Controllingprozess – Planung, Budgetierung und Forecast
Das Controlling-Prozessmodell ist ein Standardmodell der International Group of Controlling (IGC), das die Themenfelder des Controllings analysieren und beschreiben kann. Insgesamt gibt es zehn Controlling-Hauptprozesse, die dort beschrieben werden. Der erste davon ist Planung, Budgetierung und Forecast.
Funktionen der Planung, Budgetierung und des Forecasts
Die Unternehmensplanung, die Budgetierung und der Forecast erfüllen wichtige Funktionen im Unternehmen. Dazu zählen die Planungs-, Kontroll-, Koordinations-, Prognose-, und Explorationsfunktion. Die Planungsfunktion wird von der Planung und Budgetierung wahrgenommen. Die Planung fokussiert sich dabei auf die Ableitung von sachzielorientierten Unternehmenszielen sowie daraus abgeleiteten Maßnahmen und ordnet diesen für benötige Maßnahmen entsprechende Ressourcen zur Sicherstellung der Zielerreichung zu. Die Planung manifestiert somit beim Management vorausschauendes Denken und Handeln, da Maßnahmen zur Realisierung der Unternehmensziele von Beginn an aktiv in die Unternehmensaktivitäten der Geschäftsperiode integriert werden. Die Budgetierung begleitet den Planungsprozess, indem sie die monetären Auswirkungen des sachzielorientierten Plans in den Mittelpunkt rückt. Die Budgetierung überführt die geplanten Unternehmensaktivitäten in monetäre Größen und spiegelt somit die formalzielorientierte Perspektive der Unternehmensplanung wider.6 Zusätzlich kommt die Budgetierung einer Kontrollfunktion nach, wenn die Budgetwerte während und nach der Geschäftsperiode zur Überprüfung des Zielerreichungsgrades herangezogen werden. Dienen die Abweichungsanalysen nicht nur zur Adjustierung von Maßnahmen zur Erreichung bestehender Ziele, sondern auch zur Neuausrichtung bestehender Ziele und Strategien erfüllt die Budgetierung zudem eine Explorationsfunktion. Zur Abbildung der gesamten monetären Entwicklung eines Unternehmens bedarf es zudem der Zusammenführung der Teilpläne der einzelnen Unternehmensbereiche. Durch die damit einhergehende Abstimmung der betrieblichen Pläne von Teilbereichen des Unternehmens nimmt die Planung und Budgetierung zusätzlich eine Koordinationsfunktion wahr. Ergänzend zur Planung und Budgetierung dient der Forecast zur Wahrnehmung der Prognosefunktion, indem aufbauend auf den aktuellen Ist-Werten Vorhersagen zur zukünftigen finanziellen Entwicklung abgeleitet werden. I. d. R. finden die Vorhersagen der finanziellen Entwicklung entweder zu fest definierten unterjährigen Zeitpunkten oder bei gesondertem Informationsbedarf ad-hoc statt.
Integration zu einem Prozess
Um den vielfältigen Anforderungen an die Informationsversorgung des Unternehmens gerecht zu werden, haben sich in der Unternehmenspraxis verschiedene Planungsebenen etabliert. Neben der strategischen Planung und Budgetierung kommen ebenfalls Mittelfristplanungen und Forecasts zum Einsatz. Damit das Planungssystem des Unternehmens so einfach und flexibel wie möglich gestaltet werden kann, bedarf es einer Integration der unterschiedlichen Planungsebenen. Die Verknüpfung von strategischer, mittelfristiger und kurzfristiger Planung sowie des Forecasts muss dabei auf voneinander ableitbaren Vorgaben basieren. Hierbei bilden strategische Zielvorgaben eine wichtige Grundlage für die operative Planung, die als Eckwerte in den Budgetierungsprozess einfließen und die wichtigsten Frühwarnindikatoren für Prognosen der finanziellen Entwicklung vorgeben. Die Integration der unterschiedlichen Planungsebenen muss sich auch im Planungsprozess widerspiegeln. Abb. 10 zeigt ein Beispiel für einen übergreifenden Planungs-, Budgetierungs- und Forecast-Prozess.
Planung und Budgetierung
Ziel der operativen Planung und Budgetierung ist es, die aktive und systematische Auseinandersetzung mit Zielen, Maßnahmen und Budgets in den Organisationseinheiten zu fördern. Sie soll einen wesentlichen Beitrag dazu leisten, das Management bei dem Erreichen der aus den strategischen Zielen abgeleiteten kurz- und mittelfristigen Ziele sowie bei der ertrags- und liquiditätsorientierten Steuerung des Unternehmens und seiner einzelnen Einheiten zu unterstützen.
