Controlling im Nonprofit-Sektor

Eine empirisch-explorative Studie


Ziel der vorliegenden Untersuchung 1 ist es, zu zeigen, inwieweit sich die materielle Ausgestaltung des Controllings im österreichischen Nonprofit-Sektor entwickelt hat. Damit zusammenhängend wurde ein Longitudinalvergleich mit der vom Autor stammenden Erststudie 2 aus dem Jahr 1998 durchgeführt. Dies dient gleichermaßen dem Wirtschaftspraktiker wie auch dem wissenschaftlichen Erkenntnisfortschritt. Einige statistische Daten, die damals noch nicht oder anders ausge­wertet wurden (weil zB andere Variablen gebildet, somit auch andere Verfahren notwendig wurden), sind für diverse Vergleiche aktuell analysiert bzw angepasst worden. Die hier dargestellte Umfrage ist als explorative Studie zu werten, die versucht, das Feld der Unternehmensführung und -planung in Nonprofit-Organisationen zu erschließen.

1. Erhebungstechnik

Als Untersuchungs­methode wurde die quantitative Forschungs­methode mittels eines Online-Fragebogens gewählt. 3 Die Problematik bei der Konzeption des Fragebogens 4 lag darin, dass einerseits viele Aspekte abgefragt werden mussten, um aussagefähige Ergebnisse zu erhalten, der Fragebogen andererseits aber im Interesse einer relativ hohen Rücklaufquote nicht zu umfangreich sein durfte. Der in dieser Arbeit verwendete Fragebogen basiert überwiegend auf der bereits erwähnten Erststudie aus dem Jahr 1998. Dieser wurde zeitgemäß aktualisiert. Um eine möglichst große Anzahl an verwertbaren Antworten sicherstellstellen zu können, wurde darauf geachtet, dass die Fragen so verständlich wie möglich formuliert wurden. Die meisten Antworten wurden programmiertechnisch so aufbereitet, dass die Beantwortung durch Anklicken der betreffenden Antwort erfolgen konnte.

Es wurden zufällig ausgewählte Organisationen in allen Bundesländern Österreichs befragt. Sämtliche Auswertungen erfolgten mithilfe des statistischen Softwareprogramms „IBM SPSS“.

2. Zur Auswertungsmethodik

Aus dem gewählten Ziel der Befragung – der Erfassung der angewandten Verfahrenstechniken in der Praxis – ergibt sich (wenngleich sämtliche Skalierungen vorliegen) überwiegend die Skalierung der Antwortmöglichkeiten als nominal- und ordinalskalierte Merkmale. 5 Aufgrund dieser Skalierungen konzentriert sich die vorliegende empirische Analyse primär auf deskriptive Analyse­methoden. Sie verwendet ferner unspezifische auswertungsbezogene Hypothesen. 6

Neben den Zusammenhangshypothesen werden auch Unterschiedshypothesen geprüft. Im Rahmen der Studie wurden bei der Hypothesen­prüfung die folgenden statistischen Verfahren angewandt.

2.1. Zusammenhangshypothesen

2.2. Unterschiedshypothesen

3. Deskriptive Bestandsaufnahme/Ergebnisse

3.1. Rücklauf

Der Umfang von insgesamt 275 (= 9,7 % Rücklaufquote) verwertbaren Fragebogenbeantwortungen kann als wissenschaftlich repräsentativ eingestuft werden. Die aktive Beteiligung trotz des umfangreichen Fragebogens lässt sich wohl am ehesten dadurch erklären, dass einerseits Anonymität und andererseits Einsicht in die zusammenfassenden Auswertungen der Ergebnisse (online) zugesichert wurden. Zudem hat das Controlling im österreichischen Nonprofit-Sektor eine hohe Bedeutung.

3.2. Größen­ordnung

Analysiert man die Größenmerkmale der befragten Probanden, so bilden Organisationen mit Gesamterträgen <= 350.000 € (45,4 %) die größte Gruppe und jene Organisationen mit Gesamterträgen mit bis zu 1 Mio € die zweitgrößte Gruppe. 63,1 % aller Organisationen erzielen Gesamterträge von bis zu 1 Mio €. Die finanziellen Größenmerkmale gehen mit den personellen konform.

