Die Rolle der CFOs in Zeiten multipler Krisen

TopmanagerInnen rund um den Globus stehen aktuell vor großen Herausforderungen. Die Nachwirkungen der Corona-Pandemie, die anhaltenden wirtschaftlichen Folgen des Russland-Ukraine-Kriegs und die drohende globale Stagflation zwingen viele CFOs, ihre aktuellen Strategien zu überdenken und sich an die neuen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen anzupassen. Um erfolgreich zu sein, mussten Unternehmen 2022 erneut flexibel und resilient sein sowie kreative Lösungen in immer kürzerer Zeit entwickeln – Kompetenzen, welche in einer Welt regelmäßiger Stressoren immer überlebenswichtiger für eine Organisation sind.

Wie haben CFOs dieses schwierige Jahr überstanden? Welche lang­fristigen Risiken sehen Finanzverantwortliche? Und wie muss sich die Rolle der CFOs insgesamt verändern, um auf die anstehenden Herausforderungen vorbereitet zu sein?


1. Die Grundstimmung bleibt überwiegend positiv

Corona-Pandemie, Ukraine-Krieg, Inflation. Seit 2020 befinden sich viele CFOs im permanenten Krisenmanagement. Doch es scheint, dass die stetigen Anpassungen an die sich verändernden Umstände wirken und erste Früchte tragen. Denn trotz anhaltender Krisenstimmung und immer wieder neu auftretenden Herausforderungen gaben Ende 2022 mehr als die Hälfte aller durch die Horváth Management Beratung befragten Finanzvorstände an, ein positives Wachstum zu erwarten. Zum Vergleich: In der Erhebung von 2021 belief sich dieser Wert noch auf 16 Prozent. Das zeigt vor allem, dass nach dem pandemischen Einschnitt, die richtigen Schlüsse gezogen wurden und viele Unternehmen gelernt haben, sich besser auf wechselnde Umstände einzustellen.

Das gilt allerdings nicht für alle im gleichen Maße. So ist der Anteil der CFOs, die eine anhaltende negative wirtschaftliche Entwicklung erwarten, von einem Prozent auf neun Prozent im Vergleich zur Vorjahresperiode angestiegen. Zum einen setzt der rasante Preisanstieg auf den Beschaffungsmärkten die Unternehmen unter Druck. Zum anderen drosseln die VerbraucherInnen ihr Konsumverhalten aus Angst vor einer globalen Rezession. Einige Branchen blicken daher zunehmend pessimistisch in die Zukunft. Dies gilt insbesondere für Industrien, die Verteuerung nicht oder nur zu einem geringen Teil direkt an die Kunden weiter­geben können.

2. Finanz­organisation im Personal-Teufelskreis

Der mittel­fristige Blick in die kommenden drei Jahre zeigt, welche Risiken die befragten CFOs beschäftigen. Geprägt durch die aktuelle weltpolitische und -wirtschaftliche Situation, platzieren die Finanzvorstände die (Energie-)Kostensteigerungen sowie die allgemeinen Versorgungs- und Lieferkettenprobleme erwartungsgemäß in den Top 3. Ein Risiko überschattet jedoch mit überwältigender Mehrheit die anderen Bedrohungen: Mit 85-prozentiger Nennung rangiert der „War for Talents“ auf Platz 1 der größten Risiken für die zukünftige Entwicklung des Finanzbereichs. 62 Prozent der Finanzverantwortlichen sehen hier sogar ein sehr großes mittel­fristiges Risiko.

Die Konsequenzen manifestieren sich schon jetzt. So erwarten CFOs nicht nur steigenden Personal­kosten von mehr als 15 Prozent, sondern müssen im Tages­geschäft gleichzeitig auf eine unterbesetzte Belegschaft zurückgreifen. Da wundert es nicht, dass 93 Prozent der Befragten erwarten, dass sich die Arbeitsbelastung für das Personal im Finanzbereich signifikant erhöhen wird. Mit voller Wucht trifft es den Controlling-Bereich, wo durchschnittlich 73 Prozent der Unternehmen mit den Folgen der unbesetzten Stellen kämpfen. Jedoch kommt dieses Problem nicht überraschend, sondern als Folge vieler Herausforderungen und Veränderungen wie der lokalen demographischen Entwicklung oder der steigenden globalen Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt.

Diese Umbruch- und Krisenzeiten eröffnen aber auch neue Chancen. Um sie zu nutzen, erfordert es allerdings neue Fähigkeiten und Kompetenzen, welche auf dem Markt schwer zu finden sind. Dies verstärkt den akuten Mangel an Personal im Finanzbereich, da nicht alle neuen Fähigkeiten durch interne Weiter­bildungsmaßnahmen aufgebaut werden können. Dieser Mangel verhindert somit die notwendigen Transformationsinitiativen, was die Finanz­organisation unattraktiver für ihre Zielgruppe macht – ein Teufelskreis.

