Der digitale Dreikampf für das Controlling
Dipl.-Wirtsch.-Ing. Thomas Spitzenpfeil, Mitglied des Konzernvorstands, CFO und CIO der Carl Zeiss AG, im Gespräch
Sie sind seit sieben Jahren als CFO und seit vergangenem Oktober auch als CIO bei der Carl Zeiss AG tätig. Wie hat sich das Unternehmen in dieser Zeit aus Ihrer Sicht entwickelt, was sind Ihre Highlights?
Wenn ich so zurückblicke, hat sich die Zeiss AG seit dem Jahr 2010 doch deutlich verändert: Wir sind stark gewachsen. Ein Highlight war sicherlich die Entwicklung unserer „Agenda 2016“, mit der wir uns vorgenommen haben, globaler, moderner und dynamischer zu werden. In diesem Kontext haben wir große Investitionen getätigt, nicht nur in Infrastruktur, sondern auch in die globale Expansion des Unternehmens. Wir haben neue Standorte gebaut, zB in China und Indien. Dadurch konnten wir unseren Umsatz in den schnell wachsenden Ökonomien mehr als verdreifachen. Auch unser Anspruch, globaler Technologieführer zu sein, ist meines Erachtens durchaus gerechtfertigt. Was nicht zuletzt daran erkennbar ist, dass wir 10 % des Umsatzes in R&D-Entwicklung reinvestieren und unserer Tradition gerecht werden, immer wieder technologisch einzigartige Produkte auf den Markt zu bringen.
Wir sind in der Tat ein moderneres und globaleres Unternehmen geworden, nicht nur in der Art und Weise, wie wir auftreten, sondern auch in Bezug darauf, wie wir führen und agieren. Wir sind dynamisch gewachsen und machen mittlerweile insgesamt 90 % unseres Umsatzes außerhalb von Deutschland. All das hat das Unternehmen verändert, und ich bin stolz darauf, dass ich meinen Beitrag dazu leisten konnte. Die Zeiss AG ist ein Unternehmen mit enormer Faszination. Da mitzumachen und etwas bewegen zu können, ist an sich schon ein Highlight für mich.
Zu Ihrer neuen Rolle als CIO: Dass diese Funktion auf Sie als Finanzvorstand übertragen und damit auf Vorstandsebene gehoben wurde, ist als ein sehr deutliches Bekenntnis zur digitalen Transformation der Zeiss AG zu deuten. Wiemöchten Sie dieses Thema vorantreiben? Was sind die größten Herausforderungen bei dieser digitalen Transformation? Welche Strategie verfolgte die Zeiss AG dazu bisher?
Wir verstehen das Thema Digitalisierung als große Chance für das Unternehmen. Man darf nicht außer Acht lassen, dass wir mit den Geräten, die wir produzieren, eine enorme Menge an Daten erzeugen. Es liegt somit nahe, dass wir in diesem Zusammenhang die Digitalisierung als Chance wahrnehmen. Die Berufung zum CIO hebt als zusätzliches Vorstandsressort die Bedeutung der Digitalisierung hervor und unterstreicht, dass wir die Digitalisierung nicht als reines IT-Thema, sondern als Business-Thema verstehen, das weit über die reine IT hinausreicht, ohne sie jedoch nicht funktionieren kann. Für uns geht es bei der Digitalisierung auch darum, durch vom Kunden erdachte Lösungen Mehrwert zu erzeugen. Das ist meines Erachtens die Königsklasse der Digitalisierungsprodukte und -lösungen, an denen wir arbeiten. Dabei sind die Herausforderungen groß. Schließlich erfordert die Digitalisierung in vielen Bereichen eine gewisse Transformation des Unternehmens, hat also auch Einfluss auf die Unternehmensstrategie und damit darauf, wie Prozesse aussehen, wie sich die Organisation gestaltet, wie die Führung aussehen muss. Zudem stellt sich die Frage der Zuständigkeit und Herangehensweise.
Wir sehen die Digitalisierung nicht als ein exotisches Thema, das man in irgendeiner Garage betreibt, sondern als Kern unserer Geschäftsbereiche. Aus diesem Grund sind auch die jeweiligen Geschäftsführungen Treiber der Digitalisierung. Sie müssen das als Chefsache sehen. In meiner jetzigen Rolle als zuständiger Vorstand sehe ich mich als „Enabler“.
Um die digitale Transformation des Unternehmens weiter zu beschleunigen und um die Unternehmensbereiche dabei zu unterstützen, die Digitalisierung sowie digitale Projekte voranzutreiben, hat Zeiss in München auch das Kompetenzzentrum „Digital Innovation Partners“ geschaffen.
Sie unterscheiden im Spannungsfeld Controlling und Digitalisierung drei Bereiche: Controlling der Digitalisierung, Controlling digitaler Lösungen und Digitalisierung im Controlling. Wie haben Sie diese Bereiche definiert, und was umfassen sie?
