Steuerung oder Compliance? Was Controller im Green Controlling tun

Der Internationale Controller Verein (ICV) hat bereits zum dritten Mal eine Umfrage zum Thema Nachhaltigkeitscontrolling durchgeführt. Die Studie zeigt dabei einige Unterschiede bei den Aufgaben und der Organisation eines „Green Controllings“ zwischen Deutschland und Österreich. Diese Unterschiede stehen im Fokus des vorliegenden Beitrags, die wir entlang der Green-Controlling-Agenda des ICV darstellen.


1. Dritte Green-Controlling-Studie

Im Jahr 2022 hat der Internationale Controller Verein (ICV) unter Federführung des Fachkreises Green Controlling for Responsible Business seine Mitglieder zum dritten Mal (nach 2010 und 2015) zum Thema Nachhaltigkeitscontrolling befragt. Aus der Studie sollen sowohl die Entwicklungen im Nachhaltigkeitscontrolling der letzten zwölf Jahre als auch die Auswirkungen aktueller nationaler und internationaler Regelungen zur Nachhaltigkeit (EU-Taxonomie, CSRD, Lieferketten­gesetz etc) auf das Controlling untersucht werden.

Die zentralen Frage­stellungen aller drei Studien sind dabei immer gewesen, wie sich die unternehmerische Nachhaltigkeit auf die Arbeit der Controller auswirkt und welche Rolle sie im Nachhaltigkeits- bzw Green Controlling einnehmen.

Die beiden früheren Green-Controlling-Studien zeigten, dass die Einbindung der Controller unter anderem von den im Unternehmen verfolgten Nachhaltigkeitszielen abhängt (siehe Abb 1): Hat die Nachhaltigkeit dort eine eigenständige, strategische Bedeutung, nehmen das Green Controlling und damit die Controller eine zentrale Rolle ein; dominiert dagegen das Ziel der regulatorischen Compliance, spielen die Controller eine eher untergeordnete Rolle.1

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Abb 1: Green-Controlling-Agenda4

Im Verständnis des ICV ist Green Controlling die Ausweitung des Controllings auf soziale und ökologische Unternehmensziele. Dementsprechend befassen sich Controller mit allen drei Dimensionen der Nachhaltigkeit – Ökonomie, Ökologie und Soziales – und beraten das Management dahingehend. Die Controller unterstützen in diesem Zusammenhang die Prozesse der Zielfindung, Planung und Steuerung, sodass die Entscheidungsträger im Hinblick auf alle drei Nachhaltigkeitsdimensionen zielorientiert handeln können.2

Vor diesem Hintergrund ist das Ziel des vorliegenden Beitrags, die Auswirkungen der Nachhaltigkeitsziele auf die Organisation und die Prozesse des Green Controllings in Österreich und Deutschland zu analysieren.

2. Green-Controlling-Agenda 2022

2.1. Ziele und Treiber der Nachhaltigkeit

Die aktuelle Befragung zeigt, dass sowohl in Österreich als auch in Deutschland die drei wichtigsten Stakeholder und damit die bedeutendsten Treiber der Nachhaltigkeit identisch sind (in abnehmender Bedeutung): der Gesetzgeber, die Kunden und die Geschäftsführung.

Bei den Zielen der Nachhaltigkeit lassen sich jedoch Unterschiede zwischen den beiden Ländern feststellen (siehe Abb 2). Während in Deutschland die Einhaltung der rechtlichen Anforderungen die wichtigste Zielsetzung der Nachhaltigkeit ist – liegt in Österreich die Hauptmotivation in der Wahrnehmung der eigenen Nachhaltigkeits-Verantwortung. Erst dann folgen die regulatorische Compliance und die Steigerung der Mitarbeitermotivation.

Diese Beobachtung findet sich ebenso in der Studie von Grabner et al aus 2022, die in österreichischen Unternehmen ebenfalls das Handeln nach den eigenen Unternehmens­werten und die „Legal Compliance“ als die Hauptmotive identifizierte.3

Dementsprechend scheint in Österreich bei der Nachhaltigkeit eine Inside-out-Perspektive zu dominieren, als die unternehmerische Verantwortung und die Mitarbeitermotivation nach innen gerichtete Ziele sind. In Deutschland scheint dagegen eine Outside-in-Perspektive vorzuherrschen, als die Nachhaltigkeitsbemühungen primär der Erfüllung der Nachhaltigkeits­gesetze und von Markt- bzw Kundenanforderungen dienen.