3.3. Rechtsformen

In Bezug auf die Rechtsform bilden gemeinnützige Vereine mit 69,3 % die größte Gruppe. Dies überrascht insofern nicht, als die weitverbreitetste gesellschafts­rechtliche Organisationsform von NPOs – vor allem im Sozialbereich, nicht zuletzt auch aus historischen Gründen – Vereine iSd Vereins­gesetzes 2002 (VerG) darstellen. Die zweithäufigste Rechtsform bilden Körperschaften öffentlichen Rechts. Die anderen Rechtsformen haben nur geringe Bedeutung, obwohl jede rechtliche Organisationsform gemeinnützig tätig sein könnte. Die Rechtsformen nach Anzahl und Prozent sind Tab 1 zu entnehmen.

Unter „sonstige Rechtsform“ gaben die Betroffenen im Wesentlichen an: Selbsthilfegruppen, Interessengemeinschaft oder wissenschaftliche Anstalt.

Tab 1: Rechtsformen

Tab 1: Rechtsformen

3.4. Ehrenamt

Besonders interessant ist die Erhebung in Bezug auf ehrenamtliche Leistungen. Gemeinnützige Organisationen sind ua auch dadurch geprägt, dass freiwillige und unentgeltliche Leistungen – aufgrund welcher Motive auch immer – Bestandteil der gemeinnützigen Tätigkeit sind. Mit der Abnahme an unentgeltlichen Leistungen geht unter Umständen der ideelle Charakter zunehmend verloren. 32,5 % der Befragten gaben an, dass gar keine ehrenamtliche Tätigkeit geleistet wird. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass rund 18,4 % der befragten Organisationen Körperschaften öffentlichen Rechts darstellen, von denen anzunehmen ist, dass keine ehrenamtlichen Tätigkeiten erbracht werden. Weitere rund 40 % der Befragten erbringen ehrenamtliche Tätigkeiten von bis zu 1.600 Stunden pro Jahr, was im Durchschnitt einer Halbtagsbeschäftigung pro Jahr entspricht. 10,1 % erbringen ehrenamtliche Leistungen pro Jahr von mehr als 10.000 Stunden.

Es besteht ein signifikanter Zusammenhang zwischen ehrenamtlicher Tätigkeit und Größe der Organisation (gemessen an den Gesamterträgen): Signifikanz 0,001; Spearman-Korrelation 0,765. Tab 2 gibt Aufschluss über die ehrenamtlichen Leistungen.

Tab 2: Ehrenamtliche Leistungen

Tab 2: Ehrenamtliche Leistungen

3.5. Finanzquellen

Hauptgeldgeber für die von NPOs zu erbringenden Leistungen sind die Länder. An zweiter Stelle stehen sonstige Finanzierungsquellen (hierunter fallen ua insbesondere auch Spenden), an dritter Stelle Mitgliedsbeiträge.

3.6. Gesamtübersicht

Aufgrund der zahlreichen abgefragten Verfahrenstechniken kann hier aus Platzgründen lediglich eine Gesamtübersicht gezeigt werden. Bezüglich der Details sei auf die Primärquelle verwiesen. 8 Aus der Gesamtübersicht in Tab 4 ist deutlich ersichtlich, wie stark die Anwendung von Controlling-Instrumenten im österreichischen Nonprofit-Sektor zugenommen hat:

