Controller of the Future – Bosch gewinnt ICV Controlling Excellence Award

Neue Controlling-Rollen unterstützen Geschäftseinheiten im Wandel

Das Technologie- und Dienst­leistungsunternehmen Bosch nutzt seine Erfahrungen in der Vernetzung (Internet der Dinge, IoT) und künstlicher Intelligenz (AI) für künftiges Geschäft und will zum führenden AIoT-Unternehmen werden. Um die Geschäftseinheiten im Wandel zu unterstützen, hat Bosch seine Controlling-Rollen weiterentwickelt. Dafür erhielt das Projekt-Team den ICV Controlling Excellence Award 2021.


1. Bedeutung der Digitalisierung für das Controlling

Die Controlling-Organisation bei Bosch mit ihren weltweit 4.000 Controllern spiegelt die Aufbau­organisation des Unternehmens mit operativ verantwortlichen Geschäftsbereichen wider. Das schlanke Konzerncontrolling mit seiner Richtlinienkompetenz beinhaltet das strategische und operative Performance-Controlling der Geschäftseinheiten, die zentrale Steuerung des Risikomanagements sowie den Bereich Mergers & Acquisitions. Im Mittelpunkt des dezentralen Controllings stehen 15 Geschäftsbereiche mit ihren Business Units (Produktbereichen), rund 240 Werken und regionalen Vertriebs­organisationen.

So begleiten die Controller mit neuen Steuerungskonzepten alle Bereiche aktiv in der digitalen Transformation des Unternehmens, ua durch eine transparente Abbildung geschäftseinheitenübergreifender Prozesse. Außerdem nimmt die Bedeutung der professionellen Entwicklung und Implementierung digitaler Geschäftsmodelle mit starker Beteiligung von Controlling-Experten rasant zu. Gleichzeitig nutzen die Controller im eigenen Funktionsbereich die sich aus der Digitalisierung ergebenden Möglichkeiten zur Effizienzsteigerung, ua durch Prozessautomatisierung mit Robotic Process Automation (RPA), Erstellung von KI-basierten Forecasts mit Predictive Analytics und durch den Einsatz von hochintegrierten Reportingsystemen mit kundenorientierten Dashboards.

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Abb 1: Digitalisierung im Controlling

2. Fünf zukunftsweisende Rollen

Um die Controlling-Rollen im Unternehmen weiterzuentwickeln und die fortgeschrittene Digitalisierung im Finanzbereich noch besser zu nutzen, entstand 2019 das Projekt „Controller of the Future“.

In der ersten Phase der Projektarbeit wurde zunächst eine intensive Stakeholder-Analyse durchgeführt, um die Erwartungen der internen Kunden zu erfüllen. Hierzu wurden funktionsübergreifend Führungskräfte aller Geschäftsbereiche sowie aller Regionen weltweit gebeten, die aus ihrer Sicht wichtigsten Anforderungen an den Controller der Zukunft zu beschreiben und zu priorisieren. Die Resonanz auf die Durchführung einer solchen Stakeholder-Analyse war durchweg positiv und es gab eine Vielzahl wichtiger Rückmeldungen.

Bei der Entwicklung der neuen Controlling-Rollen war es dem Projektteam wichtig, von Anfang an weitere Experten und das Top Management, vertreten durch die Finanzleiter aller Geschäftsbereiche und Leiter der Zentralbereiche, frühzeitig miteinzubinden. So waren beispielsweise auch die rund 40 Koordinatoren der unternehmensinternen Finance and Controlling Academy (FCA) immer wieder bei der Bewertung der Umsetzbarkeit von Konzeptentwürfen beteiligt.

Neben der internen Sicht auf die Anforderungen an den Controller of the Future und vorhandener good practices aus den unterschiedlichen Bereichen sind auch Erkenntnisse aus dem praktischen Erfahrungsaustausch mit anderen international agierenden Unternehmen, aus externen Benchmarks und aus wissenschaftlichen Studien mit in das Konzept eingeflossen.

Auf Basis der vielfältigen Inputs wurden die neuen Controlling-Rollen in zahlreichen Workshops unter Berücksichtigung verschiedenster Perspektiven entwickelt. Insgesamt galt es durch die neuen Rollen allen Beteiligten eine klare Orientierung zu geben und zeitgleich ausreichend Freiraum zur Ausprägung lokaler Spezifika zu Seite 188 belassen. In Summe sind genau fünf zukunftsweisende Controlling-Rollen entstanden. Diese sind der „Business Partner“, der „Business Analyst“, der „Subject Matter Expert“, der „Governor“ und der „Data Scientist“.

