„Ich könnte noch immer eine kleine Landwirtschaft betreiben“

Günther Ofner, CFO, Flughafen Wien AG


Günther Ofner spielt schon lange in der obersten Liga der heimischen Firmenbosse. Mit Temperamentsbezeugungen ist der Finanzchef der Flughafen Wien AG dabei selten aufgefallen. Aber beim Thema Gehaltsverhandlungen bei Österreichs größter Fluglinie wurde Ofner durchaus emotional. In seiner Funktion als Obmann der Sparte Luftfahrt in der Wirtschaftskammer hat er sich mehrmals zu Wort gemeldet. Da war dann schon mal von „Kundenvertreibungsaktion“„Beihilfe zum wirtschaftlichen Selbstmord“ und „Forderungen aus dem Schlaraffenland“ die Rede. Ofner war erkennbar sauer. Für den 67-jährigen gebürtigen Südburgenländer war die nach außen gezeigte Emotionalität ungewöhnlich. Der VIE-Finanzchef gilt als Kommunikationsprofi.

Steherqualitäten

Ofner ist 2011 auf dem Ticket des 20-Prozent-Eigentümers Land Niederösterreich in den Vorstand geschickt worden. 20 Prozent des Unternehmens gehören dem Bundesland Wien, 43 Prozent einem australischen Infrastrukturfonds, 10 Prozent der Mitarbeiterstiftung des Unternehmens, der Rest ist Streubesitz. Er sollte beitragen, den in Turbulenzen geratenen Flughafen Wien wieder in ruhigere Lüfte zu tragen. Das Schwechater Aerodrom war jahrelang von Kostenüberschreitungen und Projektfehlern beim Bau des Skylinks – eines dritten Terminals – durchgeschüttelt worden. Im Juni 2012 – nach sechs Jahren Bauzeit – wurde der neue Flughafenteil letztendlich eröffnet – „ohne ein einziges Gerichtsverfahren“, wie Günther Ofner betont. Heute ist die Flughafen Wien AG „erstmals seit Jahrzehnten“ schuldenfrei. Aktuelle Projekte wie die Erweiterung eines Terminals um 420 Millionen Euro werden zur Gänze aus dem „künftigen Cashflow und ohne Kredite“ finanziert, wie es in einer Aussendung des Flughafens heißt.

Günther Ofner sieht neben handwerklichen Projektfehlern die Gründe für das einstige Desaster in „einer völlig verfehlten Kommunikation“. Erfolgreiche Führung habe sehr viel mit guter Informationspolitik zu tun: „Das wird in vielen Unternehmen falsch gemacht“. Schlechte Nachrichten „scheibchenweise unters Volk zu bringen, sei der denkbar blödeste Weg“. Das Aufregungspotenzial wäre beim Skylink deutlich geringer gewesen, wenn „alle Karten rechtzeitig auf den Tisch“ gelegt worden wären. Er ist überzeugt: „Der Big Bang hätte nicht stattgefunden.“ Dabei sei es normal, dass „bei einem Unternehmen, das im Licht der Öffentlichkeit steht, auch das Licht drauf scheint“.

Es war – neben seinem nüchternen Stil – diese Sicht der Dinge, die dem Juristen einen der zuletzt heißesten, wenn auch wenig begehrten Managementposten Österreichs eingebracht hat. Günther Ofner ist seit 2022 Aufsichtsratspräsident der ÖBAG. Die Holding verwaltet die zentralen Unternehmensbeteiligungen der Republik – und musste nach Jahren der chatgetriebenen Wirrnisse wieder auf Kurs gebracht werden. Als oberster Controller – der er auch bei der Hypo Niederösterreich und – in stellvertretender Position – bei der Wiener Städtischen Versicherung ist – verlässt sich Ofner auf seinen „Misstrauensmuskel“, wie er es nennt: „Man soll als Sparringspartner der Vorstände wirken, nicht alles glauben, sondern durchaus nachfragen“. Bei Anhaltspunkten für „Projekte in Schieflage“ müsse man nachbohren. Ofner setzt dabei auf ein spezielles Credo: „Ich glaube, die wenigsten Unternehmen sind durch übermäßige Kontrolle untergegangen.“ Im Gegenteil: Es sei stets „der zu große Glauben an einzelne Personen oder Projekte gewesen, der den Niedergang großer Firmennamen erst ermöglicht“ habe.

Der Ruf des Sanierers ereilte Ofner bereits in frühen Karrierejahren. 1994 wurde er zum CFO der Burgenländische Elektrizitätswirtschafts AG BEWAG bestellt. Der Landesversorger wurde zu dem Zeitpunkt geradezu durchgeschüttelt von Korruptionsvorwürfen und Beteiligungsproblemen. Ofner hält die zehn Jahre bei der BEWAG heute für seine größte Managementherausforderung. So wurde unter seiner Ägide vor 26 Jahren der erste Windpark des Landes in Zurndorf errichtet, dem viele weitere folgten. Über Details mag er nicht reden: „Was ich damals vorgefunden habe, lässt mich heute noch den Kopf schütteln.“ Nachhaken blieb ergebnislos.

