Zwischen Praxis und Theorie: Umsetzung der EU-Taxonomie-VO aus Controllerperspektive

Mit Mitte Juli 2020 trat die EU-Taxonomie-Verordnung ((EU) 2020/852) in Kraft. Mit zahlreichen regulatorischen Herausforderungen in der Umsetzung des Art 8 der EU-Taxonomie-Verordnung einhergehend haben sich ebenfalls bedeutende Neuerungen für das Rollenbild des Controllers bzw der Controllerin ergeben. Der vorliegende Beitrag beleuchtet nebst Hintergründen zu den Berichts­pflichten gemäß der EU-Taxonomie-Verordnung auch die praktische Umsetzung der Berichterstattung seitens der Frauenthal Gruppe aus der Controllerperspektive.


1. Überblick EU-Taxonomie-Verordnung

Seit dem 12. 7. 2020 ist die EU-Taxonomie-Verordnung ((EU) 2020/852, kurz EU-Tax-VO) mit dem Primärziel der transparenten Berichterstattung über die ökologische Nachhaltigkeit von Wirtschaftstätigkeiten in Kraft. Die hierdurch avisierte Transparenz soll wiederum dazu führen, private und institutionelle Finanzströme in Richtung nachhaltiger Investments zu lenken.

Die EU-Tax-VO ist damit integraler Bestandteil der EU „Strategy for financing the transition to a sustainable economy“, welche sich auf vier thematische Hauptsäulen stützt, namentlich die Finanzierung des Übergangs zur Nachhaltigkeit, Globale Ambition, Widerstandsfähigkeit und Beitrag des Finanzsektors und Inklusivität.

1.1. Anwenderkreis

In den Anwenderkreis des Art 8 der EU-Tax-VO fallen jene Unternehmen und Unternehmensgruppen, welche bereits den Berichts­pflichten der Non-Financial Reporting Directive (2014/95/EU, kurz NFRD) unterliegen. In Österreich wurde die NFRD im Zuge des Nachhaltigkeits- und Diversitätsverbesserungs­gesetzes (kurz NaDiVeG) in nationales Recht umgesetzt.

Bericht­pflichtig gemäß NaDiVeG sind jene Unternehmen bzw Unternehmensgruppen, welche die folgenden Kriterien kumulativ überschreiten:

Durchschnittlich mehr als 500 Mitarbeitende;
Unternehmen öffentlichen Interesses;
Unternehmen ist als eine große Kapital­gesellschaft einzustufen.

Unter jenen Kreis von Berichterstattungs­pflichtigen, welche auf der Ebene der Unternehmensgruppe zur Offenlegung gemäß NaDiVeG und folglich auch gemäß Art 8 der EU-Tax-VO verpflichtet sind, fällt die Frauenthal Gruppe. Die global agierende Frauenthal Gruppe ist in die Bereiche Handel und Automotive gegliedert und beschäftigte im Jahr 2022 weltweit rund 3.300 Mitarbeitende. In Österreich im Bereich Großhandel für Sanitär-, Heizungs- und Elektronikbedarf und auf europäischer Ebene im Bereich der Herstellung von Fahrwerkskomponenten für die Automobilindustrie hält die Frauenthal Gruppe die Marktführerschaft inne. Folgend der Berichts­pflicht ab dem Geschäftsjahr 2017 gemäß dem NaDiVeG musste die Frauenthal Gruppe seit dem Geschäftsjahr 2021 gemäß Art 8 der EU-Tax-VO Bericht erstatten. Für das erste Berichtsjahr wurde ein taxonomiefähiger Anteil von 0,04 % an den Umsatzerlösen, 22,84 % an OpEx und 18,60 % an CapEx auf Gruppenebene ermittelt.

1.2. Berichtsinhalte

Gemäß Art 8 der EU-Tax-VO müssen Nicht-Finanz­unternehmen sowohl ihren Anteil an Umsatzerlösen, Betriebsausgaben (OpEx) und Investitionsausgaben (CapEx), welcher mit taxonomiefähigen als auch taxonomiekonformen Wirtschafstätigkeiten10 verbunden ist, inklusive qualitativer und quantitativer Zusatzinformationen, offenlegen. Als taxonomiekonform sind jene Wirtschaftstätigkeiten einzustufen, welche einen wesentlichen Beitrag zu mindestens einem der sechs Umweltziele der EU-Tax-VO leisten, dabei keines der weiteren Umweltziele wesentlich beeinträchtigen (sogenanntes Do-No-Significant-Harm-Kriterium, kurz DNSH-Kriterium) und die (sozialen) Mindestschutzkriterien11 erfüllen. Die Umweltziele der EU-Tax-VO sind:12

Klimaschutz,
Anpassung an den Klimawandel,
nachhaltige Nutzung und Schutz von Wasser- und Meeresressourcen,
Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft,
Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung,
Schutz und Wiederher­stellung der Biodiversität und der Ökosysteme.