2.2. Organisation des Green Controllings

Wie in den beiden vorherigen Studien zeigt sich auch in der aktuellen Befragung, dass die Geschäftsführung bzw der Vorstand die Hauptverantwortung für die Planung und Steuerung von Nachhaltigkeitsmaßnahmen trägt. In ÖsterreichSeite 33 sehen 92 % der Befragten bei der Unternehmensführung eine hohe bis sehr hohe Verantwortlichkeit, in Deutschland sind es 85 %.

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Abb 2: Zielsetzungen ökologischer Nachhaltigkeitsmaßnahmen

Aus Sicht der Finanzfunktion ist jedoch die noch spannendere Frage, durch wen in den Unternehmen das Green Controlling maßgeblich verantwortet wird? Im Verlauf der drei ICV-Studien lässt sich hier eine deutliche Entwicklung feststellen: Seit 2010 hat sich der Anteil der Unternehmen, in denen die Controller maßgeblich in der Verantwortung für das Green Controlling sind, mehr als verdoppelt: von 13 auf 27 %.5

Hier zeigen sich jedoch deutliche Unterschied zwischen Deutschland und Österreich (siehe Abb 3): In Österreich liegt die maßgebliche Verantwortung für das Green Controlling in 40 % der Unternehmen bei den Controllern. In Deutschland tragen die Controller nur in 27 % die Hauptverantwortung. Stattdessen wird in deutschen Unternehmen in vielen Fällen (55 %) die Verantwortung auf eine Nachhaltigkeitsmanagement-Abteilung oder sonstige Abteilungen übertragen.

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Abb 3: Maßgebliche Verantwortung für das Green Controlling

Entlang der Green-Controlling-Agenda ergeben sich damit folgende Schlussfolgerungen: Die stärkere Gesetzesorientierung scheint dazu zu führen, dass Nachhaltigkeit in Deutschland mehr als Compliance-Aufgabe verstanden wird, für die es Fachexperten braucht, die in spezialisierten Abteilungen gebündelt werden (zB im Nachhaltigkeitsmanagement oder der Internen Revision). Jedenfalls scheint die Sicher­stellung der Nachhaltigkeits-Compliance keine originäre Aufgabe der Controller zu sein.

In Österreich liegt der Fokus bei den Nachhaltigkeitszielen dagegen auf der unternehmerischen Motivation und der Mitarbeitermotivation. Diese interne Perspektive rückt die sozialen und ökologischen Ziele stärker in den Mittelpunkt und macht sie zu einem Kern der Unternehmens­steuerung. Damit wird die Nachhaltigkeit zu einer originären Controlleraufgabe und die Einbindung der Controller in das Green Controlling (zwingend) erforderlich.

2.3. Prozesse des Green Controllings

In den Controllingprozessen sind Nachhaltigkeitsaspekte in beiden Ländern nur gering bis mittel integriert (siehe Abb 4). Dabei zeigen sich die strategische Planung und das Projekt- und Investitionscontrolling als die beiden wichtigsten Prozesse mit Nachhaltigkeits­bezug. Damit stehen in beiden Ländern strategische, lang­fristig orientierte Controllingprozesse im Fokus des Green Controllings.

Der deutlichste Unterschied zwischen Österreich und Deutschland zeigt sich im Business Partnering, also der Beratung des Managements durch die Controller: Hier liegt der Mittel­wertunterschied bei rund +0,7 Punkten zwischen Österreich und Deutschland. In Österreich belegt die Beratung den dritten Platz bei den Controllingprozessen, in Deutschland nur den neunten. Hingegen hat die Nachhaltigkeit im Management Reporting in deutschen Unternehmen (Platz 2) eine wesentlich größere Bedeutung als in österreichischen (Platz 6).

