CAPE-Ratio

Stellen Sie sich vor, Sie machen sich Sorgen um Ihr Aktienportfolio. In den letzten Jahren seit Corona gab es zwar teils ordentliche Renditen, aber nun erscheinen dunkle Wolken am Horizont. Die Zinssteigerungen haben den Aktien schon nicht gutgetan und die Inflation bringt noch mehr Unsicherheit ins Portfolio. Zugleich scheinen – bis jetzt (Q2/2024) – die Kurse zu halten. Dies macht Sie nachdenklich, ob Sie der Ruhe trauen sollen oder ob dies ein Zeichen für eine Überbewertung sein könnte. Wäre doch schön, wenn man dieses unbestimmte Gefühl durch eine rationale Kennzahl bewerten könnte.


Der Wert von Wertpapieren

Glaubt man an rationale Akteure am Kapitalmarkt, dann ist die beste Methode, den Wert eines Wertpapiers zu berechnen, die Diskontierung zukünftiger Cashflows. Dabei werden die künftigen Erträge des Vermögenswerts prognostiziert und unter Verwendung eines geeigneten Abzinsungssatzes auf den aktuellen Wert abgezinst. Dieser grundlegende Ansatz gilt für verschiedene Arten von Vermögenswerten, darunter Aktien, Anleihen und Immobilien. Bei Aktien ergeben sich die Cashflows als „Earnings per Share“ (EPS), also den Gewinn je Aktie. Dieser steht den Aktionären theoretisch ewig zu Verfügung und kann daher als ewige Rente durch Division mit einem Zinssatz diskontiert werden, um den aktuellen Wert der Aktie zu berechnen. Aufgrund der Unsicherheiten über den Zinssatz und die zukünftigen EPS wird diese Kennzahl in der Regel invertiert und als „Price-to-Earnings-Ratio“ (P/E-Ratio; Kurs-Gewinn-Verhältnis) dargestellt. Diese Kennzahl wiederrum kommt in zwei Varianten vor, um unterschiedliche Aussagen über den Wert des Wertpapiers zu erhalten: das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) und das zyklisch angepasste Kurs-Gewinn-Verhältnis (Cyclically Adjusted Price-Earnings, CAPE). Mithilfe dieser Kennzahlen können Anleger beurteilen, ob eine Aktie überbewertet, unterbewertet oder angemessen bewertet ist.

Das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV)

Das KGV ist eine der am häufigsten verwendeten Bewertungskennzahlen im Finanzwesen. Es wird berechnet, indem der aktuelle Marktpreis einer Aktie durch den Gewinn je Aktie (EPS) der letzten zwölf Monate dividiert wird.

Ein hohes KGV kann darauf hindeuten, dass eine Aktie überbewertet ist oder dass Anleger in der Zukunft hohe Wachstumsraten des Gewinns erwarten. Umgekehrt kann ein niedriges KGV darauf hindeuten, dass die Aktie unterbewertet ist oder das Unternehmen in Schwierigkeiten steckt. Das KGV ist zwar eine nützliche Momentaufnahme, weist jedoch Einschränkungen auf. Es reagiert sehr empfindlich auf kurzfristige Ertragsschwankungen, die durch konjunkturelle Faktoren beeinflusst werden können. Dies kann dazu führen, dass das KGV in Zeiten wirtschaftlicher Volatilität weniger zuverlässig ist.

Das zyklisch angepasste Kurs-Gewinn-Verhältnis (CAPE)

Um die Mängel des traditionellen KGV zu beheben, entwickelte der Nobelpreisträger Robert Shiller das zyklisch angepasste Kurs-Gewinn-Verhältnis (CAPE). Das CAPE-Verhältnis, auch Shiller-KGV genannt, gleicht die Gewinnvolatilität aus, indem es den inflationsbereinigten Durchschnitt von zehn Gewinnjahren verwendet.

Durch die Durchschnittsberechnung der Gewinne über ein Jahrzehnt trägt das CAPE dem zyklischen Charakter wirtschaftlicher Expansionen und Kontraktionen Rechnung und bietet eine stabilere und langfristigere Bewertungsperspektive. Dies macht es besonders nützlich, um langfristige Trends und potenzielle Über- oder Unterbewertungen auf dem gesamten Markt zu erkennen.

Interpretation des aktuellen CAPE-Verhältnisses

Den bisherigen Höchststand erreichte das CAPE im Dezember 1999, als es bei 44,19 lag und mit der Dotcom-Blase zusammenfiel. Shillers Vorhersage des Platzens der Dotcom-Blase basierend auf diesem hohen Verhältnis ist ein Beweis für die prädiktive Kraft des CAPE in Bezug auf langfristige Markttrends.

Im Mai 2024 liegt das CAPE-Verhältnis des S&P 500 bei etwa 33; ein relativ hoher Wert im Vergleich zum Durchschnitt von etwa 16. Historisch gesehen, gingen hohen CAPE-Verhältnissen Phasen unterdurchschnittlicher Aktienmarktrenditen voraus. Es ist jedoch wichtig, dies im Kontext zu betrachten. Niedrige Zinssätze können CAPE-Verhältnisse in die Höhe treiben, da Investoren höhere Renditen in Aktien suchen ebenso wie ein starkes globales Wirtschaftswachstum, da Unternehmen nachhaltiges Gewinnpotenzial sehen. Nachdem beide Kriterien derzeit nicht zutreffen, scheint dies ein Zeichen für einen überbewerteten Markt zu sein.

Die Interpretation von CAPE-Verhältnissen kann in verschiedenen Märkten unterschiedlich sein. Der europäische Aktienmarkt wird typischerweise mit einem niedrigeren CAPE-Verhältnis gehandelt als der US-amerikanische. Dies liegt an Faktoren wie der Wirtschaftsstruktur und den Risikopräferenzen. Derzeit liegt das CAPE in Europa bei etwa 17, was die signifikanten regionalen Unterschiede in der Bewertung und der Anlegerstimmung widerspiegelt.

Kaufen oder verkaufen?

Trotz seiner Nützlichkeit ist das Shiller-KGV nicht ohne Einschränkungen. Es ist noch weiter rückwärtsgerichtet als alle anderen Bewertungsmethoden und wird daher auch von Änderungen der Ausschüttungspolitik oder der Rechnungslegungsgesetze beeinflusst. Wie bei allen Kennzahlen zur Aktienbewertung gilt auch beim CAPE das Problem der Self-Fulfilling-Prophecy: Wenn die Investoren an die Überbewertung glauben, wird sie auch eintreten.

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