„Man muss sich Dinge zutrauen“

Claudia Trampitsch, CFO, AMAG Austria Metall AG


Dann war sie mal weg. Chile, Argentinien, Neuseeland, Australien, Bali, Thailand hießen die Ziele ihrer Reise. Die Länder der Südhalbkugel waren für Claudia Trampitsch stete Orte der Sehnsucht. Nach intensiven Jahren mit Speed-Studium am Juridicum, nahtlosem Berufseintritt und fast sechs Jahren als Steuerberaterin schulterte die damalige Endzwanzigerin ihren Rucksack und machte sich gemeinsam mit ihrem Partner auf den Weg in die Ferne. So war es für die gebürtige Niederösterreicherin aus der Retzer Region an der Zeit, etwas für sich selbst zu tun. „Wir wollten in die Ferne eintauchen“, erzählt die AMAG-Vorständin von ihrer Auszeit.

Die „Grand Tour“ war weniger Bruch als eine Pause im eng getakteten Berufsleben von Trampitsch. Das Abenteuer war mit vier Monaten Dauer wohl kalkuliert: „Wir haben das Ende der Welt gesucht.“ Claudia Trampitsch reiste in der ersten Urlaubsphase bis Ushuaia, Hauptstadt der Provinz Terra del Fuego und zweitsüdlichste Stadt der Welt. Die Trips durch Ozeanien und Südostasien hingegen haben sie in deutlich wärmere Gefilde gebracht – „mit enormen kulturellen Gegensätzen“. In allen Situationen der Reise hätten „die spannenden Bekanntschaften“ sie am meisten beeindruckt: Backpacker wandern „mitten durchs Leben“. Als Pauschaltouristen sammle man nur „Bruchstücke von demwas wir als Rucksackreisende erlebt haben“.

Es war an der Zeit

Claudia Trampitsch ist seit Jahreswechsel Finanzvorständin des Ranshofener Aluminium-Konzerns AMAG. Ihr gelingt damit Historisches: Die 46-Jährige ist die erste Frau im Leitungsgremium des 1,5 Mrd-Konzerns. Die gelernte Juristin ist eine typische „In-house“-Besetzung. Trampitsch gehört seit 2015 zum Management der AMAG. Private Beweggründe hatten die gebürtige Niederösterreicherin 2012 von Wien nach Ried übersiedeln lassen. Beruflich wechselte sie damals zur Linzer KPMG, die seit jeher zu den Platzhirschen unter den Konzernprüfern des Industrielandes Oberösterreich gehört. Es gefiel ihr dort – bis ihr ein Stelleninserat in die Hände fiel: „Ich habe die Ausschreibung gelesen und gedacht: Die meinen mich.“ Die AMAG suchte einen „Head of Group Accounting“, oder – leichter verständlich – einen Leiter oder Leiterin des Konzernrechnungswesens.

Der Karriereschritt nach Ranshofen war groß: Der Wechsel hievte Trampitsch in die mittlere Managementebene, nur mehr dem damaligen CFO unterstellt. Sie platzte in spannende Zeiten: Milliardeninvestitionen für neue Produktionskapazitäten – Bau je eines neuen Warm- und Kaltwalzwerkes – sollten den Standort im Innviertel fit für kommende Zeiten machen. Die Umstände waren turbulent.

Trampitsch nahm die Herausforderungen ab Tag eins an. „Man muss sich Dinge zutrauen.“ Nach eigenen Worten erfüllte sich für sie im neuen Unternehmen ein Idealszenario. Sie fand sich in leitender Stellung im Headquarter eines weltweit tätigen Industriekonzerns, machte im Konzernrechnungswesen genau das, wofür sie sich aus- und weitergebildet hatte, und musste am Weg in die Arbeit das Innviertel nicht verlassen. Dazu kam ein grundlegender Wunsch: „Ich wollte gestalten.“ In der Wirtschaftsprüfung sei sie stets in der „Position der Beobachterin“ geblieben. „Für mich war das der Jackpot.“

Der Aufgabenbereich sollte sich bald verbreitern. 2018 kam zum Potpourri des konzernweiten Rechnungswesens die Geschäftsführung des Konzernablegers AMAG metal GmbH dazu, in der Trampitsch auch weiterhin tätig ist. Die Gesellschaft ist für die 20-Prozent-Beteiligung der AMAG an der kanadischen Elektrolyse Alouette in Quebec verantwortlich. Das riesige Aluminiumwerk wird mit grünem Strom aus Wasserkraft von umliegenden Kraftwerken betrieben und stellt unter anderem auch eine strategische Absicherung der Versorgung mit Primäraluminium für den Innviertler Standort dar. Trampitsch verhandelt unter anderem auch Rohstoffverträge für die Elektrolyse in Kanada. Seither nimmt das nordamerikanische Land und die dortige Beteiligung eine spezielle Stellung im Wirkungsbereich der heutigen Finanzvorständin ein. Trampitsch leitete bisher das „Finance Committee“ und vertritt im „Owners Committee“ (Aufsichtsrat) von Aluminerie Alouette die Interessen der AMAG. „Ich bin zwischen zwei- und viermal im Jahr in Sept-Iles bzw Montreal vor Ort.“ Das bedeutet im Normalfall Abreise am Montag und Rückkehr Freitagfrüh. Neben den Besprechungen bliebe immer wieder etwas Zeit für Museen und Städtebummel: „Montreal ist eine zauberhafte Stadt.“

Trampitsch ist bemüht, auf ihren Dienstreisen dem freudlosen Dreieck aus Flughafen, Konferenzraum und Businesshotel zu entfliehen. „Es geht sich immer ein Abstecher aus“, fordert Trampitsch Flexibilität in der eigenen Terminplanung. So habe sie zwischen zwei Meetings den Roten Platz in Moskau besucht oder sei ein paar Stunden früher angereist, um den Kölner Dom zu besteigen: „Wenn ich schon den ganzen Reisaufwand treibe, dann will ich mehr als ein paar Zahlen mit nach Hause bringen“.

Das Leben ist schön

Claudia Trampitsch ist wenig amüsiert, wenn sie sich in die Ecke eines Nerds gedrängt fühlt. „Mich hat mal jemand gefragt, ob ich nur Fachmedien lese. Ich war schockiert.“ Sie finde es für „sehr wichtig“, dass „Menschen nicht nur den Beruf im Kopf haben“. Dafür biete das Leben „zu viele schöne Dinge“. In ihren frühen Jahren in der Steuerberatung und Wirtschaftsprüfung mit den saisonalen Schwankungen – im Sommer ist der Arbeitsdruck wesentlich geringer als im Winter und Frühjahr, wo die Unternehmen die Abschlüsse brauchen – hat sie die Überstunden im Sommer stets für mehr Freizeit genutzt: „Dann bin ich weggefahren.“

Aber – auch dies sei erwähnt – nach mehrfachen Nachfragen erzählt sie, dass der Zeitausgleich schon auch für einen WIFI-Kurs oder Sprachferien in Spanien genutzt worden war. Wenn es das Wort „Müßiggang“ noch gäbe, dann wäre dies genau das, was Claudia Trampitsch gar nicht liegt. Sie reagiert auf Antriebslosigkeit enttäuscht: „Ich finde es schade, wenn mir Leute um die 40 erzählen, dass sie keine Lust mehr auf Neues und Lernen haben.“ Offenheit und Neugier halte sie für wichtige Eigenschaften jedes Menschen – „egal, ob jung oder alt“. Gefragt, was sie jungen Menschen als Karrieretipp mit auf den Weg geben würde, überlegt sie lange: „Sie dürfen nicht aufhören, auch außerhalb ihrer Kernkompetenz interessiert zu bleiben.“ Sie schätze es, wenn Bewerber erzählen, Mitglied in einer Rockband oder Mannschaftsführerin beim Sport gewesen zu sein. Der Nachweis sei eindrucksvoll, wenn sich junge Menschen auch außerhalb des gewohnten Umfeldes zurechtfinden. Aber dies sei „im Kern unabhängig vom Lebensalter“.