Tab 3: Finanzquellen

Tab 3: Finanzquellen

Tab 4: Gesamtübersicht der Anwendung von Controlling-Instrumenten

Tab 4: Gesamtübersicht der Anwendung von Controlling-Instrumenten

3.7. Überprüfung der Hypothesen

Tab 5: Hypothesenkatalog

Tab 5: Hypothesenkatalog

Auf den Punkt gebracht

Controlling hat sich in NPOs etabliert, wenngleich weiterhin Entwicklungspotenzial besteht. Im Durchschnitt ist Controlling – insgesamt gesehen – zu rund 42,8 % verbreitet 9 (laut der Erststudie 10 aus dem Jahr 1998 zu 28,7 %). Damit kann gesagt werden, dass Controlling in den letzten zwei Jahrzehnten eine hervorragende Entwicklung genommen hat. Das Bewusstsein, was mit Controlling erreicht werden kann, scheint bei den Betroffenen angekommen zu sein. Die Fülle an Controlling-Seminarangeboten – speziell für NPOs – und die vermehrte Forschung im Controlling-Bereich für NPOs haben einen wesentlichen Beitrag dazu geleistet. Zudem wurden neue Angebote an österreichischen Hochschulen geschaffen, auch die Durchführung von Kongressen und Symposien für NPOs haben dazu beige­steuert. Die aufgezählten Maßnahmen haben der Bewusstseins­bildung und der Verbreitung des Controlling-Gedankens gedient. Gleichzeitig stellt sich gerade für NPOs die Frage, wie groß der Instrumentalisierungsgrad sein kann bzw darf, dh, wie viele Ressourcen für den Aufbau betriebswirtschaftlicher Instrumente verwendet werden sollten. Durch den Einsatz moderner Controlling-Instrumente können die Grundsätze der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit in einer NPO eingehalten und nachgewiesen werden. Der Einsatz solcher Instrumente ist für NPOs daher besonders nützlich.

Von zentraler Bedeutung ist jedoch stets die Frage, inwieweit durch eine Verbesserung des Informationssystems auch eine Verbesserung der Entscheidungs- und Problemlösungsprozesse erzielt werden kann. Qualifizierte Controlling-Konzepte bedeuten noch nicht, dass das System optimal genutzt wird. Dazu bedarf es eines ebenso qualifizierten Fachpersonals.

Der Artikel ist in CFO aktuell (Heft 1/2019) erschienen. Mehr Infos unter: www.cfoaktuell.at


Literaturverzeichnis

Berekhoven/Eckert/Ellenrieder, Marktforschung – Methodische Grundlagen und praktische Anwendung 4 (1989).

Böhler, Marktforschung (1985).

Bortz, Lehrbuch der empirischen Forschung für Sozialwissenschaftler (1984).

Leonhart, Lehrbuch Statistik 4 (2017).

Mummendey, Die Fragebogen-Methode 2 (1995).

Rasch/Friese/Hofmann/Neumann, Quantitative Methoden 1 3 (2010).

Schulze, Beschreibende Statistik (1990).

Zischg, Controlling in Non-Profit-Organisationen (1998).

Zischg, Controlling im Nonprofit-Sektor (2018).


1 Die Gesamtstudie wurde publiziert in Zischg, Controlling im Nonprofit-Sektor (2018).

2 Zischg, Controlling in Non-Profit-Organisationen (1998).

3 Zu den Befragungs­methoden siehe Böhler, Marktforschung (1985) 75–86, sowie Berekhoven/Eckert/Ellenrieder, Marktforschung – Methodische Grundlagen und praktische Anwendung 4 (1989) 89–118.

4 Mummendey, Die Fragebogen-Methode 2 (1995) 15 ff.

5 Zu den verschiedenen Skalierungsmöglichkeiten siehe Schulze, Beschreibende Statistik (1990) 8–11.

6 Diese sagen aus, dass zwischen zwei oder mehreren Merkmalen ein Zusammenhang besteht. Zur Wahl der Untersuchungs­art siehe Bortz, Lehrbuch der empirischen Forschung für Sozialwissenschaftler (1984) 26–29, sowie generell Leonh­art, Lehrbuch Statistik 4 (2017).

7 Siehe dazu Rasch/Friese/Hofmann/Neumann, Quantitative Methoden 1 3 (2010) 140.

8 Zischg, Controlling im Nonprofit-Sektor (2018).

9 Zischg, Controlling im Nonprofit-Sektor (2018).

10 Zischg, Controlling in Non-Profit-Organisationen (1998) 547.

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