Zur Attestierung des wesentlichen Beitrags zu mindestens einem der Umweltziele und Einhaltung des DNSH-Kriteriums müssen derzeit die Anhänge I und II zur Delegierten Verordnung ((EU) 2021/2139) herangezogen werden. Hierin finden sich sogenannte technische Bewertungskriterien für taxonomiefähige Wirtschaftstätigkeiten betreffend die Umweltziele „Klimaschutz“ und „Anpassung an den Klimawandel“.

1.3. Offenlegung

Gemäß Art 10 Abs 2 der Delegierten Verordnung zu Art 8 der EU-Tax-VO ((EU) 2021/2178) waren Nicht-Finanz­unternehmen für Offenlegungen ab dem 1. 1. 2022 dazu verpflichtet, den taxonomiefähigen Anteil an Umsatzerlösen, OpEx und CapEx inklusive ausgewählter qualitativer Zusatzinformationen für die ersten beiden Umweltziele auszuweisen. Bereits erste empirische Untersuchungen zur Offenlegung von Nicht-Finanz­unternehmen des ATX und DAX gemäß der Übergangsphase des Art 8 der EU-Tax-VO spiegeln den sektoralen Fokus der derzeit von den technischen Bewertungskriterien umfassten Wirtschaftstätigkeiten wider.13 Wohingegen die untersuchten börsennotierten Unternehmen der Immobilien- und Transportbranche durchgängig hohe taxonomiefähige Anteile an Umsatzerlösen, OpEx und CapEx ausweisen, legen Berichterstattende der Gesundheits- und Handelsbranche teils sehr geringe bis keine taxonomiefähigen Anteile an den entsprechenden Finanzgrößen offen.14

Für Offenlegungen ab dem 1. 1. 2023 müssten Nicht-Finanz­unternehmen, welche unter die Berichts­pflicht des Art 8 der EU-Tax-VO fallen, zusätzlich zu den taxonomiefähigen die entsprechenden taxonomiekonformen Anteile an Umsatzerlösen, OpEx und CapEx, als auch quantitative Zusatzinformationen für alle sechs Umweltziele offenlegen. Aufgrund von Verzögerungen in der Verabschiedung entsprechender Delegierter Rechtsakte betreffend die technischen Bewertungskriterien für die noch ausständigen vier Umweltziele, müssen Berichts­pflichtige für das Geschäftsjahr 2022 somit lediglich die entsprechenden taxonomiekonformen Anteile hinsichtlich der Umweltziele „Klimaschutz“ und „Anpassung an den Klimawandel“ veröffentlichen.15

2. Governance und Commitment als Treiber

Spätestens seit der Veröffentlichung der zukünftig anzuwendenden Corporate Sustainability Reporting Directive ((EU) 2022/2464, kurz CSRD), der Folge­richtlinie der NFRD, ist der Fokus auf die Governance von Nachhaltigkeitsbelangen und dem dazugehörigen Berichterstattungsprozess aus regulatorischer Perspektive evident.

Nicht zuletzt zielt auch die innerhalb der Delegierten Verordnung zu Art 8 der EU-Tax-VO ((EU) 2021/2178) beschriebene Möglichkeit der Veröffentlichung eines sogenannten CapEx-Plans16 darauf ab, die Vorstandsebene aktiv in den Berichterstattungsprozess miteinzubinden und taxonomiespezifische Überlegungen in Investitionsplanungen zu verankern. Vor allem aber die Neuartigkeit der Berichterstattung gemäß Art 8 der EU-Tax-VO und dem inhärent geforderten Zusammenspiel zwischen rechnungslegungsspezifischem Knowhow und technischer Expertise erfordert eine systematisierte Ablaufstruktur des Reportings.