Die Rolle des „Business Partners“ fokussiert sich auf die Beratung des Managements und ist damit eine wichtige Schnittstelle in die operativen Verantwortungsbereiche. Unterstützt wird er vom „Business Analyst“, welcher sehr prozessorientiert wichtige Daten aus IT-Systemen strukturiert, analysiert und über ansprechende Reports zielgruppenspezifisch aufbereitet. Für tiefgreifende Expertise in Spezialgebieten (ua Tax, M&A, IT-Prozesse) steht der „Subject Matter Expert“ auf Anfrage den operativen Bereichen für einen definierten Zeitraum zur Verfügung. Den konzernweit gültigen Rahmen an Regelungen und Standardprozessen im Controlling entwickeln und überwachen wenige zentral angesiedelte „Governors“.

Die sich auch durch die Digitalisierung ergebenden Chancen durch die ziel­gerichtete Nutzung von Big Data im Controlling, werden von „Data Scientists“ umgesetzt. Dabei werden beispielsweise im Predictive Forecasting wissenschaftliche Methoden angewandt, um aus einer Kombination einer Vielzahl von Algorithmen belastbare Zukunftsszenarien zu simulieren. Insgesamt profitiert das Management der Geschäftseinheiten von einem geschärften Rollenverständnis sowie der engen Zusammenarbeit und gegenseitigen Ergänzung aller fünf Controlling-Rollen.

3. Implementierung mit Kompetenzprofilen und Fact Sheets für jede Rolle

Beim Projekt „Controller of the Future – People make the Difference“ stand stets der Mensch als entscheidender Differenzierungs­faktor im Mittelpunkt. Deshalb waren die Definition der erforderlichen Kompetenzstandards sowie deren rollenspezifische Ausprägungen besonders wichtig. Als übergeordnete Kompetenzbereiche wurden die Kategorien „Professional Skill Set“„Social Skill Set“ und „Digital Skill Set“ festgelegt. Gegenüber dem bisherigen Ansatz wurde das „Social Skill Set“ in seiner Bedeutung aufge­wertet und das „Digital Skill Set“ neu aufgenommen. Damit wird berücksichtigt, dass digitale Kompetenzen mit professionellen und sozialen Kompetenzen in Ihrer Bedeutung für den „Controller of the Future“ gleichzusetzen sind.

Die drei beschriebenen Kompetenzbereiche wurden in einem nächsten Schritt durch sechs Kompetenzfelder weiter konkretisiert. Diese Felder umfassen „Finance & Controlling Expertise“, „Business Acumen“, „Management Expertise“, „Communication & Collaboration“, „Personal Competencies“ sowie „Technology & Analytics“. Innerhalb dieser sechs Kompetenzfelder wurden jeweils weitere wichtige Eigenschaften – wie zB das agile Zusammenarbeiten oder Storytelling – ausgeprägt und beschrieben.

Alle fünf neuen Berufsrollen erfordern eine rollenspezifische Qualifikation in allen sechs Kompetenzfeldern, allerdings mit unterschiedlicher Ausprägung entsprechend ihrem Kompetenzprofil.

Für jede der neu entwickelten Berufsrollen gibt es ein „Fact Sheet“ mit zusammenfassenden Informationen zur Rollenbeschreibung, wesentlichen Tätigkeiten und dem Kompetenzprofil. Abbildung 2 zeigt beispielhaft das Fact Sheet des Controlling Business Partners.

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Abb 2: Fact Sheet des Controlling Business Partners

Die Rollenbeschreibung ( „Role Description“) charakterisiert bzw zeigt auf, was den Controlling Business Partner ausmacht. Die wesentlichen Tätigkeiten ( „Major Tasks“) beschreiben die wesentlichen Aufgaben und den charakterisierenden Aktionsradius. Im Kompetenzprofil links unten sind die sechs Kompetenzfelder in der für den Business Partner erforderlichen Ausprägung dargestellt. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass es sich bei den numerischen Ausprägungsstufen um Mindestanforderungen Seite 189 handelt. Dies bedeutet, dass ein(e) Mitarbeiter*in das festgelegte Kompetenzlevel jederzeit überschreiten kann, zB aufgrund geschäftsmodellspezifischer oder lokaler Anforderungen. Um sicherzustellen, dass alle Mitarbeiter schnellstmöglich die geforderten Kompetenzlevel erreichen, wurden umfassende Trainingsprogramme entwickelt.

Nach zahlreichen Validierungs- und Optimierungsmeetings zum Gesamtkonzept erfolgte die Zuordnung der neuen Controller-Rollen im Rahmen der Mitarbeitergespräche 2020/2021. Dabei wurde jedem der 4.000 Controller weltweit eine primäre Rolle zugeordnet. Um diese Zuordnung zu ermöglichen, unterstützte das Projektteam die Führungskräfte durch diverse Informationsveranstaltungen zwischen März und Oktober 2020, in denen das Konzept vorgestellt und aufkommende Fragen beantwortet werden konnten. Das Angebot wurde durch zahlreiche weitere, für alle Mitarbeiter frei zugängliche Kommunikationsmaterialien wie zB rollenbezogene Videoclips, Guiding Principles zur Implementierung, detaillierte Info-Broschüre, FAQ-Sammlungen in der betriebsinternen Online-Plattform sowie einige zielgruppenspezifische Präsentationen ergänzt.

