2: Beispiel Szenario-Simulationen

  1. Methodische Elemente der Datenanalyse

Prinzipiell erlaubt Big Data Analytics den Einsatz unterschiedlicher Methoden, um die für die jeweilige Frage­stellung optimalen Ergebnisse zu erzielen:

  • Deskriptive Auswertungen: Deskriptive Auswertungen dienen zB dem Verständnis von Veränderungen des Personalbestands oder von Personalbewegungen im Zeitverlauf. Darauf aufbauend können historische Trends erkannt sowie Abweichungen in der Entwicklung von Personalstrukturen identifiziert werden. Im Ergebnis werden Karrierestaus und die Ursachen von Fluktuation ersichtlich, woraus ein Unternehmen zur aktiven Steuerung dieser Prozesse die jeweils erforderlichen Maßnahmen ableiten kann.
  • Statistische Analysen: Statistische Analysen unterstützen bei der Identifikation von Einflussgrößen auf Ereignisse (zB Fluktuation oder Gesundheitsrisiken). Über Cluster- bzw Regressionsanalysen werden Zusammenhänge deutlich (zB der Einfluss einer älteren Belegschaft auf die Kundenzufriedenheit), zum anderen wird durch Reduktion der Komplexität strategisches Personalmanagement überhaupt erst ermöglicht.
  • Optimierungen: Optimierungsalgorithmen lassen optimale Parameter zur Steuerung von – meist komplexen – Systemen erkennen. Im Talent-Management kann darüber bspw das Zusammenspiel von Entwicklungen und Laufbahnen hinsichtlich zu erwartender Vakanzen optimiert werden.
  • Simulationen und Projektionen: Simulationen ermöglichen ua Vorhersagen über die Entwicklung des Personalbestands (unter detaillierter Berücksichtigung von Parametergrößen wie Fluktuation, Einstellungen und Entwicklungsmodellen) und erlauben die eindeutige Identifikation künftiger Lücken. Als Tools dienen in diesem Zusammenhang bspw neuronale Netze oder maschinelles Lernen.
  • Szenario-Techniken: Bei vorhandenen Planungsunsicherheiten erlauben Szenario-Techniken die Abbildung der zu erwartenden zukünftigen Bedarfe, aber auch von hypothetischen Situationen sowie deren Auswirkungen auf Parameter wie Personalbedarf oder erforderliche Kompetenzen der Belegschaft.

Abb 3: Beispiel makroökonomische Daten

  1. Fazit: Big Data macht HR-Management proaktiv und nachhaltig

Analysen, Simulationen und Verknüpfungen von inkongruenten Bereichen erlauben es dem HR-Management, Personalrisiken frühzeitig zu erkennen und mit maßgeschneiderten Instrumenten individuell und effizient gegenzu­steuern. „Fortschrittliche“ und „vorausschauende“ Analysen lassen erkennen, welchen Einfluss die Personalstruktur auf Kundenzufriedenheit, Auslastung oder Produktivität hat. Mit diesen Erkenntnissen kann die Personalstruktur so gestaltet werden, dass sich ein Mehrwert für das gesamte Unternehmen ergibt. Und wenn stets die am besten qualifizierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort eingesetzt werden, ergeben sich daraus Wettbewerbsvorteile und ein nachhaltiger Erfolg der Unternehmensstrategie.

Auf dem Weg dorthin stellt das HR-Management das wichtigste Bindeglied dar. Die Nutzung von Big Data bedeutet indes nicht, alle aufkommende Arbeit der Technik zu überlassen. Big Data verschafft dem HR-Management vielmehr eine integrierte Steuerungsfunktion, die jedoch nur mit neuen, datengetriebenen Strukturen effizient realisiert werden kann. Die nötigen Grundlagen aufzubauen, braucht natürlich Zeit und auch finanzielle Mittel. Unternehmen, die auf den Einsatz von Big Data im HR-Management verzichten, setzen hingegen lang­fristig ihre geschäftliche Substanz aufs Spiel.

2 Kommentare
  1. Ursula Boehle
    Ursula Boehle sagte:

    Stimme (großteils) zu. Zusätzlich die gute Nachricht: sinnvolle datenbasierte Erkenntnisse (wie oben beschrieben) sind möglich, ohne Big Data (in Sinne der eigentlichen Definition) zur Verfügung zu haben. Auch ohne einen Data Scientist im HR Team zu haben und Hadoop zum täglich Brot zu zählen, reichen auch die „Small Data“, die HR in der Regel zur Verfügung stehen, aus um (vernetzt mit anderen Quellen) faktenbasierte und wirkungsvolle Entscheidungen zu treffen. Meiner Erfahrung nach sind zwei (explizit nicht technische) Aspekte von besonderer Bedeutung: 1) die richtigen (für das Unternehmen relevanten) Fragen zu stellen bzw. Hypothesen zu bilden und 2) das „Storytelling“ d.h. die Erkenntnisse aus der Analyse zu verbinden mit Handlungsempfehlungen die für die Linie unmittelbar verständlich, umsetzbar und messbar sind. Beispiele gerne bei einem Kaffee.

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    • Florian Fleischmann
      Florian Fleischmann sagte:

      Liebe Frau Boehle, da stimme ich Ihnen absolut zu! Es ist in ganz vielen Fällen möglich aus kleinen Datenmengen / Reports wichtige Informationen zu gewinnen – dazu braucht es keine Data Scientists sondern analytische Fähigkeiten, die Fähigkeit eine Story daraus zu machen und am Wichtigsten Maßnahmen ableiten und umsetzten.
      Big Data ist dabei die nächste Evolutionsstufe, die es z.B. ermöglicht aus großen Datenmengen rauszufinden, welche Fähigkeiten Mitarbeiter haben und somit Fragestellungen beantworten kann, welche nur mit erheblichem Aufwand und/oder schlechten Ergebnissen manuell möglich sind.

      Wichtig ist v.a. sich mit Analysen zu beschäftigen, egal ob dies jetzt klassiche Ansätze sind oder Big Data. Auf einen Austausch beim Kaffee komme ich gerne zurück!

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