Im Fall der Frauenthal Gruppe ist die Umsetzung der Anforderungen der EU-Tax-VO in der auf Holdin­gebene gebildeten Abteilung für Sustainability verankert. Durch die personelle Verbindung der Abteilung für Group Controlling und der Abteilung für Sustainability ist ein Bindeglied und somit auch direkter Kommunikationsweg in puncto Berichterstattung gemäß Art 8 der EU-Tax-VO zum Vorstand der Unternehmensgruppe sichergestellt. Ebendiese direkte Einbindung der obersten Entscheidungstragenden erlaubt es nicht nur diese hinsichtlich prozessualer Umsetzungsfortschritte zu informieren, sondern repräsentiert auch das klare Bekenntnis des Vorstands zur Bedeutung der Berichterstattungserfordernisse für die Unternehmensgruppe. Um dieses Commitment innerhalb der gesamten Unternehmensgruppe zu festigen, wurde bereits frühzeitig im Zuge der Umsetzung des NaDiVeG und der Vorbereitung auf die Umsetzung des Art 8 der EU-Tax-VO der Fokus auf die Identifikation von essenziellen internen Stakeholdern – sogenannte „ESG-Champions“ – gelegt.

Durch diese Vorgehensweise konnten die relevanten Ansprechpersonen in den einzelnen funktionalen Teilbereichen des Unternehmens, namentlich Sparte Handel und Automotive, mit interdisziplinären Fachhintergründen – wie beispielsweise Compliance oder Quality Management – identifiziert werden. Wie in Abbildung 1 ersichtlich, konnte somit ein diverses Team an verantwortlichen Ansprechpersonen definiert werden, welche wiederum kontinuierlich in die Strukturierung des Ablaufprozesses der Nachhaltigkeitsberichterstattung seitens der Abteilung Sustainability miteinbezogen werden.

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Abb 1: Schematische Darstellung der Berichterstattungsstruktur für die Umsetzung des NaDiVeG und Art 8 der EU-Tax VO der Frauenthal Gruppe

Gemeinsame Sprache von Finanz und Technik

Um ein gemeinsames Verständnis für die Anforderungen des Art 8 der EU-Tax-VO in sowohl der Übergangsphase als auch Vollanwendungsphase innerhalb der Frauenthal Gruppe zu etablieren, wurde sich für ein diverses Set an Maßnahmen entschieden. Im Mittelpunkt der Maßnahmen stand insbesondere der Wissenstransfer an die jeweils für fachspezifische Teilbereiche zuständigen Ansprechpersonen innerhalb der Unternehmensgruppe.

Einer der ersten Schritte umfasste die Durchführung von durch externe Partner begleitete bewusstseinsbildende Workshops. Die hierin vermittelten Inhalte umfassten neben der Erläuterung der Gesetzesgrundlage und der Untermauerung der unternehmerischen Bedeutung der Berichterstattungs­pflichten auch die klare Kommunikation der Erwartungshaltung an die Teilbereichsverantwortlichen. Aufgrund der Neuartigkeit der Systematik der Berichterstattung gemäß Art 8 der EU-Tax-VO, der weiter gestiegenen Komplexität und der geforderten Datengranularität im Vergleich zu den Berichts­pflichten gemäß NaDiVeG war es essenziell, den „ESG-Champions“ eine Überleitung aus der regulatorischen Theorie hin zur praktischen Umsetzung zu bieten. Diese Überleitung wurde anhand von konkreten Wirtschaftstätigkeiten der Frauenthal Gruppe mittels der folgenden Teilschritte durchgeführt:

Überprüfung der Taxonomiefähigkeit durch Analyse der Nennung der Wirtschaftstätigkeit in den Anhängen I und II zur Delegierten Verordnung ((EU) 2021/2139).
Überprüfung der notwendigen dokumentarischen Evidenz iZm der Attestierung der Erfüllung des geforderten wesentlichen Beitrags zu den Zielen „Klimaschutz“ und „Anpassung an den Klimawandel“ und dazugehöriger DNSH-Kriterien.
Überprüfung der Einhaltung der (sozialen) Mindestschutzkriterien gemäß Art 18 der EU-Tax-VO.
Zuordnung von entsprechenden Umsatzerlösen, Betriebsausgaben und Investitionsausgaben gemäß den Definitionen des Anhang I zur Delegierten Verordnung ((EU) 2021/2178).
Befüllung der gemäß Anhang II zur Delegierten Verordnung ((EU) 2021/2178) geforderten Umsatz-, OpEx- und CapEx-Meldebögen.