4. Rollenspezifische Trainingsprogramme & Curricula

Zur Sicher­stellung der definierten Kompetenzstandards wurden, gemeinsam mit dem Koordinatoren-Netzwerk der FCA, in mehreren Workshops passende und schlanke Trainingspläne (Curricula) diskutiert und entwickelt. Ein Schwerpunkt bei der Erarbeitung der rollenspezifischen Trainingspläne lag im Kompetenzbereich des Digital Skill Set. So können Trainings im Bereich von AI absolviert werden, welche vom Bosch Center of Artificial Intelligence durchgeführt werden.

Die Auswahl der Trainings korreliert eng mit der zuvor ermittelten vorhandenen Erfahrung auf dem Gebiet sowie der entsprechenden Hierarchieebene und der daraus abgeleiteten Verfügbarkeit der Kollegen. So gibt es für Führungskräfte eine Reihe webbasierter Trainings zur Einführung in das Thema Artificial Intelligence. Für interessierte Mitarbeiter gibt es eine Vielzahl an angebotenen Trainings im Bereich der Digital Skills. Diese reichen von Grundlagen-Schulungen, zB von Power BI oder Big Data bis hin zu Kursen für Spezialisten zur Programmierung von SAP-Anwendungen. Darüber hinaus gibt es ein vielseitiges Angebot an Trainings-Videos in Bosch Tube oder auch digitale Lernplattformen wie „inside docupedia“ oder das Bosch Learning Portal, welches allen Mitarbeitern weltweit zur Verfügung steht.

Bei der Auswahl und der Zuordnung der Trainingsmaßnahmen wurde unterschieden zwischen verpflichtenden, erforderlichen und optionalen Maßnahmen. Die als erforderlich definierten Maßnahmen zur Entwicklung der rollenbezogenen fachlichen, sozialen und digitalen Kompetenzen sind immer dann verbindlich zu absolvieren, wenn im Gespräch zwischen Führungskraft und Mitarbeiter gemeinsam Entwicklungsbedarf zur Erlangung des geforderten Niveaus festgestellt wird.

Dieser Prozess wird mit Unterstützung des global verfügbaren IT-Systems HR Global durchgeführt und standardisiert dokumentiert. In diesem System sind die beschriebenen Rollenprofile und die zugehörigen Trainings-Curricula hinterlegt. Nach Zuweisung der Rolle durch die Führungskraft erhält der Mitarbeiter automatisch die Übersicht über das Curriculum inklusive erforderlicher Schulungsmaßnahmen, was für alle Prozessbeteiligten höchste Transparenz ermöglicht.

Damit ist eine ziel­gerichtete Weiterentwicklung für den Mitarbeiter gewährleistet. Durch die Nutzung von HR Global werden somit auch die Qualifikationen des Mitarbeiters in seiner Bildungshistorie dokumentiert und stellen die globale Erlangung der geforderten Kompetenzlevel aller Controller sicher.

5. Gewinner des ICV Controlling Excellence Award 2021

Im April 2021 gewann das Projekt „Controller of the Future – People make the Difference“ den renommierten ICV Controlling Exellence Award. Der Juryvorsitzende Prof. Dr. Utz Schäffer überreichte dem Projektteam den Preis im Rahmen des virtuellen 45. ICV Congress und hat dabei besonders hervorgehoben, dass sich Bosch der Ausdifferenzierung der klassischen Controller-Rolle und dem anstehenden Rollenwandel proaktiv stellt.

Die fundiert abgeleiteten Rollen- und Kompetenzprofile, sowie die Berücksichtigung interner und externer Perspektiven und nicht zuletzt die frühe Einbindung aller Stakeholder in die Entscheidungsprozesse haben die Jury überzeugt. Darüber hinaus würdigte das Gremium das umfassende Implementierungskonzept mit einem vielfältigen Trainingsportfolio, einem breit angelegten Kommunikationskonzept und einem systematischen Tracking der Umsetzungsschritte. Seit der Auszeichnung verzeichnet das Projektteam ein hohes branchenübergreifendes Interesse und bringt sich in den Austausch zur Weiterentwicklung der Controller-Funktion ein.


Der Beitrag erschien zunächst in CFOaktuell (Heft 5/2021). Mehr Infos unter: www.cfoaktuell.at

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