3. CFOs als „Treiber des Wandels“

Wie interpretieren die CFOs ihre Rolle in Zeiten dieser Herausforderungen? Die Ergebnisse der Horváth-Studie zeigen, dass sich das Selbstverständnis der Finanzverantwortlichen in Folge des permanenten Krisenmodus verändert hat. So wollen Finanzverantwortliche fortan ihre unternehmerische Rolle stärken und Verantwortung für die strategische Ausrichtung des Unternehmens übernehmen. Während CFOs in vergangenen Studien ihre Rolle vor allem als „Mitgestalter“ und „Innovator neuer Ideen“ beschrieben, wollen sie künftig eine aktivere Rolle als „Treiber des Wandels“ und „Visionär und strategischer Gestalter“ des Unternehmens einnehmen.

Woher kommt dieser Wandel? CFOs waren während der Krise insbesondere gezwungen, schnell und pragmatisch zu handeln. Dabei haben sie die Erfahrung gemacht, dass ein rein reaktives Management nicht ausreicht, um Probleme und Herausforderungen nachhaltig zu lösen. Sie benötigen Ziele und Konzepte, um die erfolgreiche Transformation des Unternehmens gemeinsam mit dem Topmanagement voranzutreiben sowie die Widerstandsfähigkeit des Unternehmens zu stärken. Die Krise offen­bart sich hier als Chance, um Veränderungen anzustoßen und die Transformationsgeschwindigkeit beizubehalten. Selten werden Verbesserungsbedarfe, Optimierungspotenzial und „Lessons learned“ so schonungslos offengelegt wie in Zeiten der Turbulenz. Erfolgreiche Finanz­organisationen erkennen Veränderungen in ihrem Umfeld als Chance, um eigene Verbesserungsbedarfe offenzulegen und entsprechende Transformationsmaßnahmen zu formulieren sowie einzuleiten.

Die CFOs nehmen hierbei der Rolle des „Motor des Wandels“ ein. Dabei hilft es bei der Umsetzung von Transformationsmaßnahmen auch funktionsübergreifend zu denken und alle relevanten Stakeholder einzubeziehen. Nach innen gerichtet dienen die CFOs als Vorbilder für ihr Führungsteam und die Belegschaft und zeigen selbstbewusst einen klaren Fahrplan auf – hin zu einem visionären Zielbild der modernen Finanz­organisation und der Gesamtentwicklung des Unternehmens. So können sie dazu beitragen, dass die für den Wandel benötigten Mitarbeitenden sensibilisiert und motiviert sind, das Unternehmen strategisch mitzugestalten.

4. Größtes Hindernis liegt im Faktor Mensch

Obwohl CFOs ein klares Verständnis ihrer Rolle vor Augen haben, hindern dennoch eine Vielzahl von Faktoren deren Umsetzung in der Praxis. Denn um als Treiber der ganzheitlichen Transformationen agieren zu können, benötigt es nicht nur Eigeninitiative, sondern auch ein Führungsteam, welches am selben Strang zieht, sowie moderne Organisationstrukturen, um das vorhandene Know-how bestmöglich zu kapitalisieren. Jedoch zeigen die aktuellen Studienergebnisse von Horváth, dass es gerade beim Faktor Mensch für viele CFOs zu Komplikationen kommt. 41 Prozent der Teilnehmenden gaben an, dass häufig die Führungsetage mit ihrer Einstellung das ganzheitliche Vorgehen blockiert. Zusätzlich zur „Verteidigungshaltung“ hinsichtlich klassisch-funktionaler Strukturen und „Silo-Denken“, was immerhin 54 Prozent der Teilnehmenden bemängeln, zeichnet sich ein Bild ab, das gerade den Führungsebenen Angst vor Veränderung für sich selbst und ihren Bereich attestiert. Wie bereits bei den Risiken der Unternehmensentwicklung, erweist sich der akute Fachkräfte­mangel erneut als schwerwiegendste Herausforderung. So rangiert der Mangel an qualifiziertem Personal und die Besetzung offener Stellen mit 59-prozentiger Nennung auf Platz 1 der Roadblocks.

Die Kombination aus Veränderungsdruck, mangelnder Veränderungsbereitschaft im Topmanagement und akuten Personalengpässen, die den Wandel massiv ersch­wert, ist zunehmend kritisch. Denn um als „Motor des Wandels“ zu fungieren, benötigt es die volle Unterstützung des Managements, den Transformationsprozess mitvorantreiben zu wollen. Zudem fehlt es an der breiten Masse von Talenten – die Basis einer jeden erfolgreichen Organisation und Transformation.