Zur Sicher­stellung von sowohl Transparenz, Replikationsfähigkeit und Überprüfbarkeit der prozessualen Vorgehensweise iZm der Überprüfung der Taxonomiekonformität einzelner Wirtschaftstätigkeiten wurden nebst einem Glossar für Fachtermini auch konkrete Geschäftsanweisungen erstellt. Um die Weiterentwicklung des Berichterstattungsprozesses zu gewährleisten und um die gesetzten Verbesserungsmaßnahmen zu überprüfen, wird entsprechend einer Plan-Do-Check-Act-Systematik gearbeitet. Mittels dieser Vorgehensweise können potenzielle Entwicklungsperspektiven frühzeitig identifiziert und gruppenweit umgesetzt werden. Für die entsprechende Umsetzung ist erneut eine zentrale Ansprechperson in puncto Nachhaltigkeitsberichterstattung, welche nicht nur auf Holdin­gebene für „ESG-Champions“ für Rückfragen zur Verfügung steht, sondern auch die primäre Verantwortung für die regulatorisch korrekte Durchführung trägt, essenziell.

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Abb 2: Exemplarischer Projektablauf für eine Co-Creation von technischen Lösungen

4. Technische Lösungen

Eine zentrale Frage, welche sich für etliche unter die Berichts­pflicht fallende Unternehmen – wie die Frauenthal Gruppe – stellt, ist die systemseitig technische Integration der Berichterstattung gemäß Art 8 der EU-Tax-VO. Wie aktuelle deskriptive Studien zeigen, verwenden jene Unternehmen, welche gemäß Art 8 der EU-Tax-VO berichts­pflichtig sind, verschiedenste Lösungsansätze zur Erfassung der geforderten Berichtsinhalte.17 Aufgrund der zeitlich eng bemessenen Umsetzungs­frist der Berichterstattungserfordernisse haben sich vermehrt technische Lösungen außerhalb des traditionellen ERP-Systems etabliert. Ein exemplarischer Ablauf zur Umsetzung einer solchen Lösung in der Form eines Co-Creation-Projekts zwischen Berichterstatter und extern begleitendem Beratungs­unternehmen ist in Abbildung 2 skizziert.

Als essenziell in diesem Zusammenhang ist neben des klar definierten technischen Anspruchsbilds und dem Abgleich der Umsetzung mit regulatorischen Anforderungen, die Sicher­stellung eines aktiven und kontinuierlichen Austauschs zwischen Praxis und Theorie hervorzuheben. Dieser Austausch ermöglicht es, neben Compliance-Belangen, auch die praktische Einsetzbarkeit der technischen Lösung als übergeordnetes Sollobjekt im Projektablauf zu gewährleisten.

Auf den Punkt gebracht

Der vorliegende Beitrag hat neben dem regulatorischen Fundament, auf welchem insbesondere Art 8 der EU-Tax-VO fußt, auch praktische Hürden und Chancen für Berichterstattungs­pflichtige anhand des Beispiels der Frauenthal Gruppe diskutiert. Resümierend lässt sich festhalten, dass insbesondere vor dem Hintergrund der bedeutenden Ausweitung des Kreises jener Unternehmen, welche zukünftig Inhalte gemäß der nationalen Umsetzung der CSRD und im selben Zug auch gemäß Art 8 der EU-Tax-VO offenlegen müssen, eine frühzeitige und systematische Strukturierung der Ablauf­organisation in puncto Berichterstattung essenziell ist.

Konkret lassen sich die Empfehlungen in die Teilbereiche Zentralisierungsgrad, Praxisnähe und Bewusstseins­bildung einteilen. Demnach zeigt die praktische Umsetzung des Art 8 der EU-Tax-VO der Frauenthal Gruppe die Bedeutung der Identifikation einer zentralen Ansprechperson als Bindeglied zur Vorstands- bzw Geschäftsführungsebene, die abteilungsspezifische Nominierung von Zuständigkeiten für die Zurverfügung­stellung von Nachhaltigkeitsdaten, den Stellen­wert von bewusstseinsbildenden Maßnahmen auf allen hierarchischen Ebenen und die frühzeitige Etablierung einer einheitlichen Datenerfassung an der Schnittstelle zwischen Technik und Finanzberichterstattung.


Der Beitrag finden Sie auch in Heft 2 / 2023 von CFOaktuell (www.cfoaktuell.at)


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