Wofür haftet der Geschäftsführer?

Ist die Haftung der Geschäftsführung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung doch nicht so beschränkt, wie vermutet?

Die Geschäftsführung agiert oftmals mit der Vermutung, dass im Falle des Falles, die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) sowieso nur, wie der Name schon sagt, beschränkt haftet. Dass dies jedoch nur für die Gesellschaft selbst, nicht jedoch für dessen Organe gilt, wird oftmals missachtet. Welche Stolperfallen lauern können, wollen wir Ihnen, nach einer kurzen Erläuterung der Vertretungsmöglichkeiten, hier näherbringen.


  1. Wofür braucht es eine Geschäftsführung?

Damit eine GmbH rechtswirksam handeln kann, benötigt sie Organe, wie etwa die Geschäftsführung, als eines der zwingenden Organe. Die Gesellschaft wird durch die Geschäftsführung gerichtlich und außergerichtlich vertreten. Es gibt drei Arten, wie diese Vertretung im Außenverhältnis aussehen kann:

  • Gesamtvertretung
  • Einzelvertretung
  • gemischte Vertretung.

Falls nicht anders geregelt, besteht kraft Gesetzes eine Gesamtvertretung, d.h. dass die Gesellschaft nur durch alle Geschäftsführer gemeinsam vertreten werden kann. Einzelnen Mitgliedern kann auch die sogenannte Einzelvertretung gegeben werden. Hier kann das Mitglied der Geschäftsführung allein, ohne Zustimmung der restlichen Mitglieder, die Gesellschaft nach außen vertreten. Bei der gemischten Vertretung vertritt der Geschäftsführer die Gesellschaft gemeinsam mit einem Prokuristen oder mit einem Handlungsbevollmächtigten.

Eine allgemein gültige Regel, ob die Einzel- oder Gesamtvertretung besser ist, gibt es nicht. Es ist die Entscheidung der Gesellschafter, welche Vertretungsart sie bevorzugen. Eine Einzelvertretung kann sehr flexibel sein, dagegen verschafft die Gesamtvertretung mehrerer Geschäftsführer gegenseitige Kontrolle im Sinne eines Vier-Augen-Prinzips. Ein Risiko der Gesamtvertretung hingegen kann sein, dass beim Ausscheiden des zweiten Geschäftsführers, der verbliebene Geschäftsführer die Gesellschaft nicht mehr aktiv vertreten kann und die Gesellschaft somit handlungsunfähig wird. In diesem Fall können die Gesellschafter entweder einen zweiten Geschäftsführer bestellen oder dem verbliebenen Geschäftsführer eine Einzelvertretung einräumen. Falls die Gesellschafter nicht handeln, kann der verbliebene Geschäftsführer aus wichtigem Grund seinen Rücktritt erklären oder die gerichtliche Bestellung eines Notgeschäftsführers beantragen.

Die Vertretungsmacht eines Geschäftsführers ist unbeschränkt und im Außenverhältnis auch unbeschränkbar. Im Innenverhältnis hingegen besteht die Möglichkeit, die Geschäftsführung im Rahmen einer Ressortverteilung einzuschränken bzw. unter den Mitgliedern der Geschäftsführung aufzuteilen.

Im Rahmen der Ressortverteilung betrifft die Sorgfaltspflicht des Organmitgliedes inhaltlich den Kernbereich der Geschäftsführung sowie die ihm zusätzlich zugeordneten Bereiche. Zum Kernbereich gehören z.B. die Buchführung, die Erstellung des Jahresabschlusses, die Anmeldung zur Insolvenz, die Betreuung der abgabenrechtlichen Pflichten, die Vorlage zustimmungspflichtiger Geschäfte und Berichterstattung an den Aufsichtsrat (falls notwendig und vorhanden), die Erstattung von Beschlussvorschlägen an die Generalversammlung. Zusätzlich zugeordnete Bereiche können bspw. die Verwaltung des Finanz- oder des operativen Bereichs (CFO vs. COO) sein.