Dazu muss man zunächst einmal verstehen, was Digitalisierung ist. Digitalisierung hat die Lebens-, Arbeits-, Unternehmenswelt in erheblichem Umfang verändert und wird das auch künftig tun. Damit verändern sich das strategische Umfeld und der Leistungserstellungsprozess. Controlling muss sich also mit der Frage beschäftigen: „Was passiert gerade?“ Vor diesem Hintergrund gibt es drei Dimensionen, mit denen sich Controlling beschäftigen muss. Erstens geht es um Controlling der Digitalisierung, weil es sich um einen Veränderungsprozess handelt, der auf den Betrachtungsgegenstand des Controllings wirkt, nämlich das Unternehmen, den Leistungsprozess, die Produkte, das Umfeld: Was passiert? Wie gehen wir als Unternehmen damit um? Digitalisierung ist, wenn man so will, Gegenstand des Strategieprozesses und damit des strategischen Controllings und hat damit natürlich Einfluss auf die Umsetzung: Welche Maßnahmen haben wir definiert? Wie müssen wir uns verändern? Wir als Unternehmen müssen diesen operativen Teil betrachten. Das beginnt mit der Frage, ob wir die richtigen Projekte, die richtigen Ressourcen haben, auf dem richtigen Weg sind, und reicht bis hin zur Frage, ob wir die richtigen Ressourcen und Projekte in der IT forcieren. Zweitens entstehen durch Digitalisierung digitale Lösungen oder digitale Produkte. Für diese Produkte und Geschäftsmodelle muss ein passendes Umfeld geschaffen werden. Hier geht es darum, wie man ein Produkt oder Projekt budgetiert und finanziert, in welchem Takt man den „Gesundheitszustand“ dieser Geschäftsmodelle prüft. Man muss immer die Frage nach der Wirtschaftlichkeit, nach dem Preis für diese Leistung stellen: Wo können die klassischen kostenrechnungsbasierten Preisbildungsmechanismen nicht mehr funktionieren? Welchen Benefit erzeuge ich, was ist der Kunde bereit zu zahlen? Letztlich geht es bei diesen Fragen auch darum, mit welchen KPIs man digitale Produkte misst. Drittens – last, but not least – wird sich auch das Controlling der Digitalisierung nicht entziehen können. Wie schon in der Vergangenheit wird die Digitalisierung mit neuen Technologien in das Controlling Einzug halten. Damit muss man sich beschäftigen. Das ist sozusagen der digitale Dreikampf für das Controlling.
Wie würden Sie Ihren Führungsstil bezeichnen?
Einer der Unternehmenswerte bei der Zeiss AG lautet „Empower“. Das heißt, in der Chefetage wollen wir Hilfe zur Selbsthilfe leisten. Einerseits muss man den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ambitionierte Ziele setzen, andererseits muss man ihnen aber auch Freiraum geben, diese ambitionierten Ziele umzusetzen, und dabei an der einen oder anderen Stelle helfen. Wir empowern – ich versuche, diesen Weg zu leben, meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihre Themen selbständig machen zu lassen und eher den Rahmen für erfolgreiche Tätigkeit zu setzen. Das ist der Führungsstil, den ich lebe: in der Entscheidungsfindung immer partizipativ, in der Umsetzung ab und zu auch einmal restriktiv. Hier möchte ich den Bogen schlagen zum Thema Digitalisierung: In der digitalen Welt wird dieser auf Empowerment und Vertrauen basierende Führungsstil zunehmend wichtig. Die klassische hierarchische Unternehmensführung kollidiert mit der Digitalisierung, die eine völlig andere Arbeitsweise verlangt.
Was war Ihr persönliches Karriere-Highlight und warum?
Ich blicke inzwischen schon auf eine sehr, sehr lange Karriere zurück. Insofern ist es fast schon schwierig, von einem Karriere-Highlight zu sprechen. Jede Station im Berufsleben hat ihre Highlights gehabt. Lassen Sie mich ein paar davon aufzählen: Besonders spannend war der Aufbau des Accounting-Shared-Services-Center bei Hydro Aluminium. Ich war damals in Österreich, der Börsengang war sicherlich einer der Höhepunkte. Das ist für jeden CFO eine Riesenherausforderung.
Bei der Zeiss AG, ich habe es eingangs erwähnt, ist es an sich schon ein Highlight, an der Gestaltung dieses wirklich großartigen und traditionsreichen Unternehmens mitzuwirken. Die IT in Zeiten der Digitalisierung wirklich nach vorne gebracht zu haben – das sticht noch einmal heraus. Als CFO möchte ich sagen, dass wir absolute Best-Practice-Prozesse haben, wenn es um integrierte strategische und operative Planung geht. Die ist integriert, schnell und außerordentlich wirksam. Natürlich war ich immer wieder auch für Restrukturierung zuständig, hier kann ich auf den einen oder anderen erfolgreichen Turn-Around zurückblicken. Letztlich ist es letztlich schwierig, ein einziges Highlight herauszupicken. Es gibt viele Aufgaben, an denen mitzuwirken und meinen Beitrag zu leisten mir Spaß gemacht und Freude bereitet hat.
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