Die Ergebnisse zu den Controllingprozessen stützen damit die im vorherigen Abschnitt gezogenen Schlussfolgerungen: Das Verständnis von Nachhaltigkeit als Compliance-Aufgabe in Deutschland scheint dazu zu führen, dass die gesetzeskonforme Berichterstattung der Hauptzweck des Green Controllings ist, die Beratung des Managements zu Nachhaltigkeitsaspekten aber kaum eine Rolle für die Controller spielt.

In Österreich hingegen liegt der Fokus beim Green Controlling weniger auf der Berichterstattung, sondern auf dem aktiven Austausch mit dem Management zu Nachhaltigkeitsthemen.Seite 34 Dies könnte auf ein anderes Verständnis des Green Controllings als Kernbestandteil der Unternehmens­steuerung zurückzuführen sein. Die Controller scheinen in Österreich damit ihrer höheren Verantwortung für das Thema Nachhaltigkeit auch im Business Partnering gerecht zu werden.

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Abb 4: Ausmaß der Nachhaltigkeitsaspekte in den Controlling-Prozessen

Auf den Punkt gebracht

Die vergleichende Analyse der dritten Green-Controlling-Studie in diesem Beitrag wirft die Frage auf, worauf die stärkere Compliance-Orientierung der Nachhaltigkeit in Deutschland im Vergleich zu Österreich mit den skizzierten Auswirkungen auf die Organisation und die Prozesse des Green Controllings beruht?

Eine mögliche Erklärung könnte in der höheren Regulierungsdichte in Deutschland liegen. Zwar sind beide Länder von der EU-Gesetzgebung zur Nachhaltigkeit (zB EU-Taxonomie, CSRD) betroffen, mit dem Lieferketten­gesetz gibt es in Deutschland aber für 2023 eine weitere Gesetzgebung, die es derzeit in Österreich (noch) nicht gibt.

Bei der Studienfrage zu den neuen Themen im Bereich Nachhaltigkeit zeigen sich hier die vermuteten unterschiedlichen Gewichtungen in Österreich und Deutschland: So sind vier von fünf neuen Themen, mit denen sich in den befragten deutschen Unternehmen beschäftigt wird, rechtlicher Natur (Lieferketten­gesetz DE und EU, CSRD und EU-Taxonomie). In Österreich finden sich dagegen nur zwei regulatorische Themen unter den Top 5 Themen, die es zu bearbeiten gilt. Dort gehören hingegen zwei Kern-Controllingthemen zu den zentralen neuen Themen: die nachhaltige Investitions­bewertung sowie die Anpassung von Reporting und Steuerung.

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Abb 5: Neue Themen im Bereich Nachhaltigkeit und deren Reifegrad


Dieser Artikel wurde in CFOaktuell – Zeitschrift für Finance & Controlling veröffentlicht(Heft 1/2023). Alle Infos auf: www.cfoaktuell.at

Dr. Alexander Stehle, Dr. Sören Guntram Harms und Manfred Sargl sind im Fachkreis Green Controlling for Responsible Business des ICV tätig.

1

Vgl Stehle/Stelkens, Green Controlling – Unterschätzter Handlungsbedarf, CFO aktuell, 5/2016, 196.

4

Vgl Internationaler Controller Verein, Green Controlling – Leitfaden für die erfolgreiche Integration ökologischer Zielsetzungen in Unternehmensplanung und -steuerung, 2014, 47.

2

Vgl Stehle/Stelkens, Green Controlling – eine Aufgabe für Controller und Nachhaltigkeitsexperten, Controller Magazin 5/2018, 6.

3

Vgl Grabner/Marini/Niedermayr/Posch, The implementation of sustainability measures in the finance function, Präsentation der Studienergebnisse, 2022, 12.

5

Vgl Internationaler Controller Verein, Green Controllin g 2015/2016 – Wo stehen wir nach 5 Jahren? Stand und Herausforderungen der Integration ökologischer und sozialer Aspekte in das Controlling aus Sicht der Controllingpraxis, 2016, 31.

Stehle/Harms,Sören Guntram/Sargl in CFOaktuell 2023, 32

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