„Nimm an, was kommt, und arbeite damit“

Ein Poträt über Mag. Monika Stoisser-Göhring, CFO der AT&S Austria Technologie & Systemtechnik AG.

Dass die Kür Monika Stoisser-Göhrings zur „CFO-Newcomerin des Jahres 2017“ durch die Mitglieder des CFO-Clubs Austria hohes Interesse weckt, ist klar. Und es ist verdient, wie dieses Porträt zeigen soll. Nach dem überraschenden Rücktritt von Karl Asamer als CFO des steirischen Technologiekonzerns AT&S trat die 48-Jährige Anfang Juni 2017 in dessen Funktion und wurde auch zur stellvertretenden Vorstandsvorsitzenden bestellt.

Die gebürtige Wienerin übersiedelte bereits im Alter von sechs Jahren in die Steiermark, weil ihr Vater Othmar Göhring, ein evangelischer Pfarrer, die amtsführende Pfarrstelle in einer großen Innenstadtgemeinde in Graz übernahm. Ihre Mutter unterrichtete an der HAK in Graz. Monika Stoisser-Göhring maturierte am Akademischen Gymnasium Graz. Ihr Vater prägte sie sehr: „Er war einer, der gerne über den Horizont schaute. Bei uns im Pfarrhaus war eigentlich immer Open House. Gäste, auch aus dem Ausland, die als Vortragende in unsere Pfarrgemeinde kamen, wohnten bei uns, auch bei abendlichen Diskussionsrunden durften mein Bruder und ich dabei sein. Ich habe sehr viel von meinem Vater gelernt.“

Organisatorisches Talent als ideale berufliche Voraussetzung

Nach der Matura wollte sie ursprünglich Sprachen studieren, entschied sich schließlich aber für BWL als vielseitigeres Studium. In diese Zeit fiel auch ihre Familiengründung. Mit 20 wurde sie erstmals Mutter. Dass sie bei all diesen Belastungen mit 23 Jahren bereits ihr Studium abschloss, spricht nicht zuletzt für ihr organisatorisches Talent. Für ihre heutigen Herausforderungen bei AT&S geradezu ideal, dass sie sich unter den verschiedenen Möglichkeiten des BWL-Studiums für Innovationsmanagement und Personalwirtschaft besonders interessierte und entschied.

Der Einstieg ins Berufsleben war für eine junge Mutter nicht ganz einfach, denn „Teilzeitstellen waren Anfang der 1990er-Jahre kaum zu bekommen, wenn man ein Studium abgeschlossen hatte“. Sie fand einen Job bei einer kleinen Steuerberatungskanzlei, fühlte aber, dass sie trotz Studiums noch zu wenig Rüstzeug für die Steuerberatung und Bilanzierung hatte. Also machte sie – während der Karenzzeit für ihr zweites Kind – die Bilanzbuchhalter­ausbildung und -prüfung. Danach erfolgte ein ziemlicher Wechsel: Als sie gefragt wurde, ob sie für die Schweizer Firma Rent a bike AG, die auf den Fahrradverleih auf Bahnhöfen spezialisiert ist, den Aufbau der Grazer Zentrale übernehmen würde, sagte sie zu. „Wir waren zu zweit für das Österreich­geschäft zuständig und haben gemeinsam mit der ÖBB und der Österreich Werbung den Verleih der Räder und deren Management aufgebaut. Ich habe ein Controlling je Fahrrad eingeführt, mit der Eisenbahnergewerkschaft über die sozial­versicherungsrechtlichen Fragen verhandelt und durch das breite Aufgabenfeld wieder Neues gelernt.“ Dass sie an ihrem 30. Geburtstag bei strömendem Regen am Bahnhof Fahrräder reparierte, weil damals in Graz der Velo-City-Kongress stattfand, ist ihr heute noch unvergesslich. Jedenfalls: Der Job brachte ihr weitere Erfahrungen, nicht zuletzt in der Führung von Mitarbeitern mit unterschiedlichstem sozialem Hintergrund.

2001 wurde Monika Stoisser-Göhring von der neu gegründeten Steuerberatungskanzlei Möstl & Pfeiffer, die Deloitte-Styria-Vertreter wurde, engagiert. „Das waren wirklich schöne Jahre. Ich war von den ersten Tagen an in große Wirtschafts­prüfungsmandate eingebunden.“ In der Kanzlei hatte sie eine breite Palette von unterschiedlichen Kunden und Aufgaben, was nicht nur vom Fachlichen her wichtig war. Die Steuerberater­prüfung im Jahr 2004 neben der Mehrfachbelastung durch Arbeit und Familie war eine ziemliche Herausforderung, die zu bewältigen war. Nach einer Periode als selbständige Steuerberaterin mit einer Kollegin kam es ab 2007 zur Zusammenarbeit mit PwC Steiermark. „Ich habe gemerkt, dass die Klienten mehr von mir wollten als nur die Steuererklärung. Sie wollten neben ihren Finanzen auch andere Themen besprechen, und ich brauchte ein Rüstzeug, um damit umgehen zu können.“ Daher belegte Stoisser-Göhring 2009 den postgradualen Lehrgang „Coaching und Organisationsentwicklung“ bei der Arge Bildungsmanagement in Wien. „Eine tolle Ausbildung, die ich bis Seite 23 heute nicht missen möchte. Sie hat mir beruflich wie privat viel gebracht. Es wäre auch eine zusätzliche Schiene im Beruf gewesen, wäre nicht der Anruf von AT&S gekommen. Daraus sind jetzt sieben Jahre AT&S geworden, und ich bin sehr froh darüber.“

„Ich habe mich der Aufgabe fachlich gewachsen gefühlt“

Monika Stoisser-Göhrings erstes Einsatzgebiet im Jahr 2011 beim steirischen High-End-Leiterplattenhersteller war der Bereich Finanzen. Damals wurde die Zentrale des Unternehmens gerade von Wien nach Leoben verlegt, um Parallelstrukturen zu vermeiden. Die Zusammenführung der lokalen Teams Finance und Controlling war eine ihrer ersten Aufgaben. 2013 übernahm sie zusätzlich zu ihrer Funktion als Leiterin der Group Finance auch das Controlling. Da AT&S damals keinen Finanzvorstand hatte und außerdem eine Kapitalerhöhung anstand, war die Zusammenarbeit mit dem Vorstandsvorsitzenden Andreas Gerstenmayer besonders wichtig. „Es war ein sehr herausforderndes Jahr, das alles ohne CFO auf die Beine zu stellen“, kann sie mit einem gewissen Stolz zurückblicken. Als schließlich 2014 wieder ein CFO bestellt wurde, trug ihr Gerstenmayer die Leitung der Personalabteilung an, die neu ausgerichtet werden sollte. Für sie, die sich selbst als Zahlenmensch sieht, aber auch die Komponente des menschlichen Umgangs sehr schätzt, eine interessante Aufgabe, noch dazu in einem international aufgestellten Unternehmen. „Mein Credo: 10.000 Mitarbeiter, alle Kulturen, alle Bevölkerungsschichten, alle Altersschichten. Nimm an, was kommt, und arbeite damit. Das hat mir sehr geholfen und tut es heute noch. Wenn man auf andere zugeht, mit anderen Kulturen arbeitet, muss man wirklich offen sein. Wir haben vor vier Jahren begonnen, uns über das Thema Unternehmens­werte zu unterhalten und zu überlegen, was die für unser Unternehmen wichtigsten Werte sind und was sie für uns bedeuten. Es war sehr interessant zu lernen, dass ein Ausdruck, der in einer Kultur etwas ganz Positives bedeutet, in einer anderen Kultur viel zu offensiv, vielleicht sogar aggressiv klingt.“ Für Monika Stoisser-Göhring, die nun als CFO auch die Personalagenden führt, jedenfalls eine spannende Zeit, die sie absolut nicht missen möchte und „die mir jetzt natürlich sehr hilft, weil ich die Kollegen von einer ganz anderen Seite her kenne“. Das Ausscheiden ihres Vorgängers Anfang Juni 2017 kam überraschend. „Ich habe mich der Aufgabe fachlich gewachsen gefühlt. Ich kenne das Geschäft, das Unternehmen. Wichtig war aber auch die bisherige Zusammenarbeit mit meinen beiden nunmehrigen Vorstandskollegen. So habe ich mich schnell entschlossen, obwohl diese Funktion natürlich auch eine große neue Herausforderung für mich darstellte.“ Dazu kam, dass das vergangene Geschäftsjahr 2016/2017 bei AT&S durch die Anlaufeffekte im neuen chinesischen Werk Chongqing geprägt war. „In dieser Zeit den CFO zu übernehmen, ist durchaus anspruchsvoll. Für mich war aber klar: Ich glaube an das Unternehmen und an die Strategie. Die letzten Monate haben gezeigt, dass meine Entscheidung richtig war. Zwei neue Werke in kurzer Zeit hochzufahren, war eine gewaltige Herausforderung für die gesamte Organisation, aber die Voraussetzung für unser weiteres profitables Wachstum. Wir sind am Markt gegenüber unseren Mitbewerbern deutlich besser aufgestellt. Aber wir müssen – wie schon in der Vergangenheit – weiterhin trachten, dass wir unsere Technologieführerschaft beibehalten. Von den Finanzen her bedeutet das steigende Kapitalintensität: Wir müssen weiter in neue Technologien investieren, denn nur dort gibt es das Preispremium. Auf der Mitarbeiterseite bedeutet das: Wir brauchen das richtige Know-how bei unseren Mitarbeitern. Das IC-Substrate-Geschäft, in dem wir jetzt auch arbeiten, ist stark an die Halbleiterindustrie gebunden. Das bedarf einer anderen Herangehensweise an Projekte als in der Leiterplattenbranche. Im Halbleiterbereich gibt es deutlich längere Vorlaufzeiten und mehr Projekt­geschäft. Darauf müssen wir uns einstellen.“

Zum Aufgabenbereich des CFO einer AG gehören auch der Kontakt mit den Anlegern und die üblichen Roadshows. „Man muss darauf achten, die Informationen gleich zu verteilen. Auch bei den Pressekonferenzen hören nicht nur die Journalisten und Aktionäre zu und freuen sich, wenn es gut läuft. Da hören auch Kunden und Lieferanten zu und ziehen ihre Schlussfolgerungen.“

CFO-Newcomerin des Jahres 2017

Ein allgemein aktuelles Thema ist die Frauenquote. Monika Stoisser-Göhring sieht das so: „Ich bin froh, dass ich keine Quotenfrau bin. Ich habe aber Seite 24 auch nie die gläserne Decke gespürt, sondern immer Vorgesetzte gehabt, die mich gefördert haben. Seit ich bei AT&S bin, ist die Mitarbeiteranzahl um 20 bis 25 % gewachsen. Ich habe sehr viele Bewerbungsgespräche geführt und immer wieder bemerken müssen, dass Frauen sich und ihre Fähigkeiten deutlich mehr hinterfragen, als das Männer tun. Da wäre vielleicht schon von Anfang an, also in unserer Erziehung, mehr Selbstbewusstsein notwendig. Frauen, zumindest in Österreich, leben das klassische Rollenbild offensichtlich gerne. So ist es uns mangels Nachfrage von Seiten unserer Mitarbeiterinnen nicht gelungen, die nötigen Kinder für die Auslastung einer Betriebstagesmutter zu finden.“ Sie selbst hatte, als ihre Kinder klein waren und sie weiter beruflich engagiert war, eine Tagesmutter. Auch ihr Mann hatte zeitweise Teilzeit gearbeitet. „Es braucht auch immer einen Partner, der mitzieht.“

Die Familie wohnt im Norden von Graz, Monika Stoisser-Göhring pendelt täglich nach Leoben. Die Fahrzeit beträgt zirka 45 Minuten. Bleibt ihr da noch Zeit für Hobbies? „Gott sei Dank muss ich nicht von den Dingen träumen, die ich gerne mache, denn sie sind mit meinem Leben kompatibel. Ich bin gerne in der Natur, ob beim Mountainbiken, Schneeschuhwandern oder Segeln am Neusiedlersee.“ Monika Stoisser-Göhring , CFO-Newcomerin des Jahres 2017, ist wirklich eine beeindruckende und erfrischende Persönlichkeit.

Dieses Porträt stammt von Nik Dolenz und wurde erstmals in CFO aktuell – Zeitschrift für Finance & Controlling (Heft 1/2018) veröffentlicht.
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