Datei: images/cfoaktuell_2023_2_67.jpg

Abb 1: Wirtschaftliche Entwicklung

Die Ergebnisse der Horváth-Studien zeigen im Weiteren, dass von rund 37 Prozent der befragten Unternehmen die Zurückhaltung bei höheren Investitionen in Bezug auf die Möglichkeiten der Transformation als wesentliches Hindernis angesehen wird. Obwohl es wichtig ist, die Transformation ganzheitlich anzugehen, fällt es oft schwer, den Weg dorthin durch schlüssig ineinandergreifende Maßnahmen zu definieren. Mehr als ein Viertel der CFOs gibt an, dass ihnen eine klare und transparente Roadmap mit vorge­gebenen Schritten für die Finanztransformation fehlt. Kurz gesagt, Wille und Zielbild existieren, aber es fehlt an finanziellen Ressourcen, dem geeigneten Personal und strukturierten Ideen für konkrete Maßnahmen und Aktionen, um die Umsetzung zu meistern.

5. Die nächsten Schritte sind bekannt

Die CFOs haben bereits ein klares Maßnahmenprogramm entwickelt, um ihre Rolle zu stärken, die ganzheitliche Transformation nachhaltig zu gewährleisten und die aktuellen Hindernisse zu überwinden. Dabei sollten sie pragmatisch handeln und eine klare „Hands-on-Mentalität“ verfolgen, um die Veränderung proaktiv und kontinuierlich voranzutreiben. Das konkrete Zielbild vor Augen zeigt auf, wo die Reise hingeht und welche Transformationsmaßnahmen angestoßen werden müssen, um das volle Potenzial des Finanzbereichs sowie des Unternehmens zu entfalten.

Die aktuellen Maßnahmen der CFOs werden von altbekannten Themen dominiert. So steht die Harmonisierung, Standardisierung und Optimierung von Prozessen mit 64 Prozent auf Platz 1 der aktuellen CFO-Agenda. Andere bekannte Themen wie globale Datenintegrationsprojekte und die Optimierung des Steuerungsansatzes beziehungsweise des Performance-Managements rangieren ebenfalls unter den Top 3 der strategischen Maßnahmen. Die Horváth-Analyse zeigt jedoch auch, dass der ständige Krisenmodus der vergangenen drei Jahre seine Spuren hint­erlassen hat und ursprünglich fest eingeplante Maßnahmen nicht weiterverfolgt wurden. Überraschend ist, dass CFOs der Entwicklung ihrer Mitarbeitenden sowie der Bildung neuer Kompetenzen eine untergeordnete Bedeutung beimessen, obwohl mehr als 80 Prozent der Befragten den Fachkräfte- und Kompetenz­mangel als großes Risiko für die Unternehmensentwicklung sehen. Es gibt also noch Aufholbedarf.

Datei: images/cfoaktuell_2023_2_68-1.jpg

Abb 2: Transformationshindernisse für CFOs

6. Veränderung bleibt das A und O

Trotz der schwierigen Wirtschaftslage sehen die meisten Finanzverantwortlichen der weiteren Entwicklung des Unternehmens positiv entgegen. Im Vergleich zur letztjährigen Umfrage ist der Anteil der Unternehmen, die mit einer Verschlechterung rechnen, jedoch deutlich gestiegen.

Es bleibt abzuw­arten, inwieweit die Negativität die Zukunft bestimmen wird. In den nächsten drei Jahren stellt vor allem der „War for Talents“ das größte Risiko für die Unternehmen da. Die Kaskade der leeren Talent-Pipelines, der steigenden Personal­kosten und einer überbe­anspruchten Belegschaft erzeugen einen Teufelskreis für Unternehmen. Darüber hinaus bedrohen weltweite Unterbrechungen der Lieferketten und die steigende Inflation die positiven Aussichten für viele Unternehmen. Der Mangel an qualifizierten Fach- und Führungskräften, die zur Bewältigung notwendiger Transformationen nötig sind, wird die Finanzverantwortlichen mittel- und lang­fristig jedoch am stärksten behindern.

Fraglich bleibt, wie die CFOs ihre angestrebte Rolle als Treiber des Wandels trotz dieser Herausforderungen in die Tat umsetzen können. Denn die Umsetzung von Transformation kann nur mit der Rückendeckung eines starken Finanzteams erfolgreich funktionieren; von CFO bis Sachbearbeiter. Dabei ist der Bedarf, klare Akzente zu setzen, aufgrund des immensen Transformationsdrucks besonders hoch. Nicht nur weil bereits neue Handlungsfelder identifiziert sind, sondern wichtige Maßnahmen, während den letzten zwei Jahren liegen geblieben sind.

Umso wichtiger ist es für CFOs jetzt den Finanzbereich voll auf Kurs der Transformation zu bringen. Denn trotz bestehender Probleme und makroökonomischen Gegenwind, muss der Blick nach vorne gerichtet werden, um den Anschluss nicht vollends zu verlieren. Oder mit Worten eines griechischen Philosophen: „Wir können den Wind nicht ändern, aber die Segel anders setzen.“

Datei: images/cfoaktuell_2023_2_68-2.jpg

Abb 3: Strategische Maßnahmen auf der CFO-Agenda


Der Beitrag finden Sie auch in Heft 2 / 2023 von CFOaktuell (www.cfoaktuell.at)


0 Kommentare

Dein Kommentar

An Diskussion beteiligen?
Hinterlassen Sie uns Ihren Kommentar!

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert