Vom Zauber der Zahlen

Christian Schreiberhuber, CFO und CEO, Pollmann International GmbH, Josef Ruhaltinger ist Journalist und Publizist in Wien (BUSINESSNEWS.AT).


Sie sind nicht immer leicht zu erkennen, jene Wegmarken, die den Verlauf einer Karriere bestimmen. Aber manchmal bleiben solche Tage von selbst in Erinnerung. Christian Schreiberhuber denkt dabei an einen Vormittag in den späten Neunzigern, an dem er als Werkstudent vor der Terminplanung der letzten drei Prüfungen stand. „Ich habe mich gefragt, ob es das wert ist, mein Studium zu Ende zu bringen.“ Sein internationaler Job als Controller eines oberösterreichischen Mittelbetriebes war spannend, das Betriebsklima fein, das Einkommen gut, das Firmenauto stand vor der Tür. Als fast fertiger Betriebswirt notierte er die Kosten auf der Soll: Denn ein erfolgreicher Endspurt würde nach deutlich reduzierter Arbeitszeit verlangen. Er säße karrieremäßig auf der Ersatzbank. Schreiberhuber widerstand dem Sog der Komfortzone: Der in Asten aufgewachsene HTL-Absolvent brachte seine Ausbildung zum Betriebswirt an der JKU Linz zum Ende: „Ich wäre ohne Studium heute nicht dort, wo ich bin.“ Die Verlockung, sich anders zu entscheiden, war aber groß.

Christian Schreiberhuber ist seit acht Jahren Geschäftsführer für Finanzen bei Pollmann International. Im September 2023 übernahm er zusätzlich zu seinen angestammten Bereichen den Posten des Chief Executive Officers. Er wurde zum Sprecher der Geschäftsführung berufen. Die Aufgabe ist groß: Das Familien­unternehmen mit Sitz in Karlstein an der Thaya ist Weltmarktführer bei Schiebedach-Kinematiken und liefert Türschloss-Gehäuse an fast alle Auto-Konzerne dieser Welt. 93 Prozent aller namhaften Automarken fahren mit Zulieferteilen von Pollmann. Wer in der Region entlang der österreichisch-tschechischen Grenze einen Industriejob haben möchte und dabei Aussicht auf eine internationale Karriere sucht, bewirbt sich bei Pollmann. Das Unternehmen ist für das obere Waldviertel das, was die Voest für Linz ist – nur eben größenmäßig angepasst.

In vielen Führungsetagen haben Finanzverantwortliche die Funktion des Reibebaums: Sie entwickeln Szenarien zu anstehenden Entscheidungen und präsentieren, was die Zahlen dazu meinen. Als CEO und CFO in Personalunion fehlt Schreiberhuber dieser Widerp­art. Er ist sich aber sicher, dass die Doppelfunktion kein Nachteil ist: Die Sachlage sei klar. „Business Cases müssen sich rechnen“. Und um die Entscheidungen auf den Boden zu bringen, sei die Rolle des CEO „sicher kein Hindernis“. Er mag es, Vorhaben direkter umsetzen zu können. Für die notwendige zweite Meinung sorge Geschäftsführungskollege und Chief Operating Officer Robert Stubenberger. Und letztendlich sei Pollmann ein familiengeführtes Unternehmen. Die Eigentümerfamilie habe bei allen strategischen Entscheidungen das letzte Wort. „Familien­unternehmen haben kurze Entscheidungswege und sind in ihrem Denken lang­fristig orientiert.“ Bei Pollmann sei bereits die fünfte Generation der Eigentümerfamilie aktiv: „Die Nachfolger wollen ein gesundes Unternehmen übernehmen.“

Über den Tellerrand

Schreiberhuber gilt als ein in der Wolle gefärbter Finanzmann. Führende Positionen in den Controlling-Abteilungen bei VA Tech, dem börsennotierten Mondseer Unternehmen BWT oder Restrukturierungsaufgaben bei Gruber & Kaja im oberösterreichischen St. Marien lassen ihn an den Zauber der Zahlen glauben: „Sie zeigen, was ist“, ist Schreiberhuber überzeugt. In mehreren Stationen als international aktiver Controller sammelte er Einsichten, bevor er 2015 als CFO zu Pollmann geholt wurde. „Das Wissen und die Beobachtung, wie Dinge anderswo laufen“, hält Christian Schreiberhuber unverändert für einen wichtigen Teil seiner Funktionsbeschreibung. Als Finanzverantwortlicher mit hoher Vertriebsaffinität hat er einen Hang zum Baren: „Cash is King“ ist seine erste Assoziation, wenn man ihn nach den wichtigsten Lehren seiner Finanzlaufbahn befragt. Liquiditätsmanagement zähle in der Zulieferbranche mit seinen höchst differenzierten Logistikketten zu den vordringlichsten Aufgaben eines CFO. Nur mit rasch verfügbaren Mitteln ließe sich „auf unvorhergesehene Situationen angemessen reagieren“. Überhaupt sei Schnelligkeit eine der wertvollsten Eigenschaften im Finanzwesen: „Das Management muss über die zentralen Kennzahlen des Geschäftsgangs Bescheid wissen.“ Pollmann verfügt neben zwei Standorten in Österreich über Werke in Tschechien, China und Mexiko. „Wir sehen in Karlstein, welche Maschinen in unserer chinesischen Produktion in Kunshan laufen.“ Bestimmte Key-Performance-Indicators (KPIs) sind auf Tages- und Stundenbasis verfügbar, Stückzahlen in der Produktion werden sogar real-time abgebildet – und zwar weltweit. „Wir haben im Berichtswesen in den vergangenen Jahren viel gemacht.“ Coole Kalkulatoren seien aber nicht automatisch gute CFOs, schränkt Christian Schreiberhuber ein: „Es brauche „Respekt und Vertrauen zu den Kollegen und zum Team.“ Dies sei die Basis erfolgreicher Arbeit, um „Dinge auch voranzubringen“. Kontrollfreaks brächten jede Entwicklung zum Stehen. Fehler dürften passieren, „aber man müsse daraus lernen“. Dabei gehe es stets um dieselben Fragen: „Wo liegt die Ursache? Wie stelle ich sie ab und wie vermeide ich die Wiederholung?“ Zweimal den gleichen Fehler zu machen sei „wenig smart“.

Keine Distanzen

Christian Schreiberhuber hat kein Problem mit Distanzen. Er ist Hardcore-Pendler. Schreiberhuber wohnt mit Familie in Salzburg. Jeden Montag geht es um 5.15 Uhr mit dem Auto in Richtung Waldviertel, Donnerstagabend zurück. Freitag ist Homeoffice-Tag – „wenn keine Reisen anstehen“. Er findet daran nichts Besonderes: „Ich hatte Berufsstationen, da saß ich gefühlt immer im Auto oder Flieger.“ Trotzdem blieb noch genug Zeit, berufsbegleitend einen Master für Internationales Wirtschafts­recht in St. Gallen abzuschließen: „Ich wurde bei meinen Jobs immer wieder mit Themen wie Mergers & Acquisitions oder Kartell­recht konfrontiert. Damit wollte ich professionell umgehen.“ Ein Arrangement mit dem damaligen Arbeitgeber VA Tech und der Einsatz mehrerer Jahresurlaube machte Schreiberhuber zum Alumni der Universität St. Gallen: „Ich wollte kein Rechtsexperte werden. Aber das Grundverständnis für wirtschafts­rechtliche Themen nutze ich noch heute.“ Der Wille zum Wissen brachte den gebürtigen Oberösterreicher 2015 noch einmal in die Hörsäle, um die Prüfung zum gerichtlich beeideten und zertifizierten Sachverständigen für Unternehmensre­organisation und -sanierung sowie Kosten­rechnung zu machen. Die Karriere als Gutachter und Unternehmensberater sei zwar „ad acta gelegt“, aber das „Aufpolieren von theoretischem Rüstzeug“ im Bereich des Finanzwesens war „sicher kein Fehler“, wie Schreiberhuber noch heute empfindet.

Bildung ist natürliche Basis jeder Karriere. Gute Noten sind dabei aber kein zwingendes Indiz für Eignung. Schreiberhuber gibt zu, in Schule und Studium selbst nicht immer zu den Überfliegern gezählt zu haben. Aber: „Ich habe meine Pläne immer zu einem Ende gebracht.“ Unterm Strich sei eine gute Ausbildung ohne soziale Kompetenz im Management wertlos: „Ich suche Menschen mit Boden­haftung.“ Ein fertiges Studium besage manches. Aber nicht alles. „Es gibt auch Master of Desaster.“ Teamfähigkeit gepa­art mit Führungsqualitäten seien die meistgesuchten Eigenschaften, wobei Schreiberhuber einschränkt, dass es dabei durchaus „zu Widersprüchen komme“. Respekt und Wertschätzung im Umgang miteinander seien „Selbstverständlichkeiten, damit die Kollegen und Kolleginnen gerne in die Arbeit kommen“. „Leadership“, wie es der Pollmann-Manager bezeichnet, bedeute aber etwas mehr. „Es geht nicht nur um Durchsetzung. Es braucht auch Qualitäten in der Umsetzung.“ Denn am Ende des Tages müsse jemand für die Entscheidungen die Verantwortung übernehmen. „Das ist – im besten Falle – jener, der sie auch getroffen hat.“

Veränderungen

Die Autoindustrie ist weltweit im Wandel. Das Ende der Verbrennungsmotoren und der Aufstieg des Elektroantriebs sind längst eingeläutet. Das Zuliefer­unternehmen Pollmann findet sich inmitten dieses globalen Transformationsprozesses. Der Aufbau der Sparte e-Mobility wurde in Karlstein bereits vor Jahren gest­artet, aber jetzt gelte es, „Gas zu geben“. Die Berufung der neuen Pollmann-Geschäftsführung mit Christian Schreiberhuber und seinem Kollegen Robert Stubenberger ist ein Zeichen der Eigentümer, Veränderungen in dem 135 Jahre alten Unternehmen zu implantieren. Wenn Geschäfte so lange so gut funktionieren, wie dies in Karlstein der Fall ist, ist nicht für alle im Unternehmen klar, warum sich Dinge ändern sollen. Change-Management ist eine der Herausforderungen, die Christian Schreiberhuber als CEO und als CFO anzupacken hat. „Wir wissen, dass wir das beste Know-how beim Kunststoff-Metall-Verbund haben, dass wir am effizientesten fertigen und dass wir die Logistik sowie Qualität im Griff haben. Jetzt geht es darum, dass dies auch die neuen Einkäufer wissen.“ E-Mobilität bringt viele neue Unternehmen und Gesichter ins Geschäft. Jahrzehntealte Kunden-Lieferanten-Beziehungen verlieren mit einem Schlag ihren Wert. Daher brauche es im Vertrieb frische Strategien und Strukturen. „Da sind wir gerade dabei, mit neuen Vorstellungen an die Belegschaft heranzugehen.“ Es werde dabei nicht nur fröhliche Gesichter geben. Schreiberhuber setzt auf „Respekt und Beharrlichkeit. Alles andere wird nicht funktionieren.“


Karrierestationen

1997 bis 2000: Schiedel Kaminwerke, Division Controller International, Wartberg an der Krems.

2000 bis 2005: VA Tech T&D, Head of Group Controlling, Wien.

2006 bis 2008: BWT Austria GmbH, CFO and Head of Procurement & Logistic, Mondsee.

2008 bis 2010: CWT Swiss AG, CFO – Restructuring, Aesch/Basel.

2010: SAG Motion AG, Business Improvement – Interim Management, Lend.

2012 bis 2014: Gruber & Kaja High Metals GmbH, General Manager – Restructuring, St. Marien.

2012 bis Februar 2017: FH Joanneum, Guest Lecturer – International Industrial Management, Kapfenberg.

Seit 2015: Pollmann International, CFO, Karlstein.

Seit 2023: Pollmann International GmbH, CEO, Karlstein.


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