Ein Gefühl für Risiko

Günther Ofner ist überzeugter Jurist. „Wenn ich auf fast 50 Jahre in verschiedensten Funktionen zurückblicke, dann war das juristische Fundament immer der beste Schutz, aber auch eine feste Leitlinie.“ Typische Betriebswirtschaftskenntnisse wie der Aufbau eines Berichtswesens oder eines optimierten Liquiditätsmanagements seien das Ergebnis „vieler Weiterbildungsseminare, eines guten Teams und sehr viel Learning by Doing“, erklärt Ofner. Ein ganzes MBA-Studium wäre neben den beruflichen Verpflichtungen „nicht drin gewesen. Da war zu wenig Zeit.“

Die Position eines operativen Finanzvorstandes – im Gegensatz zu seinen Aufsichtsratsposten – verlange eine Perspektive der „Zielorientierung und des Nachdrucks“: Pläne müssten „definiert und verfolgt“ werden. „Und das erfordert die Fähigkeit, situativ die richtige Strategie und die richtigen Maßnahmen einzusetzen.“ Dabei zähle Risikomanagement zu den zentralen Werkzeugen eines CFO. Natürlich seien Liquidität und Finanzierung überlebenswichtig. Aber „die Hauptverantwortung des Finanzvorstandes ist, das Unternehmen vor letalen Risiken zu bewahren“. Wagnisse seien zwar Teil jeden Geschäftes. Es gehe aber darum, „die Risiken zu erkennen, zu bewerten, und zu begrenzen“. Wenn eine Strategie oder ein Projekt nicht funktionieren, dürfe „der Firmenbestand nicht gefährdet sein“.

Die größte Herausforderung in Ofners Amtszeit am Flughafen war ohne Zweifel die Pandemie. Im April 2020 verzeichnete der Flughafen Wien rund 400 Passagiere pro Tag. So viele starten und landen heute mit einem Airbus A 380. Rückblickend meint Ofner, dass er „nie an der Rückkehr der Fluggäste gezweifelt habe. Die Frage war nur: Wann?“ Betriebswirtschaftlich sei das Instrument der Kurzarbeit „extrem wichtig“ gewesen. Dieses Werkzeug hätten viele internationale Mitbewerber nicht zur Hand gehabt. „Wir konnten unsere Mitarbeiter halten. Viele andere nicht.“ Dies sei von großer Bedeutung gewesen. Als die Reisebeschränkungen gelockert wurden und die Passagierzahlen wieder nach oben gingen, „konnte der Flughafen das Wachstum voll mitmachen“. Dies ist der Hauptgrund, warum der Unternehmensumsatz von 2020 bis 2023 fast verdreifacht und das Konzernergebnis von minus 77 Millionen auf 189 Millionen Euro gedreht wurde. „Ohne unsere Belegschaft hätten wir der Konjunktur nur winken können.“ Dass in den Tagen und Wochen der Unsicherheit im Unternehmen kein Chaos ausbrach, hält Ofner – wieder mal – der Strategie des Informierens zugute: „Wir haben das Team immer am Laufenden gehalten“. Die Belegschaft sei zuversichtlich geblieben – auch in Zeiten, als jeder Passagier ein potenzieller Infektionsträger war. Die Wiener Tageszeitung Kurier zählte jüngst Ofner und Vorstandskollegen Julian Jäger zu den „zweifellos erfolgreichsten Vorstandsteams unter Österreichs Börse-Unternehmen“.

Leere Wiege

Karriere ist nichts, was Günther Ofner vorbestimmt war. Als Ofner in der zweiten Hälfte der Fünfzigerjahre geboren wurde, zählte sein Heimatort Rohr im Bezirk Güssing noch 450 Einwohner. Heute sind es nur mehr 365. Das einstige Nád gehörte bei Ofners Geburt gerade mal 35 Jahre zu Österreich. Seine Jugend verbrachte er nach eigenen Worten „abgeschieden von der großen, weiten Welt“. Seine Eltern hatten eine kleine Landwirtschaft mit fünf Kühen und etwas Ackerfläche. Der ältere Bruder und er mussten – wie damals üblich – von Kindesbeinen an am Hof mithelfen. „Unser Überlebensprinzip war: Anpacken“, erinnert er sich. Die Kindeserinnerungen sind nachdrücklich – bis heute: „Ich könnte noch immer eine kleine Landwirtschaft betreiben.“ Die beiden Ofner-Buben waren die ersten in der gesamten Gemeinde, die das Gymnasium im 16 Kilometer entfernten Güssing besuchen durften.

Mit dem Schulbesuch begann auch Ofners politische Prägung: Den Eintritt in den Mittelschüler-Kartellverband bezeichnet er heute als „Tor zur Welt“. Schülervertreter, Landesschulsprecher, Bundessprecher, Bundesobmann Höherer Schüler – Ofner machte die ganz große Runde einer politischen Schüler- und Studentenlaufbahn, die ihn während des Studiums in die Redaktion der „Politischen Korrespondenz“ spülte, einer Nachrichtenagentur im Umfeld der Industriellenvereinigung. Die Themen Weiterbildung, Journalistenausbildung und Medienforschung begleiten Ofner in allen Jobs seiner frühen Karrierephase. Heute – einige Jahre später – will er es noch mal wissen. Für das 420 Millionen Projekt Terminal-Süderweiterung hat die intensive Bauphase begonnen; 2027 soll sie fertig werden. Der CFO des Wiener Flughafens ist dafür zu einer Verlängerung seines 2025 auslaufenden Vertrages bereit. Und für den Lebensabend bleibt immer noch die Landwirtschaft.

Josef Ruhaltinger ist Journalist und Publizist in Wien (businessnews.at).

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