Aktuell ist im Leben von Claudia Trampitsch hohe Flexibilität gefragt. Die frische Position der CFO bedeutet „einen anderen Job“. CFOs haben einen deutlich breiteren Verantwortungsbereich. Zum Rechnungswesen oder dem Metallmanagement kämen jetzt Bereiche wie Recht und Finanzierung. Themen wie Strategien oder Investitionsentscheidungen werden auf Vorstandsebene im Team diskutiert – indem „jeder aus seinem Verantwortungsbereich die notwendigen Informationen beisteuert“. Und letztendlich gelte es, Entscheidungen zu fällen: „Denn das ist es, was einen Vorstand ausmacht.“ Dabei halte sie eine gewisse Harmonie unter den Vorstandskollegen für unverzichtbar: Gegenteilige Beispiele seien Gift für jeden Unternehmenserfolg: „Der Aufsichtsrat eines deutschen DAX-Konzerns musste seinen Vorständen per Aussendung nahelegen, in Zukunft besser zusammenzuarbeiten. Das halte ich für bitter.“

Frauenpower

Ein Interview mit der ersten Finanzvorständin der AMAG darf nicht enden, ohne die Frage nach der Gendergerechtigkeit zu stellen. Braucht es eine Frauenquote für Vorstände und Geschäftsführungen? Ähnlich, wie es dies bereits für Aufsichtsräte gibt? Claudia Trampitsch ist auf diese Frage vorbereitet – so wie jede Vorständin oder Geschäftsführerin eines größeren österreichischen Unternehmens. Zu gering ist immer noch deren Zahl, um weibliche Top-Karrieren als Normalfall anzusehen. Trampitsch verweist auf die EU-Directive on gender balance in company boards, die im Dezember 2022 in Kraft trat und von den EU-Mitgliedsländern bis 28. 12. dieses Jahres in nationales Recht umgesetzt werden muss. Die Direktive gibt vor, dass „große börsennotierte EU-Unternehmen, die bis zum  das Ziel von 40 % der nicht geschäftsführenden Vorstandsmitglieder bzw. 33 % aller Vorstandsmitglieder des unterrepräsentierten Geschlechts nicht erreichen, für faire und transparente Verfahren bei der Auswahl von Vorstandskandidaten sorgen müssen“, so die EU-Kommission wörtlich. Nur wenn zwei Kandidaten unter diesen vergleichbaren Auswahlkriterien gleich qualifiziert sind, soll die Wahl zugunsten des unterrepräsentierten Geschlechts getroffen werden. Claudia Trampitsch„Ich wünsche mir, dass diese Vorgaben zeitnah und ordentlich umgesetzt werden. Schauen wir, wie wir das in Österreich hinkriegen.“


Karrierestationen

2024 bis heute: AMAG Austria Metall AG, CFO, Ranshofen.

2020 bis heute: Aluminerie Alouette, Chairwoman of Finance Committee, Quebec.

2019: Aluminerie Alouette, Member of Owners Committee (Aufsichtsrat), Quebec.

2018 bis heute: AMAG metal GmbH, Managing Director, Ranshofen.

2018: Aluminium Austria Metall Inc, Vice President, Quebec/Kanada.

2015 bis 2024: AMAG Austria Metall AG, Head of Group Accounting/Taxes, Ranshofen.

2012: KPMG Austria GmbH, Senior Manager Audit (Wirtschaftsprüfung), Linz.

2007: BDO Austria GmbH, Senior Manager Audit (Wirtschaftsprüfung), Wien.

2006: Kommunalkredit Austria AG, Controlling/Accounting, Wien.

2001: Deloitte Österreich, Steuerberaterin, Wien.

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