Jedes Organmitglied ist trotz Ressortverteilung weiterhin verpflichtet, die Tätigkeit der übrigen Geschäftsführer zu überwachen, wobei sich der Geschäftsführer auf die Aussagen der mit einem anderen Ressort befassten Mitglieder grundsätzlich verlassen darf (sogenannter Vertrauensgrundsatz). Ist er seiner Informations- und Kontrollpflicht nachgekommen und hatte er keinen Grund, an der Qualität der eingeholten Informationen zu zweifeln, so liegt in seinem Verhalten im Allgemeinen keine objektive Sorgfaltswidrigkeit. Die restlichen Mitglieder müssen erst dann eingreifen, wenn der Verdacht besteht, dass Missstände vorliegen. Ist er hierzu selbst nicht in der Lage, hat er sich eines Sachverständigen zu bedienen.

Die anderen Mitglieder der Geschäftsführung haben auch bei einer Ressortverteilung ein Widerspruchsrecht gegen geplante Maßnahmen. Dieses Widerspruchsrecht kann im Gesellschaftsvertrag ausgeschlossen werden.

Praxistipp: Auch wenn ein Geschäftsführer seine vereinbarten Kompetenzen im Innenverhältnis überschreitet, ist das Geschäft Dritten gegenüber weiterhin wirksam (bis auf den Ausnahmefall der sog. Kollusion).

  • Was sind die Pflichten der Geschäftsführung (Kernbereich)

Dem Geschäftsführer obliegt die gesamte Geschäftsführung der GmbH, er hat in seiner Rolle umfangreiche Pflichten. Dazu zählen zum Beispiel:

  • Anmeldepflichten zum Firmenbuch
  • Führung eines Rechnungswesens und eines internen Kontrollsystems (sog. IKS), das den Anforderungen des Unternehmens entspricht.
  • Einberufung der ordentlichen und außerordentlichen Generalversammlung und die Aufnahme der Niederschriften der Generalversammlung-Beschlüsse
  • Zustimmung zu Insichgeschäften eines anderen Geschäftsführers, wenn kein Aufsichtsrat besteht
  • Erklärung bei Gründung oder bei einer Kapitalerhöhung, dass die dargestellten Bareinlagen eingezahlt wurden und sich in der freien Verfügung der Geschäftsführer befinden; dies gilt auch für Sacheinlagen.
  • Beachtung der Kapitalerhaltungsvorschriften (Stichwort: verdeckte Einlagenrückgewähr)
  • Einberufung der Generalversammlung insb. bei Verlust in Höhe des halben Stammkapitals sowie bei Erreichen der Reorganisationskennzahlen
  • Berichtspflichten gegenüber dem Aufsichtsrat
  • Auskunftspflicht nach Beendigung der Organstellung

Weitere Pflichten ergeben sich aus der Insolvenzordnung, Gewerbeordnung, Kartellrecht, Bundes­gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) oder aus dem Steuerrecht. Der Gesellschaftsvertrag, die Satzung oder die Geschäftsordnung können weitere Pflichten vorsehen.

  • Wo liegen die Stolperfallen?

Grundsätzlich haftet ein Geschäftsführer der Gesellschaft gegenüber unbeschränkt mit seinem Privatvermögen für Vermögensschäden, die er der Gesellschaft mindestens leicht fahrlässig zugefügt hat. Die Ansprüche der Gesellschaft verjähren nach fünf Jahren und die Frist beginnt mit der Kenntnis des Schadens zu laufen.

In bestimmten Fällen kann es zu einer unmittelbaren Außenhaftung des Geschäftsführers gegenüber eines Gesellschaftsgläubigers kommen. Das passiert, wenn der Geschäftsführer sog. Schutzgesetze verletzt. Das GmbHG kennt zum Beispiel folgende Fälle:

  • schuldhaft falsche oder verzögerte Anmeldungen zum Firmenbuch oder
  • wissentlich falsche Darstellung der wirtschaftlichen Verhältnisse

Weitere Haftungsfälle ergeben sich aus dem Insolvenzrecht, dem Gesellschaftsrecht oder dem Abgabenrecht bzw. Sozialversicherungsrecht sowie bei deliktischer Schädigung (keine abschließende Aufzählung):

Insolvenzrecht

Wenn ein Schuldner zahlungsunfähig wird oder eine Überschuldung vorliegt, dient das Insolvenzrecht der geordneten und bestmöglichen Befriedigung der Gläubiger.

Das Ziel des Insolvenzrechts ist die Sanierung des Schuldners, soweit es möglich und mit den Interessen der Gläubiger zu vereinbaren ist.

Wann muss ein Geschäftsführer einen Insolvenzantrag stellen?

Die Voraussetzungen für eine Insolvenzeröffnung sind die Zahlungsunfähigkeit bzw. Überschuldung nach § 66 und 67 IO und ein kostendeckendes Vermögen. Der Antrag zur Insolvenzeröffnung ist unverzüglich, spätestens jedoch 60 Tage nach Eintritt der oben angeführten Voraussetzungen, einzubringen. Achtung! Im Rahmen der Covid-19 Pandemie gibt es immer wieder Erleichterungen, die die 60-Tagesfrist bei Überschuldung hemmen. Dies gilt jedoch nicht bei Eintritt der Zahlungsunfähigkeit. 

Wann ist ein Unternehmen zahlungsunfähig?

Unter Zahlungsunfähigkeit wird eine voraussichtlich nicht nur vorübergehende Wirtschaftslage verstanden, die den Schuldner daran hindert, die Geldmittel zur Tilgung fälliger Geldschulden bereit zu halten oder demnächst zu beschaffen. Künftige Fälligkeiten sind dabei zu berücksichtigen.

Es wird nicht vorausgesetzt, dass die Gläubiger andrängen. Der Umstand, dass der Schuldner die Forderungen einzelner Gläubiger ganz oder teilweise befriedigt hat oder noch befriedigen kann, begründet für sich allein nicht die Annahme, dass er zahlungsfähig ist. Wenn der Schuldner selbst seine Zahlungen einstellt, dann ist Zahlungsunfähigkeit anzunehmen.

Überschuldung ist Insolvenzvoraussetzung bei juristischen Personen und bei jenen Personengesellschaften, bei denen kein unbeschränkt haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist.

Praxistipp: Damit es nicht so weit kommen muss, empfiehlt sich Frühwarnungsmaßnahmen (sog. Insolvenzprophylaxe) zu etablieren. So kann die Geschäftsführung die Krise rechtzeitig erkennen und im Idealfall auch abwehren.

Die Kapitalgesellschaften sind schon per Gesetz zu zahlreichen insolvenzprophylaktischen Maßnahmen verpflichtet, wie zum Beispiel Erstellung eines Jahresabschlusses , Führung des Rechnungswesen und Aufbau eines internen Kontrollsystems, Prognosebericht, Jahresbericht an den Aufsichtsrat (wenn vorhanden), Fortführungsprognose im Zusammenhang mit der Jahresabschlussaufstellung, Einberufung der Generalversammlung beim Verlust des halben Stamm- bzw. Grundkapitals.

Verbotene Einlagenrückgewähr

Ein enorm wichtiges und oftmals unterschätztes Thema in der Praxis stellt die verdeckte Einlagenrückgewähr dar.

Die Gesellschafter sind zur Leistung der vereinbarten Einlage verpflichtet. Dieses der Gesellschaft zur Verfügung gestellte Kapital ist in weiterer Folge auch zu erhalten. Das heißt, dass die Gesellschafter die von ihnen geleistete Stammeinlage nicht zurückfordern dürfen. Sie haben lediglich Anspruch auf den sich nach dem Jahresabschluss ergebenden Bilanz­gewinn, sofern dessen Verteilung nicht nach dem Gesellschafts­vertrag oder einem Gesellschafter­beschluss untersagt ist.

Unzulässig ist demnach jeder Vermögenstransfer von der Gesellschaft an einen Gesellschafter in Vertragsform oder auf andere Weise, die den Gesellschafter gegenüber dem gemeinsamen Sondervermögen begünstigen. Erfasst werden alle Vorteile, die einem Gesellschafter, nicht aber einem Dritten gewährt würden (sog. Fremdvergleich; „dealing at arm´s length“).

Beispiele für unzulässige Einlagenrückgewähr aus der Praxis:

  • Überhöhte Gesellschafter-Geschäftsführergehälter;
  • Besicherung von Schulden der Gesellschafter durch die Kapitalgesellschaft;
  • Darlehensgewährung von der Gesellschaft an einen Gesellschafter (und umgekehrt);
  • kreditfinanziertem Anteilserwerb über SPV (special purpose vehicle);
  • Einbringung trotz negativem Verkehrswert des eingebrachten Vermögens;
  • Einbringung eines Unternehmens ohne Gewährung von Anteilen;
  • Zahlung eines überhöhten Mietzinses an einen Gesellschafter
  • etc.

Die Rechtsfolgen einer verdeckten Einlagenrückgewähr ist absolute Nichtigkeit des Geschäfts zwischen der Gesellschaft und dem Gesellschafter. Die Gesellschaft hat das Recht den gesetzwidrig zurückbezahlten Betrag zurückzufordern.

Abgabenrecht

Werden abgabenrechtliche Verpflichtungen schuldhaft verletzt und kommt es in weiterer Folge zu einer Abgabenverkürzung, so haftet die Geschäftsführung dafür.

Praxistipp: Sie übernehmen auch die Haftung für Ihren Vorgänger, wenn falsche, unvollständige oder Abgabenerklärungen gar nicht abgegeben wurden. Prüfen Sie daher stets, ob sämtliche abgabenrechtlichen Verpflichtungen erfüllt wurden. Sollte dies nicht der Fall sein, ist dies innerhalb von drei Monaten ab Kenntnis bei der zuständigen Abgabenbehörde anzuzeigen.

Im Sozialversicherungsrecht sind Sie zudem persönlich für die Dienstgeber- und Dienstnehmerbeiträge korrekt und fristgerecht anzuzeigen und haften persönlich, wenn diese Verpflichtung missachtet wird. Darüber hinaus trifft Sie im Zusammenhang mit der Konkursverschleppung (siehe auch Erläuterungen zur Insolvenz) die Haftung der Lohnnebenkosten.

Praxistipp: Als Geschäftsführer sind Sie verpflichtet ein internes Kontrollsystem (IKS) aufzusetzen, das den Bedürfnissen des Unternehmens entspricht. Dieses IKS kann auch dafür eingesetzt werden, Kontrollen einzuführen, die falsche bzw. fehlende Abgaben an die Abgabenbehörde bzw. Sozialversicherung aufdecken. Bsp.: monatliche Verplausibilisierung der Gehaltsabrechnung, Check, ob sämtliche Steuererklärungen des fälligen Geschäftsjahres ordnungsgemäß eingereicht wurden, Vier-Augen-Prinzip bei Erstellung der Jahreserklärungen bzw. der Lohnverrechnung, etc.


Fazit

Das Leben eines Geschäftsführers bringt viel Freude, aber auch einige Herausforderungen mit sich. In der Aufzählung handelt es sich lediglich um einen kleinen Ausschnitt der möglichen Haftungsfelder. Damit es nicht brenzlig wird, informieren Sie sich rechtzeitig beim Berater Ihres Vertrauens oder besuchen Sie unseren Lehrgang am Controller Institut Bootcamp für die Geschäftsführung.


Fußnote:

Lucia Wieder ist Wirtschaftsprüferin und Steuerberaterin bei EY Österreich. Als Prüfungsleiterin ist sie verantwortlich für Prüfungen von Jahres- und Konzernabschlüssen nach lokalen und internationalen Rechnungslegungsvorschriften (UGB, IFRS, US-GAAP, dHGB). Außerdem ist sie Leiterin des Lehrgangs „Bootcamp für die Geschäftsführung“ und Vortragende am Controller Institut in Wien.

Kerstin Andert ist Steuerberaterin und leitet die Rechnungswesen- und Steuerabteilung bei einem internationalen Immobilienentwickler mit Sitz in Wien. Außerdem ist sie Leiterin des Lehrgangs „Bootcamp für die Geschäftsführung“ und Vortragende am Controller Institut in Wien.

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