Inhalte
Die operative Planung schafft unter Berücksichtigung der strategischen Ziele ein Orientierungsgerüst für Aktivitäten und Entscheidungen in kurz- bis mittelfristigem Zeithorizont. Es geht um die Festlegung von Zielen und Maßnahmen, die Zuordnung von Ressourcen sowie die finanzielle Quantifizierung für das Unternehmen als Ganzes sowie für seine einzelnen Einheiten. Gegenstände sind u. a. GuV, Bilanz, Cashflow, Umsatz, Kosten, Ergebnis, Investitionen, Projekte, Mengen, Kapazitäten und Mitarbeiter (vgl. Abb. 11).
Set-up des Prozesses
Der integrierte Planungsprozess beginnt mit dem Set-up des Prozesses. In dieser vorbereitenden Phase sind sämtliche organisatorischen Aspekte der Planung (u. a. Erstellung des Planungskalenders, Vorbereitung der Planungsmasken und -formulare, Festlegung bzw. Adaption der Detaillierungsniveaus der Planung) zu klären. Die vorbereitenden Aktivitäten können weitestgehend im Controller-Dienst abgewickelt werden; die Meilensteine des Planungskalenders sind mit dem Management abzustimmen.
Planungsprämissen und -ziele
Kritisch für einen ressourcenschonenden, gleichzeitig aber auch an den strategischen Zielen ausgerichteten Planungsprozess ist die Festlegung von Planungsprämissen und -zielen zu Beginn des Planungsprozesses. Prämissen stellen notwendige Annahmen über nicht beeinflussbare, aber planungsrelevante Rahmenbedingungen (z.B. Rohölpreisentwicklungen) dar. Die Prämissen sind zentral, d.h. durch eine verantwortliche Fachabteilung festzulegen, parallele Annahmen sind nicht zweckmäßig. Planungsziele stellen die konkreten, an der Unternehmensstrategie ausgerichteten Etappenziele dar (z.B. Umsatzsteigerung, verfügbare Investitionsmittel). Die Ziele sind transparent zu machen, um potenzielle Zielkonflikte (z.B. Wachstum vs. Entschuldung) auflösen und die Ziele auf operative Planungsebenen herunterbrechen zu können. Nur durch einen qualifizierten Top-down-Start der Planung ist eine Orientierung für die nachgelagerten Ebenen möglich.
Zentraler vs. dezentraler Planungsprozess
Während bei der zentralen Planung Zielvorgaben top-down vorgegebenen werden, erfolgt die Zielableitung bei der dezentralen Planung bottom-up oder nach dem Gegenstromprinzip. „Geschäftsnahe“ Pläne sind i.d.R. dezentral zu erstellen (z.B. Funktionen entlang der Wertschöpfungskette, wie Vertrieb, Produktion, Einkauf), aus Vereinfachungs- und Kompetenzgründen werden aber auch Budgets zentral verwaltet und daher zentral geplant (z.B. Schulungsbudget durch Personalabteilung). Wesentlich ist, dass die Planung auf konkreten Maßnahmen basiert. Hoher Planungsunsicherheit kann mit einer flexiblen Zieldefinition entgegengewirkt werden. Methoden dazu umfassen bspw. die Bandbreitenplanung oder die Etablierung einer relativen Leistungsbeurteilung.
Plausibilisierung von Plänen
Der Controller-Dienst hat – abgesehen von der laufenden Unterstützung der Planenden – die Aufgabe, diese Einzelpläne zeitgerecht einzufordern, zusammenzufassen und zu plausibilisieren. Die Plausibilisierung dient dabei nicht nur der Absicherung der inhaltlichen Qualität eines Einzelplanes, sondern auch der Identifikation von weißen Flecken (z.B. Umsatzausweitung in der Vertriebsplanung ohne Berücksichtigung der Kapazitätserweiterung in der Vertriebsmannschaft) oder Überschneidungen (z.B. ähnliche Investitionen an 2 Standorten), um diese qualifiziert aufarbeiten zu können.
Planung als zyklischer Prozess
Eine zentrale Justierung der Pläne auf ein gewünschtes Ergebnis ist zu vermeiden, da dies meist mit dem Verlust des Commitments der Planenden zu den zu erreichenden Zielen einhergeht. Die Planung ist daher in der Aufarbeitung der inhaltlich offenen Punkte als zyklischer Prozess zu verstehen, der 2 bis 3 Planungsschleifen erforderlich machen kann. Hierbei wirkt sich ein besserer Dialog zur Zielfestsetzung zu Beginn der Planung positiv auf die benötigten Abstimmungsschleifen aus. Die dafür notwendige Zeit ist im – prinzipiell straff anzulegenden – Planungskalender zu berücksichtigen. Die erarbeiteten Ergebnisse der Planung werden mit dem Top-Management diskutiert und verabschiedet. Erfahrungsgemäß taucht Überarbeitungsbedarf in der Planung bis kurz vor Verabschiedung dieser auf. Die Controller müssen darauf vorbereitet und über die eingesetzten Planungstools in der Lage sein, auch kurzfristige Änderungen rasch und fehlerfrei in der finalen Planung berücksichtigen zu können.
Tipps:
- Richten Sie einen Controller-Dienst-internen Kick-Off zur Vorbereitung der Planung ein.
- Erstellen Sie einen Planungskalender und kommunizieren Sie diesen allen Beteiligten.
- Berücksichtigen Sie Aktualisierungen und notwendige Planungsschleifen im Planungskalender.
- Verankern Sie planungsrelevante Ziele und Prämissen in einem zentralen Dokument („Planungsbrief“) und stimmen Sie den Planungsbrief zu Beginn der Planung mit den Beteiligten ab.
- Führen Sie einen Top-down-Start der Planung durch und brechen Sie die Ziele frühzeitig herunter, um den Planenden von Beginn an eine inhaltliche Orientierung zu geben.
- Differenzieren Sie die Planung in „Running Business“- und Veränderungs-/Entwicklungsmaßnahmen.
Forecast
Ziele
Forecasting stellt eine planerische Tätigkeit dar und hat intensive Wechselwirkungen mit der operativen Planung und Budgetierung. Ziel des Forecasts ist es, frühzeitig Informationen über zukünftig zu erwartende Abweichungen von der Planung zu liefern, zielgerichtete Maßnahmen zur Schließung von Ziellücken zu entwickeln sowie ggf. schnelle Anpassungen der Umsatz-, Kosten- und Investitionsbudgets etc. bei sich verändernden Rahmenbedingungen zu initiieren.
Inhalte
Im Rahmen des Forecasts erfolgt eine Einschätzung der zukünftigen wirtschaftlichen Entwicklung, der Auswirkung auf Ziele, Pläne und Budgets unter Berücksichtigung von Gegensteuerungsmaßnahmen und Ressourcenanpassungen. Der Forecast geht damit über eine einfache Prognose hinaus. Gegenstand sind finanzielle und nicht-finanzielle Informationen sowie Simulations- und Szenariobetrachtungen. Der Forecast kann sowohl regelmäßig (Standard-Forecast) als auch unregelmäßig (Ad-hoc-Forecast) für das Unternehmen als Ganzes oder für einzelne Themen, Einheiten oder Projekte erstellt werden. Standard-Forecasts können dabei in unterschiedliche Formen, wie den rollierenden oder Year-End-Forecast, unterschieden werden. Der Erwartungswert setzt sich aus dem realisierten Ist und dem Wird, der qualifizierten Neueinschätzung einer definierten Periode in der Zukunft, z.B. des Restjahres, zusammen. Über den Forecast ist es damit möglich, den unterjährig verbesserten Erkenntnisstand für die Unternehmenssteuerung zu nutzen, ohne den Originalplan zu verändern.
Abweichungsanalysen
Ein Forecast wird meistens zumindest quartalsweise erstellt. Da die Vorschau auf den Istdaten aufsetzt, ist ein zeitnaher Monats- oder Quartalsabschluss wichtig. Die Entwicklung der Istwerte ist gegenüber der letzten Vorschau zu analysieren und die Auswirkung auf das Gesamtjahr festzustellen.
Überarbeitung von Ergebnistreibern
Aufbauend auf dieser Analyse sind gemeinsam mit dem Management die wesentlichsten Ergebnistreiber (z.B. Absatzmengen und Verkaufspreise, Rohstoffpreise, Abweichungen vom Investitionsplan) zu überarbeiten und ergebnisverbessernde Maßnahmen zu definieren. Diese in der Vorschau einzuarbeitenden (d.h. in der Folge umzusetzenden) Maßnahmen sind mit dem Management abzustimmen und im Rahmen eines Maßnahmencontrollings zu verfolgen. Eine kostenstellenweise Überarbeitung der Gemeinkosten ist häufig nicht zweckmäßig, besonders im Falle monatlich erstellter Erwartungsrechnungen. Die Überarbeitung der Ergebnistreiber kann aus Zeit- und Ressourcengründen zentralisierter mit einer aktiveren Rolle der Controller erfolgen, als dies in der operativen Planung der Fall ist.
Steigende Aussagekraft vs. abnehmender Gestaltungsspielraum
Die Aussagekraft des Forecasts steigt beim Jahresend-Forecast unterjährig von Durchführung zu Durchführung an, gleichzeitig nimmt aber der Gestaltungsspielraum ab. Die erste Vorschau kann in dynamischen Branchen dazu dienen, dem Budget frühzeitig neue Erkenntnisse gegenüberzustellen und rasch Handlungsfelder zu identifizieren. An der Verbindlichkeit des Originalplans ändert das nichts. Dem Forecast zum Halbjahr und zum dritten Quartal kommt besonders große Bedeutung zu, da zu diesen Zeitpunkten bereits eine qualifizierte Einschätzung des aktuellen Geschäftsjahres vorliegt und Optimierungsmaßnahmen treffsicher festgelegt werden können. Gegen Jahresende steht nur noch die Einarbeitung ergebnis- oder bilanzpolitischer Maßnahmen und damit eine passive Ergebnisprognose („Gewinnwarnung“) im Vordergrund. Abhängig von der Branche und der Selbstbestimmtheit des Unternehmens kann sich auch ein Abgehen von quartalsweisen Vorschauen, z.B. nach Maßgabe der Saisonalität, anbieten. Als Vorschauzeitpunkte bieten sich dann jeweils Saisontäler an (z.B. per 31.8. nach Abschluss einer Sommersaison).
Standard- vs. Ad-hoc-Analyse
Der Forecast ist, sofern es sich nicht um eine anlassbezogene Vorschau handelt, auch stark mit dem Standard-Reportingprozess verzahnt. Der Plan-Ist- und der Plan-Wird-Vergleich werden gemeinsam berichtet und kommentiert. Eine explizite Vorbereitung des Forecast-Prozesses ist nur dann notwendig, wenn Änderungen im Prozess (z.B. stärkere Zentralisierung) oder an den Inhalten (z.B. Vertiefung bei Fremdleistungen, Vereinfachung bei Sachkosten) vorgenommen werden oder anlassbezogen Vorausschauen zu erstellen sind. Anlassbezogenes Vorausschauen stellen Ad-hoc-Analysen dar, die je nach inhaltlichen Anforderungen eine Kooperation zwischen Controller und Linienfunktion oder anderen Fachabteilungen erfordern.
Tipps:
- Reduzieren Sie durch kritische Einschätzung des notwendigen Detaillierungsniveaus und der einzubindenden Personen/Organisationseinheiten Ressourcen, wie z. B. Sach- und Personalkosten.
- Definieren Sie die Forecast-Frequenz individuell nach Bedarf.
- Unterstützen Sie die Managementeinschätzung zum Forecast durch Bereitstellung von relevanten Informationen, wie z.B. Hochrechnungen.
- Fokussieren Sie auf ergebnisverbessernde Maßnahmen und setzen Sie ein Maßnahmencontrolling auf.
Forecasting und Predictive Analytics
Die bisher beschriebenen Forecasting-Ansätze basieren auf traditionellen Analysetechniken, die vergangene und zukünftige Geschäftsentwicklungen auf Grundlage von internen, strukturierten Daten, z.B. in Form von Ist- und Planwerten, unter Zuhilfenahme von deskriptiven Analysemethoden abbilden. Als Weiterentwicklung dieser traditionellen Ansätze bilden sich im Zuge der Digitalisierung unter Anwendung von Predictive Analytics neue Ansätze eines „Data-Driven“ oder „Predictive Forecasting“ heraus. Dabei ermöglichen u.a. die Berücksichtigung von externen Datenquellen und der Einsatz von fortgeschrittenen statistischen Analysemethoden die Prognose von Ergebnisgrößen. Unter Einbezug von externen und internen Datenquellen quantifizieren statistische Modelle zunächst den Einfluss verschiedenster Werttreiber auf wichtige Ergebnisgrößen. Darauf aufbauend kann aus der aktuellen Entwicklung der Werttreiber die zukünftige Entwicklung der Geschäftstätigkeit prognostiziert werden.
Im Herbst 2017 hat die IGC (International Group of Controlling) unter Leitung von Prof. Dr. Klaus Möller die 2. Auflage des Controlling-Prozessmodells herausgegeben. Mehr Infos dazu finden Sie hier
Dein Kommentar
An Diskussion beteiligen?Hinterlassen Sie uns Ihren Kommentar!